August 20th, 2015

JARBONE (#57, 04-1996)

Posted in interview by Jan

Quark, strangeness and charm

Mich verwundert immer wieder, wie viele geile Bands aus Deutschland kommen und wie wenig Beachtung diesen ungerechtfertigterweise entgegengebracht wird. Und das obwohl sie oft um Klassen besser sind als manche ach so gelobte Formation aus dem Amiland. JARBONE aus Dinslaken ist eine dieser Bands. Musikalisch bekommt man bei ihnen keine leichte Kost geboten. Wenn man es sich zu einfach machen würde, könnte man sie in die große Jazzcore-schublade stecken, wo fast alles hineingelegt wird, das die „normalen“ Hörgewohnheiten übersteigt.

Herr ZAPPA hätte JARBONE wahrscheinlich mit dem Gütesiegel „OUTGROWN THE ORDINARY“ bedacht und hätte sie somit mit Sicherheit noch am trefflichsten charakterisiert. Nachdem mich die drei sympathischen jungen Männer bei ihrer Split CD Präsentation in der Duisburger Fabrik völlig überzeugten, verabredeten wir uns, um am nächsten Morgen gemütlich zu plaudern. Mit Kaffee, aber ohne Kuchen, saßen mir zunächst einmal der Schlagzeuger Kai und der Bassist und Sänger Torsten gegenüber. Etwas später gesellte sich noch der Gitarrist Andre zu uns, der noch etwas angeschlagen von der scheinbar recht harten Nacht war.

***

Wie lange gibt es JARBONE eigentlich schon?

T: Mittlerweile über drei Jahre.

So gut wie ihr spielt, macht ihr doch aber bestimmt schon länger Musik? In welchen Bands habt ihr denn vorher gespielt?

K: Torsten und ich haben vorher schon mal zusammengespielt.

T: In einer sehr erfolgreichen Band, aus der wir dann beide rausgeschmissen wurden.

Und wie hieß diese erfolgreiche Band?

T: SINBARGO

Noch nie gehört.

K: Torsten hat aber auch schon zuvor ganz, ganz viele Bands gemacht. Ich hab vorher eigentlich nur in zwei Bands gespielt. Und in der Schulband, das wäre dann die dritte.

T: Und der gute Andre war in einer Country-band, bei den COUNTRY FELLOWS.

Da hat er bestimmt mehr verdient als bei JARBONE.

K: Der hatte mit denen sogar Fernsehauftritte gehabt.

T: Wahrscheinlich war er da nur der kleine Dummkopf, der an der Gitarre stand, er war ja damals erst 16 und die anderen entsprechend doppelt so alt. Aber die Einflüsse aus dieser Musik sind bei uns auch unverkennbar.

Welche musikalischen Einflüsse würdest du bei euch sonst noch sehen?

T: Wir hören alles und verwursten genau das.

K: Es gibt eben auch teilweise irgendwelche Discostücke, die wir klasse finden.

T: Kai ist ein großer ACE OF BASE Fan.

K: Unsere Einflüsse kommen eigentlich von überall her. In den Kritiken stand bisher immer „klingt nach VICTIMS FAMILY oder NO MEANS NO“, aber so langsam versuchen wir uns davon zu distanzieren.

T: Und außerdem sind natürlich Bands wie diese schlicht und ergreifend zu groß, um sie zu ignorieren und jeder weiß ja, daß diese beiden Bands für diese Musikrichtung stehen. Und wenn man dann irgendetwas macht, egal wie anders das ist, wird man sowieso immer mit diesen beiden Bands verglichen. Aber ansonsten hören wir wirklich alles – auch ZAPPA.

K: Am Anfang fanden wir das immer nett, wenn jemand geschrieben hat, daß es in die erwähnte Richtung geht und sich daraus noch etwas ganz großes entwickeln kann, das hat uns damals schon ziemlich ermutigt. Nur mit der Zeit nervt es immer nur mit diesen Bands verglichen zu werden. Erstens mal ist zwischen NO MEANS NO und VICTIMS FAMILY schon so ein immenser Unterschied, daß man allein die Musik schon nicht über einen Kamm scheren kann und diese Schublade ist für uns einfach zu groß. Ich finde da gehören wir einfach nicht mit rein. Für die einen ist es noch Hardcore und einfach zu hart, um Popmusik zu sein. Und andere Leute, die Hardcore hören, sagen nee, das ist kein Hardcore.

T: Und außerdem ist das ja auch völlig egal.

K: Wir machen halt unsere Musik. Es hat nichts mit den beiden Vergleichen zu tun, weil beide Bands auf ihren Platten niemals so viele Instrumente verwendet haben wie wir und von daher klingt das alles auch schon ganz anders; auch die Textaussagen sind andere und von daher sollte man die Bands schon für sich stehen lassen.

T: Genau wie NO MEANS NO haben wir auch eine Entwicklung hinter uns und es ist weder NO MEANS NO, noch VICTIMS FAMILY, sondern unsere eigene Geschichte, die uns da hingebracht hat.

Mit dieser Art von Musik ist es ziemlich schwierig sich durchzusetzen, denn für die normalen Musikhörer ist euer Stoff doch recht anstrengend. Ihr spielt zwar recht fleißig, mittlerweile fast jedes Wochenende, wie siehts aber aus, wenn ihr in fünf Jahren immer noch nicht den großen Durchbruch geschafft habt – oder wollt ihr den vielleicht überhaupt nicht?

K: Ich meine irgendwann fand uns ja auch schon einer von einer großen Plattenfirma tie-risch gut. Im Endeffekt war es ihm dann aber doch zu krumm und irgendwie find ich das mo-mentan auch gut so. Aber wir kommen ja voran, es ist ja nicht so, daß wir stehenbleiben. Wir machen halt unseren Kram selber.

T: Auf der einen Seite entwickelt sich das, vor zwei Jahren kannte uns auf Konzerten noch keiner und jetzt gibt es doch tatsächlich ab und zu Konzerte, wo die Leute uns und unsere Stücke kennen und auf der anderen Seite entwickelt sich der Musikmarkt generell dahin, daß Musikrichtungen sich ein wenig erneuern und warum sollte unsere Musik nicht auch irgendwann mal den Durchbruch schaffen. Und wenn sich jetzt NO MEANS NO auch noch auflöst, gibts nur noch wenig Bands, die die Fahnen hochhalten. Ich meine anstrengend ist der Sound ja nicht unbedingt, man kann es ja auch einfach umgekehrt betrachten und sa-gen, der fesselt die Leute. Die Leute müssen halt zuhören, es ist eben kein Supermarkt- oder Fahrstuhlgeklimper, das man nur nebenbei hört.

K: Für die einen ist Durchbruch jetzt halt einen dicken Plattenvertrag zu kriegen aber, für mich soll sich das aus uns alleine heraus entwickeln.

T: Im Grunde ist das ganze ja pubertäres Gewäsch, das sind so Leute von sechzehn Jahren, die sich immer denken, ja ich mache drei Auftritte und werde entdeckt und komme dann ganz groß raus. Diese Stories, die man auch von irgendwelchen Bands hört, ein Auftritt und da waren dann drei Leute und alle drei von Plattenfirmen, die sich dann im Anschluß um die Band geschlagen haben, sind entweder erstunken und erlogen oder die große Ausnahme in was weiß ich wie vielen Fällen.

K: Und ganz wichtig, abschließend dazu finde ich, wird unsere Musik entwickelt, sie wird teilweise für den Konsumenten ein bißchen eingängiger, aber es ist eben niemals beabsichtigt. Wir machen immer das worauf wir Bock haben und wenn die Leute das nicht gut finden, finden sie es nicht gut, aber keiner von uns stellt sich jetzt auf die Bühne und macht jetzt einen Sound, der darauf abgerichtet ist, daß das Publikum drauf ab-fährt. Also es ist kein Party Punk und wird nie Party Punk sein.

Also seid ihr auch nicht traurig, wenn der große Durchbruch in zwei Jahren noch nicht gelungen ist.

T: Genau, wir haben Spaß an der Musik und wenn andere Leute auch dran Spaß haben ist es schön; wenn nicht tingeln wir halt in fünf Jahren noch durch die Jugendzentren.

Ihr seid ja recht fleißig am Spielen, fast jedes Wochenende unterwegs, was sagen da eigentlich die Freundinnen dazu, ich kann mir kaum vorstellen, daß die davon begeistert sind.

A: Wenn die Freundin da nicht mit einverstanden ist, dann ist es die falsche Freundin.

T: Andre hat das gerade durchexerziert.

A: Ja, ich habe gerade meine alte Freundin abgeschossen deswegen, mehr oder weniger.

T: Im wahrsten Sinne des Wortes, nur leider hatte er dann Ladehemmung gehabt.

A: Entweder man lebt mit der Band oder ohne sie; und wenn man sich einmal dafür entschie-den hat, muß die Freundin halt mitspielen – ganz einfach.

T: Wenn Andre heiratet, dann…

heiratet er die Band.

A: Ja genau, anders geht es nicht.

Und jetzt hast du keine Freundin mehr wegen der Band?

A: Nee, jetzt habe ich eine, die da Verständnis für hat.

K: Die ist auch klasse in der Hinsicht. Die stellt sich auch hin und verkauft Platten.

Und wie siehts bei deiner Freundin aus Torsten, geht die auch zu euren Konzerten?

T: Also einige Konzerte hat sie sich schon angeschaut. Als Freundin ist es aber doch recht langweilig sich jedes Konzert anzusehen, weil wir wirklich öfter spielen und ich weiß nicht, ob ich unbedingt Bock hätte uns zehnmal im Jahr zu sehen. Die Mädels haben ja auch ihre eigenen Hobbies und Sachen, die sie gerne treiben, wo ich vielleicht keine Lust zu habe oder was sie nicht mit mir teilt. Und dann kann man das doch ohne weiteres irgendwie trennen. Vielleicht wird das mal anders, wenn wir eines Tages mal aus-gedehntere Touren machen, wo wir dann längere Zeit nicht da sind, man wird sehen. Man geht ja abends aber auch getrennt weg, wenn der andere keine Lust hat. Du mußt ja nicht unbedingt immer zusammenhängen.

Kommen wir mal wieder zur Musik zurück. Ihr habt bisher ein Demo, eine Single und eine Split CD rausgebracht. Wenn ich die Teile mit eurem Livesound vergleiche, dann fallen mir zwei Sachen auf: zum einen verwendet ihr im Studio zusätzlich noch massig andere Instrumente, die man live nicht zu hören bekommt und zum anderen seid ihr live um einiges härter und meiner Ansicht nach auch besser. Wäre da nicht mal eine Live LP eine günstige Lösung für euch?

T: Das ist die Frage. Eine Livesache ist irgend-wie nicht schlecht, aber ich finde, daß halt ein Studiowerk eine ganz andere Sache ist. Live sehen dich die Leute, du machst vielleicht ein bißchen Show und die Leute wollen was geboten bekommen. Ich meine es ist ja ziemlich blöd, wenn man das gleiche wie auf der Platte auch live bringt. Da könnten sich die Leute ja auch die Platte anhören, da haben sie es dann in einer besseren Qualität. Wir wollen den Leuten auf Platte halt noch mehr bieten, eben zusätzliche Faxen. Wir wollen uns da einfach ausleben.

Die Sache mit den zusätzlichen Musikern ist einfach irgendwie so ein Input. Die Leute haben Ideen, zum Beispiel unser Saxophonspieler, der schon des öfteren dabei war, der ist halt jemand, der auch seine eigenen Sachen da mit verwurstet. Wir gehen jetzt also nicht hin und sagen den Musikern spielt jetzt das so und so, sondern wir sagen höchstens in die und die Richtung soll es gehen oder schau mal, daß es so und so klingt; daß eben ein harter Part dann auch hart bleibt. Bei einer Livesache kommt halt die Härte rüber, die ist auf der Split CD wegen der Faxen vielleicht doch etwas zu kurz gekommen. Der gute Paul, bei dem wir im Studio waren, hat bei uns ja auch schon öfter angeprangert, daß wir eine ganze Menge Zeit auf diese zusätzlichen Instrumente verwenden. Aber es macht einfach Spaß sich das später anzuhören.

K: Einerseits kann ich mir gut vorstellen, daß wir vielleicht irgendwann mal einen Gig mit den ganzen Leuten zusammen machen, ande-rerseits kann ich mir auch gut vorstellen, daß wir tatsächlich mal irgendwelche Livestücke aufnehmen. Ich denke, daß dadurch das Spek-trum einfach vergrößert wird. Das eine schließt das andere ja nicht aus. Also das mit den Livesachen steht sowieso demnächst an.

T: Es ist konkret geplant, daß wir ein Tape rausbringen, welches dann in Polen erscheinen soll, wo eben ausschließlich Livestücke und unveröffentlichtes Material von uns draufkommen soll. Im Studio hat man halt die Technik. Man kann halt eben mehrere Gitarrenspuren machen oder man kann halt einfach Faxenspuren machen, was wir ja auch gerne tun, daß wir uns einfach hinstellen und irgendwelche…

A: Leerrohre blasen.

K: Bei den letzten Aufnahmen hatten wir gar nicht großartig Gastmusiker, da hatten wir halt eben noch genügend Zeit – wir hatten acht Stunden Studio zur Verfügung und hatten nach drei unser Set stehen – und dann standen da halt Bongos in der Ecke und da haben wir halt noch Bongos draufgespielt; dann hatten wir noch einen Eimer mit Wasser und haben dann eben noch ein bißchen Wassergeblubber eingebaut und spontan noch Banjo draufgespielt. Letztendlich wächst dann so etwas zusammen. Live spielen wir das natürlich nicht, da sind wir nur zu dritt.

T: Und es ist auch schön, daß wir nur zu dritt sind, vor allem ist das auch sehr praktisch. Mehr Leute könnte ich mir gar nicht vorstellen.

Und wie sieht es mit künftigen Veröffentlichungen aus, ihr habt ja gerade von dem Livetape erzählt. Ist da auch mal eine Longplay CD von euch in Aussicht?

K: Wir haben nächstes Jahr (1996) vor unseren ersten eigenen Longplayer zu machen.

T: Das soll dann eine Konzept CD werden, da wir uns auch mal an ein größeres Thema her-anwagen wollen, wo wir die Stücke eben textlich unter ein spezielles Motto stellen und versuchen, dann die Musik darauf abzu-stimmen, um ein rundes Werk zu haben, das dann von vorne bis hinten durchorganisiert wird und wofür dann wahrscheinlich auch wieder Gasstmusiker ohne Ende kommen werden.

Habt ihr schon eine Idee oder ein bestimmtes Thema für das Konzeptalbum?

T: Es wird sich um die Tierwelt drehen, die dann metaphorisch für alles mögliche steht, was sich der Hörer hineininterpretieren möchte. Man soll daraus dann Rückschlüsse über die Menschheit oder auch sich selbst ziehen. Wir wollen den Leuten nicht unbedingt vorschreiben was sie da hören. Das ist das gleiche wie bei den vielen Instrumenten bei der Musik; der eine hört das Instrument, der andere eben nicht. Es ist halt eine persönliche Sache. Jeder nimmt für sich selektiv das wahr, was er wahrnehmen möchte. Für jeden klingt da die Musik etwas anders, und wenn das tatsächlich so wäre, hätten wir schon eines der Ziele, das wir mit der Musik verfolgen, erreicht.

Und wer ist bei euch für die Texte verantwortlich?

A: Die macht alle der Torsten.

T: Aber nur weil die anderen beiden zu faul sind.

Und wovon handeln die Texte, auf der Split CD sind ja leider nicht eure Texte abgedruckt.

K: Die Texte kann man aber bei uns kriegen, das ist kein Thema. Damit filtern wir halt auch wieder die Leute raus. Wenn sich jemand dafür interessiert, kann er die Texte haben, das ist kein Problem; die verstecken wir nicht.

T: Auf der Split CD war das ein gestalterisches Problem. Da uns die Texte auf der CD schlicht und ergreifend zu klein abgedruckt worden wären. Mich würde es stören, wenn da so kleine Texte drauf sind und meine Augen beim Lesen weh tun würden. Ganz abgesehen davon denke ich ist unser Publikum nicht so blöde die Texte nicht zu verstehen.

Aber live ist das wohl doch ziemlich schwierig. Um was drehen sich deine Texte?

T: Also explizit politisch möchte ich nicht unbedingt sein und schon gar nicht mit erhobe-nem Zeigefinger; denn genau wie bei allem anderen bei uns auch, sollen sich die Leute ihre eigenen Gedanken dazu machen und ihren eigenen Idealen nacheifern und nicht dem, was ich ihnen irgendwie vorschreibe. Ich versuche die Texte möglichst so zu halten, daß jeder sein Ding darin sehen kann oder auf etwas hingewiesen wird, das möglicherweise interessant für ihn sein kann. Dabei werden natürlich alle Themen angeschnitten, die mir am Herzen liegen, sowohl privater als auch politischer als auch sonstiger Couleur.

Du wirst aber auch immer einen Hauch Ironie darin finden. Thematisch habe ich schon über alles mögliche Texte gemacht. Über Umweltver-schmutzung, Wasserverknappung, die homosexuellen Szene, private Konflikte, mißglückte Liebesbeziehungen, von Leuten, die auf irgendwelchen Inseln sitzen, so kleine Geschichten eben. Da wird man einfach be-einflußt. Man muß sich ja nur eine halbe Stunde vor den Fernseher setzen; da hat man dann schon Texte fürs ganze Leben. Einmal Nachrichten gesehen und man kann den Rest seines Lebens Texte schreiben. Oder wenn man nur über die Straße geht und irgendwelche Leute anschaut, hat man auch schon wieder neuen Stoff. Die Welt bietet so viele Inputs, daß du immer Themen findest.

Nun noch eine Frage zur Szene hier. Das Ruhrgebiet ist ja schon als Prollpunkecke berüchtigt. Gibt es da für euch eigentlich irgendwelche Läden, wo ihr hingehen könnt.

K: Es hat früher mal ein paar Läden gegeben, wo man hingehen konnte, wo auch Musik gespielt wurde, die in unsere Richtung geht. Aber wir wissen ja selbst, daß es nicht die große Masse ist, die unsere Musik hört, wie man ja gestern auch beim Konzert wieder gesehen hat. Da blieb halt nur ein kleiner Pulk stehen, der es total geil fand und für diese Leute spiele ich. Hier in Duisburg ist es eben schon so, daß dieser Party Punk schon wesentlich besser ankommt, das hat sich hier halt etabliert, da gibt es das PLASTIC BOMB Fanzine oder IMPACT RECORDS, die so Gruppen wie RAZZIA machen, da würden wir mit unserem Sound nie unterkommen

Was ja aber auch schon fast wieder ein Kompliment ist.

K: Entweder ist es Engstirnigkeit oder eben doch kein Independentkram.

T: Zur Szene im Ruhrgebiet kann ich einfach nur sagen, daß sie einfach gehypet ist. Ich weiß wirklich nicht wo die Punkszene hier in Duisburg sitzen soll, denn außer den zuvor erwähnten Institutionen sieht man hier eigentlich recht wenig. Ich meine das ist wie in jeder anderen Stadt auch, wenn du zur richtigen Zeit am richtigen Ort bist, findest du halt irgendeine Szene vor, egal welche. Wenn jemand Punk gut findet, soll er’s gut finden. Im Ruhrgebiet leben elf Millionen Menschen, die finden nicht alle Punk gut und ich denke mir jede Musikrichtung hat ihre Existenzberechtigung und ihr Publikum. Wir machen einfach unser Ding.

K: Wenn wir mehr Konzerte haben wollen, müssen wir halt mehr dafür reinhauen und wenn wir bekannter werden wollen, müssen wir selber dafür sorgen.

Also so wie sich das anhört seid ihr momentan recht glücklich und zufrieden wie alles läuft.

K: Ja klar. Es ist ja auch spannend zu sehen, was dabei rumkommt. Und manchmal wirds einem ein bißchen zu viel und manchmal hat man ein bißchen zu wenig.

T: Und wenn wir was falsch gemacht haben, müssen wir uns selber an der Nase zupfen.

K: Manchmal streiten wir uns auch, aber das gehört einfach dazu.

Jetzt zum Abschluß noch ein paar Fragen zu eurem Label SPILT MILK RECORDS, das ihr vor kurzem gegründet habt und auf dem bisher die Split CD MILK A DISK erschien, auf der neben euch AUNT HAZEL, TAKE OUT THE TRASH und SIMUINASIWO zu hören sind. Wird diese MILK A DISK Reihe fortgesetzt? Und weiter könntest du vielleicht auch mal kurz auf das Prinzip der Reihe eingehen, da ich mir sicher bin, daß da doch die ein oder andere unbekannte Band Interesse daran haben könnte.

K: Der Sampler soll auf alle Fälle fortgeführt werden und dafür suchen wir natürlich auch noch Bands. Das Prinzip ist Boden zu schaffen, an dem die Leute endlich mal aus dem Quark kommen. Ich denke es gibt jede Menge gute Bands, die aufgrund von Tranigkeit, Proberaumversacken oder son-stigen Gründen nur in ihrer Stadt spielen. Und für die ist das schon gut, wenn sie mal raus-kommen. Der Sampler gibt denen den ersten Kick – eine Art Starthilfe. Sie haben keine ho-hen Produktionskosten, keiner redet ihnen rein und sie haben das Label als Hintergrund. Ich nehme denen die Arbeit gerne ab, verschicke den Kram, wie es jede der Bands für sich alleine tun würde; und zum anderen soll es halt auch gegen dieses blöde Konkurrenzgehabe zwischen kleinen Bands angehen.

Und welche Anforderungen stellst du da an die Bands? Nimmst du beispielsweise auch schon veröffentlichtes Material und übernimmst das einfach?

K: Also das möchte ich ungern. Ich möchte schon ganz gern, daß das so weiterläuft, daß die Bands etwas für den Sampler aufnehmen. Gerade was die Produktionskosten anbelangt sind wir Studiotechnisch recht billig und die Band hat die Möglichkeit ins Studio zu gehen und das soll sie auch nutzen – meinetwegen kann sie ja alte Stücke aufnehmen. Worum es uns eigentlich geht ist, daß es Bands sind, die nicht unbedingt diesen Einheitsbrei machen. Ich bin da ganz froh um Leute, die da innovativ sind und es deshalb vielleicht manchmal auch etwas schwerer haben. Und gerade denen möchte ich halt die Möglichkeit geben.

T: Man muß dazu sagen, daß die Bands, die wir nicht nehmen nicht unbedingt schlecht sind – es muß uns einfach gefallen. Und wenn es uns gefällt, dann nehmen wir das natürlich gerne. Und wenn es uns nicht gefällt, heißt das nicht, daß die Band schlecht ist, sondern nur, daß sie nicht in dieses Konzept der MILK A DISK Reihe reinpaßt.

K: Und ich denke auch eine gute Band ist eine Band, die aus dem Quark kommt. Ich hab da keinen Nerv drauf, daß da vier Bands mit-machen, die alle miteinander nichts zu tun haben wollen. Sie sollen dann eben auch zu-sammen organisieren. Beim letzten war es da eben so, daß da schon einige verschiedene Städte am Start waren und das soll auch diesmal so sein. Am liebsten wärs mir wenn eine Band aus Rostock, eine aus München, eine aus Hamburg und eine aus Duisburg kommt, daß da eben ein Konzertaustausch stattfindet. Wer sich dafür interessiert, kann sich gerne bei uns melden.

Und außerhalb der MILK A DISK Reihe, wirst du auch irgendwelche Longplay CDs von irgendwelchen Bands rausbringen?

K: Ja klar. Die Sache ist eben nur mit der Kohle, denn die haben wir momentan halt noch nicht. Man kann schon Arbeit für die Bands machen, das machen wir auch gerne, aber letztendlich schreiben wir den Bands nichts vor und von daher müssen sie halt selber dafür bezahlen. Vielleicht sind wir ja irgendwann mal in der Lage dazu, aber momentan halt eben noch nicht. Wobei TAKE OUT THE TRASH und SIMUINASIWO, die auch auf der ersten Split CD vertreten waren, im nächsten Jahr Longplay CDs aufnehmen, die dann wahrscheinlich wieder von SPILT MILK RECORDS veröf-fentlicht werden.

T: Wir bieten den Bands eben nicht die dicke Kohle, wie das ein Majorlabel kann, sondern geben ihnen die Unterstützung, die wir ihnen geben können – wir promoten die CD, schicken die an Fanzines und Radiostationen, veröffentlichen Anzeigen dafür, machen Faxmailings, alles mögliche halt. Wir helfen den Bands auch mit Auftrittsmöglichkeiten, sagen denen wo sie sich hinwenden sollen, damit sie vorwärts kommen. Alle Kontakte, die wir haben, stellen wir auch den Bands zur Verfü-gung, so daß wir sie schon etwas vorwärts bringen können. Wir bieten ihnen weiter noch ein Studio, das gut und relativ billig ist, so daß sie sich auch nicht Studiomäßig irgendwie in die Scheiße setzen. Also die kriegen da mit Sicherheit was gutes für ihr Geld. Und wenn die Bands gut sind, ist somit ja auch ein gutes Endprodukt garantiert.

Und was würde jetzt mit dem Label passieren, wenn JARBONE einen riesen Plattenvertrag angeboten bekäme, würdet ihr SPILT MILK RECORDS wieder einschlafen lassen?

K: Also das denke ich nicht. Gerade dann würden wir es noch forcieren.

T: Wir würden uns wünschen, daß bei einem Majordeal alles unter Lizenz von SPILT MILK weiterläuft, was keine finanzielle Sache ist, sondern schlicht und einfach eine rechtliche. Wir würden nur ungern unsere Rechte abtreten. Wir wollen uns nicht in die Musik reinreden lassen, nicht in die Texte und auch nicht in irgendwelche gestalterischen Maßnahmen.

K: Ich meine wenn jemand sagt, macht das so und wir finden es gut, klar. Aber sich irgendwie hypen zu lassen und im Endeffekt dann doch der Arsch zu sein, nee. Es ist ja auch nicht so, daß wir noch nicht angequatscht worden wären, aber die Fäden wollen wir in der Hand halten und das soll auch in Zukunft so bleiben. Gute Kritiken immer, aber kein Reinpfuschen.

Schönes Schlußwort. Mögen diese frommen Wünsche, die schon so viele Bands hatten, in Erfüllung gehen.

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Kontakt:

SPILT MILK RECORDS

Duisburgerstr.23

46535 Dinslaken

Interview: Stefan Kleiber

Links (2015):
Discogs

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