Juni 5th, 2013

Retromania – Warum Pop nicht von seiner Vergangenheit lassen kann – Simon Reynolds

Posted in bücher by Dolf

Ventil Verlag, Boppstr. 25, 55118 Mainz, www.ventil-verlag.de

Retromania

Das englische Orginal erschien im Jahre 2011 und wurde teilweise hochgelobt, gar vom „vielleicht wichtigsten Musikbuch des Jahres“ wurde gesprochen, oder besser, geschrieben. Dem kann ich mich nicht anschliessen… dazu gleich mehr, erstmal ein paar Worte von der Rückseite des Buches welche ganz gut beschreiben um was es geht: „In Retromania geht Simon Reynolds der Frage nach, wie sich aus dem Blick der Popmusik auf die eigene Geschichte jene rückwärtsgewandte Manie herauskristallisieren konnte, die wirklichen Innovationen in der Gegenwart im Wege steht. Daneben ist Retromania eine Geschichte der Popkultur des 20. Jahrhunderts und beschreibt die Jahrzehnte überspannenden Beziehungen, Verweise, Zitate oder Querverbindungen der Popmusik, der Mode und der Kunst.“

Das eigentliche Problem beginnt ja schon damit das es sich um die Geschichte des Pop handelt… dadurch ist es schonmal für die meisten von uns völlig uninteressant. Die ebenso gelobte „akribische Recherche“ kann man wohl nur gutheissen wenn man die 400 Seiten nicht gelesen hat. Reynolds ist gradezu besessen von diesen ganzen Details welche er uns so viel wie möglich um die Ohren knallt, so dass man am Ende den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sieht. Auch könnte man meinen der 1963 geborene Autor war seit Entstehung der Rockmusik (und früher) bis zum heutigen Tage immer und überall live dabei…. der Eindruck täuscht natürlich, weil das ja nicht sein kann. Er doziert, referiert und analysiert munter drauf los, nichts, aber auch nichts bleibt bei ihm übersehen (ausser vielleicht Hardcore-Punk…), ob das Rave ist, oder die Auseinandersetzung mit obskuren Tapelabels oder Platten welche eine Auflage von einem Exemplar haben, leider wird es dadurch halt aber letztendlich nur zum Nerd-Geschwafel.

Dazwischen beschäftigt er sich mit der Frage ob Rock nicht mehr innovativ ist, bzw. wie innovativ er denn früher war oder ob die damals auch schon alles abgekupfert haben. Das kann man machen, aber nicht in der Länge, da langweilt es einfach. Viel zu detailversessen, manchmal hat man das Gefühl der Auto brüstet sich mit diesen ganzen Details die eigentlich niemanden interessieren. Natürlich stellt er auch ein paar richtige Fragen und wirft interessante Gedanken zum Thema ein, aber die versinken eben leider in der Detailflut.

Erwartungsgemäss ist das Kapitel 8 „No Future. Die reaktionären Wurzeln des Punk und sein Retro-Nachspiel!“ noch am interessantesten, auch wenn ich nicht alles was da steht wirklich nachvollziehen kann, wie gesagt, man könnte meinen er war gleichzeitig in LA, New York und London dabei als es losging, aber das erwähnte ich ja schon. Das Thema ist eigentlich gar nicht so spannend, es wurde schon immer kopiert, Dinge wiederholen sich, wenn es dann Rockmusik eben ein paar Jahrzehnte gibt, dann gibt es logischerweise auch mehr Wiederholungen und im digitalen Zeitalter werden die natürlich auch schneller bzw. kürzer.

Ja, da kann man drüber reden, aber 400 Seiten Schreiben, wie so oft wäre weniger mehr gewesen. Und letztendlich ist es doch so: Wenn man alten Mist, ein paar Jahre oder Jahrzehnte, wieder neu auflegt, wird er dadurch halt auch nicht besser. Die Kopie von Scheisse wird immer Scheisse sein. Und nach so langer Existenz von Rockmusik ist es ja auch klar das Innovationen schwieriger werden und auch schon immer abgekupftt wurde und wird. Leider ist das Buch Zeitverschwendung (ausser natürlich man gehört zu den Leuten die sowas interessiert, bzw. die Spass bei der Lektüre haben…). Am Ende gibt’s noch ein für die deutsche Ausgabe exclusives Nachwort – immerhin fasst sich der Mann hier etwas kürzer. Lobend erwähnen muss man allerdings die wirklich gelungene Übersetzung von Chris Wilpert. Klappenbroschur. 29,90 Euro. (dolf)

Isbn 978-3-931555-29-0

[Trust # 159 April 2013]

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