März 16th, 2007

NO REDEEMING SOCIAL VALUE (#62, 02-1997)

Posted in interview by sebastian

“ Wenn einer eine Reise macht …“, und dazu noch in einer Band ist, dann bietet sich manchmal die Möglichkeit ihn zu interviewen. So geschehen bei Dean, seines Zeichens Sänger einer New Yorker Hc Band mit dem unaussprechlichen Namen No redeeming social value.

Für einen Tag war er bei Striving for Togetherness Records anzutreffen, und so wurde denn eine fixe Plauderstunde am Telephon anberaunt.

***

Hi, Wie gehts? Ich habe gehört, dass Du gerade auf einem Trip durch Europa bist.

Dean: Ja, ich bin jetzt seid ungefähr 1 1/2 Wochen unterwegs, mal alle Biersorten durchprobieren. Bis jetzt war ich in Brüssel, Amsterdam, Köln, Salzburg und München. Morgen gehts dann auf nach Italien.

Jetzt mal zur Band und Eurer Bandgeschichte, zur Information.

Dean: Wir haben `88 in einer Viererbesetzung angefangen. Mein Bruder, an der Gitarre, und ich, zusammen mit zwei weiteren Mitgliedern. In der Besetzung haben wir dann ungefähr zwei Jahre gespielt, bis ich dann Mike, den anderen Sänger, getroffen habe. Ich kannte ihn noch vom College her, und er wollte schon immer in einer Band sein. Er konnte zwar kein Instrument spielen, aber ist dann halt Sänger geworden, weil er nichts anderes zu tun hatte.

Dann rekrutierten wir noch Vinny, der damals bei einer anderen lokalen Band in New York Schlagzeug spielte, und Scott, den Bassisten. So haben wir dann zwei 7inches aufgenommen. Scott verliess dann die Band, und wurde durch verschiedene Bassiten ersetzt. Nach der Aufnahme des Albums kam Scott dann allerdings auf irgendwelchen verwuselten Umwegen wieder zu uns, und seitdem sind wir in dieser Besetzung unterwegs.

Zu Eurem Bandnamen, hat er irgendeine spezielle Bedeutung? Ich habe versucht ihn zu übersetzen, aber es kam nicht so viel dabei herum.

Dean:  Oh ja, … es ist eine Art Ausspruch in Amerika. Bei uns in Amerika, … es ist schwer zu erklären, .. es gibt dort bestimmte penible Gesetze über Obszönität und Beleidigung. Wenn man zu jemandem sagt : “ You`ve got no redeeming social value „, dann heisst das, dass er gegen diese Gesetze verstossen hat, und praktisch keinen Wert für die Gesellschaft hat. Er ist sozusagen menschlicher Abschaum. Vor Jahren sagte ein Freund einmal zu mir, dass ich so wäre, und seitdem ist der Name haften geblieben, und wir wählten ihn als Bandnamen.

Ihr kommt ja aus New York. Wie ist Euer Verhältnis zu diesen straighten und politisch korekten Hc Bands dort? Ich meine Ihr seid ja nicht ganz so …

Dean: ja das stimmt, wir lieben Bier und betrunken sein. Ehrlich, .. schwer zu sagen, ich meine wir spielen Hc und sind dort in der Szene, aber wir wollen eigentlich für nichts stehen, irgendwelche Ideologien oder so. Eigentlich sind wir nur Biertrinker, die, wenn sie Musik machen betrunken sind, und die einzige Art von Musik die dabei herauskommt, wie Hc klingt. Ich weisses klingt furchtbar, aber … .

Ich schätze wir wurden sehr von diesen frühen Hc Bands wie z.B. Judge oder Youth of today beeinflusst, und ich höre auch selber viel Straight Edge Musik, wie z.B. 108 oder neuere Bands wie Shot Down. Aber wir folgen keiner bestimmten Richtung oder Ideologie, sondern sind einfach nur gute Freunde, die Musik machen.

Im Booklet zu Eurer Cd steht zu den Texten, dass man sie besser nicht interpretieren sollte. Warum, sind sie nicht wichtig?

Dean: ähm ja, … sie haben eher eine Message, wenn Du betrunken bist. Wir probieren nicht umbedingt krampfhaft etwas hineinzudrücken, eine bestimmte Weltanschauung, oder so. Ich meine es gibt so viele Bands, die sagen „Du solltest besser dieses oder jenes machen … “ . Wir wollen uns nicht umbedingt damit in Verbindung bringen. Die Songs kommen bei uns eher von innen, ohne eine aufgezwungene Message. Sie handeln eher vom alltäglichen Leben, und wie wir es bewältigen.

Im Promozettel habe ich gelesen, dass Ihr zusammen mit Iron Maiden gespielt habt. Auf dem Album sind ja auch vier Songs von diesem Konzert im Wembley Stadium. Wie kam denn das zu Stande?

Dean: Das ist auch schon wieder so etwas schwer zu erklärendes. Ich habe mal für eine Promotionfirma gearbeitet, die Iron Maiden, Wasp und so etwas unter Vertrag hatte. Und wir sind eigentlich auch ein bisschen von frühen Heavy Metal, wie z.B. Wasp, Dio oder Slayer beeinflusst. Und ich hatte die Gelegenheit Iron Maiden zu treffen, als sie eines Tages in das Büro in dem ich arbeitete kamen. Und irgendwie kamen wir ins Gespräch, über Musik und so weiter, und ich gab ihnen ein Tape von unserer Band. Und irgendwie kam eins zum anderen, glaub` es oder nicht, und wir hatten die Chance mit ihnen zu spielen.

Und wie war es so vor so vielen Leuten im Wembley Stadium zu spielen? Auf der Aufnahme klingt es, als wäre bei Euch im Stadium die Hölle losgewesen.

Dean: Wie ich schon sagte, „You can believe it or not “

.Auf Eurem Album ist dieser Song „Fabio“, handelt er über diesen Mann, dieses lächerliche Model?

Dean: Ja, ganz genau. Der Song ist über ihn und all` diese anderen Leute, die man immer im Fernsehen und diesen Hochglanzmagazinen sieht. Man sieht sie überall, aber der schöne Schein trügt, und in Wirklichkeit steckt gar nichts hinter diesen Leuten. Wieder mal ein gefundenes Fressen zum verarschen. Wir lieben es ausserdem Sachen oder Leute aufzuziehen, die man normalerweise nicht so verarschen würde, oder über die man normalerweise gar nicht so viele Worte verlieren würde.

… genau so wie mit Euren Songs über Hühnchen

Dean:  jaaa … aber Hühnchen ist mein Lieblingsessen, das ist der Grund warum wir da „rüber einen Song geschrieben haben.

In Eurem Booklet steht, dass Ihr euch über die Jahre eine Menge Freunde, aber auch viele Feinde gemacht habt.

Dean: Es stimmt, oft fassen die Leute das was wir machen falsch auf. Oftmals sind sie einfach zu stur und festgefahren, und vielzu ernst. Sie denken fest in ihren Kategorien und Ideologien, sind viel zu „hardline“. Und wir hauen dann in diese Kerbe, denn ich denke, wenn Du nicht mal über Dich selbst lachen kannst, gibt es keine Hoffnung mehr für Dich.

Und auch oft auf Konzerten, wenn wir z.B. mit Bands wie 25 ta Life spielen, also so sehr straighten Hc Bands, und dann auf einmal nackt oder in Frauenkleidern auf die Bühne kommen, rümpfen die Leute die Nase, oder verlassen das Konzert, und sagen später „Die können gar keine Hc Band sein, weil sie solche Sachen machen.“ Genau so ist es mit unseren Frisuren. Bei uns in der Band hat sich jeder die Haare abrasiert, also denken die Leute wir wären Skinheads.

Ihr habt doch auch einen Song darüber geschrieben,

Dean: …ja, Du meinst “ Skinheads rule „. Ich meine ich renne auch nicht jeden Tag in Springerstiefeln und Bomberjacke rum, aber die Leute regen sich wenn darüber auf. Oder ich bekomme dann auf der anderen Seite zu hören, ich sei kein „echter “ Skinhead, aber es ist mir ganz egal, ich meine diese Leute können mich mal`. Das Leben ist so kurz, und ich lebe so wie es mir gefällt. Was soll ich denen denn noch sagen. Die Leute sind eh` viel zu schnell beleidigt, weil sie alles so ernst nehmen.

Du liebst es also zu provozieren.

Dean: Ja genau.

Was anderes, ich habe gelesen, dass Du ein eigenes Label hast.

Dean: Ja, stimmt, wo hast Du das denn her? Es ist schon Jahre her, es heisst „Desperate records „. Vor Jahren gab es mal eine Band die mich sehr beeinflusst hat, die „Norman Base and the Showerheads“ (oder so ähnlich) hiess, und die dann eine Platte auf Desperate Records draussen hatte.

Und zu der Zeit wollten „No redeeming social value“ eine 7inch rausbringen, aber keine Plattenfirma war interessiert. Und so wollten wir sie dort „rausbringen, aber „Norman Base and the Showerheads“, die das Label zu der Zeit machten hatten kein grosses Interesse mehr an dem Label, und so übernahm ich es an dieser Stelle. Wir brachten also diese 7″ raus, und noch einige andere Sachen von lokalen Bands, aber nach einer Zeit lief das Label nicht mehr, und ich stellte es ein.

Im Moment liegt das Ganze auf Eis, aber wir wollen unsere beiden 7inches, zusammen mit einigen Bonustracks, auf Desperate records wiederveröffentlichen. So als eine Art Nebenbeschäftigung, nichts allzu ernstes. Ich wollte schon immer mein eigenes Label haben, aber im Moment helfe ich den Leuten bei SFT, so gut ich kann. Und so bleibt leider nicht viel Zeit für Desperate records.

Kannst Du denn von der Musik leben?

Dean: Nein. Unglücklicherweise nicht. In Amerika ist Punkrock nicht so populär wie in Europa. Hier werden die Bands mehr respektiert und beachtet. In Amerika haben wir Madonna und Michael Jackson, und wenn Du irgendwie andere Musik machst oder nicht populär bist, wirst Du nicht als ernstzunehmender Musiker betrachtet. Es ist also sehr schwierig, mit Musik auf irgendeine Art und Weise Geld zu verdienen.

Besonders mit der Musik die wir machen. Und erst jetzt, und uns gibt es seit 1988, ungefähr so seit dem letzten Jahr, bekommen wir Geld für die Shows, die wir spielen. Normalerweise haben wir immer umsonst gespielt. Ich meine, es war wirklich in Ordnung, denn wir haben das immer einfach nur aus Spass gemacht. Jeder in der Band hat einen Job, und die Musik ist einfach nur Spass. Ich würde wahrscheinlich selbst in 25 Jahren noch Musik machen, auch wenn ich nie dafür bezahlt würde.

Bekommt Ihr eigentlich in letzter Zeit mehr Aufmerksamkeit, nachdem solche Bands wie z.B. Madball oder Sick of it all sich immer grösserer Beliebtheit erfreuen?

Dean: Ja, das habe ich schon bemerkt. Ich denke es ist recht seltsam. Als wir anfingen, gab es in New York eigentlich keine Punkrock Szene, sie war ziemlich abgestorben, wie z.B. auch die NY Hc Szene eine Zeitlang, wegen der vielen Gewalt. Also spielten wir lokale Gigs mit Death Metal Bands, und solchen Heavy Metal Bands, ich meine richtig übelen Poser Metal, wie z.B. Poison. Es gab einfach kaum andere Gelegenheiten. Heute finden Punkrock und Hc viel mehr Beachtung. Ich meine wir können viel bessere Shows spielen, mit Bands wie z.B. Cause for Alarm, Dog Eat Dog, 25 ta Life oder Vision of Disorder.

Es ist wirklich viel besser geworden, seitdem die Leute Punkrock und Hc mehr Beachtung schenken. Obwohl ich selber z.B. Green Day nicht als Punkrock ansehen würde, was allerdings der Mainstream tut, fällt ihr Schatten auch auf die Underground Szene. Und so finden halt Bands wie wir oder Vision of Disorder usw. mehr Beachtung. Ich finde es gut, dass der Geschmack jetzt mehr auf härtere Musik umschwenkt. „Thank god for Green Day !“ Teufel.

Du hast eben erwähnt, dass die Hc Szene in New York eine Zeit lang tot war, auf Grund von Gewalt.

Dean: Ja, das stimmt. Zu Beginn der Entwicklung, so mit den frühen Bands wie z.B. Judge, Murphy`s Law oder Rest in Pieces, die eigentlich fast jede Woche irgendwo in Hinterhöfen spielten, entwickelte sich auch eine Szene, die sehr familiär war. Aber aus irgendwelchen Gründen kamen auch Gangs und Gewalt in die Szene, und die Szene spaltete sich in kleine Cliquen auf. Und Gewalt kam auf.

Und als ein Ergebnis davon, buchten die Clubs keine Hc Bands mehr. Es gab keine Läden mehr die Hc unterstützt hätten, wie z.B. CBGB`s oder die „Wetlands“, weil Hc damals automatisch Gewalt anzog. So starb die Szene halt allmählich ab. Aber seit dem Aufstieg der „Alternative Music“ , und der Aufmerksamkeit der öffentlichkeit auf härtere Musik, geht es auch mit Hc wieder aufwärts. Heute haben die Leute aus der Vergangenheit gelernt, und sich mit den Clubbesitzern arrangiert, genau so wie die Bands und Leute untereinander.

Die Lage hat sich auf Grund dessen erheblich verbessert. Ich meine ich konnte das Ganze von Null angefangen, bis heute verfolgen, und bin sehr erstaunt. Diese Welle schwappt auch auf Europa über, und NY Hc Bands touren jetzt in Europa, was ich mir vor Jahren nicht hätte vorstellen können. Vor 6 – 7 Jahren dachte ich noch, ich wäre die einzige Person, die etwas über NY Hardcore wüsste. Jetzt tut sich richtig etwas, es gibt Fanzines, mehr Bands und Interesse der Leute. Es hat sich zu einer Art Bewegung ausgeweitet. Das ist wirklich klasse.

Du hast vorhin vom touren gesprochen, wann werdet Ihr denn auf Tour gehen?

Dean: Wir arbeiten gerade daran, aber es ist noch nichts festgelegt. Wir probieren nach Europa zu kommen, aber wissen noch nicht genau wann. Vielleicht im späten Herbst oder Winter.

Und was habt Ihr, neben touren, noch so geplant?

Dean: Wir werden erst einmal probieren so viel wie möglich zu spielen, um das Album bekannt zu machen, was wir jetzt schon seit dessen erscheinen im März tun. Wenn wir aus Europa zurück sein werden, werden wir vielleicht ein paar neue Songs aufnehmen, an denen wir in letzter Zeit gearbeitet haben.

Vielleicht werden wir uns auch um die zwei 7inches kümmern, die ich vorhin schon erwähnt habe … wir werden sehen. Wir werden auf jeden Fall so oft spielen wie es geht, und überall wo es möglich ist, auch wenn das jetzt komisch klingt. Vor Jahren als wir mit der Band anfingen, habe ich mal eine Life of Agony Show in New York gesehen, und mich nachher mit einem von ihnen unterhalten.

Und er sagte : „Der beste Weg deine Band bekannt zu machen ist, jede Show zu spielen, die du bekommen kannst. Egal ob es auf einem Billiardtisch, einer Tischtennisplatte oder in irgendeinem Keller ist“ Und das ist es eigentlich, was wir machen. Ich meine wir spielen in Hinterhöfen, in Gärten bei Barbecues oder in irgendwelchen Häusern. überall wo die Leute uns unser Equipment aufstellen und spielen lassen. Und das ist es was wir weitermachen wollen, so lange es uns Spass macht.

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Interview: Peter Rupprecht

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