Dezember 31st, 2021

THE SEWER RATS (#204, 2020)

Posted in interview by Thorsten

Das Thema des Älterwerdens und der Kampf dagegen ist ein fester Bestandteil der Punk Rock-Geschichte. Die erwachsene Welt, das ist das Establishment, die festgefahrenen Strukturen, der Konservatismus, die Jugend eine Quelle der Rebellion, der Unangepasstheit. So kam dann auch die erste Hymne recht früh mit „Young until I die“, wobei Kevin Seconds interesanterweise sowohl „You finish college, grab a wife, you’re dead before you’re 35“ als auch „I’d rather work from 9 to 5 than drink to stay alive“ sang, also eine etwas andere Linie zog als allein die des Alters (neben der mit den Promillen).Auch MILLENCOLIN befassten sich schon beinahe traditionell auf vielen Alben mit ihrem Alter und gaben eine Bestandsaufnahme ab, sei es in „Bulion“, „Twenty-Two“, „Right About Now“ oder „The Downhill Walk“, aber bei ihnen war der Blick eher nach innen gerichtet und weniger in Abgrenzung zur Gesellschaft. „I’m over 27, not in long I’ll be an antique“singt Nikola, die Altersgrenzen sind also andere im Punk Rock als anderswo, klingt fast nach einem Profi-Fussballer. Das Geschäft ist hart und der eigene Wert sinkt schnell und unerbittlich – es geht also nicht nur um das eigene Alter, sondern auch die äußere Sicht darauf. Brandaktuelles Beispiel dazu sind auch THE LAWRENCE ARMS, die bereits seit über zwanzig Jahren existieren und vor einigen Tage mit „Skeleton Coast“ ein formidables Punk Rock-Werk abgeliefert haben. Sie singen auf „Ghostwriter“ die Zeilen „I am a ghostwriter. Pretend I am forever young. I bleed every ribbon dry. Waiting for my day to come. How long can we sing the same old tired songs?“, was schon gelesen werden kann als die Frage: Wie lange kann das hier noch gut gehen – in meinen Augen, aber auch in den Augen der anderen?

Auf eine andere Weise beschäftigen sich THE SEWER RATS mit dem Thema. Die Band aus Köln zieht ihr Ding auch schon seit vielen Jahren durch und hat vor kurzem ihr viertes Album „Magic Summer“ herausgebracht. Dabei geht es viel um das allseits bekannte Thema coming of age, aber gleichzeitig auch um den Blick zurück, die Sehnsucht nach anderen Zeiten, das pro-aktive Erhalten der eigenen Lebensweise und eben das Jungbleiben, inmitten von Alter, Beruf, Familie und Gesellschaft. Dass sie die Sache eher mit Humor angehen, aber trotzdem immer viel Wahrheit in ihre Zeilen packen und auch eine gewisse Melancholie durchschimmern lassen, hebt ihr aktuelles Schaffen – neben dem Fakt, dass das einfach sau-starker Melodic Punk Rock ist – als gelungenes Statement zu den genannten Themen hervor.
Aber genug der Worte, Bühne frei für THE SEWER RATS und ihren magischen Sommer.

Erst einmal Respekt zur neuen Platte „Magic Summer“, geht mir sehr gut rein und holt mich vom Vibe sehr gut ab. War das Thema des eigenen Erwachsenwerdens die Überschrift für die Platte und wenn ja, warum ist das euch so wichtig?

Chris: Vielen Dank, das freut mich mega, dass dir die Platte gefällt! Wir haben tatsächlich erst im Nachhinein gemerkt, dass viele dieser Songs sich mit dem Thema des Erwachsenwerdens beschäftigen. Ich habe die Songs aber nicht mit dem Vorsatz konkret geschrieben, das ist einfach so passiert, ich verarbeite in Songs immer Dinge, die mich gerade irgendwie beschäftigen oder betreffen. Diese Idee von einem „Magic Summer“ ist ja quasi die utopische Antwort auf die ganzen Herausforderungen und Probleme, die das „Erwachsenwerden“ mit sich bringt. Man will nicht, dass sich gewisse Dinge ändern und denkt sehnsüchtig an die unbeschwerten Teenagerjahre zurück. „Magic Summer“ steht für mich in diesem Zusammenhang für den Wunsch, einmal noch so einen epischen Sommer erleben zu können, mit Punkrock-Mixtapes, allen Freunden an Bord und massig Zeit und Skateboards im Gepäck. „Magic Summer“ ist ein Wunschtraum, eine melancholische Utopie.

Euer Sound ist nun noch etwas mehr Richtung Skate Punk á la FATWRECK oder LOOKOUT gewandert, war das eine bewusste Entscheidung, diesen musikalischen Weg einzuschlagen, oder hat sich das auch so ergeben?

Chris: Wir haben den Weg ja bereits mit „Heartbreaks and Milkshakes“ eingeschlagen, wobei „Magic Summer“ eventuell noch ein wenig schneller ausgefallen ist und „Heartbreaks and Milkshakes“ noch ein paar mehr midtempo-Pop-Punk-Lovesongs hatte. Für den FATWRECK-Sound ist aber auf jeden Fall auch das Studio, wo die Platte gemischt und gemastered wurde, verantwortlich: Bill Stevensons Blasting Room in Fort Collins, Colorado.

Ist es eigentlich Zufall, dass „I Don´t Wanna Go To The Dentist No More“ mit zwei AGNOSTIC FRONT-Referenzen beginnt?

Chris: Endlich merkt es mal jemand! Du bist gut! Nein, das ist kein Zufall und ich habe auch noch eine kleine SLAYER-Referenz eingebaut. Mir macht sowas Spaß.
Archi: Ich find’s auch mega spaßig. Wir hatten diese Art von Referenzen ja auch schon auf der letzten Platte bei „(I Would) Run to the Hills (For You)“. Umso geiler, dass es auch in diesem Song der Fall ist, der entstanden ist, weil ich wegen eines Zahnarzttermins nicht zur Probe kommen konnte.

Ein Song auf dem Album sticht etwas heraus, „Choice“ zum Thema vegane Ernährung – warum ist gerade dieses Thema euch so wichtig? Ihr findet im CD-Inlay ja auch sehr deutliche Worte zu dem Thema.

Chris: Seit ich mit 17 Vegetarier geworden bin, ist mir das Thema Tierrechte eine absolute Herzensangelegenheit. Damals haben mich die Texte von PROPAGANDHI und THUMB zum Umdenken gebracht. Ich habe dann direkt mit 18 einen Song geschrieben, der „Go Vegetarian“ heißt, mit meiner damaligen Punkband auf meinem Tascam-4-Spur aufgenommen und als PROPAGANDHI in Trier gespielt haben, denen den Song auf gebrannter CD und mit schlecht gebasteltem Cover gegeben. Bzw. mein bester Freund und damaliger Basser musste das tun, ich war starstruck und hab mich nicht getraut, haha. Mit Ende 20 wurde ich dann vegan, ich wusste immer, dass ich irgendwann diesen zweiten Schritt noch gehen wollen würde, aber habe noch etwas Zeit gebraucht. Jeder geht bei sowas seinen eigenen Weg und mir ist bei dem Song sehr wichtig, ohne erhobenen Zeigefinger daherzukommen, sondern eine positive und empowernde Message zu haben, dass man nämlich jeden Tag aufs neue die Chance hat, bessere Entscheidungen für sich und andere zu treffen. Dabei zählt jeder Schritt in die richtige Richtung, also dem Verringern von Tierleid.
Ich bin mega happy, dass wir nun endlich auch mit einem Song klar Stellung beziehen, online und offline war das schon immer unser Standpunkt. Go vegan ey! Schmeckt geil und ist geiler für alle! Fuck Tönnies! Fuck Massentierhaltung! Fuck Schlachthäuser!

Finde auch, dass ihr bei den Lyrics für den Song einen sehr passenden Ton getroffen habt, sehr stark. Daneben ist das Thema Nostalgie sehr zentral auf „Magic Summer“ und ich kann es links und rechts bei Freunden sehen, aber seit einigen Jahren auch bei mir selbst, dass ich die guten alten Tage mental, verbal oder klar auch musikalisch hochleben lasse. Fühlt ihr euch auch etwas kleben geblieben auf diesem Film oder wie kriegt man das hin, dass man nicht hängengeblieben wirkt? Ich finde ihr meistert das ganz gut, vielleicht mit Ausnahme von „My Sweet Chun-Li“, haha.

Chris: Das Ding ist, ich liebe halt immer noch dieselben Sachen wie früher. Einiges hat sich etwas verändert (momentan eher Yoga statt Saufen und Skaten/Joggen statt Kater), aber alles immer noch innerhalb desselben Rahmens. Ich liebe noch immer Punk, Subkultur und Skateboarding, genauso wie früher. Und daran ist auch eigentlich nichts Schlechtes. Man fühlt sich nur dann klebengeblieben, finde ich, wenn man es dann mit anderen vergleicht, die früher mal dabei waren, denen aber ihre Liebe für die Subkultur etwas abhandengekommen ist oder weniger wichtig geworden ist. Ich bin fest davon überzeugt, dass wenn man den Scheiss genug liebt, man einen Weg findet, Platz dafür zu schaffen, trotz festem Job, Familie, Kids etc. Einer meiner besten Freunde hat mittlerweile drei Kids, alle Drei skaten und er lässt sich jetzt auf seinem Innenhof in der Eifel einen fetten Betonskatepark bauen. Ich hoffe, wir dürfen zur Einweihung spielen, haha.

Früher habe ich bei Aussagen wie „früher war das und das geiler“ schnell die Augen verdreht und oft gedacht, dass jemand eben hängengeblieben wirkt. Heute frage ich mich, ob dieses Weiterleben einer bestimmten Kultur oder gar Subkultur, eben in dem Fall 90s, Skate-Punk, Skaten, Sommer, jung bleiben, vielleicht doch einen gewissen Stellenwert hat, eben weil man etwas erhält, was einem wichtig ist, und man nicht jeden Trend mitmacht, sondern sein Ding durchzieht. Vielleicht ist das aber auch nur eine Ausrede für mich selbst. Als ich letztens etwa „The Last Dance“, die Michael Jordan-Doku gesehen haben, habe ich gemerkt, wie sehr ich mich quasi einfach verdammt wohl fühle, diese Sachen von früher, die ich direkt miterlebt habe, anzuschauen und diese Flashbacks zu haben – ich hätte das ewig weiter schauen können, so schön war das. Wie ordnet ihr dieses Thema für euch ein?

Chris: Also Stichwort „jedem Trend hinterherlaufen“: Sowas haben wir noch nie gemacht und das werden wir auch nicht. Du kannst dir ja vorstellen, dass man es bei deutschen Musikjournalisten und generell der deutschen Musiklandschaft als Band, die von hier kommt, aber auf Englisch singt und Punk im LOOKOUT/FATWRECK-Style macht, nicht gerade einfach hat. Da wird man oft als „nette Kopie“ abgetan oder generell unter den Verdacht gestellt, „unauthentisch“ zu sein, einfach, weil seit geraumer Zeit die meisten Bands aus Deutschland, die im weitesten Sinne Punk machen, auf Deutsch singen. Auf hippe Musikjournalisten wirkt man dann immer nicht zeitgemäß, null hip und eben, wie du sagst, „hängengeblieben“. Das Ding ist aber: ich habe nie Musik auf Deutsch gehört, alle meine Lieblingsbands kommen entweder aus den USA oder England. Ich habe Englisch studiert, in meinem Leben super viel Zeit in den USA verbracht und ich empfinde es einen großen Vorteil, dass einen Leute aus der ganzen Welt verstehen können. Ich kann nur Songs schreiben, die ich selber geil finde und ich stehe eben auf englischsprachigen Punk aus den 90ern. Daher ist das für mich total authentisch und wir fühlen uns super gut damit. Früher war nicht alles geiler. Aber man verbindet mit dem Sound seine Jugend und all die coolen Dinge, die man erlebt hat. Daher: Für mich hat es einen hohen Stellenwert und eine absolute Daseinsberechtigung, einen gewissen Sound zu erhalten und mit seiner eigenen Note zu versehen und in dem Genre seine eigenen Geschichten zu erzählen. Ich wollte das Rad nie neu erfinden, sondern einfach mein eigenes Rad bauen.
Archi: Ich komme ja aus dem Deutschpunk – TERRORGRUPPE, SLIME und DRITTE WAHL waren meine Helden, für mich ist Skate-Punk also ein Schritt nach vorn und gleichzeitig zurück. Ich erlebe die deutsche Musiklandschaft einerseits eben sehr altbacken, fast konservativ, und andere geben sich so auf Zwang innovativ, dass ich Kopfschmerzen bekomme. Ich merke aber auch da, dass ich alte Sachen, wie z.B. die „Blechdose“ von TERRORGRUPPE und auch „Schweineherbst“ von SLIME geiler finde als vieles, was da gerade so „Neues“ passiert.

Ihr existiert ja schon eine Weile und „Magic Summer“ ist soweit ich weiß eure vierte LP. Ihr habt über die Jahre euren Sound hin und wieder etwas verändert – könnt ihr mal kurz runterreißen, welche Entwicklung ihr als Band vollzogen habt?

Chris: Die Band fing als „SUBWAY SEWER RATS“ an und war damals stark von RANCID beeinflusst. Ich bin total auf diese rockabilly-mäßigen Licks von Tim Armstrong und den walking Bass von Matt Freeman abgefahren und das kann man sehr gut auf unserer ersten Platte hören. Unser E-Basser ging auf Weltreise, Puck stieg in die Band ein und spielte Kontrabass, was von diesen walking Bass-Läufen her super passte. Wir ließen das „Subway“ aus dem Namen weg, der sowieso schon lang und umständlich genug war. Die erste Platte „Rat Attack“ kam auf Bitzcore raus und klang sehr nach den ersten beiden RANCID-Alben, nur eben mit Kontrabass. Das zweite Album „Wild at Heart“ hatte dann schon drei Stücke mit E-Bass und war musikalisch schon der erste Schritt in unsere heutige Richtung. Unser drittes Album „Heartbreaks and Milkshakes“ schrieb ich in einer Zeit, in der ich konstant METHADONES, LILLINGTONS und TEEN IDOLS gehört habe. Die Songs waren purer 90s Pop-Punk und als wir die Platte mit Archi Alert von TERRORGRUPPE in Berlin produziert haben, haben wir uns dann entschlossen, konsequent diesen Weg weiterzugehen. Insofern sehen wir uns ab der „Heartbreaks“ quasi als Sewer Rats 2.0 und „Magic Summer“ fühlt sich an wie unser zweites Album.

Wie kam das damals mit „Heartbreaks and Milkshakes“ eigentlich, dass ihr jenen Sound rund um RAMONES und poppigen Bubblegum-Punk so angepeilt habt und wie ich finde auch super getroffen habt? Habe die Platte damals hoch und runter gehört!

Chris: Das freut mich hart, dass dir die Platte gefallen hat! Ich mag sie auch sehr gern und sie kommt wirklich von Herzen (die neue natürlich auch) und macht mega Bock zu spielen. Archi Alert hat auch einen super Job gemacht und die Zusammenarbeit mit ihm war total geil. Ich habe damals wirklich einfach konstant so Mucke gehört und diesen Teenage Bubblegum-Vibe auch voll gefühlt und wollte den konsequent und bewusst auf der Platte auch so eintüten. Die „Magic Summer“ ist für uns wie eine Weiterentwicklung, vom Sound her einen Tick schneller und von den Texten teilweise ein wenig ernster, aber nie super düster, sondern immer eher bitter-sweet.

Ihr habt ja schon Japan und die USA betourt, ab welchem Moment ging den euer Sound so durch die Decke auf den anderen Seiten der Erde? Eben mit „Heartbreaks and Milkshakes“ oder schon früher?

Chris: Also die Japan-Connection stammt noch aus der Billy-Zeit. Wir haben eines Tages eine E-Mail bekommen, ob wir auf einem Sampler namens „Punkabilly Shakes The World“ mitmachen wollen. Wollten wir natürlich und beim dritten Sampler wollten sie uns als ersten Track der Platte und auch zur Release-Party rüber fliegen. Sie haben uns dann noch eine kleine Japantour drum herum gebucht und seitdem ist Japan auf unserem Tourplan und immer unfassbar geil! Die Menschen dort sind einfach so hammer nett und so wertschätzend, unglaublich! Unsere erste US-Tour war 2014 und entstand auch durch eine Billy-Connection. Wir haben im Januar 2014 einige Shows in Kalifornien und Nevada gespielt, im Herbst im selben Jahr haben wir dann ein Festival in Long-Beach gespielt und eine längere Tour. 2015 dann nochmal Westküste im Vorprogramm von NEKROMANTIX und 2018 dann US-Ostküste mit Shows beim FEST in Gainesville, das war eine Package-Tour mit unseren Freunden aus New York, THE JUKEBOX ROMANTICS.

Für euch spielt Skateboarding ja eine große Rolle, man kann es in den Lyrics hören, aber auch z.B. in dem Video für euren Titeltrack, in dem viele Skate-Szenen drin sind und auch einige Sticker zu sehen sind, etwa der zu FLIPs „Sorry“. Ich habe die Frage schon mal an eure großartigen Labelkollegen von PRIMETIME FAILURE gestellt: Habt ihr eine Idee, warum in Skate-Parts kein Skate Punk vorkommt?

Chris: Skateboarding hatte und hat definitiv einen großen Einfluss auf mein Leben. Als wir als kleine Scheisser aus Suburbia mit 15 mit dem Zug nach Köln gefahren sind, um in Skateshops zu gehen, gab es da die „Exposure“ von THUMB auf dem Tresen. Mein bester Kumpel und ich haben sie uns beide gekauft und die Lyrics von „Cavemen in Disguise“ haben mich definitiv zum Nachdenken über Fleischkonsum und Tierrechte gebracht, zusammen mit PROPAGANDHI. Skateboarding war für mich immer wie ein super Kompass, der mich mit coolen Leuten und interessanten Kulturen in Kontakt brachte. Zurück zu deiner Frage: Ich weiß natürlich, was du meinst. Aber für uns gehörten Skateboarding und Punk immer zusammen und das habe ich auch so in den Videos von damals wahrgenommen. Ich werde nie vergessen, wie ich zum ersten Mal auf VHS-Kassette das PENNYWISE „Same Old Story“ Video gesehen habe. Wie der Typ, der darin durch die Straßen skatet, wollte ich sein, kein kompliziertes Tech-Gefrickel sondern einfach mit Speed und geilen Basic Tricks durch die Straßen moshen. Achtung Nerd Attack: Ich habe mir 1999 das 411 #34 gekauft, dort kam in zwei Parts BLINK 182 vor und das war Stuff von der „Dude Ranch“! Ich war sofort verliebt und habe mir dann ein paar Wochen später in Japan, wo ich auf Schulaustausch war, die CD gekauft und bei meiner Gastfamilie auf Kassette überspielt, damit ich sie beim Skaten in Niigata im Walkman hören könnte. Ich dachte beim Schauen des 411 Videos noch, ein Typ und ein Mädel würden sich am Gesang abwechseln, haha. Als ich die CD dann hatte, wusste ich dann, dass Tom einfach hoch singt. Und als dann mit ZERO, BAKER etc. diese ganze skinny Jeans und schwarz-gefärbte Haare Nummer in wurde, kam auch wieder mega viel Punk in den Vids, zwar eher so rougher Kram, aber die Piss Drunks wollten halt, dass es ballert. Also für mich sind Skateboarding und Punkrock mindestens mal Cousins, wenn nicht sogar Geschwister. Aber ich weiß definitiv, was du meinst und in der Skatepunk-Facebook Gruppe gibt’s auch geile Jokes, so nach dem Motto „Ey wir sind Skatepunks, ist doch klar, wir skaten halt nicht“, was ja definitiv auf diese Sache anspielt.

Wenn du hier die großen Namen droppst, tauch ich jetzt einfach mal bißchen in das Skate-Thema ab: Was hat euch mehr beeinflusst: FLIP „Sorry“, BAKER „2g“ oder ZERO „Misled Youth“?

Chris: BAKER! Mein fav Video of all time ist aber „Questionable“ von PLAN B. Pat Duffys Part ist mein all time fav.
Archi: Bei mir ist es ganz klar FLIP „Sorry“ – Ich teile mir sogar meinen Künstler-Nachnamen mit Mark Appleyard. Dazu Johnny Rotten als Moderator, geile Parts von Rowley und Boulala. Ich dreh durch! Ansonsten war ich aber auch Fan von „Yeah Right!“ von GIRL. Das war Anfang der 2000er schon revolutionär mit dem Greenscreen-Skateboard.

Boulala, Dollin oder Greco?

Chris: Greco! Hast du seinen neuen Film gesehen? Mega gut! Der Mann hat den besten 360 Ollie im biz.
Archi: Wie eben schon gesagt: Boulala. Das war für mich schon krass Punk, als junges Skate-Kid. Für mich damals die Verkörperung der Unangepasstheit des Zusammenspiels von Punk und Skateboarding. Liebe ich noch immer. (Schade, dass sein Leben später so einen beschissenen Turn genommen hat. Don’t drink and drive ey!)

Habt ihr euch eigentlich auch so krass auf BAKER 4 gefreut?

Chris: Jap! Und wie gut ist bitte Bacas Part? Bester style! Eh voll mein Ding, Dickies, Chucks und white Shirts. Ich lerne übrigens gerade Bowl-Skaten und sitze aktuell mit dickem Knöchel am Rechner, weil ich mich heute morgen in der Schüssel in Ehrenfeld gemault hab haha. Früher immer nur Street gefahren, aber langsam ist mal Zeit für Rampe/Bowls.

Und wie findet ihr die Idee, TONY HAWK´S PRO SKATER 1 und 2 wieder aufleben zu lassen?

Chris: Mich hat das Game damals kaum gejuckt. Ich wollte selber skaten gehen. Es ist aber natürlich schon ein mega Game und der Soundtrack ist so hammer ey. Daher: gut!
Archi: Bei mir das genaue Gegenteil – das Spiel hat meinen Lifestyle generell krass geprägt. Ich bin dadurch sowohl zum Skaten als auch zum Punk gekommen. Die ersten Songs, die ich auf Gitarre gelernt habe, waren auf dem Soundtrack. Für mich die perfekte Verbindung. Darum habe ich das Remaster auch direkt vorbestellt und warte schon sehnsüchtig, die dunklen Herbst- und Winter-Tage damit zu verbringen.

Und nochmal zurück zur Musik: Gibt es eigentlich Bands in eurem Genre, die ihr aktuell feiert? Die Skate Punk in euren Augen auch etwas Neues hinzufügen, was Neues denken?

Chris: Wir feiern natürlich unsere Homies JUKEBOX ROMANTICS, die waren sogar mal auf Warped Tour haha. Ansonsten höre ich momentan wieder viel neue Sachen, die „Less Talk More Rock“ von 96, die „Enema of the State“ von 99, die „Firme“ von 96, haha. Außer solch aktuellem Kram höre ich auch viel Stuff von Bands, mit denen wir halt gespielt haben oder die wir so irgendwie kennengelernt haben. Ich kann zum Beispiel HORROR SECTION sehr empfehlen, unfassbar geiler Bubblegum Pop-Punk aus St. Louis, die feier ich hart, obwohl ich mit Horror wirklich null am Hut habe.

Corona hat uns ja alle hart erwischt, ihr würdet aktuell sicherlich zu eurem Album touren – wie geht es weiter bei euch?

Chris: Ich kann dir sagen, dass für uns Corona wirklich krass war und noch immer ist. Wir hatten jahrelange Arbeit, für unsere Verhältnisse viel Geld und mega viel Planung in das Album in die Veröffentlichung gesteckt. Wir hatten richtig geile Shows für dieses Jahr anstehen. Alles weg, alles fürn Arsch. Deswegen waren wir jedem doppelt dankbar, der sich uns Album dann bestellt hat. Natürlich sind das alles First-World-Problems, aber es hat uns schon sehr hart getroffen.
Archi: Auch die emotionale Ebene darf man dabei natürlich nicht vergessen: Ich für meinen Teil finde das Umherreisen für Shows ist das geilste an der Musik. Stundenlang mit Kumpels im stinkigen Tourbus sitzen, neue Leute und Orte kennenlernen, Freundschaften knüpfen und Erinnerungen schaffen. Das fällt jetzt natürlich alles erst einmal bis auf weiteres flach. Ich kann kaum erwarten, dass es bald wieder losgeht.

Kann der Sommer 2020 eigentlich noch „magic“ werden oder müssen wir auf 2021 warten?

Chris: Also mein Sommer wird hoffentlich noch „magic“, weil ich jetzt drei Wochen zum Surfen und Skaten an die Atlantikküste fahre. Magic Summer Roadtrip. Danke dir für das Interview und für das TRUST!
Archi: Freunde von mir haben mal gesungen „Punk ist was du draus machst“ und so ist es auch mit dem „Magic Summer“ – ich bin da auch positiv. Vielleicht hat es ja sogar was gutes, weil sich der Fokus für Leute verändert, man kleinere Sachen wieder mehr zu schätzen weiß und dann mit doppelter Power wieder loslegt, sobald es weitergeht. Für mich geht’s zwar nicht an die fancy Atlantikküste, aber ich werde ein paar Wochen an der Ostsee verbringen, da bin ich aufgewachsen und ich kann kaum erwarten, die alten Skatespots von damals nochmal auszuchecken.

Na dann einen geilen Sommer euch und vielen Dank!

www.sewerrats.de

Interview: Lars Schubach

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