April 6th, 2020

Und sie liest sich nicht einmal gut. – Texte zum Thema Religion Teil 1 Andreas Müller aus #132, 2008

Posted in artikel by Jan

Wenn Gott das wüsste, würde er sich im Grab umdrehen: Wie Theologen den Allmächtigen verteidigen (Teil 2)

4. Die Neuen Atheisten sind säkulare Fundamentalisten
Der Vorwurf lautet: Die Neuen Atheisten sind ebenso fundamentalistisch, wie die religiösen Fanatiker, die sie kritisieren.

Es kann zunächst einmal keine atheistischen oder säkularen „Fundamentalisten“ geben, weil „Fundamentalismus“ dasselbe bedeutet wie „Wortgläubigkeit“. Und dafür braucht man ein Wort, um wörtlich daran zu glauben. Es gibt jedoch keine atheistische Bibel und Dawkins wird mit dem Gotteswahn kaum sein heiliges Buch selbst schreiben. Christopher Hitchens parodierte den Vorwurf einmal und nannte sich einen „First Amendment Fundamentalist“. Er glaubt also im wörtlichen Sinne an die Meinungsfreiheit. Aber sind die Neuen Atheisten militant oder fanatisch auf irgendeine andere Weise?

Richard Dawkins
Als Paradebeispiel wird hier stets Richard Dawkins genannt. Seltsam, denn Richard Dawkins ist das Vorzeigebeispiel für einen politisch korrekten Linksliberalen. Er ist gegen Bush und gegen den Irakkrieg. Er ist auch gegen das britische Königshaus und gegen Zensuren in Schulen, weil die den Kindern so viel Stress machen. Zu Hause hat er Pferdchen von einem Kinderkarussell und kleine Hunde. Zu dessen Lebzeiten war er eng mit dem Humoristen Douglas Adams („Per Anhalter durch die Galaxis“) befreundet, der durch Dawkins Buch „The Blind Watchmaker“ zum Atheisten wurde und sich schließlich sogar als „radikalen Atheisten“ bezeichnete.

Wo jedoch sind die Parallelen zwischen Adams, Dawkins und den Taliban? Wie viele Selbstmordattentate haben die beiden Schriftsteller bislang verübt? Wie viele Frauen haben sie bislang gesteinigt? Wie viele US-Soldaten haben sie bislang erschossen? Keine. Der Vergleich ist nicht nur falsch, sondern verantwortungslos, weil er den wahren Fundamentalismus verharmlost.

Christopher Hitchens
Christopher Hitchens ist ein überzeugter Befürworter des Irakkriegs und trotz seiner polemischen Wortwahl und seinem Drang, Leute zu beleidigen, die besonders hoch in der gesellschaftlichen Hierarchie stehen, sieht man ihn fast täglich im amerikanischen Fernsehen. Vor kurzem hat er die Clintons mit Vampiren verglichen und sich einen Holzpflock für sie gewünscht, worüber selbst die Moderatoren von FOX News lachen mussten. Provokation ist zweifellos Hitchens Element.
Aber: Für alle Positionen, wie radikal sie auch erscheinen, legt er eine Flut an Argumenten vor.
Er verließ die Linke und bezeichnet sich nun als „parteiloser Radikaler“.

Und das ist er wohl auch. Ein Fundamentalist, wie etwa die Taliban, das ist er nicht. Die Taliban teilen keineswegs seine Ziele: Emanzipation der Frau, soziale Gerechtigkeit, Gleichheit, internationale Solidarität, Demokratie, Selbstbestimmung und freie Forschung. Und auch nicht sein Mittel: Freie Debatte. So erklären sich auch Hitchens Biographien von George Orwell und Thomas Jefferson. Das einzige, was man ihm vorwerfen könnte, ist die gnadenlose Art, mit denen er seine Gegner behandelt. Und seine Neigung, alkoholisiert, unrasiert und fluchend auf Debatten und in den Abendnachrichten zu erscheinen.

Sam Harris
Ebenfalls seltener als Dawkins Opfer des Fundamentalismus-Vorwurfs ist der Neurowissenschaftler Sam Harris. Dieser Umstand ist ähnlich erstaunlich wie die Schonung von Christopher Hitchens. Sam Harris befürwortet in seinem Buch „Das Ende des Glaubens“ nicht nur einen Krieg gegen den Islam, sondern auch die Folter von Terrorverdächtigen. Schließlich gebe es bei Bombardierungen viel mehr Kollateralschäden als bei der Folter, zudem diene sie der Gewinnung von Informationen, die über Leben und Tod unzähliger Zivilisten entscheiden können.

„Das Ende des Glaubens“ ist zweifellos ein interessantes Buch voller provokanter Ideen. Beweist es jedoch, dass Sam Harris militant ist oder ein Fanatiker? Nein, denn auch Harris betont stets die Wichtigkeit der freien Debatte, um zu vertretbaren ethischen Lösungen zu gelangen und er lässt sich auch eines Besseren belehren. Obwohl einige seiner Ergebnisse vor der Befürwortung von Gewaltanwendung nicht zurückschrecken, so vertritt er sie doch keineswegs dogmatisch, zudem er wie Hitchens zahlreiche rationale Argumente für seine Positionen nennt.

Was man Harris von Atheistenseite oft vorwirft, ist sein Hang zum Spirituellen. Er verbrachte viele Jahre in Indien beim Meditieren und ist ein großer Anhänger buddhistischer Anleitungen zur Selbst-Erforschung des Bewusstseins. Er betont dennoch klar, dass diese Anleitungen der rationalen Kritik standhalten müssen. Und in der Tat haben Untersuchungen mit buddhistischen Mönchen gezeigt, dass Meditieren das Gehirn auf eine ungewöhnliche Art und Weise stark beeinflusst.

5. Die Aufklärung führte zu KZs und Gaskammern
Das mitunter bizarrste Argument stammt ursprünglich nicht von Theologen, sondern von den beiden Soziologen Theodor W. Adorno und Marx Horkheimer: Man lastet den Neuen Atheisten an, dass die Aufklärung, die sie vertreten, zum Nationalsozialismus geführt habe. Noch immer gilt ihr Essay „Dialektik der Aufklärung“ als die intellektuelle Aufklärungskritik schlechthin, entsprechend groß war ihr Einfluss für die postmodernistische Verirrung der Geisteswissenschaften. Erstaunlich daran ist vor allem, wie haarstäubend schlecht dieser Essay ist.

Er ist nämlich, wenn man diese Anhäufung pseudointellektueller Begriffe in verqueren Satzkonstruktionen überhaupt ernst nehmen möchte, nur eine Kritik des Missbrauchs eines Teils der instrumentellen Vernunft, nicht etwa „der Aufklärung“, wie Horkheimer und Adorno großmäulig behaupten. Will heißen: Die KZs wurden mit Hilfe einer kühlen, rationalen „Vernunft“ gebaut, das nennt sich auch Zweckrationalität. In der Tat. Auch die Gaskammern wurden mit Hilfe dieser Vernunft gebaut und betrieben.

Genau dasselbe gilt für Kindergärten, Flugzeuge, Autobahnen, Hotels, Toaster und Waschmaschinen. Alles, was funktioniert, wurde mittels der instrumentellen Vernunft entworfen und gebaut. Nun haben wir jedoch das Problem, dass diese Vernunft auch missbraucht werden kann, um eben diese KZs, Gaskammern und Atombomben zu bauen. Offensichtlich.

Aber was um alles in der Welt hat das mit dem Projekt der Aufklärung zu tun? Kant defnierte den Wahlspruch der Aufklärung: „Sapere Aude!“ – „Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen“. Dies hatte zur Folge einen Emanzipationsprozess des menschlichen Geistes und schließlich auch des Menschen von der Religion, sowie von der weltlichen Ideologie. Die Aufklärung ging ein Bündnis ein mit dem Erbe der Renaissance – dem Humanismus – und Resultate dieses Emanzipationsprozesses waren bereits vor rund 250 Jahren die Menschenrechte, die Demokratie, die freie Gesellschaft. Der Vernunftbegriff der Aufklärung umfasste schon immer auch ethische Vernunft, lebenspraktische Vernunft, ja eine ganze Menge Vernunft und nicht nur den kühl berechnenden, mathematischen Teil der instrumentellen Version, zudem noch in seiner missbrauchten Variante. Wer seine Zeit noch weiter mit diesem Essay verschwenden will, findet hier eine fundierte Kritik von Egbert Scheunemann.

6. Die Brights sind Szientisten
Ein Szientist ist jemand, für den die Wissenschaft die Antwort auf alles darstellt, für den sie allmächtig und unfehlbar ist. Für einen Szientisten ist die Wissenschaft Gott.  Das Problem besteht jetzt nur darin: Szientisten können rein logisch nicht existieren, weil die Wissenschaft von ihrem Wesen her ergebnisoffen, sich ihrer Unvollkommenheit bewusst und undogmatisch ist. Genau deshalb gibt es ja so viele Tests und Wiedertests und Nochmaltests von Hypothesen, bis man sie zögerlich zu Theorien erklärt. Oder von Medikamenten, bis man sie zulässt. Oder von Orangensaft, bis er in die Regale von Supermärkten wandert. Ein Szientist ist, wie Gott, unvorstellbar. Es handelt sich um ein Konstrukt, das dem menschlichen Geist verschlossen bleibt. Weil es sinnlos ist.

Also sind auch die Brights keine Szientisten. Im Gegenteil finden sich unter ihnen Menschen aus jeder Gesellschaftsschicht. Es gibt Gärtner, die Brights sind, Lehrer, Studenten und Professoren, Architekten, Metzger, Postboten und Bademeister. Sie sind nur gleich in einer Hinsicht: Sie glauben nicht an das Übernatürliche. Sicherlich könnte es dort draußen verrückte oder unmoralische Wissenschaftler geben, wie man sie aus Science-Fiction-Filmen kennt. Aber wenn dem so ist, dann sind dies keine Szientisten.

7. Es muss eine Erste Ursache geben
Auch Thomas Hobbes („Leviathan“) war durchaus der Ansicht, es müsse eine Erste Ursache für die Naturgesetze geben, eine Art Tritt in das Hinterteil des Universums, um es zum Laufen zu bringen. Jedoch ließ er die Frage offen, ob diese Erste Ursache Gott oder ein Mechanismus ist. John Locke hielt das Ganze für offensichtlich, auch, dass es natürlich der christliche Gott sein müsse, der da am Anfang steht – der Anglikaner Locke war ein großer Gegner sowohl der katholischen Kirche wie auch des Atheismus. Die Debatte weitergebracht hat erst David Hume, der meinte, dass wir es schlichtweg nicht wissen können, ob es eine Erste Ursache gab oder nicht. Überhaupt können wir nur wenig wissen und müssen ganz schön vorsichtig sein mit unseren Behauptungen. Nur die Offenbarungsreligionen schienen Hume so unlogisch und so stark im Widerspruch zu unseren Beobachtungen, dass er gegen Ende seines Lebens schließlich meinte, wenn er höre, jemand sei religiös, dann halte er ihn für einen Schurken.

Bis vor kurzem waren wir nicht viel weiter als Hobbes und Hume. Was passierte im Moment des Urknalls? Was war vor dem Urknall? Gab es überhaupt ein „vor“ dem Urknall? Keine Ahnung.
Doch Anfang 2007 veröffentlichte der Physiker Victor Stenger sein Buch God the Failed Hypothesis: How Science Shows That God Does Not Exist. Es handelt sich um nichts anderes als um den Versuch eines negativen Gottesbeweises. Meiner Einschätzung nach gelingt es Stenger nicht ganz, aber tatsächlich beinahe, diesen Beweis zu erbringen. Sei dem, wie es will, so hat er auf jeden Fall etwas Entscheidendes zum Thema Erste Ursache zu sagen.

Ich versuche den für diese Frage relevanten Teil halbwegs korrekt und verständlich zusammenzufassen:
• 1. Beim Big Bang wurde Energie in Masse umgewandelt.
• 2. Eine Energieform kann in eine andere umgewandelt werden, so lange die Gesamtenergie eines geschlossenen Systems gleich bleibt.
• 3. Die Gesamtenergie des Universum beträgt Null, weil die negative Gravitationsenergie die positive Energie der Masse exakt aufwiegt.
• 4. Der Beginn des Universums, wie wir es kennen, erforderte also keinen Bruch der Energieerhaltung.

Es kam keine Energie hinzu und es ging auch keine verloren. Insofern gab es keine „Schöpfung“.
Gäbe es einen Bruch der Energieerhaltung, etwa indem plötzlich eine Unmenge von Energie zugesetzt würde, dann käme das einem Gottesbeweis sehr nahe. So jedoch ist das Gegenteil der Fall. Zudem würde man von einem Schöpfer erwarten, dass er mit der Schöpfung Ordnung ins Weltgefüge bringt, im Gegenteil ist das Universum jedoch extrem unordentlich (die Entropie ist groß, siehe 2. Thermodynamisches Gesetz). Nur in einigen Lokalitäten, wie etwa der Erde, ist die Entropie relativ klein, was einzig daran liegt, dass es sich nicht um ein geschlossenes System handelt: Die Sonnenenergie räumt unseren Planeten auf. Wie eine gewaltige Putzfrau.

Theologen machen sich gerne über Atheisten lustig, weil sie angeblich glauben, dass sich das Universum selbst aus dem Nichts erschaffen habe. Es kommt einem fast ein wenig trotzig vor, wenn Victor Stenger genau das behauptet, da es solche Phänomene im Quantenbereich durchaus gibt. Auf die Frage „Warum gibt es etwas und nicht nichts?“ antwortet er mit einem Zitat des Nobelpreisträgers Frank Wilczek: „Nichts ist instabil.“ Die Wahrscheinlichkeit dafür, dass es etwas gibt und nicht nichts beträgt 60%. Gott wäre also erforderlich gewesen, um ein leeres Universum zu erschaffen, und nicht eines, das mit Planeten, Sonnen, etc. gefüllt ist.

Wer sich in der Lage sehen möchte, Victor Stenger zu kritisieren, der wird wohl oder übel sein Buch kaufen müssen, denn seine Argumentation ist viel umfangreicher. Ein erster Eindruck wurde hoffentlich gewonnen. Sagen wir also, dass eine Welt mit Gott anders aussehen würde als die Welt, in der wir leben, ferner, dass Gott als Erste Ursache überflüssig ist. Wahrscheinlich hatte Thomas Hobbes (1588-1679) also Recht: Am Anfang war ein Mechanismus.

(hpd)

***

Lieber Gott: Bitte rette uns vor deinen Anhängern! Danke und Amen.    (Teil 3)

8. Die Neuen Atheisten sind Antisemiten

Ein typisch deutscher Vorwurf, würde man meinen, doch kommt er in amerikanischen und britischen Debatten ebenso vor. Wobei Dawkins in einem Interview sagte, er wäre in Deutschland besonders unfreundlich aufgenommen worden und in der Tat hat man ihm hierzulande öfter Antisemitismus unterstellt, oder auf ähnliche Weise die Gürtellinie unterschritten. Der Vorwurf lautet: Die Neuen Atheisten, vor allem Richard Dawkins, haben ein Problem mit Juden als Volk, nicht als Religion. Die Logik hinter der Anschuldigung: Atheisten nehmen uns zahlende Gläubige weg und deshalb diffamieren wir sie mit allen Mitteln.

Ein gewisser „kamenin“ geht in seinem Blog auf einen aktuellen Vorwurf dieser Art aus der FAS ein. So wie in diesem Fall funktioniert die Strategie immer: Man zitiert einen der Neuen Atheisten aus dem Zusammenhang, verwendet tausendmal Begriffe wie „judenfeindlich“ und „antisemitisch“ und meint, damit irgendetwas bewiesen zu haben.

Verteidigt wird Dawkins zum Beispiel vom Israel Network, also direkt von denjenigen, die sich für den allerbilligsten Angriff auf die Neuen Atheisten missbrauchen lassen müssen. Einen weiteren Konter findet man beim Skepticker, diesmal mit Bezug auf einen Artikel der SZ. Auch Alan Posener von der Welt geht auf das Thema ein.

Soll sich auf diese Weise das Christentum aus unserer Kultur verabschieden? Indem seine Vertreter selbstgerecht ihre Gegner „Antisemiten“ schimpfen? Vor allem, wo doch das Christentum mit seinen Jahrtausende andauernden Fantasien über Juden – sie trinken das Blut christlicher Kinder, vergiften Brunnen, schänden Kekse – viel mehr zum europäischen Antisemitismus beigetragen hat, als alle anderen Weltanschauungen.

Die leichtfertige Unterstellung von Antisemitismus ist eigentlich selbst antisemitisch. Das Thema wird benutzt, als wäre es nicht sonderlich wichtig, als könnte man einfach jeden, den man nicht leiden kann, statt „Idiot“ einfach „Antisemit“ nennen. Wenn sich jemand beim Bäcker vordrängelt, dann unterstellt man ihm bald einfach, er habe den Holocaust geleugnet. Wenn jemand im Kino sein Handy nicht ausstellt, war sein Vater im KZ für Verbrennungen zuständig. Wenn jemand die Geschichte von der Sintflut nicht mag, ist er ein Feind des jüdischen Volkes (genau das hatten wir ja schon im Falle des Indizierungsantrags für das Ferkelbuch). Und am Ende sind alle Antisemiten, vor allem die Juden selbst.

9. Nicht mein Gott

„Es ist nicht mein Gott, den Sie da kritisieren.“ Ein Ausweichmanöver, das auch bei weltlichen Themen vorkommt, wenn liebgewonnene Ansichten verteidigt werden: Man behauptet, dass die von der Gegenseite geäußerte Kritik an der Sache vorbeigehe, obwohl dies keineswegs der Fall ist.

Christopher Hitchens hat das Problem auf den Punkt gebracht: „Ich hätte für jeden Gläubigen ein eigenes Buch schreiben müssen.“ Der Religionskritiker muss immer verallgemeinern. Jeder muss immer verallgemeinern. Ansonsten bräuchten wir für jeden Sachverhalt, den wir aussprechen, 100 Jahre. Zum Beispiel: „Äpfel sind grün.“ Dabei sind aber nicht alle Äpfel grün. Müssen sich nun rote oder gelbe Äpfel hintergangen fühlen? Oder dürfen sie sich freuen? Und was ist mit verschimmelten Äpfeln? Dasselbe gilt für Religionskritik: „Christen glauben, dass Jesus Gottes Sohn ist.“ Es gibt jedoch auch „Christen“, die meinen, Jesus sei nur ein Mensch gewesen und ein gutes moralisches Vorbild. Gott sei derweil das ultimativ Gute, Schöne und Perfekte, aber keine Person. Für viele Menschen ist diese Interpretation hinreichend, um sich „Christen“ zu nennen, selbst wenn man sie noch vor 300 Jahren wegen Häresie für diese eigenwillige Deutung verbrannt hätte.

Jedoch haben Religionskritiker klare Bezugspunkte: Den Katechechismus der katholischen Kirche, das apostolische Glaubensbekenntnis, Studien, Umfragen, heilige Bücher aller Art. Wer meint, er wäre ein Christ, glaubt aber nicht, dass Jesus Gottes Sohn war, der ist kein Christ. Streng genommen ist niemand, der den Papst für fehlbar hält, ein Katholik. Schließlich ist die katholische Kirche der Urheber des Katholizismus und darf ihn definieren, wie sie will. Wenn Gläubige schlampig mit ihrem Glauben umgehen, dann ist das nicht die Schuld von Religionskritikern. Mit dem selben Recht, mit dem sich manche Leute „Katholiken“ nennen, könnte auch ein Gärtner behaupten, seine Berufsbezeichnung lautete eigentlich „Maurer“.

Oftmals stimmt die Behauptung zudem nicht einmal, das kritisiere Gottesbild wäre nicht das Gottesbild des jeweiligen Gläubigen. Es ist ein scheinbar bequemer Weg aus der Schusslinie der Vernunft.

10. Gott ist unfassbar und unwiderlegbar

In der Tat ist es unfassbar, dass noch immer Menschen an Gott glauben. Die allgemeine Gottes-Unfassbarkeit, die unter Theologen verbreitet ist, hat ihren Ursprung meist in deren Unwillen, etwas Konkretes über Gott auszusagen. Würden sie das, käme schnell ans Licht, dass an ihrem Gott nicht viel dran ist. Oder sie wissen selbst nicht mehr, was sie eigentlich glauben. So ist Gott, der einstige Schwarzenegger der Wolken, nur noch ein „Sein im Seienden“, oder das „Eine, das ist“, oder das Absolute, das so absolut ist, dass es niemand anständig definieren kann. Oder das Gute, aber nicht das Gute selbst, sondern das Gute, das über uns ist, oder, wie Christopher Hitchens es ausdrückte: „Weißes Rauschen.“

Aber unwiderlegbar ist „Gott“ keineswegs. Man bekommt von Theologen oft zu hören, Gott gehöre zum Reich des Transzendenten, des Übernatürlichen, und wäre deshalb von uns nicht erfassbar. Weder können wir seine Existenz belegen, noch können wir sie widerlegen. Diese Haltung wird auch von vielen Wissenschaftlern, etwa von der GWUP (Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften e.V.) geteilt. Ferner könne die Naturwissenschaft überhaupt nichts zur Gottesfrage aussagen, weil es nicht ihr Aufgabenbereich sei. Dass dies offensichtlich falsch ist, scheint fast niemanden sonderlich zu stören.

Rein erkenntnistheoretisch ist diese Aussage zwar korrekt, aber nur, wenn wir 1. alles vergessen, was wir sonst noch über das Universum wissen und/oder 2. von einem Gottesbild ausgehen, das kein Mensch vertritt – es sei denn, wir kaufen Theologen ihre „Das Eine, das ist“-Story ab. Der Umstand, dass man die Nichtexistenz „Gottes“ oder des unsichtbaren, rosafarbenen Einhorns nicht beweisen kann, ist unwichtig.

Wer glaubt schließlich an einen rein transzendenten Gott? An einen Gott, der sich in einer anderen Dimension befindet und nie ins Weltgefüge eingreift? Niemand. Auch Deisten glauben das nicht, denn sie nehmen an, dass Gott die Welt erschaffen, also mindestens einmal in unsere natürliche Welt eingegriffen hat. Wie bereits erläutert, würde ein Universum, das von einem intelligenten Schöpfergott erschaffen wurde, anders aussehen als das unserige. Zum Beispiel hätte am Anfang etwas passieren müssen. Die Schöpfung zum Beispiel. Wenn sich die Gesamtenergie des Universums jedoch nicht verändert hat, dann gab es so etwas nicht. Es gab nur natürliche Prozesse, Energieumwandlungen, die ohnehin jeden Tag unvorstellbar oft vorkommen. Auch der Urknall war nur eine gewaltige Verkettung von Energieumwandlungen. Ohne Schöpfung kein Schöpfer. Das erspart auch die lästige Frage, wer den Schöpfer erschaffen hat, oder wie ein ewig existenter Gott vor der Erschaffung des Universums seine Zeit vertrieb? Ohne Schafe konnte er nicht einmal Schäfchen zählen. Ist der ewige Gott also der Gott der ewigen Langeweile?

Damit wäre aber nur der Gott der Deisten (und der Gott der Theisten als Schöpfer) widerlegt, was ist mit dem christlichen Gott oder mit Allah? Beides sind Götter, die öfter ins Weltgefüge eingreifen. Laut der islamischen Theologie greift Allah sogar immer ins Weltgefüge ein, ohne dieses Eingreifen würde nichts funktionieren. Naturgesetze gibt es im Islam nicht. Alles geschieht nur, weil es der Wille Allahs ist.

Weniger radikal ist der christliche Gott, der eingreift, wenn er mit Propheten spricht oder Wunder wirkt, oder wenn er seinen Sohn von einer antiken Besatzungsmacht hinrichten lässt.

Propheten haben ihre Visionen meist zeitgleich mit ihren epileptischen Anfällen, was misstrauisch machen sollte. Auch enthalten ihre Prophezeiungen nichts, was sich nicht jeder von uns auch hätte ausdenken können.

Die Wunder der Bibel enspringen der Vorstellungswelt ihrer Urheber. Wasser in Wein verwandeln, Kranke heilen, von den Toten wieder auferstehen, Brot und Fische vermehren. Das haben schon die ägyptischen Götter gerne getan. Nichts davon ist originell oder herausragend. Sogar die gewaltige Sintflut kommt bereits im 5000 Jahre alten Epos Gilgamesh vor (daher stammt sie auch). Was wäre eines Gottes würdig gewesen? Zum Beispiel die Verwandlung eines Staubkorns in eine Atombombe. Oder die Konstruktion eines Mikrowellenherds, der Manna in einer Sekunde heiß macht.

Nirgends in der Bibel ist von einem Heilmittel gegen Krebs die Rede, von Strings und Superquanten, oder von Shakespeare (Warum hat Gott Shakespeare eigentlich zu einem besseren Schriftsteller gemacht, als er es selbst ist?). Die Bibel ist das Ergebnis ihrer Entstehungszeit und sie enthält absolut nichts, was auch nur ein Quäntchen darüber hinausragt. Gott hätte ein anderes Buch geschrieben. Ein Buch mit tiefen Einblicken in die Mathematik, Physik, Biologie. Ein Buch, das es wert ist, einem ausgewählten Volk überreicht zu werden.

Fazit: Bestimmte Eigenschaften eines Gottes, der in die Welt eingreift, können widerlegt werden (insofern man überhaupt etwas widerlegen kann). Und zwar so lange, bis von diesem Gott nichts Interessantes mehr übrig bleibt. Ein Gottesbild, das sich selbst widerspricht, ist logisch widerlegt (z.B. Die einfältige Dreifaltigkeit). Die Naturwissenschaften können über einen rein transzendenten Gott nichts aussagen. Da niemand an einen solchen Gott glaubt, ist dieser Umständ irrelevant. Alle relevanten Götter können teils oder ganz auf ihren Einfluss in der Welt untersucht werden. Und dies ist bereits in einem Ausmaß geschehen, dass vom großen, allmächtigen Mann im Himmel nur noch ein Lückenbüßer-Gott übrig geblieben ist.

Und bald wird auch dieser verschwinden.

***
Ausblick: Die „Religion in der Defensive“-Reihe endet zunächst mit diesem Teil. Die restlichen Argumente der Bodyguards des Allmächtigen sollen auch noch eine Antwort erhalten. Diese sind zwar nicht besser, aber weiter verbreitet und etablierter als einige der bislang genannten Argumente, weshalb ihnen ein eigener Artikel gewidmet wird. Dazu gehören: „Keine Moral ohne Gott“ und das auch bei vielen Atheisten beliebte, aber haarsträubende Argument „Religiöse Gewalt hat nichts mit Religion zu tun“. Bis dahin bieten wir neue übersetzte Texte von den Brights und von den Neuen Atheisten an.

Andreas Müller

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Über freischwebende Intelligenzen und höhere Mächte    

Laut der Shell Jugendstudie von 2006 glauben 19% der Jugendlichen an eine unpersönliche höhere Macht. Dieser Glaube nimmt mit dem Alter zu. Für die Religionskritik spielte dieser eigenartige Glaube bislang kaum eine Rolle. Er scheint auf den ersten Blick keinen sonderlichen Schaden anzurichten. Wegen „Irgendetwas Höherem“ werden keine Ungläubigen geköpft.

Das ist wohl auch durchaus richtig. Dennoch stimmt auch mit dieser Form von Religiösität etwas nicht. Wer meint, dass es da draußen irgendetwas Höheres geben müsse, der scheint sich nicht ernsthaft mit Gott und der Welt befassen zu wollen oder zu können. Ferner zeugt eine solche Haltung von einem sehr nebulösen und somit unklaren Denken. Bekanntlich steht weit oben auf dem Programm der Aufklärung die gedankliche Klarheit.

Daniel Dennett bezeichnet Anhänger einer Version dieses Glaubens als „Murkies“. Murkies sind nicht wirklich religiös. Sie glauben nicht an jemanden, der ihre Gebete erhört und der die Welt erschaffen hat. Sie glauben nur an ein „höheres Prinzip“, an eine „tiefere Wahrheit“ und natürlich an die allseits beliebten „Geheimnisse des Universums“ und sie können es gar nicht leiden, wenn ihnen jemand diesen „Glauben“ nehmen will. Das ist schon überaus seltsam. Denn wer an „irgendetwas“ glaubt, der weiß gar nicht, woran er glaubt, tut das aber trotzdem unter Umständen mit einiger Überzeugung.

Es gibt in diesem Fall scheinbar keine klaren Anhaltspunkte für Kritik, keine haarsträubenden Dogmen um Kekse und Jungfrauen, keine Kartenspieler-Wunder oder unfähige Propheten. Jedoch existiert eine Fassung dieser Haltung (oder sind es verschiedene?), zu der sich schon mehr aussagen lässt: „Es gibt irgendwo da draußen eine höhere Intelligenz.“

Diese Intelligenz stellt man sich als körperloses, unpersönliches und freischwebendes Etwas vor, das zudem noch unsichtbar ist, aber dennoch sehr intelligent. Und irgendwie steckt es hinter dem Universum und dem ganzen Rest, ist vielleicht die Grundlage der Naturgesetze. Womöglich handelt es sich bei dieser Haltung um eine Spielart des so genannten „Panentheismus“, nicht zu verwechseln mit dem „Pantheismus“, der jedoch ebenso einige Fassungen dieses „Irgendwas-ismus“ bezeichnen könnte. Dabei geht es um eine Wesenheit, die in und über, aber nicht außerhalb des Universums steht, die gleichzeitig immanent und trotz allem transzendent ist, wobei dieses Wesen alles umfasst. Einen logisch nachvollziehbaren Sinn ergibt dieses Konzept wahrlich nicht. Vielleicht erklärt es sich ja durch ein panentheistisches religiöses Gefühl, dem diese eigenartige Sichtweise entstammt.

Ferner gibt es einige Probleme mit dem Konzept einer freischwebenden Intelligenz. Intelligenz ist immer an einen Körper gebunden. Nur ein Körper hat Bedürfnisse und Wünsche. Er will zum Beispiel essen, schlafen und einen Mercedes. Seine Intelligenz verwendet er darauf, seine Bedürfnisse und Wünsche zu befriedigen. Was jedoch sind die Bedürfnisse einer körperlosen Intelligenz? Warum sollte sie überhaupt irgendetwas wollen? Essen und schlafen muss sie nicht und mit einem Mercedes kann sie nichts anfangen. Ist sie vielleicht besonders selbstlos, weil sie keine eigenen Wünsche hat? Wohl kaum, jedenfalls nicht im Bezug auf Menschen, die dem Wesen einer solchen Intelligenz vollkommen fremd wären, sondern höchstens in Bezug auf andere freischwebende, intelligente Existenzen. Dann wieder haben diese anderen Intelligenzen keine eigenen Wünsche, benötigen also niemanden, der für sie altruistisch handelt. Man braucht kaum zu erwähnen, dass es für diese intelligenten Freischweber keinerlei Belege gibt.

Und dieser Glaube nimmt mit dem Alter zu. Die Betroffenen glauben also immer stärker an etwas, von dem sie keine Ahnung haben, was es ist. Zu allem Überfluss sind viele Vertreter dieser Gattung überheblich gegenüber Menschen, die nicht an „irgendetwas“ glauben, denn „an irgendetwas muss man doch glauben“. Und wenn man das nicht tut, dann ist man „materialistisch“ oder „oberflächlich“ und hat kein „Gespür für die tieferen Geheimnisse des Universums“. Denn jeder Mensch braucht doch „einen Halt“ und etwas, das „über ihm“ steht.

Berühmt ist inzwischen die Antwort des Schriftstellers Douglas Adams auf die große Frage nach dem Universum und dem ganzen Rest, nach eben jenen „tiefen Geheimnissen des Universums“. Sie lautet „42“. Die Frage ist nur, wie die Frage lautete. Es handelt sich dabei um einen Aufruf zur gedanklichen Klarheit. Das bloße Gefühl, man müsse etwas in Erfahrung bringen, was man noch nicht weiß, genügt nicht. In der Tat besteht die große Aufgabe der Philosophie traditionell darin, die richtigen Fragen zu stellen.

Und nun wird es auch noch moralisch, wenn solche Menschen sagen, dass es „Hybris“ wäre, zu glauben, dass man selbst „das Höchste auf der Welt“ sei. In der Tat benötigt das Konzept der Hybris irgendeine Art von Göttern. Schließlich besagt es, dass man sich widerrechtlich in den Bereich des Göttlichen hineingewagt hat und nun dafür bestraft werden wird. Beliebtestes Beispiel für Hybris war der Glaube an die Unsinkbarkeit der Titantic, mit dem man die Götter herausforderte. Das haben sie nun davon… dass sie zu schnell gefahren sind und nicht genügend Rettungsboote auf dem Schiff montierten. Mit einem Eingriff in das Göttliche hatte der Untergang der Titanic nichts zu tun, sondern einfach nur mit Selbstüberschätzung und einer ordentlichen Portion Pech.

Konsequenterweise sollten wir auf die Hybris verzichten. Das „Hinausragen ins Göttliche“, auch als „Gott spielen“ bekannt, ist eine völlig willkürliche moralische Kategorie und somit wertlos. Spielen wir nicht schon Gott, seitdem wir Landwirtschaft betreiben? Ist nicht die Züchtung von Haus- und Nutztieren mit ihrer gezielten gentechnischen Veränderung, die heutzutage Hybris sein soll, identisch, nur eben langsamer? War Höhlenmalerei bereits Hybris, wo doch andere Tiere nicht malen?

In dem Spielfilm Jurassic Park 3 gibt es eine Szene, in welcher der Paläontologe Alan Grant seinen Wissenschaftlerkollegen vorwirft, „Gott zu spielen“, als er Behälter für Dinosaurierföten entdeckt. Doch ist die künstliche Erhaltung von beispielsweise Wildpferden nicht auch Hybris, wenn sie doch eigentlich aussterben müssten? Wäre die genetische Erschaffung von Dodos, die technisch vielleicht bald möglich ist, ebenfalls Hybris? Nicht, dass irgendjemand Dodos bräuchte. Kurz gesagt: Die Idee einer „Hybris“ ist sinnlos und sollte ersetzt werden durch vernünftige moralische Konzepte, welche die wirklichen Kosten und Nutzen menschlicher Handlungen im Auge haben.

Wir brauchen schlichtweg keine Gottheiten, egal wie wenige Eigenschaften sie haben und wie nebulös und unfassbar man sie sich vorstellt. Vor allem, wenn man auch noch moralische Ansichten mit einem solchen Wischiwaschi-Glauben verbindet.

Andreas Müller

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INDIEN. (gwup) Im Westen gilt Tantra gemeinhin als Synonym für ausdauernde Sexualpraktiken. Im Ursprungsland Indien könne Tantra aber noch viel bewirken, heißt es. Manche behaupten sogar, mit Tantra Menschen schaden, ja töten zu können. Nein, nicht auf die ausdauernde Sex-Art mit viel Körpereinsatz – sondern mit Zaubersprüchen.

Sanal Edamaruku, Präsident von Rationalist International, blieb skeptisch. Am 3. März forderte er im indischen Fernsehen den vorgeblich mächtigsten Tantrik des Landes heraus, seine Kräfte zu beweisen: Pandit Surinder Sharma. Der selbsternannte Schwarzmagier hatte zuvor behauptet, im Auftrag hochrangiger Politiker zu stehen und für sie zu zaubern. Als er auch noch meinte, jeden beliebigen Menschen innerhalb von drei Minuten durch schwarze Magie töten zu können, wollte der Skeptiker Sanal einen Beweis sehen – und bot sich selbst als Testperson an.

Aus drei Minuten wurden zwei Stunden. Die Live-Sendung hatte längst den Zeitrahmen gesprengt. Doch Sanal Edamaruku lebte immer noch, wirkte sogar sehr amüsiert. Der Moderator brach das Experiment schließlich ab – und erklärte den Magier zum Verlierer. Dieser versuchte es mit der Ausrede, Sanal stehe unter dem Schutz eines sehr starken Gottes. Sanal wiederum erwiderte: „Ich bin Atheist.“
Revanche beim „Tantra der absoluten Zerstörung“

Auftakt zur zweiten Runde! Noch in der Nacht gewährte Sanal dem Schwarzmagier eine letzte Revanche beim „Tantra der absoluten Zerstörung“. Erneut laborierte Pandit Surinder Sharma stundenlang unter viel Hokuspokus an dem Skeptiker herum: mit steigender Vehemenz und – wohl mangels Erfolg – teilweise körperlicher Gewalt …

Inzwischen sahen mehrere Millionen Menschen die kurios-morbide Live-Sendung, die immerhin darin hätte gipfeln können, dass jemand wahnsinnig, schreiend und unter Todeskrämpfen verschied – so zumindest die spektakuläre Ankündigung des Magiers. Doch niemand starb. Stattdessen wurden die Zuschauer Zeugen, als der Tantra-Scharlatan nach drei weiteren Stunden vom Moderator ausgezählt wurde – und erneut als Verlierer vom Altar trat.

Rationalist International schreibt auf seiner Webseite (Bulletin 171): „Sanal war sehr lebendig. Die Macht des Tantra hatte kläglich versagt. Tantriks schaffen eine solch furchterregende Atmosphäre, dass selbst Leute, die wissen, dass nichts dran ist an schwarzer Magie, aus Angst zusammenbrechen können, kommentierte ein Wissenschaftler in der Sendung. Es verlangt enormen Mut und starkes Selbstvertrauen, sie herauszufordern, indem man tatsächlich sein Leben aufs Spiel setzt, sagte er. Indem er das getan hat, hat Sanal den Bann gebrochen und denen, die seinen Triumph erlebt haben, viel von ihrer Angst genommen. In dieser Nacht erlitt einer der gefährlichsten und in ganz Indien verbreiteten Aberglauben einen schweren Schlag.“

Aufklärung, die Angst nimmt
Wir beglückwünschen Rationalist International und Sanal Edamaruku für diese so eindrucksvolle wie auch publikumswirksame Demonstration unbeugsamen kritischen Denkens und schließen uns dem Lob von Skeptiker-Urgestein James Randi an: „Eins zu Null für die Vernunft!“

Humbug statt Hypnose
Sanal Edamaruku ist am 15. März wieder aktiv geworden und hat die angeblichen Hypnose-Kräfte eines New-Age-Gurus als Humbug entlarvt. Dieser hatte in einer indischen TV-Show behauptet, die geistige und körperliche Stärke seiner Klienten durch Hypnose in Sekundenschnelle erhöhen zu können.
Nach etwas Hokuspokus, bei dem Guru Sivanand einige Freiwillige (angeblich ihm unbekannte Personen) in vermeintlichen Schlaf versetzt hatte, wählte er eine junge Frau aus dem Publikum fürs große Finale: Ihr befahl er unter Hypnose, sich „stark wie Metall“ zu fühlen, legte dann ihren Körper auf zwei Sessel (ungefähr so, dass ihre Mitte ohne Stütze war) – und ließ einen Jugendlichen darüberlaufen. Das, so Sivanand, sei nur durch seine Hypnose möglich, die der Frau die nötige Stärke verlieh …

Auftritt Sanal Edamaruku: Der Skeptiker fackelte nicht lange. Er wählte eine andere Person aus dem Publikum, verzichtete auf pseudo-hypnotisches Brimborium, bettete den Mann ebenfalls zwischen zwei Sessel und stellte denselben Jugendlichen auf dessen schwebende Körpermitte. Der Mann fühlte sich dabei bestens – und auch er brach unter dem Gewicht des Jungen nicht zusammen. Ohne Hypnose oder New-Age-Bohei. „Etwas Selbstvertrauen und die ganz natürliche Stärke des menschlichen Körpers genügen dazu absolut“, erklärte Sanal. Ein alter Trick, kein übernatürliches oder auf Hynosekräfte beschränktes Phänomen.

Der als Scharlatan entlarvte Guru, der ohne jede medizinische und psychologische Ausbildung seit Jahren an tausenden Patienten herumquacksalbert, schwieg betreten. Und wie sich später noch herausstellte, war die angeblich zufällig gewählte Frau, die Sivanand in Metall „verwandelt“ hatte, genau dafür von ihm angeheuert worden: Mehrere Zeugen hatten vor der Live-Show gehört, wie die angehende Schauspielerin einigen Freunden am Telefon ihren baldigen Auftritt angekündigte …

Autor: Stefan Kirsch.
Der Artikel erschien erstmalig in http://blog.gwup.net.

 

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