Oktober 4th, 2019

POISON CITY RECORDS/A DEATH IN THE FAMILY (#124, 2007)

Posted in interview by Thorsten

Sie sind aus Melbourne, Australien. Sie kannte vor kurzem niemand und sie waren im Herbst 2006 mit Leatherface in Europa auf ausgedehnter Tour. Wer die Jungs gesehen hat weiß, warum ich behaupte, dass die Live richtig klasse sind. Aber das ist nicht nur Live so – das Album „This Microscopic War“ von 2006 hat in meiner persönlichen Playlist eingeschlagen wie eine Bombe. Wo Hot Water Music mich persönlich nicht mehr begeistern können, liefern A Death In The Family Punk / Rock mit Einflüssen von Hüsker Dü bis Leatherface, die eine gesunde Mischung ergeben und frischen Wind in meine Plattensammlung bringen. Außerdem sind und waren Leute von A Death In The Family in Bands, wie H-Block 101, Fast Times, Days of Iris und ehemals auch in Motor Vehicle Sundown. Nicht nur, dass Radio Birdman im letzten Jahr eine grandiose Scheibe veröffentlicht haben, nein, hier gibt es gleich noch eine weitere spitzen Band aus Australien.
Der Bassist der Band, Andrew, führt ein kleines feines Label: Poison City Records. A Death In The Family sind Matt (Drums), Jamie (Gitarre, Vocals), Andrew (Bass, Vocals) und Atom (Gitarre, Vocals).

Beginnen wir mit Poison City Records. Der Name tauchte vor vier Jahren auf, als Andrew ihn nutzte, um lokale Konzerte zu betiteln und er gleichzeitig begann, den Output der Bands, in denen er spielt, schön do it yourself zu veröffentlichen. Seitdem ist einiges geschehen, vor allem seitens Vertriebs hat das Label Kontakte zu sicheren Banken, wie No Idea, Boss Tuneage, Combat Rock und Newest Indüstry geknüpft. Poison City vertreibt ihren Stuff und die eigenen Releases reihen sich ordentlich in die oft hohe Qualität der vertretenen Labels ein. Das Leben zwischen Label / Distro und seiner Band A Death In The Family ist Kräfte zehrend und manchmal heißt das Nächte mit wenig Schlaf. Das ist auch kein Wunder findet Andrew, denn es steht einiges an:

„In den nächsten sechs bis zwölf Monaten wird es einige neue Scheiben geben – so neues von Fear Like Us (die Band von ADITF’s Jamie), die Optionals, Lead Sketch Union, Lungs und Daysworth Fighting. Außerdem gibt es drei weitere US und Euro Labels, für die ich wohl den Distro in Australien übernehmen werde. Ach ja: der große Plan ist, noch einen Laden – Poison City Records – hier in Melbourne auf zu machen – und zwar schon in kürze….aber pssssst, niemandem erzählen!“

Auf der US Tour und der bald darauf gefolgten Euro Tour konnte Andrew einige der Labelmacher endlich besser kennen lernen und ist begeistert.
Kurz vor dieser Euro Tour fand ein Besetzungswechsel statt, von dem ich erst erfuhr, als sie schon tourten: Gitarristin Sarah hatte nicht mehr die Kraft, ihre Zeit auf zwei Bands aufzuteilen. Sie spielt noch bei Motor Vehicle Sundown, einer schönen poppigen Band und bereichert diese mit ihrer fabelhaften Stimme (motorvehiclesundown.com). Allerdings,

„es scheint, als würden sie eine Weile nicht mehr spielen, denn Sarah entschied sich, ein Jahr lang durch die Welt zu reisen“,

meint Atom, der erst vor kurzem mit ihr Live zusammen spielte.
Aber der neue an der zweiten Gitarre bei A Death In The Family, Jamie, füllt diesen Platz überraschend zufrieden stellend aus. Kennen gelernt haben sie Jamie schon vor Jahren:

„Er spielte in einer meiner Lieblingsbands, Conation“, meint Atom und weiter: „Sie lebten in Newcastle, was in etwa zehn Stunden und mehr von Melbourne entfernt liegt. Es schien, als hätte Jamie einfach eine Veränderung in seinem Leben gebraucht und so zog er nach Melbourne. Das geschah zur selben Zeit, als Sarah die Band verlassen wollte. Jamie war der erste, den wir fragten und so lief alles sehr schnell und reibungslos.“

Auch Matt ist glücklich über die Entscheidung, denn

„es hätte nicht besser laufen können. Jamie schien vom ersten Tag an in die Band zu passen. Jemand fragte ihn in Finnland, wie lange er schon bei uns spiele, denn es passte alles perfekt. Dabei war es die dritte Show, die er überhaupt mit uns spielte.“

Es gibt auch schon einen neuen Song mit ihm zusammen, auf der Poison The World V.2 Label Compilation (auf der unter anderem noch Daysworth Fighting, Against Me!, Hot Water Music, Manifesto Jukebox, Milloy, Fifth Hour Hero, Trapdoor Fucking Exit, Enablers, Annalise, I Walk The Line und einige unveröffentlichte Songs von Fear Like Us, Frankie Stubbs und den Optionals enbthalten sind), der heißt „Let’s Lose“. Live glaubt man, sie seien ein seit Jahren eingespieltes Team. Ich war begeistert von ihrem God Cover „My Pal“, da ich diesen Song liebe und Matt erzählt mir mehr über diese Band, von der ich nur diesen einen Song kenne:

„die My Pal Single kam ungefähr 1987 raus und dieser folgte dann eine 12 Inch und darauf hin ein Album. Allerdings klingt My Pal anders, als die meisten anderen der God Songs. Es ist ein großartiger Song. Vieles der späteren Sachen ist mehr Cock Rock Sound, was ich nicht so sehr mag. Leider sind zwei der Mitglieder mittlerweile gestorben. Der Sänger Joel Shilbisher spielt noch immer in Melbourner Bands, meist mit seiner Band Hoss aber auch Bass bei den Dirty Three, wenn sie hier spielen.“

Vielleicht gibt es beim nächsten Album auch das Cover zu hören aber wichtiger sind da Pläne für ein Split, meint Atom: „Wir planen eine Split mit Manifesto Jukebox, irgendwann 2007“ – und das klingt schlüssig, tourten sie doch mit diesen durch Skandinavien und verstanden sich sehr gut. Mit Leatherface lief es auch super:

„Wir trafen Stubbs 2005 zum ersten mal, als wir die Leatherface Tour in Australien machten und unsere erste Show mit dieser Band spielten. Wir waren schon immer große Leatherface Fans. Als es ans Aufnehmen unseres Albums ging, schlug Andy vor, Frankie Stubbs zu fragen und der sagte zu. Er kam zu uns nach Australien. Frankie ist fantastisch im Studio. Er half uns bei einigen Songs und hatte immer alles im Auge. Wir sind und waren in der glücklichen Lage, unser eigenes Studio im Arthouse zu besitzen, wo auch drei von uns leben. Frankie nahm also unsere Platte auf, konnte einige nette Plätze sehen, campen und wir hatten alle zusammen eine tolle Zeit. Frankie kam übrigens letzte Nacht wieder hier her und möchte die nächsten Wochen hier mit uns verbringen. Hauptsächlich kam er vorbei wegen der Heirat von Matt und Mel“, so Atom. Das Arthouse ist übrigens ein „seit 16 Jahren so bestehender Komplex, mit Live Musik Halle für 5 Tage in der Woche, mitten im Herzen von Melbourne. Der Fokus liegt auf Punk, Hardcore, Metal aber auch einiges anderes findet hier statt. Die meisten, die hier arbeiten leben auch hier. Das Arthouse ist der einzige Konzert Ort hier in Melbourne, der keine Türsteher hat und wo somit 100% der Eintritts an die Bands gehen können. Das war schon immer so. Hier spielen nationale und internationale Bands. Meine absoluten Lieblinge waren die erste Hot Water Music Show, sowie die Shows von Leatherface und Against Me! Das Studio im Arthouse gibt es seit dem letzten Jahr und wird hauptsächlich für Bands genutzt, die ihre Live Gigs hier im Arthouse aufnehmen möchten. Es gibt einige Spielereien, Protools, Valve Comps etc., es gibt außerdem einen Raum für Bands, die Demos oder Alben hier aufnehmen möchten. Ich arbeite hier nun seit über 10 Jahren“,

erklärt mir Atom. Zum Geburtstag fand im Arthouse ein großes Fest statt mit vielen Bands, so Daysworth Fighting, Coue Method und die Melbourner Melodic Punk Legenden Nursey Crimes, die nach Jahren eine Reunion vollzogen haben.
Ob unsere Australier wohl auch Radio Birdman Fans sind? Matt:

„Ich habe Radio Birdman nur einmal Live gesehen, ca. vor 2 Jahren. Sie spielten auf einem großen Festival hier, das hieß Meredith und es waren wohl 7000 Leute dort. Ich glaube, ich fand sie gut…“

Naja, vielleicht gibt es denn wenigsten ein paar interessante Band / Plattenempfehlungen – und Atom empfiehlt:
The Nation Blue [new record out in march will be killer]
Mid Youth Crisis [not really together these days besides the occasional reunion show but not so known overseas and one of the best australian bands i’ve seen]
Cou’e Method [members of mid youth crisis’s new band, 7″ out soon]
Daysworth Fighting [melbourne band we love playing with]
Blueline Medic [new album out in april]
Schifosi [melbourne’s best crust]
Nun, in Australien gibt es einige tolle Bands zu entdecken – aber es gibt auch schlechte Seiten hier:

„Wenn wir etwas ändern könnten, dann unsere Regierung. In den letzten 10 Jahren hatte wir hier ein konservative Regierung. Mit den Wahlen Ende diesen Jahres brauchen wir definitiv einen Wechsel, doch auch die anderen Parteien liefern keinen radikalen Unterschied zur derzeitigen. Die letzten 10 Jahre haben wir den Arsch der USA geküsst und das kotzt mich unglaublich an. Die Rechte der Arbeiter wurden beschnitten, das Gesundheitssystem litt schwer, wir unterstützen noch immer so eine Scheiße, wie die Invasion bzw. die Einnahme des Iraks, obwohl sogar die Mehrheit hier mittlerweile dagegen ist und schließlich klafft der Spalt zwischen arm und reich hier sehr und wird immer gewaltiger. Unsere Regierung arbeitet daraufhin, die Atomenergie auszubauen, möchte eine größere Kontrolle der Wasserreserven und schließlich sind noch religiöse Intoleranz (besonders bei Muslimen) ein großes Thema derzeit“,

findet Atom. Deshalb verständlicherweise der Wunsch nach Veränderung.
Leider ist die Tour oder Konzertsituation auch nicht die beste dort unten, findet Atom.

„Jedenfalls in Australien ist das so. Das Problem dabei ist, dass die Städte sehr weit auseinander liegen. Es kostet uns zum Beispiel 10 Stunden im Auto nach Sydney, 8 Stunden nach Adelaide. Die meisten Bands fliegen heute einfach, jedoch ist es noch immer schwierig, mehr als 2-3 Konzerte am Stück zu spielen und außerdem ist es kostspielig. Was Europa angeht, so schien mir das ganze viel komfortabler und recht gut organisiert zu sein. Die meisten Orte, an denen wir bei euch spielten, hatten ein nettes Publikum, einen guten Sinn für die Community und das zu erfahren war wunderschön. Wir lernten tolle Leute kennen. Ach ja: und das Beer ist tausendmal besser in Europa, haha.“

Ich war ganz verwundert, als ich beim Essen in Trier erfuhr, dass Atom Veganer sei. Davon wusste ich nichts und als ich nachfragte (schließlich musste ich ihm ja etwas zu essen organisieren und das so spät zu erfahren ist mühsam), entgegnete er, das sei nicht erst seit dem Start der Euro Tour so. „Ich bin nun seit 18 Jahren Vegetarier und in den letzten 5 Jahren ernährte ich mich zudem in der Regel auch größtenteils Vegan. Vegan sage ich, weil ich grundsätzlich erst einmal Molke-Produkte vermeide. Ich esse hin und wieder einige Sachen, die meist Tierprodukte enthalten, so zum Beispiel Brot. Also, für mich ist das mehr die Sache, wie ich mich einfach wohler mit fühle.“

A Death In The Family sind eine ungewohnt höfliche Band, die allerdings in meiner Erfahrung auch teilweise sehr wortkarg sind. Dies machte sich nicht nur im Interview bemerkbar. Andrew und Jamie waren da offener, gingen auf andere zu und sprachen mit ihnen. Es waren schöne Augenblicke und ich freue mich auf weitere Songs und Touren.

Links
Band: myspace.com/adeathinthefamily und adeathinthefamily.com
Labels: poisoncityrecords.com und thenewestindustry.com

Bilder: ADITF, skillforum.de.vu, Internet und Bandphotosrock.com

Interview: Andreas Lehnertz

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