Januar 15th, 2018

KAFKAS (#110, 02-2005)

Posted in interview by Jan

Der recht ungewöhnliche Name für eine Punk-Band, zeigt schon, dass hier nicht mit den gängigen Punk-Klischees zu rechnen ist. Seit 1995 verknüpfen die Kafkas aus Fulda persönliche und sozial-kritische Texte mit melodischem, manchmal rumpeligem Punk und werden deswegen oft in einem Atemzug mit Bands wie “But Alive”, den “Boxhamsters”, “Tagtraum” oder “Dackelblut” genannt. Textlich behandelt Sänger Markus “Gabi” Kafka, vor allem das Thema “Tierrechte”, über das wir natürlich auch im Interview ausführlich sprachen.

Ob jetzt in Songtexten, durch das Cover-Artwork, Soli-Konzerte … überall zieht sich bei Euch das Thema Tierrechte wie ein Roter Faden durch das Bandschaffen. Wann kamst du da mit zum ersten mal in Berührung? In einem Interview las ich, dass du dich seit 1987 vegetarisch ernährst und dann 10 Jahre später anfingst vegan zu leben, hmm, jetzt weiß ich ja nicht wie alt du bist ;), aber wo war damals der Auslöser, wie kamst du auf das Thema, da gab es ja vielleicht ein prägendes Ereignis?

Gabi: Erste Versuche vegetarisch zu leben hatte ich schon so mit 10 Jahren – da hatte meine Klassenlehrerin, welche Vegetarierin war, mit uns über das Thema gesprochen. Ich hatte das dann auch eine Weile erfolgreich durchgezogen. Der letzte Funken zum dem Entschluß zu einer völlig fleischlosen Lebensweise kam dann so etwa 2-3 Jahre später, durch die direkte Konfrontation mittels einer Schlachthaus-Dokumentation in einem Fernsehbericht. Die Augen und Bilder habe ich dann nicht mehr aus meinem Kopf bekommen. Ich wollte mich dann einfach so weit wie möglich nicht mehr, an diesen für mich völlig überflüssigen Tötungen beteiligen. Und den Appetit auf Fleischprodukte hatte ich damit völlig verloren.

Interessant fände ich auch, wenn du kurz schilderst, welche Schwierigkeiten es da gab? Wenn du früher Fleisch gegessen – und erst später dich entschieden hast darauf zu verzichten, wie reagiert dann, bei so einem Schritt, das Umfeld? Als Kind oder Jugendlicher die Eltern? Wenn sie es vorher anders gewohnt waren?

Gabi: Na ja, ich denke mittlerweile ist eine vegetarische Ernährung erfreulicherweise nicht mehr ganz so exotisch und gesellschaftlich arrivierter, als im Jahre 1986/87. Die Auswahl an vegetarischen Fleisch/Wurst/Milch-„Ersatz“-Produkten war im Vergleich zu heute schon drastisch reduziert und auch relativ umständlich zu beziehen. Da hat sich in den letzten Jahren schon was bewegt. Mittlerweile bekommt man schon vegetarische Brotaufstriche oder Sojamilch in fast allen Supermärkten zu kaufen. Auch in Restaurants oder Pensionen muss man heute nicht erst stundenlang den Begriff „vegetarisch“ erklären und definieren. Meine Eltern fanden das eigentlich von Anfang an völlig okay. Widerstände gab es eher von Teilen des bürgerlichen Umfeldes (ich bin in einem Dorf aufgewachsen) oder anderen Familienfraktionen. Bei vielen galt Vegetarismus als etwas völlig extremes, unverständliches – beinahe krankhaftes.

Mal eine nette Überlegung die ich in einem Interview mit The (int.) Noise Conspiracy gelesen habe: Würdest du auch sagen, das, dass Verhalten welches wir Tieren gegenüber an den Tag legen, daraus resultiert, wie Menschen sich gegenseitig untereinander behandeln? Also: Wenn zwischen Menschen nicht so viele Grausamkeiten wären, wäre das auch zwischen Mensch und Tier anders? Das wir durch einen verbesserten Umgang unter, uns auch den Umgang mit Tieren verbessern würden?

Gabi: Ich denke, das würde etwas von den Beweggründen und den Überzeugungen, eines veränderten zwischenmenschlichen Umgangs abhängen. Es gibt aber schon Zusammenhänge, denke ich. Versucht man generell eine möglichst klassenfreie, anti-feudalistische Gesellschaft ohne Ausbeutung zu erreichen, dann bekommt man eventuell schon Abstand zu den von uns geschaffenen Grenzen und Einteilungen von Lebensformen oder Lebensgruppen. Das in Frage stellen von anscheinenden Selbstverständlichkeiten, Natürlichkeiten und Notwendigkeiten – sowie das Hinterfragen von Definitionen wie „Schlacht„- oder „Nutz“-Tier kann nahe liegen. Sagt man sich: ich möchte selber lange, gut, frei und schön leben – dann kann man sich vielleicht fragen, ob das nicht auch andere möchten und sollten und welche Möglichkeiten und Verantwortungen ich dabei habe.

Kannst du Leute verstehen, die versuchen so gut wie möglich vegan zu leben, aber nicht schaffen alles umzusetzen, wegen schlechten Möglichkeiten an z.B. vegane Hygieneprodukte dranzukommen, oder bei Leuten die noch zu Hause wohnen vor allem den Eltern? Wie schon oben gesagt, es gibt da sicherlich auch den einen oder anderen Widerstand im Umfeld. Ist das okay für dich, wenn jemand sein bestes gibt, aber nicht alles einhält, oder müsste man da knallhart, konsequenter sein.

Gabi: Also, mir sind grundsätzlich 90%ige-Verbesserung lieber als 100%ige-Scheisse…sicher ist eine gewisse Konsequenz, Stringenz in bestimmten Lebenssituationen wichtig und richtig. Doch wer kann von sich behaupten zu 100 Prozent korrekt zu leben? Schade und etwas einfach finde ich es nur, wenn diese nicht 100ige-Perfektheit als Argument zur Gleichgültigkeit, Frustration und Resignation genutzt wird. Jeder sollte sein Bestes geben, um einen angenehmeren Planeten zu bekommen – dazu sind wir durch unseren ja schon privilegierten Lebensstandard auch verpflichtet, finde ich. Aber es geht mir nicht darum, andere zu verurteilen oder mich moralisch über diese zu stellen.

Neben dem Thema Tierrechte, was beschäftigt Euch auf politischer Ebene noch, für was setzt Ihr Euch ebenfalls ein?

Gabi: Wir versuchen nach unseren Möglichkeiten alles zu unterstützen, was uns unterstützenswert erscheint. Das muss nicht immer szene-konform oder szene-populär sein. Wir haben z.B. kräftig Postkarten verteilt, Statements verfasst und auf der Bühne Ansagen gegen Studiengebühren gemacht – genutzt hat es ja leider nichts, ha, ha – aber wir haben tapfer gekämpft… Auch nicht primär aus Eigennutzen – weil ich mich ja zu den Ultra-Super-Extrem-Dauerstudenten zähle – sondern weil wir Bildung für sehr wichtig für soziale Gerechtigkeit, friedliches Zusammenleben und persönliche Entfaltung zählen. Deshalb finden wir es absolut wichtig, dass Bildung für alle frei zugängig ist und kein Privileg besser situierter ist.

Oftmals sind Tier- und Menschenrechte aber auch miteinander verbunden. Setzt man sich beispielsweise gegen die Zerstörung des Lebensraums von Tieren ein, dann engagiert man sich auch gleichzeitig für die einheimische Bevölkerung, deren Lebensbedingungen häufig ebenfalls zerstört werden – und natürlich auch gegen eine Klimaveränderung, die uns letztlich alle betrifft… Es gibt schon sehr oft Parallelen zwischen den Mechanismen der Ausbeutung und Unterdrückung von Schwächeren. Grob gesagt, versuchen wir uns für Schwächere zu engagieren und uns für ein freies, Selbstbestimmtes, möglichst schönes, langes Leben einzusetzen. Das beinhaltet halt ganz verschiedene Themen wie eben Tierrechte oder auch die Diffamierung von Homosexuellen…

Eure letzte CD „Privilegienthron“ ist mittlerweile drei Jahre her und längst ausverkauft. Nun kam mit „Superrocker“ eine neue Maxi-CD von Euch. Ist das jetzt ein Vorbote eines neuen Albums oder seit Ihr noch nicht so weit ?

Gabi: Wir haben mittlerweile prinzipiell schon ausreichend neue Songs für eine Platte. Sind so 15-16 Songs – und dabei handelt es sich sogar schon um ausgesiebte Stücke. Ich wünsche mir noch 2-3 weitere Titel, die mir stilistisch am Herzen liegen würden. Dann könnte es eigentlich schon ein neues Album geben. Doch es gibt da einige weitere entscheidende Faktoren. Nämlich, dass was bei einer Veröffentlichung so anfällt: Anzeigen, Bemusterung von Magazinen, Radio, usw. Das ist ein Bereich des Musik Machens, den ich wirklich überhaupt nicht mag. Alleine bei dem Gedanken daran, verschiebt sich der Release-Tag um 3 Jahre, ha, ha… Na ja, aber hinzu kommt immer die immens hohe Finanzierungsgeschichte – da heißt es immer jeden Cent zusammenkratzen… aber wir sind schon am Sparen…

Ihr bringt ja alle Platten auf Eurem eigenen Label „Domcore“ heraus. Das ist dann doch aber eigentlich nicht mehr als ein Logo/Name und eben Eure Kontakte und das Wissen wie man so eine Plattenveröffentlichung abwickelt mit allem was dazu gehört, oder? Habt Ihr nie daran gedacht, das ganze mehr zu einem „richtigen“ Label zu machen, mit zum Beispiel einer eigenen, eigenständigen Webseite als Präsentation nach Außen und dem Plattenveröffentlichen von anderen Bands? Oder bin ich da jetzt total falsch informiert, Ihr bringt andere Platten raus, Eure Webseite kenne ich nicht und rede hier nur Stuss? Wenn nein, warum habt ihr noch nicht darüber nachgedacht oder es umgesetzt?

Gabi: Doch die Überlegungen gab es schon – bekamen auch schon ein paar Demos. Das Label mache ich aber außer der Homepage Programmierung so ziemlich alleine. Es würde also schon die meiste Arbeit an mir hängen bleiben. Ich kann allerdings nicht behaupten, dass mir die Labelarbeiten wirklich Spaß machen – mein Enthusiasmus reicht oftmals gerade noch so für uns aus… und es ist natürlich auch eine finanzielle Frage. Für die Veröffentlichung einer anderen Band wäre ja schon ein gewisses Budget notwendig – das fehlt mir aber meistens. Ich möchte das dennoch nicht ausschließen – bisher hat noch nicht alles zusammen gepaßt – aber wenn der Zeitpunkt stimmt und die richtige Band da ist, dann werden wir das bestimmt sogar machen!

Du hast einmal in einem anderen Interview gesagt, das du die Band als gute Möglichkeit siehst und ja auch nutzt, um auf Tierrechte aufmerksam zu machen, bzw. deren Verletzungen und Eure Message zu transportieren. Je bekannter die Band, desto besser geht das doch, desto mehr Leute erreicht man, oder? Bist du zufrieden mit dem Status der Band, so wie es ist, oder könnte das noch mehr sein bzw. arbeitet ihr darauf hin?

Gabi: Na ja, das muss man schon differenziert betrachten. Stagnation ist sicherlich nicht das vitalste für eine Band. Dennoch streben wir nicht primär nach Videoclip-Rotationen, Mc Donalds-Charts-Shows, oder Talk-Show-Besuchen. Popularität ist nicht grundsätzlich unser Feinbild und sicherlich teilweise sehr effektiv zur Verbreitung von Ansichten, ist aber in den meisten Formen einfach nicht unser Ding. Wir spielen halt lieber viele Konzerte unter ganz verschiedenen Rahmenbedingungen und versuchen dabei Leute zu erreichen. Wir möchten sie schon eine gewisse Authentizität spüren lassen. Wir haben das Gefühl, dass durch diese Ehrlichkeit auch ein gewisses Vertrauen entsteht – was wiederum für unser Denken empfänglich macht – auch wenn wir natürlich nicht denken, den absoluten Plan zu haben oder anderen das Leben diktieren möchten…

Lest ihr viel und was denn so? Gerade und überhaupt. Ich ja nicht und das obwohl ich ja so viel schreibe, Bücher, Fanzines, DIY-Verlag betreibe und all das. Ach ich schieb das einfach auf, das ich mit 18 meinen Bücherreiausweis nicht mehr verlängert habe 😉

Gabi: Nein – ich lese zur Zeit fast gar nichts – außer Info-Schreiben und Briefen von Organisationen und Gruppen, die uns schreiben. Mein Scheiss-Kopf war auch in den letzten Monaten voll mit teilweise unangenehmen Sachen – da war nicht viel Platz. Nun ja, 2004 war privat nicht gerade das beste Jahr für mich. Aber unser Schlagzeug-Gott Marcus – der liest immer und überall, wenn es eine Gelegenheit gibt! Er könnte jetzt bestimmt 2/3-Seiten Literatur-Tipps hier veröffentlichen…

Ich lasse am Ende immer so ein kleines Brainstorming machen. Mal sehen, was dir zu „Minor Threat“ einfällt 😉

Gabi: Wichtige Band. Hätte gerne die Rechte an den Alben – dann könnte ich dich davon einmal im Jahr in den Urlaub einladen, ha, ha.

Vielen Dank für das Gespräch, Markus!

Interview: Kevin Goonewardena

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