Januar 16th, 2025

Hysterese (#220, 2023)

Posted in interview by Jan

Verzögerte Wirkung
Interview mit Hysterese

Hysterese aus Tübingen sind schon seit über 12 Jahren im Game und für mich eine der besten, die sich in diesen Breitengraden tummelt. Nach einem Demo-Tape hatte die Band 2011 ihr Debut-Album bei Search For Fame Records rausgebracht und damit bereits einigen Staub aufwirbelt. Nicht nur mich hatte der knackige, derbe rockende und immer wieder auch wavige Punksound mit Hardcore-Kante in nachhaltige Begeisterung versetzt.
Vor allem der hektische und teils gegensätzliche Wechselgesang von Helen und Moritz gab dem Ganzen einen besonderen Kick. Die zweite Platte schlug in eine ähnliche Kerbe, ging ebenfalls ordentlich nach vorne und erschien 2014 demnach fast schon folgerichtig auf Taken By Surprise und Sabotage Records. In den folgenden Jahren veränderte sich der Sound zunehmend, wurde eingängiger und (punk)rockender. 2018 kam Album Nummer drei via This Charming Man, und Kidnap Music brachte das Debut als Rerelease.

Das aktuelle Album erschien 2021 wiederum bei This Charming Man und zeichnet sich aus durch noch komplexeres und sphärischeres Songwriting mit noch mehr Hang zu großen Moll-Melodien. Soundtechnisch gibt es zwar nur noch wenige Gemeinsamkeiten mit dem knalligen Debut, es ist aber dennoch eine fantastisch gute und packende Platte. In den Texten werden seit jeher meist bedrückende persönliche Dinge verarbeitet.

Nach außen vertritt die Band eine antifaschistische, antirassistische und antisexistische Gundhaltung. Für all ihre Releases gab es berechtigterweise sehr viel positive Resonanz, und der Ruf als fulminanter Live-Act eilt Hysterese ohnehin voraus. Umso überraschender ist es daher, dass es bisher noch kein Interview und auch keine Story im Trust gegeben hat. Die Lücke sollte meiner Meinung nach unbedingt geschlossen werden, weshalb ich mich nach ihrem Gig beim Booze Cruise im Juni 2022 in Hamburg mit der Band zum Interview verabredet hab.

Die Rahmenbedingungen waren aufgrund eines hohen Lärm- und Nervpegels drumherum leider nicht die Besten, was vor allem die weitere Bearbeitung zu einer anstrengenden Herausforderung machte. Herausgekommen ist aber dennoch ein vielschichtiges und spannendes Gespräch zur Geschichte und persönlichen Erfahrungen mit der Band sowie den musikalischen Vorlieben und Einflüssen. Here we go.

Hallo, schön dass es geklappt hat und dass ihr da seid. Und erstmal vielen Dank für die Show. Es war großartig euch mal wieder live zu sehen. Wobei es mich schon überrascht hat, dass ihr hier überhaupt gespielt habt, nachdem ich erfahren habe, dass ihr dafür einen Gig bei der 50-Jahre-Epplehaus-Gala in Tübingen ausgeschlagen habt. Schließlich ist das ja schon sowas wie eure Homebase.
Moritz: Naja, Kai war gestern noch da.

Kai: Ja, ich hab ne Schicht gemacht.

Michele: Ich hab auch mitgeholfen.

Das Epplehaus ist nicht nur eines der ältesten selbstverwalteten linken Jugendzentren, sondern auch das einzige mir bekannte, das im Konzertraum ein großes gemaltes Runenalphabet an der Decke hat. Als ich vor einigen Jahren das erste Mal da war, ist mir das sofort aufgefallen und ich dachte nur: What the fuck!? Könnt ihr mir sagen, was es damit auf sich hat?
Moritz: Dazu gibt es eine Story, die ich miterlebt hab. Da kam vor etlichen Jahren so ein Typ im Epplehaus vorbei, der war gerade aus dem Knast freigekommen, ich glaub sogar wegen Totschlag oder so. Und der hat eine Axt umhängen gehabt und wirkte vom Style wie ein Wikinger. Und die einzige Person, die den noch von früher kannte, kam dann aufgeregt an: „Der So-und-so ist ausm Knast zurück.“ Das hat natürlich Panik ausgelöst. Und die Leute an der Tür haben den dann reingelassen – mit der Axt, weil die Angst vor dem hatten. Und der Typ kam dann so vollkommen verwirrt rein und zeigte die ganze Zeit auf das Runen-Gemälde: „Das ist von mir. Das hab ich gemalt.“

Alle hatten übelst Angst vor dem und haben das auch nicht in Frage gestellt, sondern ihm Zigaretten und Bier und alles, was er wollte, besorgt und gegeben. Der war auch nur diesen einen Abend da und ich hab den dann nie wieder gesehen.

Was für eine verstörende Geschichte gleich zum Einstieg… Zurück zu euch und vielleicht zu allererst zur aktuellen Besetzung. Ich hatte mitbekommen, dass es vor der aktuellen Platte personelle Veränderungen in der Band gegeben hatte. Eben beim Konzert war ich dann überrascht, weil im Vergleich zu den für mich aktuellen Bandfotos und Interviews noch wieder eine Veränderung wahrnehmbar war. Helen und Moritz (Anm.: beide Gesang und Gitarre) ihr gehört zur Gründungsformation und Kai am Schlagzeug ist auch schon seit einigen Jahren dabei. Aber dich am Bass kannte ich jetzt noch nicht. Daher die Frage: Wer ist Hyterese? Und bist du der neue feste Bassist?
Michele: Ja, würd ich schon sagen. Ich habe heute immerhin ne Pizza gekriegt, das ist schon mal ein gutes Zeichen. Haha.

Moritz: Ja, wir sind die aktuellen Hysterese und Michele ist unser fester Bassist. Jana, die noch die aktuelle Platte mit eingespielt hat, ist aus unterschiedlichen Gründen nicht mehr dabei.

Seit wann bist du jetzt mit dabei, Michele?
Michele: Seit Herbst 2022. Ich kenn die Band aber schon über 10 Jahre. Angefangen hat es, als ich mir damals das Demotape auf New Erection gekauft hab. Und wir sind ja auch alle so durch die Szene befreundet gewesen in Tübingen. Wir kennen uns alle schon sehr lange.

Moritz: Ja, aus dem Epplehaus. Michele hat total oft Bar gemacht, wenn ich Ton gemacht hab. Dann waren wir oft beide an so DIY-Shows beteiligt. Aber ich selber hatte dich jahrelang nicht so aufm Schirm, weil du immer so doomig gespielt hast und so langsam und schwer und so voll vom Bass her. Und das ist so weit weg von dem, wie ich sonst Rockmusik denke.

Michele: Also mehr Crust und mehr Doom und Rawpunk und so Sachen. Aber dennoch waren mir die Punkshows immer wichtig, und ich hab immer mitgemacht im Epple und da versucht mitzuwirken und zu helfen.

Moritz: Du hast da schon viele Thekenschichten gemacht, oder?

Michele: Ja, gerade in meinen Anfängen. Ich bin 2015 nach Tübingen gezogen und hatte viel Zeit und hab sehr viele Schichten gemacht. Ich wollte mich da ja auch einbringen, das war schon irgendwie auch der Grund, warum ich nach Tübingen gezogen bin.

Es gibt euch als Band aber ja schon etliche Jahre. Wie ist es denn damals überhaupt dazu gekommen? Durch andere Interviews hab ich erfahren, dass ihr beide, Helen und Moritz, euch ja zumindest schon sehr lange kennt.
Moritz: Ja wir hatten ne Band namens Derby Girls. Da haben wir aber eher so discotauglicheren oder poppigeren Deutschpunk so Richtung Ideal gemacht. Und dann hatten wir ja schon mit dem Haug zu tun, der hatte mit nem Label angefangen, Erste Theke Tonträger. Und der hatte auch die Derby Dolls Sachen rausgebracht und auch Touren für uns gefahren.

Und der war eben so ein extrem musikfanatischer Typ, und dann haben wir ihn halt gefragt: „Ey, du spielst in keiner Band. Willst du nicht mal mit uns Musik machen?“ Das war so das Eine. Und zum Anderen wollten wir auch was Härteres machen, nicht nur so cleane Gitarren und Rhythmus und Hooklines, sondern wir wollten was Fetteres mit Verzerrung. Und das wurde dann eben Hysterese.

Und am Anfang haben wir auch so wild rumversucht. Helen hat die ersten Proben so Blackmetal-Gesang gemacht. Und wir wussten noch nicht so richtig, wie das werden soll. Irgendwann haben wir superschnellen ChaosZ-Punk gemacht. Das ist ja dann auch sehr anders geworden, und machen wir jetzt auch schon länger nicht mehr.

Ich hab euch mit der ersten Platte kennen gelernt. Damals hat mich mein guter Freund Jan von Yoyo-Records, den ihr ja auch sehr gut kennt, auf ein Konzert mitgenommen, als ich euch noch gar nicht kannte. 2012 war das, da habt ihr in Berlin zusammen mit Joyce Manor gespielt. Die Show fand ich megagut, auch wenn Haug mich irritiert hat, weil er die ganze Zeit – und ja auch danach bei andern Shows immer – mit dem Rücken zum Publikum gespielt hat. Ich hab es bis heute nicht verstanden. Daher fand es heute mal sehr angenehm, euch alle frontal sehen zu können.
Moritz: Ja, das hat er uns auch nie verraten. Wir wissen also auch nicht, warum er das macht.

Die Show hat mich damals aber echt begeistert, und ich find gerade eure erste Platte bis heute wahnsinnig stark. Im Vergleich dazu habt ihr euch im Laufe der Jahre natürlich weiterentwickelt aber euren Sound auch doch sehr verändert. Von den krachigen und schnellen Punksongs mit dem zum Teil sehr hektischen und manchmal auch gegensätzlichen Wechselgesang von Helen und Moritz habt ihr euch mehr oder weniger ganz verabschiedet. Ihr habt heute deutlich mehr Metal-Einfluss, die Songs sind deutlich rockiger und dadurch auch viel zugänglicher und eingängiger geworden. Ich hab Friends, die nur eure erste Platte kennen und euch dann nicht weiter verfolgt haben, euer aktuelles Album mal vorgespielt, und die meinten: Wie? Das sind Hysterese? So klingen die jetzt?  War das eine bewusste Entscheidung und hattet ihr da keinen Bock mehr drauf oder hat es sich so ergeben? Helen du hast ja lange Zeit auch hauptsächlich die Songs geschrieben. Hat sich an dem Songentstehungsprozess was geändert?
Helen: Moritz und ich machen schon im Wesentlichen beide die Akkorde, wobei ich mich dann schon immer mehr um die Vocals gekümmert hab. Ich hab überlegt, wie dieser zweistimmige Gesang funktionieren könnte. Aber jetzt aktuell haben wir den ja zurückgefahren, weil wir Bock hatten, es mal anders zu probieren. Moritz wollte sich beispielsweise mehr auf die Gitarren konzentrieren und auch mal Soli spielen.

Und ich hatte Lust mal wieder ausufernder zu singen. So konnt ihr mir dann auch Melodieläufe ausdenken, die sonst so zu zweit auch gar nicht realisierbar gewesen wären.

Moritz: Diese superprominenten und superstarken Hooklines lassen sich schwer kombinieren mit einem eher auf den Rhythmus fixierten Silbensatz. Wenn du so eine blondiemäßige Hookline haben willst, dann kannst du nicht was anderes einfach mittackern lassen. Das beißt sich sonst. Und wir hätten es arg künsteln müssen für das Album. Wir haben es anfangs noch versucht, weil wir auch gesagt haben: Ey, das ist doch aber unsere Signature. Aber das war in dem Fall eine schlechte Idee. Wenn dann die Hooklines für sich gestanden haben, war es einfach besser, und dann haben wir es eben weggelassen.

Helen: Aber es ist nicht ausgeschlossen, dass wir es irgendwann auch wieder so machen. Wir schauen einfach, wie es sich gut anfühlt.

Moritz: Helen hat auch megaviele Basslines geschrieben für das neue Album. Davor haben wir immer versucht das Gegenteil zu machen. Ich war immer stolz, wenn wir einen Song geschrieben haben, in dem der Bass nur einen Ton spielt – wo das so ein Pol oder Anker ist, und da drum herum findet der Rest statt. Und das ist jetzt auf der neuen Platte ganz anders. Manche Songs haben mit der Bassline angefangen.

Michele: Ja, das war auch für mich, naja eine Hürde vielleicht nicht. Aber mir wurde schon nahe gelegt, dass die neuen Songs sehr bassintensiv sind. Es war aber ohnehin am Anfang eine Herausforderung für mich, denn es ging alles recht schnell und ich musste die Setlist von 0 auf 100 auswendig lernen. Hat aber denk ich ganz gut geklappt. Es ist natürlich auch nicht meine erste Berührung mit Musik, aber es war anfangs schon ein bisschen aufgeregt auf jeden Fall.

Alle vier eurer bisherigen Alben sind konsequent selftitled. Ihr habt mal in einem anderen Interview gesagt, dass es am Anfang gar nicht unbedingt eine bewusste Entscheidung war. Irgendwann hat es dann aber doch für euch gepasst, und ihr habt weiter keine Titel vergeben, weil ihr wolltet, dass sich die Leute über die Musik ein Bild von euch machen. Stimmt das so in etwa?
Moritz: Hm, wieso haben wir das nicht gemacht? Am Anfang war es auf jeden Fall so, dass es sich einfach falsch angefühlt hat, dafür einen Titel auszudenken. Am Anfang klangen wir so ungekünstelt wie noch was. Das war einfach nur mit dem Kopf durch die Wand und so ehrlich, wie es irgendwie nur geht. Dafür einen Titel auszudenken, war schon zu artifiziell irgendwie. Und dann blieb das halt so.

Das heißt das nächste Album wird auch wieder selftitled?
Alle: Wahrscheinlich. (Lachen)

Wobei das aktuelle Album ja noch nicht so alt ist.
Moritz: Naja, wir schreiben schon wieder eifrig.

Das heißt es gibt schon neue Songs? Ist das bei euch auch der Corona-Effekt, dass ihr als Band während dieser Zeit sehr produktiv ward?
Moritz: Naja, ich hab einen, und Helen hat sechs oder so.

Helen: Ja, fünf oder sechs sind das.

Moritz: Beim letzten Album haben wir es absichtlich geteilt – also fünf pro Person. Und wir mussten jeweils die besten fünf ins Rennen schicken. Wir hatten so einen Auswahleffekt, dadurch hat sich die Qualität so ein bisschen angehoben. Früher haben wir das nicht so gemacht. Da haben wir einfach gesammelt bis zehn Songs beieinander waren, und dann haben wir aufgenommen. Und jetzt mussten wir auch ein paar rausschmeißen und selektieren. Das war schon auch gut glaub ich, auch für die Platte.

Seid ihr im Aufnahmprozess dann selber mit involviert? Ich hab gehört, dass du Moritz die Aufnahmen von der ersten 7“-Single von Danger! Danger! (Anm.: HC-Band aus Tübingen) gemacht hast.
Moritz: Oh ja, mit dem Momo zusammen, dem Schlagzeuger der Derby Dolls. Aber ich sitz da nicht am Rechner, sondern das macht Momo. Der sagt grundsätzlich wenig. Und dann saß der immer am Rechner und hat so rumgeklickt mit der Maus. Und dann hab ich ihn gefragt: „Hey, machste Aufnahmen?“ Und er: „Ja.“ Und dann ich: „Soll ich dir helfen mit den Mikrofonen, und soll ich mit den Bands reden?“

Und er wieder nur: „Ja.“ Und dann hab ich das einfach gemacht, die Mikrofone hingestellt und beim Sound geholfen, beim Dämmen und wo was wie im Raum steht. Und Momo hat alles am Rechner gemacht. Und ohne dass wir es so aktiv besprochen hatten, war das glaub ich ein ganz gutes Team-Work. Und irgendwann haben wir auch so ein paar Sachen gemacht bei denen wir auch Geld dafür genommen und so unser Taschengeld damit aufgemöbelt haben.

Helen: Aber bei Hysterese haben wir noch nie alles komplett selber gemacht.

Moritz: Komplett selber nicht, nein. Die ersten beiden haben wir selber getrackt mit dem Momo zusammen. Die Mixe haben wir dann von Robin Völkert machen lassen, der bei den Surfnazis Must Die und bei Dean Dirg und dann Now Denial gespielt hat, und ich glaub der ist jetzt Keyboarder bei den Donots. Von dem haben wir das mischen lassen. Und bei dem war es immer so: Wir haben ihm die Tondateien geschickt und dann kommt es so kommentarlos zurück – perfekt!

Einmal bei Derby Dolls hat er sogar noch ne zweite Gitarre aufgenommen, weil er die eine zu wenig fand. Und das war auch perfekt. Das war genau, wie ich es gemacht hätte. Und dann kriegen wir es so zurück, und der hat nie Geld gewollt. Ich hab immer gefragt: Dürfen wir dir dafür jetzt was bezahlen?

Und dann war einfach Funkstille. Ob das eigentlich Absicht war oder nicht, weiß ich nicht. Aber es gab dann einfach keine Kommunikation mehr, nachdem wir supergeile Mixe gekriegt haben. Und ganz zu Beginn hatten wir nur einmal vorher gesprochen. Na gut, ich hab mal Ton gemacht für Now Denial. Aber dass wir uns ins Gesicht geschaut und hallo gesagt haben, das war nur einmal in Dortmund. Verblüffend.

Das heißt also bei den ersten beiden Alben habt ihr die Aufnahmen selber gemacht. Und wie war es bei den andern beiden?
Moritz: Da waren wir bei Fabe Schaller in Tübingen. Der hat mal in so ner damals glaub ich sogar ganz bekannten Band namens Tidal gespielt. Die haben mit drei Gitarren so chaotisches Refused-Gedöns gemacht und waren auch mal auf Südamerika-Tour. Danach hat der eine ganz andere Band gemacht eher Richtung Ramones, The Renderings. Und der ist auf jeden Fall Toningenieur in Tübingen und macht viel Film und so Sachen. Der will eigentlich immer viel mehr Bands machen, aber….

Helen: …davon kann man nicht leben. Aber Moritz macht ja grundsätzlich auch schon ziemlich viel so Sound-Einstellungen. Also er berät dann wiederum den Fabe. Er ist schon ein ziemlicher Nerd, was so Effektgeräte und Equipment allgemein angeht.
Moritz: Ja, der Fabe sagt selber immer so: „Gut, dass du dabei bist bei der Produktion.“ Denn ich bin so voll konzentriert dabei mit Zettel und Stift und so. Ich versuche so alle durch die Produktion zu begleiten und auf alles zu achten.

Und Fabe macht das eher nicht, der sitzt auch wieder eher so am Rechner und versucht so zu tracken. Und den Rest machen wir dann wieder miteinander. Aber ich guck schon so auf alle Instrumente mit drauf, oder versuch es zumindest. Das funktioniert nicht immer gut, aber manchmal schon. Das führt in der Regel dazu, dass ich auf mein eigenes Instrument am Wenigsten achte. Ich spiel oft am unsaubersten, und mein Sound ist oft auch gar nicht der Beste. Und hinterher fällt mir dann auf: Ach so hätte ich es machen können. Aber dann ist die Platte schon fertig. Haha.

Gehen wir nochmal ein paar Schritte zurück. Ich hab nochmal ne Frage zur Entstehungsgeschichte oder sogar zur Zeit vor Hysterese. Ich fand einen Aspekt sehr spannend. Und zwar habe ich gelesen, dass in deinem Fall, Helen, dein Chor-Lehrer eine entscheidende Rolle gespielt und dich animiert hätte in einer Band zu singen.
Helen: Also, bei mir war es so: Ich war auf einem Gymnasium, und da gab es einen Lehrer, der sehr engagiert war. Da hab ich bei dem im Chor gesungen, und hab auch mal ein Solo gemacht, und dann hat er mich ermutigt in der Bigband zu spielen. Also überhaupt jetzt mal zu singen und mich zu zeigen, das war tatsächlich dieser Lehrer, ja. Aber bei vielen an der Schule tatsächlich. Der war eben sehr engagiert.

Ich finde das gerade spannend vor dem Hintergrund der seit einigen Jahren offen geführten Diskussion um Sexismus im Punk und der damit verbundenen Frage: Wer wird an Bands herangeführt, bekommt die Möglichkeit oder wird empowert sich in Bands auszuprobieren. Und da bin ich darüber gestolpert und hab mich daher gefragt, ob dieser Lehrer dich damals auch so konkret gepusht hat: „Hey, du solltest auf jeden Fall auch in einer Rock- oder sogar Punk-Band singen.“
Moritz: Im Gegenteil! Weißt du noch, als wir den mal auf der Straße getroffen haben in Reutlingen? Und er hat dann gefragt: Macht ihr noch Musik? Und dann haben wir es ihm beschrieben, und dann hat der richtig die Nase gerümpft und meinte: Oh, das ist aber nicht gut für die Stimme. Also, das war dem gar nicht so recht, dass es so einen Weg gegangen ist. Da war der nie begeistert.

Der war zwar sehr engagiert, aber das fand der dann nicht so gut. Also der wollte schon mehr so Hochkultur und so.

Helen: Aber ich bin trotzdem über die Geschichte zur Band gekommen. Bei der allerersten Band, die wir zusammen hatten, Rent A Gun, wurde ich nur gefragt, ob ich Sängerin werden will, weil ich im Chor gesungen habe.

Moritz: Genau, nachdem unser alter Sänger gegangen ist, haben wir halt geguckt: Wer kann denn in der Stadt gut singen? Wen können wir denn kennen? Ja, Helen ganz offensichtlich! Wir haben sie singen gehört – und zwar laut vor viel Publikum. Lasst sie uns mal fragen.

Aber wie waren dann so deine Erfahrungen und Reaktionen? Denn die Punk- und HC-Szene ist ja bis heute eine sehr stark von Cis-Typen dominierte. Seien es die Bands, die hauptsächlich wahrgenommen und gebucht werden oder aber auch Leute die Shows veranstalten und promoten, die Aufnahmen machen, die Labels und Distros haben, die – wie in meinem Falls ja auch – für Fanzines und Magazine schreiben oder diese machen.
Helen: Also, es gibt ja Bereiche, die ich unterscheiden würde. Alle, mit denen ich bisher Musik gemacht habe, also alle meine Bandkollegen haben mich extrem ermutigt. Ich habe mit keinem Mitmusiker die Erfahrung gemacht, dass er mich in irgendeiner Form geschmälert hätte. Im Gegenteil bin ich von etlichen Männern immer sehr gepusht worden. Mein Papa beispielsweise hat immer gesagt: Spiel E-Gitarre – voll cool! Aber auch alle meine aktuellen oder auch ehemaligen Bandkollegen haben mich immer sehr supportet.

Ich hab in dem Rahmen nie eine Diskriminierung erfahren. Aber auf der Bühne musste ich mir immer wieder mal blöde Sprüche anhören. Und ich hab auch schon öfter gesagt bekommen: „Also, eigentlich mag ich ja Frauengesang nicht, aber bei dir ist es schon okay.“ Auch wenn es mittlerweile besser geworden ist, gibt es immer noch total viele Festivals und Shows, wo ich die einzige Frau auf der Bühne bin. Es gibt ja relativ wenige Frauen, die beispielsweise ein Label betreiben. Das ist super super selten – noch viel seltener als eine Schlagzeugerin.

Es fällt mir glaub ich nur Sargent House (Anm.: Betreiberin ist Cathy Pellow) ein, als ein bekannteres und schon auch erfolgreicheres Label, das von einer Frau betrieben wird und wo ich auch viele Bands gut finde. Also ich hab schon viele Frauen getroffen, die unglaublich tolle Musik gemacht haben und die auch aktiv waren in der Szene. Aber es ist trotzdem immer noch die Minderheit, und es ist schon manchmal auch immer noch schräg. Außerdem muss man grundsätzlich sagen, bezogen auf das Publikum auf Shows generell oder auch beispielsweise heute Abend, dass das Publikum ja auch sehr weiß ist.

Definitiv. Du hast gerade erwähnt, dass ihr oft die einzige diversere Band zwischen reinen Cis-Typen-Bands seid. Aber das ärgerliche und frustrierende dabei ist: Diese Bands gibt es ja, die sind da und waren auch in den letzten Jahren und Jahrzehnten da. Und daher ist ja vor allem die Frage wichtig, was die Gründe dafür sind, dass es immer so eine krasse Typen-Dominanz gab.
Helen: Aber das ist ja nicht nur in der Punk-Szene so. Ich hab neulich mal einen Radiobeitrag im Deutschlandfunk gehört, wo es auch darum ging, dass es auf so großen Pop- und Hiphop-Bühnen oder Festivals, die Quote noch viel schlechter ist. Wenn ich mich richtig erinnere, sind da glaub ich 4-8% Frauen nur auf der Bühne. Und es ist natürlich extrem schade. Ich freu mich natürlich total, wenn ich andere Frauen treffe, die auch Musik machen oder Labels machen. Oder heute war ja eine Sound-Frau da, das fand ich richtig gut. (Rest der Band stimmt zu.) Also wir machen z.B. auch ein Festival in Reutlingen, da haben wir auch beim Booking drauf geachtet, dass in jeder Band zumindest mal eine nicht cis-männliche Person vertreten. Aber auch schade, dass man das dann schon irgendwie so hervorheben muss.

Moritz: Ja, das Wild Orchid Festival versuchen wir jetzt schon zum dritten Mal anlaufen zu lassen. Das hat aus diversen Gründen – nicht nur aufgrund der Pandemie – dreimal nicht geklappt. Wir machen das im FranzK, das ist ein soziokulturelles Zentrum. Das sind Freunde und Bekannte von uns, und die haben da voll Bock drauf. Denen war diese ganze Thematik so gar nicht klar. Während es für uns irgendwie selbstverständlich war, dass wir versuchen – und es geht hier um vier Bands an einem Abend, das ist ja eigentlich gar nicht so viel – keine Band zu buchen, in der nur Kerle spielen, hat es bei denen ein bisschen gedauert, bis durchsickerte was unser Punkt dabei ist.

Helen: Wobei das FranzK ein Ort ist, wo das Publikum schon wesentlich diverser ist mit ganz unterschiedlichem Background.

Moritz: Die haben da auch eine Band aus Rumänien, eine kommt aus Griechenland. Und da sind auch Kinder dabei.

Helen: Und sie machen einen kurdischen Abend. Das ist schon sehr breit aufgestellt und an sich auf jeden Fall ein Ort, der divers ist. Die haben auch viele Bands mit Frauen. Aber es ist kein subkultureller Laden, also zumindest für unsere Subkultur. Die machen auch viel Weltmusik, es gibt Theater, Disco-Abende oder welche für die Black Community. Also es ist schon sehr sehr breit aufgestellt.

Moritz: Es ist ein großes Glück, dass die uns so ein großes Vertrauen entgegenbringen, dass sie sagen: Ihr dürft jetzt so ein von Hysterese kuratiertes Mini-Festival machen. Das ist ja nicht selbstverständlich, dass die das so machen. Die stellen da mordsmäßig Infrastruktur für uns.

Helen: Aber nochmal zur Grundfrage zurückzukommen: Es ist auf jeden Fall schon schade, dass man erst jetzt an den Punkt kommt, wo man das so größer thematisiert. Klar. Ich bin zum Beispiel auch der Meinung, dass es tatsächlich nicht anders geht, als es mit so einem bewussten Booking zu tun, weil es sonst automatisch wieder genauso läuft, wie es immer davor war. Und dann gibt es ja auch noch ein anderes Thema, was den Sexismus angeht. Ich hab ja auch lange gespielt, als ich schwanger war, wie die Baboon Show-Frontfrau ja beispielsweise auch.

Und da muss man sich Sachen anhören, das ist echt unglaublich. Und das nicht nur von Typen, sondern auch von Frauen, denn leider tragen ja auch viele Frauen das Patriarchat mit. Das waren dann so Sachen wie: Wie kannst du sowas machen? Das ist doch unverantwortlich und das Kind gefährdend. Als ob man nicht selbst einschätzen kann, wie man mit bestimmten Situationen umgeht, was man schaffen kann und was nicht. Muss ich mich jetzt komplett zurückziehen?

Moritz: Und man kann da an dieser Stelle sagen: Dem Kind geht’s gut.

Als ihr den Nachwuchs bekommen habt, habt ihr ja trotzdem keine wirklich lange Pause mit der Band gemacht, oder?
Helen: Doch, ein Jahr haben wir Pause gemacht und keine Shows gespielt.

Moritz: Naja, in dem Jahr haben wir dann Songs geschrieben und Aufnahmen gemacht, aber keine Shows gespielt.

Ihr beide, Helen und Moritz, habt darüber hinaus noch mit anderen gemeinsamen Bands Platten gemacht und Shows gespielt. Aktuell mit NØx und vor einigen Jahren mit Eat//Read//Sleep, mit denen ihr ein fantastisches Album veröffentlicht habt.
Helen: Eat//Read//Sleep gibt es nicht mehr.

Moritz: Daraus ist Nøx entstanden, nachdem der Fabe, der die Tonaufnahmen gemacht hat, da nicht mehr Bass gespielt hat. Der ist raus, und dann haben wir aus Eat//Read//Sleep eben Nøx gemacht.

Was dabei auffällig ist, es gibt – bis auf momentan bei Ausgebombt – immer eine Beteiligung von euch beiden, Helen und Moritz. Neben eurem Privatleben mit Kind teilt ihr also auch intensiv eure Passion Musik und macht da fast alles gemeinsam.
Moritz: Wir haben uns einfach darüber kennen gelernt. Und das hat auch so gehalten, das Interesse an der Musik und auch die Partnerschaft. Und so bauen wir unseren Alltag und unsere Woche zusammen.

Meine Frage ging eher in eine andere Richtung: Gibt es unterschiedliche musikalische Interessen, die ihr verfolgt und dann vielleicht eben auch nicht zusammen macht? Wir hatten ja schon kurz Ausgebombt erwähnt. Hast du, Helen, auch noch ein weiteres Bandprojekt ohne die anderen?
Helen: Also ich hatte mal eine Band, die ich aber ziemlich schnell wieder eingestampft hab, weil das nicht funktioniert hat. Aber ich mache ziemlich viel Aufnahmen selber zu Hause für mich. Da arbeite ich dann aber auch gar nicht mit anderen Leuten zusammen, sondern mach nur für mich Sachen. Ich hab eigentlich auch immer noch den Plan, mal was ganz alleine rauszubringen, wobei ich da immer noch am Know-How arbeite. Ich mach natürlich Fortschritte mit den Aufnahmen, aber es ist noch nicht nach meiner Zufriedenheit. Aber ich mach viel einfach für mich zu Hause.

Mit Hysterese stehen ja jetzt noch ein paar Shows an. Wie sieht es mit NØx aus?
Helen: Mit Nøx spielen wir in Mannheim vor She Past Away. Und dann mal insgesamt gucken, was noch reinkommt.

Moritz: Mit Nøx proben wir super selten. Es ist total abgefahren, dass wir jetzt ein Konzert spielen.

Helen: Ja, es gibt schon immer die Bands, bei denen man dann mehr Drive hat als bei den anderen.

Momentan geht ja auch einiges. Wegen Corona müssen aber vermutlich mal schauen, ob und wie lange das so weitergeht.
Helen: Ja, momentan ist es vor allem für die Bands übel, die gerade international auf Tour und vielleicht sogar auch noch finanziell davon abhängig sind, die dann aber wegen Corona abbrechen müssen. Uns hat es ja auch erwischt. Wir wollten eine kleine Tour machen und mussten die dann am zweiten Tag abbrechen. Bei uns ist also die letzte Infektion nicht so lange her, weshalb ich hoffe, dass ich mich nicht so schnell anstecke.

Mein Eindruck ist momentan, dass viele Bands und Veranstalter*innen so verfahren: Jetzt geht es gerade, also machen wir einfach! Mir geht s ja selber auch so. Ich bin richtig heiß auf Konzerte und geh auf so viele wie möglich. Wie nehmt ihr das wahr? Und geht ihr selbst gerade auf Konzerte? Und wenn ja, was waren die letzten Highlights?
Helen: Ja, ich finde man ist auch wirklich ausgehungert, was das angeht.
Moritz: Die letzten Konzerte waren auch wirklich fantastisch muss ich sagen, die waren phänomenal. Ich hab Hangman’s Chair gesehen. Das war fantastisch – vor allem für eine Nuclear Blast-Band. Hahaha. Mit Kay war ich letztens in Karlsruhe auf nem Festival namens Dude-Fest. Es gab da trotz des Namens aber sogar doch auch Frauen auf der Bühne. Da haben so Heavy Metal-Bands wie z.B. Okkultokrati gespielt. Und Elder, die sind auf Platte so langweilig, aber live waren die echt so ne gute Band, und die Leute waren einfach glücklich.

Helen: Ich hab neulich Patti Smith gesehen. Und mit ihren 75 Jahren ist es echt erstaunlich, wie gut die noch singen kann und auch noch zwei Stunden durchhält. Das ist ja auch nicht so einfach.

Moritz: Besonders gut waren auch Wiegedood neulich. Also virtuos, muss man sagen, mit dem Kehlkopfgesang. Man schlackert wirklich mit den Ohren, irre!

Helen: Es ist echt verdammt schön auch wieder auf Konzerte zu gehen. Es hat echt mega was gefehlt. Mal sehen, wie es weitergeht.

Michele: Bei Normahl war ich jetzt aber nicht. (Gelächter von allen.)

Oh je, dass es die immer noch gibt und die offensichtlich auch immer noch spielen.
Moritz: Naja, bei Gravedigger war ich auch nicht. Haha.

Wo wir gerade bei andern Bands sind hätte ich noch ne Frage: Welche Bands oder was für Musik habt ihr im Vorfeld der aktuellen Platte gehört, und hat euch das möglicherweise beeinflusst?
Helen: Emma Ruth Rundle auf jeden Fall – vor allem das Album mit Thou fand ich megageil.

Moritz: Die letzten beiden Alben von Chelsea Wolfe – Hiss Spun und Abyss. Und dann auch dieses Obsidian-Album von Paradise Lost. Das mag man eigentlich nicht hören, aber ich bin besessen von diesem Album!

Helen: Allgemein haben wir vor den Aufnahmen auf jeden Fall mehr Metal als Punk gehört.

In eurer Anfangszeit waren das ja eher so die skandinavischen Schweinerock-Bands wie Hellacopters und Gluecifer und auch Turbonegro, oder?
Helen: Auf jeden Fall, aber Hellacopters hör ich auch bis heute noch gerne. Das aktuelle Album ist echt gar nicht mal schlecht. Und ein riesiger Donnas-Fan war und bin ich auch immer noch.

Moritz: Ja, früher also noch in der Schule haben wir megaviel diese Schweinerock-Bands gehört und sind auch viel auf deren Konzerte gegangen.

Helen: Aber wir haben auch später viel Schweden-Punk gehört. Also ich fand Masshysteri immer voll geil und auch The Bombettes.

Michele: Portland-Punk war doch auch immer ein großer Einfluss, oder?

Moritz: Ja, auf jeden Fall Portland-Punk, Wipers und so.

Helen: Aber wir hören schon sehr viel unterschiedliches Zeug. Ich hör nicht nur Punk und Metal, sondern ich hör auch gern R&B und so. Und auch nen geilen Popsong find ich hörenswert, wenn er gut gemacht ist. Ich find nicht, dass man sich so einschränken lassen muss.

Michele: Ich sag immer, dass sie sehr von Placebo beeinflusst worden sind auf dem letzten Album.

Moritz: Allerdings nicht mit Absicht, auch wenn Michele was anderes behauptet. Haha.

Helen: Aber ich muss ehrlich sagen, ich finde Placebo auch nicht schlecht.

Ich mag Placebo auch. Die Platten aus den 1990ern bis zur Black Market Music find ich richtig gut.
Helen: Megageil, ja.

Moritz: Cipher (Anm.: Song von der aktuellen Hysterese-Platte) erinnert mich immer so ein bisschen an Marilyn Manson. Ich weiß gar nicht warum, denn ich mag Marilyn Manson auch gar nicht, aber ich muss immer daran denken.

Helen: Gegen Marilyn Manson gibt es ja aktuell krasse Vorwürfe.

Ja, stimmt, auch so ein krasses Beispiel passend zum Thema von vorhin. Mehrere seiner Ex-Partner*innen werfen ihm Missbrauch vor, und es läuft gerade ein Gerichtsverfahren.
Moritz: Ja, richtig krass… Und ein anderer Song vom aktuellen Album, Lock & Key, erinnert mich immer voll an Eurythmics.

Helen: Ja, das hat mein Vater auch gesagt. Ich hab früher bei meinen Eltern auch immer ganz viel Eurythmics gehört.

Moritz: Was? Dein Vater hat das auch gesagt.

Helen: Ja, aber das ist für mich auch ein Kompliment, wenn ich mit den Eurythmics verglichen werde.

Michele: Also ich find es toll, dass da jetzt mehr Metal-Einfluss ist, wie bei The Hunter (Anm.: ebenfalls ein Song vom aktuellen Album). Das ist ein ziemlich geiler Song, und der ist schon mehr Metal und macht echt Bock zu spielen.

Helen: Und der hat auch deutlich einen Bezug zu Girlschool, deshalb auch der Titel The Hunter.

Das waren jetzt also die maßgeblichen Einflüsse zur letzten Platte. Gibt es da einen Unterschied zu euren ganz aktuellen Vorlieben heute? Oder anders, die Abschlussfrage: Wenn ihr jetzt aktuell Songs für ein Mixtape für den Tourvan raussuchen solltet, welche wären dabei?
Helen: Die neue Platte von Hangman’s Chair finde ich saugut, A Loner heißt die. Darauf gibt es einen Song, Cold & Distant heißt der glaub ich, der ist ziemlich geil. Und dann auf der aktuellen Emma Ruth Rundle-Platte gibt es einen Song, der heißt Return, den find ich auch sehr schön. Die Platte ist nur mit Klavier und sehr reduziert, nichts mehr mit Band – also viel viel ruhiger, aber sehr gut.

Moritz: Ich bin ziemlich verblüfft über die Wucht einer Hardcore-Band namens Spy. Vollkommen unmöglich die Singles zu bekommen zu einem angemessenen Preis, aber wirklich eine tolle Hardcore-Band.

Helen: Und ich finde Les Shirley richtig geil. Kennt ihr die? Ein saugeile queere Band, und die sind alle so unglaublich gut an ihren Instrumenten, saugeiler Gesang und jeder Song einfach megafett. Das war auch eine großartige Entdeckung.

Oh ja, die finde ich auch großartig. Wirklich ne Hammerplatte. Hab mir die auch gerade aus England bestellt, weil ich die hier nirgendwo bekommen habe.
Moritz: Oh, ich hab noch was: Es gibt gerade einen Teaser zum neuen Album von Sone, so einem R&B-Sänger. Das ist nur so ein kurzer Snippet-Track, aber der rührt mich zu Tränen. Ich bin extrem gespannt, wie das Album wird. Das ist so wunderschön. Also er singt wunderschön. Und die Produktion ist immer so besonders, denn der wringt sich immer so aus dafür.

Michele: Boah, da gibt es so viel. Aber ich bleib immer noch bei meinem Doom und Stoner. Das mag ich sehr, darf auch mal langsam sein. Ich war heute hier beim Festival von Chain Cult sehr beeindruckt, die fand ich sehr sehr cool und hatte ich bisher noch nicht so auf dem Schirm.

Ja, die finde ich auch großartig. Ich hab sie vor ein paar Jahren mal auf dem Ktwon Hardcorefest in Kopenhagen gesehen. Sie kamen für mich aus dem nichts und waren dann für mich die beste Band in dem Jahr. Ich hätte fast meinen Bus verpasst, weil ich eigentlich längst los musste und immer noch einen Song sehen wollte. Hab mich auch sehr gefreut Chain Cult und euch hier direkt hintereinander zu sehen.
Moritz: Oh, ich hab noch was: Die aktuelle Syndrome81!

Helen: Ah ja, die ist geil.

Moritz: Die ist ziemlich poppunkmäßig geworden, aber jeder Song ist extrem stark. Das ist echt ein krasser qualitativer Sprung, den die gemacht haben. Wobei es davor schon geil war, aber jetzt ist es so: Woah! Also wirklich irre.

Oh, da bin ich gepannent. Ich hab nur gesehen, dass die eine neue gemacht haben, hab sie aber noch nicht gehört. Ich find die erste Platte auch schon echt gut.
Moritz: Ja, die war auch schon echt gut, aber jetzt ist es nochmal next level. Ah, eine Empfehlung hab ich noch: Freedom! Auf der Release-Show von dem Hellacopters-Album haben die nicht selbst gespielt, sondern eine befreundete Band spielen lassen, die heißen Freedom. Das ist so eine schwedische Powerpop-/Bruce-Springsteen-Proletenrock-Band, also so Arbeiterrockmusik mit Melancholie und so ganz schöne gespielt und superschön gesungen. Die haben jetzt ein Album draußen, dass man preordern kann. Und ich hab mir das bestellt, und ich hör es ganz arg viel. Freedom heißen die, eine supergeile Band.

Helen: Ja, die find ich auch gut.

Michele (mit theatralischer Stimme): Freedom.

Ok. Das ist doch mal ein Abschluss mit einer zumindest für meine Ohren sehr ungewöhnlichen Mischung an Songs, auf die ich zumindest teilweise ohne euch wohl nie gekommen wäre. Vielen Dank für das spannende Gespräch.
Alle: Vielen Dank dir.

Text und Interview: Roland Brust
Fotos: Hysterese

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