Tanz den Kommunismus – Punkrock DDR 1980 bis 1989, Henryk Gericke
Verbrecher Verlag, Gneisenaustraße 2a, 10961 Berlin, www.verbrecher.de
Dieser Absatz aus dem Vorwort beschreibt eigentlich hervorragend um was es in dem Buch geht und um was es dem Autor ging: „» Tanz den Kommunismus« porträtiert ausschließlich Punkbands, die in der Illegalität aktiv waren und der Pflicht zur staatlichen Einstufung konsequent einen Spieltrieb entgegensetzten, der sich um keine Erlaubnis scherte. Um die Klangkulissen einer Gegenkultur in Texten wiederzugeben, genügt es nicht, sich auf die Abarbeitung von Bandhistorien zu beschränken. Die einzelnen Porträts unternehmen den leidenschaftlichen Versuch, ein Kaleidoskop zu schaffen, das die Bands durch sich selbst wie auch durch ihr kulturelles und soziokulturelles Umfeld spiegelt.“
Nun will man natürlich wissen um welche Bands es hier geht, es sind viele, fast 40 unter anderem: Rosa Extra, Betonromantik, Unerwünscht, Wutanfall, Namenlos, Virus X, Rosa Beton, Müllstation, Sendeschluß, Restbestand, Planlos, L’Attentat, Menschenschock, Zerfall, Fraktion, Schleim-Keim…. Es scheint als hätte der Autor, der selbst seit Anfang der 80iger mittendrin dabei war, zum Beispiel als Sänger von The Leistungsleichen, keine illegale DDR-Punkband ausgelassen. Und natürlich wird hin und wieder auch über „Die Anderen“ Bands gesprochen, aber oftmals nicht sehr gut. Auffallend ist der prägnante Schreibstil von Gericke, er „kalauert“ sich damit durch das ganze Buch – anfangs dachte ich das würde mit der Zeit nerven, tut es aber nicht. Das muss auch sein, denn rein biographische Angaben zu einigen Bands wären auch deutlich zu wenig da vieles manchmal undeutlich ist. Entweder weil nichts dokumentiert ist, oder weil die Menschen eben vergessen. So existierten viele Bands nur 2-3 Jahre, kaum jemand hat „gute“ Aufnahmen – oder irgendwelche – hinterlassen und auch die Konzerthistorie ist aus guten Gründen oftmals mehr als bescheiden. Dies wird hier alles erklärt, manchmal muss der Leser ein wenig zwischen den Zeilen lesen aber es wird klar das der Autor eine eindeutige Meinung zu den Gegebenheiten hat. Und man kann hier natürlich nicht mit „unseren“ Maßstäben messen, es war schließlich die DDR. Da war vieles anders und das erklärt wahrscheinlich das teils unsolidarische bis angeberhafte Verhalten von einigen der Punks in der Zone. Hier muss auch nochmal erklärt werden das „anders“ die Sache mehr als verharmlost. In der DDR wurden Punks verfolgt und in den Knast geworfen oder es wurde ihnen verunmöglicht zu studieren – was viele sowieso nicht wollten, sie waren ja Punks. Da sich das Buch eben nicht nur auf Bandbiographien konzentriert kann man hier so viel mehr über die DDR und die Punks dort erfahren. Ob das vom Autor so korrekt interpretiert wurde müssen Leute beurteilen welche die Zeit dort miterlebt haben. Für mich als Westler, der immer nur durch die DDR auf dem Weg nach West-Berlin reiste und immerhin mindestens ein illegales Konzert in Ost-Berlin miterleben durfte, liest es sich auf jeden Fall plausibel. Auch was die verschiedenen IM-Fälle in der Punkszene betrifft. Aber, hier gibt es sicher sehr viele verschiedenen Meinungen, und dieses Buch trägt entweder dazu bei das fleißig weiterdiskutiert wird oder es beendet einige bisherige Diskussionen – oder befeuert sie. So oder so, wer sich für DDR Punkbands und das Leben dort interessiert wird hier bestens informiert und auch unterhalten. Am Endes des Buchs ist ein QR-Code abgedruckt, mit dem sich 44 Songs der hier präsentierten Bands anhören lassen. Tolle Idee, mal sehen ob ich bei Gelegenheit dazu komme das mal durch zuhören. 279 Seiten, Taschenbuch, 20,00 Euro (dolf)
Isbn 978-3957325846
[Trust #227 August 2024]