April 14th, 2020

NO OMEGA aus #156, 2012

Posted in interview by Jan

Die Anfang 2010 gegründete Band No Omega aus Stockholm zählt zu den neuen Sternen am dicht besiedelten schwedischen Hardcore-Himmel. Kurz nach ihrer Europatournee im Mai 2012, auf der sie das Album Metropolis präsentierten, unterhielt ich mich mit Daniel (Bass), Oscar (Gitarre) und Victor (Schlagzeug) im Hinterhof des legendären Kafé 44.

Ihr seid in der Hardcore-Szene verortet, aber euer Sound ist sehr metallastig. Wie erklärt sich das?
Oscar: Die meisten von uns haben einen Metal-Background. Daniel ist der einzige, der aus einer Punk-Ecke kommt. Musikalisch schlägt das durch. Was uns an Hardcore angezogen hat, waren vor allem die Ideale, insbesondere DIY. Außerdem sind zwei von uns vegan und Straight Edge – da fühlt man sich in der Hardcore-Szene mehr zuhause. Die typischen No-Omega-Fans sind trotzdem nicht die typischen Szeneleute.

Sondern?
Daniel: Menschen, die The Chariot hören und uns im Internet entdeckt haben.

Angesichts der schwedischen Hardcore-Szene der 1990er Jahre und Bands wie Refused tretet ihr ein schweres Erbe an. Beschäftigt euch das?
Daniel: Nicht wirklich. Die 1990er Jahre und Refused sind weit weg von uns. Ich war sieben Jahre alt, als The Shape of Punk to Come erschien. Heute spielen Refused zwar wieder, haben aber mit der Hardcore-Szene nichts zu tun. Natürlich inspiriert uns die Geschichte der 1990er Jahre, nicht zuletzt, was die Verbindung von Musik und Politik betrifft, aber ansonsten ist das für uns nicht von großer Bedeutung. Für mich persönlich waren die Washington-DC-Szene und Dischord immer wichtiger. Fugazi ist meine Lieblingsband.

Wie schätzt ihr die gegenwärtige schwedische Hardcore-Szene ein?
Oscar: Ich würde von zwei unterschiedlichen Szenen sprechen. Zum einen gibt es Leute, die sich sehr stark an Old-School-Hardcore orientieren. Zum anderen gibt es solche, die eher von neueren Entwicklungen und Stilrichtungen geprägt sind. Beide Szenen haben ihre Zentren. In Göteborg dominiert zum Beispiel Old-School-Hardcore. In Stockholm vermischt sich das eher.

Stockholm war nie wirklich Mittelpunkt des schwedischen Hardcore, ist aber der Mittelpunkt von fast allem anderen in Schweden. Wie geht es euch als Band aus der Hauptstadt?
Victor: Im Großen und Ganzen gibt es keine Probleme. Klar, manche Leute haben ihre Vorurteile gegenüber allem, was aus Stockholm kommt, aber das stört uns nicht. Manchmal kann es natürlich frustrierend sein, ignoriert zu werden – es wirkt ja oft so, als hätten wir mehr Fans auf dem europäischen Kontinent als in Schweden. Aber vor allem in Stockholm haben wir durchaus ein treues Publikum.

Apropos europäischer Kontinent: für die relativ kurze Zeit, die ihr miteinander spielt, habt ihr schon einiges an Tourerfahrung.
Oscar: Ja, das stimmt wohl. Wir waren bisher auf fünf Europatourneen.

Wie fandet ihr die Konzerte in Deutschland?
Victor: Großartig! Die deutsche Szene ist wirklich klasse, die Konzerte sind gut organisiert und zu unseren Gigs kamen immer viele Leute.
Daniel: Aus irgendwelchen Gründen ist es auch leichter, in Deutschland Konzerte mit größeren Bands zu spielen.
Oscar: Ich finde, dass Deutschland klar die beste Szene Europas hat!

Na, das ist ein Wort. Allerdings habt ihr dort auch euren Bus verloren.
Oscar: Ja, aber da konnte die Szene nichts dafür.

Was ist passiert?
Oscar: Wir waren am Ende einer vierwöchigen Europatournee und auf dem Weg nach Mainz, als wir nach der belgischen Grenze von der Polizei angehalten wurden. Sie machten eine Fahrzeugkontrolle, verfassten eine nicht enden wollende Liste mit angeblichen Mängeln und ließen den Bus abschleppen. Wir waren mitten auf der Autobahn und warteten zweieinhalb Stunden, bis ein Taxi kam. Dann versuchten wir, die Sache mit dem Bus zu regeln, aber es gab keine Chance, ihn ohne größere Reparaturen freizukriegen. Der Bus gehörte noch nicht einmal uns, sondern einem Freund in Stockholm. Wir beendeten die Tour mit einem Mietauto, das wir bis nachhause fuhren. Dort verlud es der Besitzer des Buses auf einen LKW, fuhr damit nach Deutschland, gab das Mietauto zurück, löste den Bus aus und transportierte diesen nach Schweden. Der Spaß wurde ziemlich teuer. Aber es gab ein Solikonzert und langsam haben wir die Schulden abbezahlt.

Wenn Leute eure Band beschreiben, tauchen immer wieder Wörter wie „düster“, „schwermütig“ sogar „misanthropisch“ auf. Findet ihr euch darin wieder?
Daniel: Ja, das ist schon okay.

Habt ihr euch das als Bandimage ausgesucht?
Oscar: Nein, Image ist das keines.

Ihr seid wirklich so?
Oscar: Ja.

Dauerdepressiv wirkt ihr aber nicht.
Daniel: Das Negative motiviert ja auch. Unser politisches Interesse ist stark an unsere Empfindungen geknüpft: wenn du niedergeschlagen bist, weil so vieles in der Welt falsch läuft, dann willst du auch etwas verändern.

Ihr erwähnt euer politisches Interesse zum zweiten Mal. Ist das wichtig für die Band?
Oscar: Auf jeden Fall. Deshalb haben wir auch immer ein kleines Bücher-Distro mit auf Tour – dafür sind wir mittlerweile bekannt, das freut uns.

Wie würdet ihr euch denn politisch definieren?
Oscar: Wir würden uns wohl am ehesten als Anarchisten bezeichnen, stehen Ideologien aber skeptisch gegenüber. Ökologische Fragen und Tierrechte beschäftigen uns am meisten.

Die Song-Credits gehen immer an die gesamte Band. Wie entstehen die Nummern?
Victor: In den meisten Fällen kommen Oscar oder Daniel mit einem Riff und dann bauen wir das gemeinsam aus. So ergeben sich die Songs. Manchmal geht das schnell, manchmal langsam. Wir proben auch gerne live und achten auf die Reaktionen des Publikums. Aufgenommen wird erst später.

Wer schreibt die Texte?
Victor: Zum größten Teil Oscar. Oscar erarbeitet auch die Themen für unsere Platten. Einzelne Songtexte werden aber auch von anderen geschrieben.

Habt ihr je daran gedacht, Texte auf Schwedisch zu schreiben?
Oscar: Nein. Schwedisch gefällt mir nicht.
Daniel: Es ist auch schwierig, internationale Aufmerksamkeit zu erlangen, wenn du in einer Sprache singst, die niemand versteht. Wir wollen gerne mit unserem Publikum kommunizieren.

Ihr verkauft ein T-Shirt mit der Hindugöttin Saraswati – wollt ihr Krishnacore wiederbeleben?
Victor: Überhaupt nicht. Ein Freund machte das Design und es gefiel uns.
Oscar: Zunächst wussten wir gar nicht, dass Saraswati auch die Göttin der Musik und der Kunst ist. Aber das passt ja irgendwie.

Abschließende Kommentare?
Oscar: Alle sollten die Bücher von Daniel Quinn lesen, vor allem Ismael.

Diskographie:
No Omega (EP, 2011)
Metropolis (LP/CD, 2012)

Netz:
www.myspace.com/noomegahc
noomega.bandcamp.com

Interview: Gabriel Kuhn

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