März 17th, 2020

„Horror in der Straßenbahn“: Bericht über TRUST-Treffen in Frankfurt/Main #68, 1998

Posted in artikel by Jan

Horror in der Straßenbahn

6. Dezember 97, ein großer Tag für die Frankfurter Trust-Crew. Fand doch am Abend dieses prominenten Feiertags ein Konzert mit Steakknife, Kick Joneses und The Devil In Miss Jones als krönender Abschluß des Trust Redaktionstreffens im schönen Frankfurt am Main statt. Bevor es jedoch so weit kommen sollte, mußten sich alle Redaktionsmitglieder einem schweren Test unterziehen, der zeitweilig an die Grenzen der körperlichen Belastbarkeit ging.

Im Rhein-Main-Gebiet gibt es nicht nur einen großen Flughafen, sondern neben diversen, stinkenden Industrieanlagen wird der Kartoffel- und Maisanbau gepflegt. Vermutlich nur aus Alibigründen, denn das wichtigste im Lande ist eigentlich der ordinäre Apfel. Aus diesem Rohstoff wird ein alkoholisches Gesöff der besonderen Art gekeltert und an der Wortwahl ganz deutlich zu erkennen: Es handelt sich um Wein. Apfelwein, im Volksmund „Ebbelwei“ genannt, von Einheimischen als „Stöffche“ betitelt (wobei Hardliner das Zeug intravenös zu sich nehmen oder durch die Nase ziehen) und von dialektunkundigen, opportunistischen Touristen oder Zugereisten zu „Äpfelwein“ verschandelt, gehört zu Frankfurt wie Grüne Sosse zu Goethe, Hänsel zu Gretel oder einfach Turnschuhe zu Hardcore.

Und obwohl Wiesbaden die Hauptstadt ist, liegt das wahre Zentrum Hessens in Frankfurt. Dort gibt es auch eine Einrichtung, den Ebbelwei-Expreß, wo sich normalerweise debil grinsende, japanische Touristen tummeln oder schmalspurige Schreibtischhengste auf dem Betriebsausflug das „Fräulein Sekretärin“ anmachen. Dabei sprechen sie dem allseits beliebten Stöffche stark zu, nur um sich danach die Seele aus dem Leib zu scheißen (denn merke: Apfelwein = gestörter Stuhlgang). In diesen Ebbelwei-Expreß also haben die Frankfurter den ahnungslosen Rest der Trustler aus allen Teilen der Republik spätmorgens verfrachtet, um diese nicht nur mit einer Stadtrundfahrt, sondern auch einer
typisch hessischen Gepflogenheit, dem Schoppepetzen, zu konfrontieren. Ebbelwei am Morgen, vertreibt Hunger und Sorgen.

Einen Kommentar aus dem hohen Norden schickte Jörg. Lassen wir einen Betroffenen zu Wort kommen:

„Als es gleich nach dem Erwachen hieß, wir sollen uns beim Zoo treffen, rechnete ich eigentlich auf einen Protestgang durch die Verließe der unterdrückten Tiere, aber dem sollte ja nicht so sein. Verstört hat mich nur, daß Al zwei Kisten Apfelwein auf dem Weg zum Zoo dabei hatte. Wir standen da so rum, und das einzige, was sich außer uns auch nicht bewegte, war ein einzelner, relativ naiv, oder besser gesagt, peinlich bemalter S-Bahn-Waggon, deswegen stellte ich mir schon die rhetorische Frage ‚Oh Gott! Auf wen der wohl wartet?‘ Die Fahrt im Edelweiß-Expreß aka Ebbelwei-Expreß war eigentlich recht interessant, da ich Frankfurt vorher noch nicht kannte.

Nur störend fand ich es, daß wir gezwungen wurden, das Zeug, welches zur Namensgebung unseres Gefährts nicht unwesentlich beitrug, während der Fahrt auch zu trinken, und das auf nüchternen Magen. Nur zur Information: Ebbelwei schmeckt wie alter schlechter Apfelsaft, und bei jedem Schluck fragt man sich ‚WIESO?‘ Die durchschlagende Wirkung des Gebräus kann ich nicht bestätigen, da mein Stuhlgang schon vorher nicht der festeste war. Untermalt wurde die Fahrt von ’seichten‘ Klängen alter Punkrock-Kapellen und dem qualifizierten Kommentar von Al und Andrea. Beide gingen dabei auf spezielle Interessen einiger Trustler ein, was das ganze noch sehr informativ machte.

Wäre ich Frankfurter, hätte ich mich wahrscheinlich an jeder Haltestelle versteckt, um bleibende Schäden an meinem Image zu verhindern, aber als Norddeutscher sah ich der ganzen Situation gelassen entgegen. Zugegeben, die Blicke der Leute außerhalb des bunten Ebbel-Punk-Waggons waren schon recht interessant, da wir wohl sicher nicht zur Standard-Klientel dieses Transportunternehmens zählen dürften.“

Eine Stimme aus dem Süden, die von Dolf stammt, kommentierte den Ausflug mit folgenden Amerkungen:

„Nun, was fällt mir da ein, ich war ja noch halb hirntot…
1. Es gab kein Pils an Bord (is‘ doch logo, war doch kein Pils-Expreß… – A. d. V.).
2. Wir haben eine Dose Nüsse gegessen (weil es ja auch davor nichts zu essen gab).
3. Hoffentlich hat uns niemand gesehen, der uns kennt.
4. Rauchen in der Straßenbahn ist geil.
5. Al soll Schaffner werden.“

Die Hoffnung, daß keiner die Trust-Crew beim Ausflug im Ebbelwei-Expreß gesehen hat, muß leider durch die hier abgedruckten Enthüllungsfotos zunichte gemacht werden. Aber peinlich muß das niemandem sein, denn wie jeder vernünftige und aufgeklärte Mensch bestätigen kann: Ebbelwei (-Expreß) rules!!!

Text & Fotos: Andrea Stork

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