Januar 27th, 2022

Zwischen Aufbruch und Randale – Der wilde Osten in den Wirren der Nachwendezeit, Geralf Pochop

Posted in bücher by Dolf

Hirnkost KG, Lahnstraße 25, 12355 Berlin, www.hirnkost.de

Das hier steht auf der Buchrückseite: „Die alte Macht hatte nichts mehr zu sagen, die neue war noch nicht wirklich präsent. Es entstand ein rechtsfreier Raum. Es folgte eine Zeit der Hoffnung, des Aufbruchs und der Kreativität. Jede noch so verrückte Idee konnte in die Realität umgesetzt werden. Alles war möglich. Die Aufbruchstimmung beschränkte sich nicht nur auf gesellschaftliche Veränderungen, Hausbesetzungen, Musik- und Jugendsubkulturen, sondern auch auf Familien- und Freizeitzentren, alternativpädagogische Bildungsprojekte und Initiativen für Umwelt und Naturschutz. Geralf Pochop („Untergrund war Strategie“) berichtet von längst vergangenen Zeiten, welche in dieser Form sicher einzigartig waren.

Ein ganzes Land zwischen Aufbruch und Randale. Zwischen Hoffnung und Resignation. Ein Land, eine Subkultur auf der Suche nach der Zukunft.“ Das ist ganz gut positiv zusammengefasst, denn leider war es in weiten Teilen auch deutlich negativer und das ist noch geschönt ausgedrückt. Es erscheint manchmal so, als ob die ganzen Destrukto-Punks, die im Westen nirgendwo mehr willkommen waren, im Osten das taten, was sie am besten können, saufen und randalieren. Gut, natürlich weiß ich nicht ob das in erste Linie Typen aus dem Westen waren, oder ob es hauptsächlich Ost-Punks waren die Punk als Ausrede benutzen sich wie Arschlöcher zu verhalten. Ist auch lange her… Präsentiert werden gut vierzig Geschichten über das Geschehen kurz nach der Wende – und natürlich gab es auch ganz tolle Projekte und gute Entwicklungen! Hier ein paar der Kapitelüberschriften: „Butterfahrt nach Dänemark“, „Das ist unser Haus – Wohnraumbeschaffung in Ostberlin“, „Passt bloß auf Saalepower“, „Krieg in den Städten“, „Schlehmihl Records – Geschichte eines Kultschallplattenladens“, „Ich war dabei – Das dritte Dessau Open Air“, „Oi Punks und Skins United“, „Punkerurlaub am schönen blauen Meer – Force Attack“. Auch dabei sind sogenannte „Zeitzeugeninterviews“ wo eben genau solche Menschen interviewt werden, u.a. Steffen Schölzel, Andreas Höhn, Jörg Folta, Denis Falke und noch fast zehn mehr. Wenn man mal die ganzen „Räubergeschichten“ weglässt bleibt ein Band der einen guten Einblick gibt was nach der Wende in der Punkszene im Osten abging. Der Focus ist hier klar auf dieser Art des Punk, wo es auch wichtig ist das der Iro steht und so… inhaltlich wird also nicht sehr viel geboten außer gegen Faschos zu sein. Das ist zumindest mein Eindruck. Aber wie gesagt, ist lange her. Auf Dauer sind die „Räubergeschichten“ auch irgendwann nicht mehr zu ertragen und einige der Zeitzeugeninterviews hätte man auch gut weglassen können. Die paar Reiseberichte vom Autor passen zwar irgendwie nicht so ganz zum Thema, sind aber eine willkommene Abwechslung und da sie auch immer Punks in den Reisezielen (Peking, Murmansk, Irkutsk) besuchen ist es völlig berechtigt. Wenn ich jetzt sage, das ich mit dem abgefeier von Schlager oder gar dessen Verbindung mit Punk, nichts anfangen kann, dürfte das Menschen die mich ein wenig kennen nicht überraschen, hat dann aber hier auch nicht wirklich was zu suchen. Der Autor und einige seiner Freunde finden es halt lustig. Es ist wie es ist. Natürlich gibt auch massig Fotos, Zeitungsausschnitte und Flyer zu sehen. Alles in allem ein gutes Buch, das sicher ein wichtiges Zeitdokument ist. Auf jeden Fall ein muss für Menschen die dabei waren und für alle die sich für die Punkgeschichte im Osten interessieren auch. 312 Seiten, gebunden, 28,00 Euro (dolf)

Isbn 978-3948675998

[Trust # 211 Dezember 2021]

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