März 14th, 2019

SCUMBUCKET (#66, 1997)

Posted in interview by Thorsten

Ein Traum. Drei Freunde aus der Pfalz spielen im Herbst 1996 aus Lust und Laune irgendwelche spontanen, selbstgeschriebenen Songs. Große Resonanz im Umfeld der drei Jungs und der Zufall, daß Bassist Dylan Kennedy beim Blu Noise Label arbeitet, stellen die Weichen eindeutig in Richtung ‚Heliophobe‘, dem aktuellen Debutalbum der Koblenzer Band SCUMBUCKET. Kein Traum!
Auch kein Traum ist der jährlich wiederkehrende August in Köln, der ja immer etwas für sich hat. Dieses Mal habe ich mich mit Basser Dylan, und am Tag danach auch noch Frontmann Kurth getroffen, um einige grundlegende Details im Bezug auf SCUMBUCKET zu klären.
Die Schreie nach NIRVANA hallen, aber meiner Meinung nach haben SCUMBUCKET, bis auf wenige Gesangspassagen, genauso viel mit NIRVANA am Hut, wie ein gewisser deutscher Entertainer mit frischer, bayerischer Bergbauernmilch.
Egal, trotz allem mußte ich die erste Frage stellen:

Nürwanah?
Dylan: (atmet schwer durch, sammelt sich, und dann bricht ein Wortschwall los…) Wirklich? Ich glaube das ja nicht! Da ich selbst bei SCUMBUCKET spiele kann ich das vielleicht auch nicht so gut beurteilen, aber mit NIRVANA, auch wenn das ehrt, haben wir nicht viel gemeinsam. Vielleicht ähnelt Kurths Gesang bei ‚Brid‘ und bei einigen anderen Songpassagen ein wenig, aber das ist auch schon alles. Du als unbeteiligter Hörer solltest das eigentlich bemerken! (Anm.: Hab ich doch, Provokation ist alles!) Du bist aber auch nicht der Erste, der SCUMBUCKET mit dieser Richtung vergleicht. Die Presse macht es sich oft zu einfach… Ach ja, und dann spielten wir einmal ein Konzert, und da kamen irgendwelche Kids zur Kasse und fragten nach der Band, die wie NIRVANA klingt…

OK, Spaß beiseite. Eure Musik allein ist schon sehr aussagekräftig. Wie wichtig sind bei SCUMBUCKET die textlichen Aussagen?
Dylan: Ja, da liegst du richtig. Wenn ich ganz ehrlich bin, dann muß ich zugeben, daß bei SCUMBUCKET die Musik wirklich eindeutig im Vordergrund steht. Anfangs wurde Vieles nur mit Tonlauten und Geräuschen unterlegt. Das lag auch sicherlich an dem Umstand, daß wir anfangs nicht daran gedacht hatten, unsere musikalischen Resultate in dieser Form zu veröffentlichen. Für ‚Heliophobe‘ sind wir dann abends oft in der Pizzeria zusammen gesessen und haben unsere Musik textmäßig durchgearbeitet. Ja, die Texte! Wir passen oft die Texte unserer Musik an. Wir verwenden auch Worte, die gut zur Musik passen, auch wenn sie nicht im direkten Zusammenhang mit dem eigentlichen Text stehen. Das beste Beispiel hierfür ist der Song ‚Big Ants‘. Das ist ein sehr trauriges Lied, das in einer depressiven Phase aus meiner persönlichen Situation heraus geschrieben wurde. Ich mache mir Gedanken über meine Zukunft. Was dann plötzlich Riesenameisen dabei zu suchen haben, das weiß kein Mensch. Es klingt gut, „Big Ants“, zu diesem Song. Es ist abstrakt, und vielleicht haben die Ameisen in den Gedanken phantasievoller Zuhörer doch einen Sinn… Die beiden Versionen von ‚Dis My Naff‘ sind textmäßig sehr chaotisch. Extreme Texte, die sehr verwirrend sind, mittlerweile auch für uns selbst. Alles in allem verkörpern unsere meisten Lyrics jedoch unsere Ängste. ‚Hoyoto‘ ist ein Stück über Kurth und mich. Wir sind beide arbeitslos. (Mitarbeit bei Blu Noise als Hobby) Es gibt Phasen, da werden wir von Existenzängsten fast aufgefressen. Man schielt halt auch immer nach Leuten, denen es finanziell besser geht. Jedoch haben wir aufgrund dieser Situation wesentlich mehr Zeit kreativ, sprich SCUMBUCKET zu sein.

Drogen?
Dylan: Nö du, wir nehmen absolut keine Drogen!

Warum macht ihr keine deutschen Texte?
Dylan: Äh, ich weiß nicht. Ich bin mit englischer Musik aufgewachsen, und ich bin Engländer. Und wie schon gesagt, uns ist die Musik sehr, sehr wichtig. Dazu fällt es uns dann wesentlich leichter englische Worte zu singen, denn diese Sprache klingt zum Singen einfach besser.

Was hälst du von einer Band wie TOCOTRONIC?
Dylan: Puh, kenn‘ ich nicht.

Zurück zum Thema. Wie seid ihr eigentlich mit eurem Erstlingswerk ‚Heliophobe‘ zufrieden?
Dylan: Sehr! Unserer Meinung nach haben wir es geschafft Songs auf einem Album zu veröffentlichen, die wir uns in dieser Zusammenstellung schon immer gerne gekauft hätten. Ich höre ‚Heliophobe‘ mindestens einmal am Tag. Ich bin unser größter Fan! Ehrlich! Und immer wieder fallen mir andere Songs angenehm auf.

Zu welcher Szene sehen sich SCUMBUCKET eigentlich zugehörig? Ich habe die richtige Schublade noch nicht gefunden.
Dylan: Das ist eine gute Frage. SCUMBUCKET werden ja oft mit Punk in Verbindung gebracht. Jedoch keiner von uns hört Punk. Am ehesten vielleicht noch Michael, unser Drummer, er steht auf diese uralten amerikanischen 60er Jahre Garagenbands. Ich weiß es wirklich nicht. Wir haben da zwar so unsere Lieblingsbands, aber SCUMBUCKET sind anders, eine Synthese aus all dem, was wir uns, wie schon gesagt, wünschen zu hören, bzw. einmal gerne irgendwo gekauft hätten. Wir versuchen nicht irgendwelchen Idealen nachzulaufen. Wir machen unsere eigene Sache!

Wer ist eigentlich magnified records?
Dylan: Ja, das bin ich. ‚Heliophobe‘ wird zwar mit Hilfe von blu noise vertrieben, aber finanziert habe ich unsere CD alleine. Wir haben 500 Exemplare pressen lassen und mein Kredit bei der Bank läuft. Wenn alles gut geht, dann bekomme ich von dieser Erstauflage etwa die Hälfte meiner Investition zurück. Aber egal, ich wollte das machen. Außerdem manage ich mit magnified noch die Band BLACKMAIL, bei der Kurth die Gitarre spielt.

Ja, und dann kam die Nacht. Mein Diktiergerät lag nutzlos herum. Es stellte sich heraus, daß Dylan seine Socken immer vier Tage lang trägt, ohne deren strahlend weiße Farbe zu schänden. Auf mein Tape verirrten sich während der Ruhephase interessante Informationen, wie z.B. daß sich SCUMBUCKET nun in NÜRWANAH umbenannt hätten. Kurth hätte eine Blase am Fuß und Ela (Kurths Freundin) hat eine Blase an der Nille. (???) Außerdem wollte mir Dylan ins Diktiergerät pfurzen, konnte aber nicht, da er sich schon kurz vorher des Druckes entledigt hatte. Und jemand hat Guido Lucas imitiert, der mich heiraten wollte… Und dann war da noch etwas mit der Efa vom Suzie-Vertrieb, und schon war der nächste Morgen wieder da, und der Kurth war da, und ich auch noch, aber der Ernst war von uns gegangen…
Folgende Fragen und Antworten wurden immer wieder von schallendem Gelächter unterbrochen.

Ihr seid keine politische Band. Was haltet ihr vom Euro?
Kurth: Ja, hallo!
Dylan: Ja, der Euro – hoffentlich ist das Band bald zu Ende…
Euro find‘ ich gut.
Kurth: Glückauf zum Euro, Glückauf zum Euro!
Dylan: Hauptsache ist, Helmut Kohls Gesicht ist drauf! Das ist die Hauptsache!
Kurth: Wir wollen „Ja-“ und „Nein-Antworten“!
Fernsehserien wie Marienhof?
Kurth: Ja.
Verbotene Liebe?
Kurth: Ja.
Lindenstraße?
Kurth: Ja.

Dann wurde noch einiges über irgendwelche schwachsinnigen Talkshows und deren Sinn geblabbelt. Mir fiel auf, daß Kurth mit seiner Gabe der Erzählung Hörspielkassetten besprechen könnte.

Dylan: Formel 1 ist cool! Ich bin Damon Hill Fan! Anti-Schumacher!
Skandale?
Kurth: Ich habe bei der Stadtverwaltung von Koblenz mehr als zweitausend Mark Schulden wegen Falschparkens.
Dylan: Ja, das ist typisch, das ist Kurth!
Kurth: Ich habe immer Angst, daß die Polizei bei mir vor der Türe steht…
Dylan: Wir sind gesuchte Leute!

Ja, und dann wurde noch weiter umhergealbert. Dylan erzählte mir er habe von seinem Vater gelernt auf Kommando zu pfurzen, und er weihte mich auch ins Geheimnis des Kuckuckpfurzes ein. Kurth hatte das Pech erst am zweiten Tag zu uns zu stoßen, denn die sinnvollen Dinge waren da alle schon besprochen. Zum Abschied warnte ich ihn dann nochmals eindringlich vor den Unfallgefahren beim Reinigen von Gewehren.
Dieses Gespräch mit Dylan und Kurth hat im Nachhinein betrachtet meinen guten Eindruck von SCUMBUCKET nur noch bestätigt. Spaß muß sein, das ist klar, aber die Lockerheit und zugleich das Engagement, mit dem SCUMBUCKET zu Werke gehen, haben mich schon sehr beeindruckt!

Interview: Howie Hlava
Unterstütztung: Stefan Kleiber
Photos: Martin Wolf

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