Januar 26th, 2025

Radikal Emotional – Wie Gefühle Politik machen, Maren Urner

Posted in bücher by Dolf

Droemer Knaur, Maria-Luiko-Straße 54, 80636 München, www.droemer-knaur.de

Mitte der Achtziger Jahre hatte die US-Amerikanische Punk Band Embrace aus Washington D.C. einen Song – No More Pain – veröffentlicht in dem es im Refrain hieß: „Your emotions are nothing but politics“. Also so richtig neu ist der Gedankengang nicht, aber das nur am Rande. Und soviel vorweg, mir hat das Buch getaugt. Wenn man verstanden hat das: „Je lauter die Forderung nach Rationalität ist, desto irrationaler und emotional aufgeladener wird die Debatte.“ dies so ist und man wenig bis gar nichts dagegen machen kann – wäre schon viel gewonnen. Eben das ist aber eine der schwersten Übungen für alle Menschen und auch wenn die Autorin immer mal wieder vorgibt eine Lösung für das Dilemma zu haben, so widerspricht sie sich im Kern selbst.

Denn nur weil man gelernt und verstanden hat, das Emotionen nicht rational steuerbar sind, heißt das eben nicht das dies plötzlich möglich ist. Aber ansonsten steht fast nur gutes und richtiges in diesem Buch – zum Beispiel das Menschen eigentlich immer nur eines wollen: Sicherheit. Die sieht natürlich bei jedem anders aus und natürlich gibt es auch Menschen, die Sicherheit anders definieren. Es geht auch darum zu verstehen wie wir Menschen funktionieren und immer wieder flechtet die Autorin Themen ein die ihr wichtig sind („Was wir essen, wie wir uns fortbewegen, wie wir wohnen und wie wir Erfolg definieren…“). Zum einen appelliert sie an Verhaltensänderungen und zum anderen empört sie sich, zurecht, über die sich nicht ändern wollenden Zustände. Und, weshalb die Verantwortlichen nicht tun, was notwendig wäre. Das ist sicher löblich und wird auch immer gern gelesen, aber es ist halt nicht neu und wird leider auch gar nichts ändern – lockert aber natürlich auf. Denn, sie hat selbstverständlich recht, wenn sie auf all den Mist der läuft hinweist. Viel spannender ist aber der „andere Teil“ des Buches wo sie als Neurowissenschaftlerin schreibt. Wenn also „Politik ist nichts anderes als ein Aushandlungsprozess über unterschiedliche Gefühle.“ ist und es gleichzeitig wahr ist das man viele Gefühle eben nicht kontrollieren kann, dann würde das bedeuten das der ganze politische Aushandlungsprozess überhaupt nicht so rational ist, wie immer behauptet wird. (Your emotions are nothing but politics) Dem ist so und das muss man erst mal schlucken. Dann weiter darüber nachzudenken ob sich irgendwas ändern würde wenn die Menschen „aufhören, Verstand und Emotionen voneinander zu trennen.“ um dann mit diesem neuen Zustand „konstruktiv Politik gestalten“. Und da tritt eben dieser oben erwähnte Widerspruch zu Tage. Deshalb ist ein Satz wie: „Nur wenn wir die falschen Trennungen zwischen Gefühl und Verstand, zwischen Privat und Professionell, zwischen Umwelt und Mensch überwinden, können wir uns radikal verbunden fühlen. Das ist grundlegend für ein zukunftsorientiertes Denken und Handeln.“ eben nicht ganz richtig. Es kann sein das er grundlegend ist, aber das sich alle so verhalten können und zum anderen wollen, das ist ja eine ganz andere Sache. Sicher würde es helfen, wenn viele „dynamisch Denken“ und das geht so:
„1. Wir können nur mit radikaler Aufmerksamkeit gesund sein oder werden, weil wir sonst unseren falschen Wahrnehmungen erliegen. Im Sinne der ersten Zutat des dynamischen Denkens liefert uns Gesundheit ein klares »Wofür«, das wir mit aktiver Hoffnung verfolgen können.
2. Wir müssen mit radikaler Ehrlichkeit darüber sprechen, was uns wirklich guttut und wie sich ein gesundes Leben anfühlt, weil wir sonst den falschen Geschichten über Normalität und Erfolg auf den Leim gehen. So benötigen wir hier die zweite Zutat des dynamischen Denkens, indem wir uns neue Geschichten darüber erzählen, was unsere Gesundheit ausmacht und stärkt.
3. Wir brauchen ein gesundes Gespür für die radikale Verbundenheit in uns, unserem Zusammenleben und dem menschlichen Dasein insgesamt. Dann erkennen wir die falschen Strukturen an so vielen Orten, die nicht nur unsere Gesundheit gefährden, sondern uns gar krank machen und zerstören. Dann lernen wir mithilfe der dritten Zutat des dynamischen Denkens, Zugehörigkeit neu zu definieren und zu erkennen, dass wir alle abhängig sind. Abhängig von der Gesundheit unserer Umgebung.“
Wie dem auch sei, manche mögen das als neues Wording für alt bekannte Probleme abtun… Ich fand das eine sehr gute Lektüre mit schlüssigem Inhalt und selbstverständlich den richtigen Ambitionen. Muss man nicht lesen, aber empfehlen würde ich das Buch jederzeit und zwar nachdrücklich. 288 Seiten, Gebunden, 22,00 Euro (dolf)

Isbn 978-3426447765

[Trust # 229 Oktober 2024]

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