März 11th, 2007

RISE AGAINST (#104, 02-2004)

Posted in interview by jörg

Der Trend geht zum Zweitbuch

Das Debüt „The Unraveling“ beeindruckte allein deswegen, weil es zahlreiche Hördurchgänge einforderte, bevor man die Eigenständigkeit des Werkes entdecken durfte.

Irgendwann gab es dann aber kein Halten mehr und die Songs bohrten sich wie längst erwartete Klangmomente in den Ohren fest. Das charakteristischste am Bandsound des Quartetts aus Chicago ist sicher die Stimme vom Sänger Tim, die, oftmals innerhalb weniger Zeilen, zwischen gesungenen und gekreischten Passagen hin und her hüpft.

Trotzdem lassen sich RISE AGAINST nicht mit den meisten der sogenannten Screamo-Bands vergleichen, da ihre Lieder immer auf solidem, melodischem Hardcore-Punk basieren. Die nun erschienende zweite Platte „Revolutions Per Minute“ klingt noch kraftvoller und kann abermals aufgrund der Aussagen punkten, die Tim mehr oder wenig verständlich ins Mikro beförderte. Bassist Joe gab Auskunft über das neue Album und allem, was dazugehört.

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Was steckt hinter dem Albumtitel „Revolutions Per Minute“?

Joe: Tim ist darauf gekommen. Wir fanden einfach, dass es lustig klingt. Es gibt so viele Bands, die davon singen, wie man revolutionieren sollte, aber letztendlich tut niemand etwas. Das mit der Revolution ist doch so eine Standard-Punk-Phrase. Der Titel macht sich also ein wenig darüber lustig.

Während bei eurer ersten Platte die Texte überwiegend persönliche Themen behandelten, kommt „Revolutions Per Minute“ aber auch deutlich politischer daher.

Joe: Die Texte sind immer noch sehr persönlich. Tim hat die ganzen Texte geschrieben und es sind halt politische Sachen, die sein Leben in letzter Zeit beeinflusst haben. Songs wie „Blood-Red, White & Blue` handeln von seinem Gefühl zu den Dingen, die gerade in den Staaten und im Mittleren Osten passieren. Er nahm sich aber nicht vor, ein politisches Album zu schreiben.

Derzeit gibt es ja auffällig viele Fat-Wreck-Bands, die in ihren Songs die US-Regierung und ihre Politik kritisieren. Neben eurem Album fallen einem da spontan die neuen Scheiben von NOFX und LAGWAGON ein. Inwieweit hat sich denn dein Alltagsleben seit dem Amtsantritt von Bush verändert?

Joe: Für mich persönlich hat sich nicht so viel verändert. Ich bin auch nicht sehr politisch, aber ich denke, er sollte nicht unser Präsident sein. Ich glaube nicht, dass er die Wahl wirklich gewonnen hat. Das ist alles ziemlich korrupt. Auch das mit dem Krieg ging mir alles zu schnell.

Kaum jemand in den USA denkt an die irakischen Zivilisten, die in diesem Krieg gestorben sind. Ich habe mit einem Mädchen geredet, als wir auf Tour in Texas waren und sie sagte mir: „Amerikanische Zivilisten sind wichtiger als irakische Zivilisten.` Das ist doch Bullshit, so eine Mentalität kotzt mich total an. Wenn Leute so etwas sagen, schäme ich mich, ein Amerikaner zu sein.

Wer wird deiner Meinung nach die nächste Wahl „gewinnen“?

Joe: Ich weiss nicht, was das nächstes Mal passieren wird. Ich hoffe nur, dass viele sich erheben und nicht Bush wählen. Fat Mike macht aus diesem Grund die Seite „www.punkvoter.com`. Er will die Kids dazu bringen, sich zum wählen registrieren zu lassen. Wenn du dich zurücklehnst und nichts machst, bringt das nichts.

Selbst ich war bis zur letzten Wahl nicht zum wählen registriert. Ich dachte, dass macht nichts aus, aber ich habe herausgefunden, dass es das tut. So eine Aktion wie die von Mike ist genau das, wofür der Name RISE AGAINST steht.

Wir wollen, das die Leute es auch aussprechen, wenn sie das Gefühl haben, dass etwas verkehrt läuft. Als ich gross geworden bin, habe ich nie etwas gesagt, wenn mich irgendetwas genervt hat. Aber das bewirkt nichts Gutes in dir. Also habe ich angefangen, mich auszudrücken. Vielleicht verändert es nichts, aber man hat es wenigstens probiert.

Ihr habt im Booklet von „Revolutions Per Minute“ einige Bücher aufgelistet, bei denen es sich eurer Meinung nach lohnt, sie zu lesen. Nach welchen Kriterien habt ihr die Auswahl getroffen?

Joe: Das sind alles Bücher, die Tims Leben beeinflusst haben. Er wollte das an die Leute weiterreichen. Ich bin da wahrscheinlich die falsche Ansprechperson, da ich weniger lese, als ich sollte.

Eins der aufgeführten Werke ist der Roman „1984“ von George Orwell. Wie bekannt ist das Buch deiner Einschätzung nach in den Staaten?

Joe: Da bin mir nicht ganz sicher. Man hört nicht viele über dieses Buch reden. Tim hat es gelesen, als er gross geworden ist und er hat mir erzählt, dass es sein Leben und sein Denken verändert hat. In meiner Schule wurde nicht verlangt, viel zu lesen. Ich persönlich bin mehr so der mathematische Typ.

Bei uns wird in den Schulen, vielleicht aufgrund des Kommunismus-kritischen Inhalts, auch eher Orwells „Animal Farm“ bevorzugt.

Joe: Ja, bei uns auch, aber als ich es damals lesen sollte, bin ich lieber skaten gegangen. (lacht) Ich habe mich ein bisschen gedrückt vorm Lesen und war halt ein Rabauke, als ich gross geworden bin.

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Kurz vor Redaktionsschluss erreichte uns noch kurzfristig die Nachricht, dass die Band nach zwei Fat-Wreck-Platten eines der vielen Major-Angebote annahm.

Sie begründen in einer offiziellen Rechtfertigung ihren neuen Deal mit Dreamworks damit, dass sie nun noch mehr Menschen mit ihrer Musik und ihrer Botschaft erreichen können. Rise Against werden laut eigener Aussage weiterhin keinerlei Kompromisse eingehen und ihre politische Haltung beibehalten.

Im übrigen stehe Fat Mike hundertprozentig hinter ihrer Entscheidung, dessen „Rock Against Bush“-Initiative sie weiterhin unterstützen werden. Scheinbar fürchten sie dennoch, ihre Glaubwürdigkeit bei einem Teil ihrer Fans einzubüssen. Sätze wie „Versteht uns nicht falsch, manche dieser Labels sind immer noch böse, aber manche halt auch nicht“ legen diesen Verdacht nahe.

Interview: Paul Schlagk & Johannes Schleusener

www.riseagainst.com

www.punkvoter.com

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