Dezember 31st, 2023

Joe Carducci I (#217/Dezember 2022/Januar 2023

Posted in interview by Jan

Enter Joe: SST, Wyoming And All That…

Interview mit Joe Carducci (Teil I)

2008 feierten SST Records ihr 30 jähriges Jubiläum und ich wollte damals ein Geburtstagsspecial fürs Trust zusammen klöppeln. Irgendwie fand ich online die E-Mail von dem früheren SST-Partner Joe Carducci, er arbeitete von 1981 bis 1986 dort. Durch seine Hilfe bekamen wir Kontakt zu früheren Mitarbeitern des Labels und Bands und so kam es dann zusammen mit Stone und Joachim vom Trust zum großen SST-Special in unserer Ausgabe #133 (das findet ihr auch auf trust-zine.de/sst-records-interview-2008). Über die Jahre hatten Joe und ich weiter losen Kontakt, ich hatte immer mal wieder Lust, mich bezüglich SST auszutauschen. Und ich besprach Joe´s neue Bücher 2008 und 2012 fürs Trust. Und dann gab es tatsächlich um 2015 herum einen sehr konkreten Anlass, mit Joe nochmal intensiver in Kontakt zu treten.

„Sun’s comin‘ up and I can’t decide, to spill my emotions or keep ‚em inside“
Zur Feier des SST-Specials in der Trust gab es sogar eine Release-Party 2008 in Bremen, bei der Stone und ich im Eisen SST Musik auflegten. 2010 lernte ich in Köln Schippy kennen, er regte einen SST-Abend in Köln an. Und so begann der Wahnsinn. Nachdem also Schippy, Stone und ich so dann unsere SST-DJ-Abende bestritten, sind wir wohl größenwahnsinnig geworden. Wir legten um die 25 mal auf, teilweise mehrmals in u.a. Bremen, Duisburg, Köln, München, Leipzig, Göttingen, Düsseldorf, Frankfurt am Main, Berlin, Hamburg und Wien. Schippy und Stone als die noch mehr SST-Experten legten Musik von SST auf, ich fungierte als „Tourmanager-Peilung“ und es waren fast immer örtliche Gast-DJs dabei, die eben auch einfach Fans des Labels sind. In Frankfurt und Köln zum Beispiel Gordon von Hazelwood Records (die mit Saccharine Trust und Mike Watt später arbeiteten), in Berlin Jacho von Destiny Records (großer The Last-Fan), in Hamburg Lars Brinkmann von der Spex/Konkret, in Duisburg der Kollege der Flowerpornoes, in München ex-Trustler Thomasso, in Frankfurt ex-Trustler Al.

Teilweise war die Hütte voll, oft waren es nen Dutzend, in Leipzig kam niemand, aber es waren immer sehr lustige Abende: SST bietet einfach eine wahnsinnige Bandbreite von HC bis gediegene Roger Miller-solo-Piano-Scheiben. Jedenfalls: wir wurden größenwahnsinnig: Warum nicht noch einen drauf setzen, den Shit zurück nach L.A. bringen! Wir schmiedeten mit Joe zusammen dann Pläne für eine Trust-Leute-legen-SST-Musik-in-USA-Tour! Joe half uns, ein konzises Konzept auf Englisch zu verfassen – „Drei Deutsche legen SST auf für Bier“ – und jagte dieses dann durch seinen USA-Verteiler. Chicago sagte sofort zu (im The empty beer bottle), dann natürlich Sioux Falls, Portland folgte, New York war interessiert, L.A. und Frisco schienen nicht unmöglich und man munkelte etwas von Coachella-Kontakten: Gary Tovar, der Besitzer von Golden Voice Booking, der legendären Punk-SST-L.A.-Bookingfirma seit den 70er, hängt da mit drin, vielleicht könnte man nach Mike Watt und den Stooges auflegen! Ja klar Mann!

Man könnte lustig vier Wochen mit der Karre durch die fucking USA cruisen zu dritt! Irgendwann mussten wir die Reißleine ziehen, Schippy ist kein Mann für ein Flugzeug, zu zweit machte es keinen Sinn, denn Schippy und Stone waren immer wegen mehr Auskenne und Skills die DJs, ich hatte plötzlich einen neuen Job in Aussicht und kein Zeitfenster mehr, es wollte einfach nicht klappen, war halt ne Schnapsidee am Ende. An Carducci lag es auf jeden Fall nicht. Ich musste ihm dann absagen.

Look behind you
Laut Internet ist Joe Carducci „ein amerikanischer Schriftsteller, Plattenproduzent und ehemaliger A&R-Manager, der früher vor allem mit dem Plattenlabel SST Records in Verbindung gebracht wurde. Er lebte in Chicago, bevor er 1976 nach Hollywood zog. Von 1981 bis 1986 war er A&R-Mann, Plattenproduzent und Miteigentümer von SST Records und arbeitete u.a. mit den Minutemen, Saint Vitus, den Meat Puppets, Black Flag und Saccharine Trust zusammen. Er betrieb auch sein eigenes Plattenlabel, Thermidor Records, das Alben von The Birthday Party, den Minutemen, Oil Tasters, Flipper, Nig Heist und SPK veröffentlichte. Er schrieb Texte für den Song Jesus & Tequila von den Minutemen (auf der Double Nickels on the Dime-LP von 1984) und Chinese Firedrill (auf dem Mike Watt Soloalbum Ball-Hog or Tugboat? von 1995). Er wohnt in Wyoming, wo er Redoubt Press und O&O Recordings betreibt und schrieb auch die Drehbücher für die Filme Rock and Roll Punk und Bullet On A Wire (1998). 2007 kam das Buch Enter Naomi: SST, L.A. and All That…, das Reflexionen über die Zeit bei SST Records und das Leben und den Tod der ehemaligen SST-Fotografin Naomi Petersen enthält“.

Carducci entdeckte auch St. Vitus für SST und arbeitete sehr viel mit Wino damals. Und ich liebe die Band und hat Fragen, doch seit Wino´s bizarren Aussagen zu Covid vor einiger Zeit möchte ich erstmal nichts mehr über und von dem wissen und ja richtig, wir müssen alle einander irgendwann viel verzeihen, aber ich bin noch nicht so weit, das war einfach zu kranker Shit, ihr wisst schon, Covid = Biowaffe aus US-Laboren, die ganze Driss-Nummer.

No one comes in. Stay out!
Jedenfalls fragte ich nun Joe nach einem Interview an, durch Covid-positiv hatte ich endlich Zeit, gute Fragen an ihn zu entwickeln, mir war seit Jahren klar, dass er noch mal ein vernünftiges Interview im Trust benötigt. Für mich ist der Typ ne Legende, aber da er nicht mehr der jüngste ist und ich nicht glaube, dass unsere geschätzten Leser*innen um die 20-25 seinen Namen überhaupt kennen, braucht er auch eine längere Einleitung und einfach zwei Teile. Joe antwortete wie immer sofort, „Klar, schick rüber, die Fragen“, er erwähnte, dass er auch vor längerer Zeit Covid hatte, aber es glimpflich war, sein Bruder ist Arzt und es lief dann für alle, auch die älteren Familienmitglieder, ok.

Ich habe Carducci noch nie live getroffen, er müsste jetzt Ende 60 sein. Als ich in L.A. und Chicago war, war er leider nicht vor Ort. Falls wir uns mal treffen, dann muss ich ihm jede Menge Biere ausgeben, denn wie bereits erwähnt ist er immer eine auskunftsfreudige Ansprechperson, wenn es um „Nerd“-Black-Flag-Fragen ging. Naja, was heißt „Nerd“-Fragen! Manchmal vergräbt man sich so dolle in eine Thematik, dass man die basic facts nicht mehr weiß. So behauptete zum Beispiel eine Musikzeitschrift mit Visionen vor einigen Jahren, dass auf dem Cover der „Damaged“ von Black Flag Henry Rollins in den Spiegel haut.

Wat? Ich hier Fan, dat Cover auf DIN A XXXL vergrössert anner Wand, das ist doch Spot, den der Fotograf Ed Colver ablichtete! Ich fragte bei Joe nach. „Es ist Henry. Es gibt auch einige Bilder aus derselben Sitzung, auf denen man erkennen kann, was vor sich geht und auf denen auch Ed Colver zu sehen ist“. Fuck! Ich informierte dann sogar einen der Redakteure des Mags auf Facebook kurz, weil: da willste einmal den Dicken machen und mehr Recht haben als die Indie-Spinner! Doch er meinte lachend nur „Super! Ist doch schön, wenn wir auch mal richtig liegen“.

„Louie Louie! We gotta go!“
Aber nun viel Spaß mit Joe Carducci im ersten Teil, Joe schickte die Antworten nach einer Woche und entschuldigte sich sogar noch, dass es so lange dauerte, „hoffentlich war es die Warterei wert“. Wir müssen los!

*

Joe, schön, dass du wieder im Trust bist! Gratulation noch zu deinem Western-Filmbuch Stone Male: Requiem for The Living Picture, es passt perfekt zu deiner Gesamtwerkauswahl Life Against Dementia: Essays, Rezensionen, Interviews 1975-2011. Hat Hollywood schon an deine Tür geklopft, um einen Film nach deinen Drehbüchern zu filmen? (lacht)
Nicht ganz, aber es gibt Pläne, ein paar neue Drehbücher unabhängig zu produzieren.  Und es gibt ein gewisses Interesse an dem Naomi-Drehbuch, das „Naomis Dunkelkammer“ heißt. Es basiert in gewisser Weise auf meinem Buch „Enter Naomi“, aber ich habe mehr von Naomis eigenen Tagebucheinträgen als Voice-over verwendet, so dass sie wirklich als Co-Autorin fungiert. Ich hätte ihre „Stimme“ nicht erfinden können, deshalb war ich froh, dass ihr Bruder Chris noch weitere Tagebücher von ihr gefunden hatte, die ich nicht gesehen hatte, als ich mein Buch schrieb. Ansonsten habe ich mich darauf konzentriert, die Drehbücher in einigen Sammlungen bei meinem Verlag Redoubt Press zu veröffentlichen: Wyoming Stories, Western Stories und Ende des Jahres auch Crime Stories.

Nach Stationen in Chicago, Portland, Berkeley und L.A. wohnst du nun seit Jahren in Wyoming. Deine wunderschönen Landschaftsbilder erfreuen mich jedes Mal auf deinem tollen Blog The New Vulgate. Wie lebst du dort, ein Walden-Szenario, gibt es eine gute old school Bar um die Ecke?
Ich muss etwa fünfzehn Meilen fahren, um dorthin zu gelangen, wo ich wandere und diese Fotos mache.  Es ist also nicht wirklich Walden-mäßig. Und eine Sache, die man in kleinen Städten oder ländlichen Gegenden lernt, ist, dass man immer Nachbarn hat und die sind immer irgendwie ein Problem. Ich bin nicht Teil der Trinkerszene der Stadt, so dass ich mehr lesen und schreiben kann, aber das Wetter macht meinem Haus zu schaffen, so dass ich mich darauf freue, ein Haus zu bauen, das besser für die Bedingungen geeignet ist. (Walden ist ein Roman über das Leben in der einsamen Blockhütte, 1L)

Die meisten Leute kennen deinen Namen durch SST und deine bekanntesten Bücher, Rock and the Pop Narcotic und Enter Naomi. Diese Explosion von Büchern über Punk-Musik war 1990, als du das Rock-Narcotic-Buch geschrieben hast, völlig unbekannt. Und es gab eine große Nachfrage nach deinem Werk, es wurde dreimal neu aufgelegt, bekommst du immer noch gutes Geld dafür?
Ja, als ich Rock and the Pop Narcotic zum ersten Mal schrieb und veröffentlichte, wusste ich, dass es kein anderes Buch gab, das den Underground nach 1977 behandelte. Ich habe daran gearbeitet, das Buch so aktuell zu gestalten, dass es sich ein bisschen wie ein Fanzine liest, mit aktuellen Berichten über neue Bands, die erst eine Single veröffentlicht hatten!  Das war um 1990, und dann habe ich es für den Verlag 2.13.61 von Henry Rollins im Jahr 1995 aktualisiert.  Die dritte Ausgabe ist nur ein Nachdruck mit neuem Umschlag. Ich habe eine Menge von der dritten Ausgabe gedruckt, also, das ist schön, dass ich dafür bezahlt habe, so dass es dann jetzt zumindest so aussieht, als ob ich Geld verdiene.

Die beiden Kernthemen des Narcotic-Buches waren Rock = USA = toll bzw. Pop = UK = schlecht. Du hast mal gesagt, dass der britische Rock von 1962 bis 1972 großartig war, aber dann wurde er schlecht, weil die New Wave alles verdarb, die UK ignorierte auch lange viele amerikanischen (SST-) Bands. Doch die große amerikanische Rocktradition (z.B. Stooges) wurde auch in den USA selber auch lange nicht beachtet, weil eine bestimmte Gruppe ehemaliger Hippies aus den 60er in ex-Untergrundinstitutionen wie dem Rolling Stone Magazin zusammen mit den späteren Classic-Rock-Superbands der 70er Jahre die USA bis in die späten 80er blockierten. Ist dem heute noch so, was du damals aufgeschrieben hast?
Es gab so viele schnelle und kurze Generationen von UK-Styles, dass sie bei den Wettbewerben innerhalb Londons und Großbritanniens den Fokus auf ihre eigenen Inspirationen verloren. Und das amerikanische Interesse war manchmal eine naive, auf Neuerungen ausgerichtete, Fangemeinde aus der Mittelschicht, die nach Großbritannien blickte und sich nicht auf amerikanische Stile konzentrierte, die aus der Arbeiterklasse stammten, sogar aus den Südstaaten und von Schwarzen. Die Zeitschrift Rolling Stone war für die Kinder der Boomer-Generation gedacht, die auf dem College zu Folkies wurden, und selbst diejenigen, die sich für Rock and Roll interessierten, hatten ein Folkie-Verständnis davon.

Die Szene in San Francisco in den Sechzigern trocknete schnell aus, so dass sie sich auf britische Bands konzentrierten, aber es gab zu viele außerhalb des Blues-Rock, als dass der Dummkopf Jan Wenner den Überblick behalten konnte. Ich bin nicht auf dem Laufenden, was die heutige Musik angeht; meistens höre ich mir Singles aus der Vergangenheit auf Youtube an, wenn Facebook-Freunde das posten oder ich einfach etwas Zeit damit verbringe, Youtube-Vorschläge zu durchsuchen. Meistens sind das Stile aus der Zeit vor dem Punk. Einige davon sind großartig: The New Chains III – The End; Rupert’s People – Dream on My Mind; Loy Clingman – It’s Nothing to Me; Horace Andy – Tonight / Version.

Aber mein Bruder Mark hat seine Gitarre wieder in die Hand genommen und seine Highschool-Band Midknight hat ihre Bänder von 1975 bei Feeding Tube Records veröffentlichen lassen. Dann hat Mike Watt einige Rhythmusgruppen-Arrangements aufgenommen, die Mark mit seiner Gitarre ergänzen soll. Das ist fertig und ich soll den Gesang dazu aufnehmen. Ich kenne also keine zeitgenössische Musik, aber vielleicht habe ich bald ein Debütalbum herausgebracht!

Das Naomi-Buch war auch perfekt und ein bisschen einfacher geschrieben als Narcotic (mein Englischproblem, sorry), ich hoffe, dass es auch eine große Nachfrage gab. Denn es geht nicht wirklich „nur“ um Naomi Petersen, sondern es ist eine Meisterwerk-Chronik über das Innenleben von SST und LA während den 80ern. Pflicht-LA-Punk-Buch! War es schwer, das Buch schreiben, Naomi starb ja und du wolltest an sie erinnern? Vielen Dank, dass du dieses Buch gemacht hast!
Danke, Jan. Ich kann sagen, dass du zu den Leuten gehörst, von denen ich dachte, dass sie sich für die Geschichte von SST interessieren würden, die von einem der Arbeiter des Labels erzählt wird, obwohl Naomi auf ihre eigene Art ein Star war. Ich hatte gerade erst Naomis Bruder Chris ausfindig gemacht, bevor ich das Buch Enter Naomi fertigstellte. Und so habe ich seitdem mehr über ihr Leben vor und nach SST erfahren, als ich mit Chris daran arbeitete, ihre Negative zu identifizieren und die Fotosessions mit den Auftrittsdaten in ihren Kalendern, den Tagebüchern und der Korrespondenz abzugleichen, die sie hinterlassen hatte. Dieses Material ermöglichte es mir, ein Drehbuch mit dem Titel Naomi’s Darkroom zu schreiben, das sich mit ihrem eigenen Leben befasst.

Im Buch steht SST genauso im Mittelpunkt wie sie selbst, aber im Drehbuch kommen wir bei SST zu ein paar Szenen zu Beginn ihrer Geschichte, als sie nach D.C. zieht, nach Europa reist, heiratet und jung stirbt. Chris hat mir erlaubt, ihre eigenen Tagebücher für ein Voice-over zu verwenden, damit es ihre Wahrheit spricht und nicht meine. Ich hoffe, der Film wird produziert. Chris hat auch Fotos von Naomi zur Verfügung gestellt, die dann für Abe Gibson´s SST-Buch The Blasting Concept und Jim Rulands SST-Buch Corporate Rock Sucks verwendet wurden. Und Chris stellt auch ein Buch mit Naomis Fotos zusammen, das nächstes Jahr veröffentlicht werden soll.

Schmeichelt es dir, wenn jüngere Musikschreiber wie beispielsweise Simon Reynolds dich als wichtigen Einfluss nennen oder ist es cooler, wenn du von Greil Marcus oder New York Times-Kritikern gelobt wirst? Hattest du als junger Musikschriftsteller eine Art Idol, vielleicht Lester Bangs? Andererseits hat echt niemand 1990 so wie du über die vergessenen großartigen USA-Bands wie die Stooges geschrieben.
Ich denke, dass die Schriftsteller in einer relativ frühen Phase der amerikanischen Literatur im 19. Jahrhundert entweder „Rothäute“ oder „Bleichgesichter“ waren – diejenigen, die die unvollendete amerikanische Grenze nutzten, um weniger klassisch orientierte Arbeiten zu verfassen und „einheimisch“ zu werden, oder diejenigen, die innerhalb der englischen und europäischen literarischen Traditionen arbeiteten und sich an ihnen maßen. Ich lese gerade The Confident Years 1885-1915 von Van Wyck Brooks, es ist eine beeindruckende Übersicht über die regionale amerikanische Literatur jener Zeit und er verwendet oft dieses Maß an Amerikanischsein.

Ich dachte, ich lese nur die beiden Kapitel über Chicagoer Schriftsteller für dieses Projekt, an dem ich gerade arbeite, aber das ganze Buch ist sehr interessant – es wurde 1952 veröffentlicht. Danach, in unseren Tagen, denke ich, haben Rock and Roll, Filme, Fernsehen, Comics usw., halt das, was R. Meltzer „gulcher“ nannte, ganz so als ob es nicht die ganze Kultur wäre, die uns „Rothäute“ dazu gebracht hat, unseren gulcher halb scherzhaft mit griticism sozusagen zu behandeln – nicht gerade Tenure-Track-Arbeiten, auf denen man eine akademische Karriere aufbauen kann!

Aber Brooks hat in Harvard studiert, und da hat man wahrscheinlich eine Menge von dieser Ausbildung. Heutzutage wird man nur noch veredelt wie Wonder Bread, eine echte Meisterschule! Was meine Einflüsse anbelangt, so war mit meiner Erwähnung in den amerikanischen Medien nicht viel zu gewinnen (in Dave Marshs Book of Lists war ich einer von hundert Leuten, die die Klappe halten sollten – ich und Rush Limbaugh wahrscheinlich). Aber in der UK sahen sie, dass ich einen konsistenten Bezugsrahmen hatte, der, auch wenn er im Gegensatz zu dem stand, was die Briten dachten, für sie interessant war, und sie griffen ihn auf. So habe ich mehr Interesse von dort bekommen, wo die Bücher gar nicht erhältlich waren – das war, bevor Amazon es etwas einfacher machte. Ich hoffe, bald nach London zu kommen und dort ein Buchgespräch zu führen.

Du weißt, ich liebe L.A., hast du bestimmte Lieblingsbücher und Filme über oder aus L.A.?
Ich hatte einige städtebauliche Essays von Mike Davis über L.A. gelesen, aber sein Buch City of Quartz habe ich erst gelesen, als ich für Enter Naomi recherchierte. Ich war überrascht, wie kulturell informiert sein Buch ist, also dachte ich, ich sollte ihn fragen, ob er mir einen Klappentext für das Naomi-Buch schreiben würde und er tat es! Ich wünschte, ich hätte einige Bücher von Eve Babitz gelesen; ich denke, sie wären für das Porträt von LA, das ich in Enter Naomi anfertigen wollte, von Bedeutung gewesen. The Long Goodbye von 1973 ist wahrscheinlich der einzige Film von Robert Altman, den ich noch mag. Als ich jünger war, schien er interessant zu sein, aber im Gegensatz zu Chinatown (1974) oder Hammett (1982) hat Altman in The Long Goodbye kein periodisches Stück gedreht, sondern einfach den alten Privatdetektiv in die Welt des L.A. der siebziger Jahre versetzt, was auf einzigartige Weise funktionierte, weil er das L.A. der siebziger Jahre wirklich gut getroffen hat.

Als ich 1976 nach Hollywood kam, sah ich mir einige der Gegenden an, in denen gedreht wurde wie den Platz, auf dem Elliott Gould einige Körbe warf, und es beeindruckte mich, wie verkommen und langweilig alles war – die Luftverschmutzung war im Sommer sehr schlimm, und ich zahlte 85 Dollar Miete im Monat. Wenn du ein paar frühe Ansichten von Los Angeles sehen willst, bevor es zu der Stadt wurde, die wir heute kennen, schau dir The Invaders (1912) an, einen von Francis Fords Drei-Rollen-Filmen; er dauert über vierzig Minuten und wurde im Gebiet von Inceville nördlich von Venice in Richtung Simi Valley gedreht. The Female of the Species (1912) ist einer der besten Kurzfilme von D.W. Griffith, die er nach seinem Umzug nach Kalifornien drehte; er wurde in San Fernando und Palmdale gefilmt.

Auf Youtube sind die Kopien der Stummfilme nicht so gut und die Musik ist im Allgemeinen unpassend, also such vielleicht eher nach DVD-Editionen, in dene diese Filme neu aufgelegt wurden.

Die L.A.-Punk-Geschichte scheint nach den meisten 70er Jahre-Hollywood-Punks so gewesen zu sein: Punk ist Ende der 70er Jahre in L.A. gelandet. Alles großartig! Viele Frauen. Viel Individualität! Dann kamen die HC-Jocks von den Stränden durch Black Flag. Alles ging den Bach runter. Ende! So als ob es keine Macho-Attitüde im Punk in den späten 70er gab! Du warst zu dieser Zeit in L.A., was meinst du? Ich kenne nur eine lustige Bemerkung von Jack Grisham, dem TSOL-Sänger, der in dem John Doe-Buch über L.A. Punk sagte, dass diese Sichtweise – Hollywood-Punk = gut, Beach-HC-South-Bay = schlecht – falsch ist und sie sich alle am besten selbst ficken sollten! (lacht)
Ich kannte Jack nicht, aber ich habe ihn in einem der Bücher zitiert, in dem er die frühe Hollywood-Szene sehr schätzt, die immer noch ihren eigenen Kampf um Respekt hat, da es in L.A. genauso früh wie anderswo mehrere Musikrichtungen gab. Es ist nur so, dass Hollywood-die-Industrie weltweit den Blick darauf verschließt, was in den Städten Hollywoods und Los Angeles und SoCal (Südkalifornien, 1L) im Allgemeinen vor sich gegangen ist. Es mag nicht fair erscheinen, aber L.A. hat oft sowohl den größten Mainstream an Musik und Filmen als auch den größten laufenden Untergrund hervorgebracht. Natürlich gibt es nur ein Hollywood, und auch anderswo gibt es großartige Underground-Szenen, aber sie halten sich nie sehr lange, ob in London, Berlin oder New York…
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Im zweiten Teil unseres Gespräches in der nächsten Trust gibt es die volle SST-Records-Breitseite, als augenzwinkernder Teaser nur so viel: „You ain´t seen nothing yet!“.

Interview: 1L
Fotos: Joe Carducci
Kontakt: newvulgate.blogspot.com

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