März 17th, 2020

BAZOOKA ZIRKUS (#163, 2013)

Posted in interview by Thorsten

Vielleicht mögen BAZOOKA ZIRKUS anfangs noch etwas überfordern, mit ihrem besonders für deutschsprachige Bands ziemlich ungewöhnlichen Mix aus Hardcore, Punk, Metal, Rap und poppigen Elementen. Doch lässt man ihre beiden Alben „Kurze Hose Holzgewehr“ und ihr neuestes Output „Der Gang vor die Hunde“ ein paar Runden mehr laufen, umso mehr nehmen ihre Songs Gestalt an. Oder zumindest ging es mir so und ihre LP „Der Gang vor die Hunde“ entpuppte sich als einer der meistgehörten Platten des Sommers. Und das hat seinen guten Grund, denn der Sound ist wahnsinnig fett und dürfte den Großteil aller zur Zeit existierenden deutschsprachigen Bands (von denen die meisten doch eh nur damit beschäftigt sind, großflächig ihre Tränendrüse aus zu winden) mal so locker in den Boden rammen. Und plötzlich war auch die enorme Stilvielfalt kein Dorn mehr in den Ohren, sondern diente vielmehr dem vielfältigen Hörgenuss. BAZOOKA ZIRKUS sind keine dieser Bands von denen ein Lied wie das andere klingt, die nur darauf aus sind, die zur Genüge überreizten Erwartungshaltungen zu bedienen.

Stattdessen ziehen Bazooka Zirkus ihr eigenes Ding durch, klauen sich zwar genauso durch die Musikgeschichte, doch bleiben damit A:) nicht ständig auf der gleichen Stelle stehen und B:) besitzen sie die Fähigkeit, das sie jeden Musikstil den sie spielen auch beherrschen. Und auch in die Texte kann sich der Hörer gut rein versetzen, sie sind eloquent, ausgedacht und dennoch direkt auf den Punkt gebracht. Und auch Michael/Michi der Sänger (mit dem ich das Interview führte) punktet gleichenfalls in den melodischen sowie in den wütenden Parts. Jedenfalls sind das Allenfalls mehr als gut erfüllte Kriterien, um mit ihnen übers Netz ein Interview zu führen. Zwar wurden Bazooka Zirkus auch schon in anderen Fanzines befragt, doch ich erlaube mir die Kritik, das die Interviews langweilig und oberflächlich waren und völlig am heißen Brei vorbei gingen. Was BAZOOKA ZIRKUS meines Erachtens nicht verdient haben, denn dafür haben sie einfach zu viel Potential und Geist. Höchste Zeit also mal etwas tiefer in die Materie BAZOOKA ZIRKUS einzudringen…

Einleitende Frage/Kurze Biographie: Wie lange gibt es BAZOOKA ZIRKUS schon und in welchen Bands hattet ihr zuvor gespielt oder laufen noch nebenher?

Bazooka Zirkus gibt es seit 2009. Seit 1992 spielen wir (z.T. auch schon gemeinsam) in verschiedenen Projekten und Bands. Karate Disco, Barseros, Monuments etc. Einziges bestehendes Nebenprojekt unterhält unser Gitarrist Thomas, als Schlagzeuger bei den Joseph Boys.

In den Fanzines/Mailorder usw. wird euer Sound des öfteren mit Suicidal Tendencies, Bold oder den Bad Brains verglichen. Was haltet ihr von den Vergleichen oder anders gefragt, von welchen Bands seht ihr euch beeinflusst? Außerdem vermischen sich in eurer Musik wirklich viele Genres ineinander, da wird fast alles durch den Fleischwolf gejagt und auf eurer neuen LP ist auch der Gesang stellenweise richtig melodiös. Was veranlasst euch zu dieser Stilvielfalt?

Diese Youthcrew-Vergleiche stammen ja eigentlich sogar aus eigener Feder. Das liegt eigentlich daran, dass wir diese Bands hörten als wir anfingen in den 90ern selbst Musik zu machen. Wir wollten eben dieses Lebensgefühl eine Renaissance durchlaufen lassen. Wahrscheinlich hat aber doch alles was in den letzten 20 Jahren den Weg auf Plattenteller und in MP3-Player gefunden hat, irgendwie zur Prägung beigetragen. Von Punkrock, Hardcore, Grindcore, Metal, Rap bis zur Popmusik. Wir klauen einfach alles was wir in die Finger kriegen. Alles was wir lieben und schätzen gelernt haben. Sich zu limitieren ist schließlich absoluter Unsinn. Wenn sich z.B. ein Anthrax-artiges Riff mit deutschen Texten paart, bekommt man einen Bazooka Zirkus-Song. Das klingt furchtbar wenn man es so sagt, stelle ich mal fest, aber wenn es im Song funktioniert, ist es spitze.

Ihr habt zu eurer neuen LP ein ziemlich professionelles Video gedreht und auch auf der Bühne achtet ihr auf ein starkes visuelles Erscheinungsbild und verkleidet euch, bemalt eure Gesichter, setzt euch Totenkopfmasken auf den Schädel. Wie wichtig ist euch Entertainment?

Naja, Entertainment ist das Allerwichtigste… wir betreten schließlich eine Bühne und kein Büro. Diese Maskengeschichte ist aber jetzt kein errechnetes Kalkül, sondern macht uns selbst ja auch Spaß. Jedenfalls hatte es das bis jetzt.

Kleiner Kalauer: Wie verdient ihre eigentlich eure Bazookas, ähm eure Brötchen?

Thomas ist selbständiger Tontechniker, Jens ist Sozialarbeiter, Sven KFZ-Mechaniker und bei Phillip weiß keiner was er da tut, wenn er morgens das Haus verlässt. Ich habe ein Tätowiergeschäft (Tatooine).

So nun mal zu den Texten, die ich ziemlich gut und eloquent finde, selbst nach mehrmaligen hören finden sich immer wieder neue prägnante Sätze die im Hirn hängen bleiben. Wie wichtig ist dir eine Message und lässt du dir viel Zeit beim Texte schreiben?

Ja, einer der Gründe warum ich immer lieber Punkrock gehört habe als Boy-Bands, ist, dass Texte eben eine echte Rolle spielen. Ich geb mir da schon Mühe. Nicht ganz leicht sich der einfachen Worte zu bedienen, ohne gleich wie so ein ewig lamentierendes Dusselchen zu klingen. Gelingt mir nur selten.

Bei „Kein Update“ singst du „Wir wollen kein Update mehr um informiert zu sein, macht was, ja macht was, nur macht euren Scheiß allein. Poshboy, Flipside, Dischord, Slash – Wer ehrlich liebt hat immer Recht“. Was wollt ihr in dem Song aussagen? Ist das eher eine Kritik an die Retrokultur oder eine Huldigung an die alten Zeiten/Labels – oder schließt das Alte nicht das Neue mit ein?

In dem Song geht es darum, dass ich nicht mehr über jede neue Band informiert sein muss, über jede neue „Stilrichtung“ oder was gerade überhaupt vermeintlich neu ist. Das was wir vor 20 Jahren gemacht haben war irgendwie so ähnlich wie das was die Leute davor erlebt haben und auch das was sie heute begeistert. Obwohl ich also im Prinzip keine nennenswerten Unterschiede sehe, verstehe ich z.B. Deez Nuts nicht. Da kann mir so ein Gerumpel à la Negative Approach tausendmal mehr geben. Aber genau darum geht es. Ich muss das ja auch nicht verstehen. Wer ehrlich liebt hat eben per se auch immer Recht.

In „Nochmal so gut“ handelt es von dem Jahr 1995 (das übrigens auch für mich das Jahr meiner Punk-Resozialisierung war). Erklärt doch mal den Lesern und mir, wie ihr dieses Jahr in Erinnerung hattet?

Punk bin ich Ende der 80er geworden, aber das Jahr 95 war einfach sehr prägnant. Es gab plötzlich eine unglaublich große und aktive Szene. Selbst die behinderten Chaostage wurden wieder reanimiert. Während man die Jahre zuvor in Voküs über die neue Neurosis-Platte diskutierte und sich dabei Locken in die Fettstränen gefingert hat, ging da plötzlich wieder was. Ruinierte Oberschüler-Feten, Schlägereien auf Konzerten, Gruppendynamik… ganz einfache Hausmannskost …Herrlich.

Bei „Straight outta Lützel“ heißt es: „Ihr hockt in euren Altbauten und rettet den Planeten. Gegen die Banken, AKW´s und gegen die Raketen. Ihr esst auch keine Tiere mehr und kauft alles fair ein. Wir sitzen auf der Rollsplit-Box, wir mischen uns nicht ein“ und weiter „Die Geduld das ist ein Kampf den man manchmal auch verliert“. Wieso mischt ihr euch nicht ein bzw. was kotzt euch am meisten an, an dieser Doppelmoral die Welt zu verbessern?

Das Lied will nur sagen, dass es durchaus auch ein Privileg ist ein „Gutmensch“ zu sein. Nicht immer nur ein finanzielles, sondern auch allgemein eines des sozialen Backgrounds, der Bildung etc. Tatsächlich sind wir ja im richtigen Leben eher die die in ihren Altbauten sitzen und den Planeten retten wollen. Man kann aber auch verstehen das nicht jede alleinerziehende Mutter mit 4 Plagen und dem Amt im Nacken einen ausgeprägten Sinn dafür entwickelt hat, wo man jetzt kostengünstig einigermaßen schmackhaften veganen Käse herbekommt (aus dem Internet, natürlich) oder ob der neue Strampler wirklich fair ist.

Den Text von „Feine Antennen“ hat euch Tobias Scheisse von HAMMERHEAD beigesteuert. Wie kam es zu der Zusammenarbeit, kennt ihr Herrn Scheisse schon länger und was gibt’s neues zu berichten aus dem Hause Hammerhead?

Ja, Hammerhead kennen wir schon ewig. Seit Anfang der 90er haben wir immer wieder mal in mehr oder weniger kurzlebigen Bandprojekten gemeinsam gewirkt, oder zusammen Konzerte gespielt. Ich mag Tobias Art Textchen zu schreiben und brauchte eines. Da hab ich ihn gefragt und er war so freundlich. Wirklich Neues wird es da wohl nicht mehr geben, obwohl die vor ein paar Jahren nochmal ein Studio angemietet hatten, soweit ich weiß. Aber das ist nur meine vage Einschätzung der Situation.

Nun ein paar Auszüge aus euren Texten, die ich ziemlich gut oder interessant fand. Erläutert uns doch mal was ihr damit aussagen wollt:

„Ein Hamsterrad macht noch kein Phantasialand“

-eigentlich ist das ja wie einen Witz zu erklären. Wenn man in seiner Tretmühle festhängt ist es eben kein Phantasialand, dann ist es eben eher Berufsschule oder Sozialstundenableistung, metaphorisch gesprochen. Das Hamsterrad schlägt da diese Brücke zu Fahrgeschäft-Attraktionen im Freizeitpark.

„Kirschtörtchen Attitüde und Knallbonbon Kultur sind populär“

-Alles soll bunt, schnell, hip, grell und süß wie eine Zuckerinjektion sein. Das steht jetzt aber außerhalb des Kontextes.

„Die ersten Osterglocken blühen zur Talsohle der Konjunktur“

Nur ein wenig sprachliches Schmuckwerk zu einem Text in dem es um die „Zukunft des Kapitalismus“ geht…oweia.

„Unsere Ideen waren gut, genial zerdacht und viel zu lang geplant“

Manchmal träumt und plant man eben so lange bis man merkt, dass man die zur Umsetzung nötigen Optionen längst nicht mehr hat. Für manches ist es dann eben zu spät geworden.

Gelungen finde ich auch den Text von „Wir sind hier nicht in Hogwarts, Dirk“, der selbstkritisch erläutert das wir doch gar nicht so anders sind, als wir es uns es gerne eingestehen würden. Was bringt euch (oder dich) auf den Entschluss, das wir gar nicht so anders oder unkonform sind?

Ich würde es so formulieren. Unterschiede bestehen hauptsächlich in der Gewichtung persönlicher Werte, wenn man mal den Menschen allein auf sein Menschsein herunter bricht. Alles andere wie Bedürfnisse, Ängste etc. sind doch sonst weitestgehend die gleichen. Nicht grade ein neuer Durchbruch in Sachen Erkenntnisgewinnung, ich weiß. Wenn du mit „uns“ jetzt Punk-affine meinst, ist das in meinen Augen entsetzlich kalter Kaffee. Neben denen die wirklich ein alternatives Leben leben, z.B. Häuser besetzen, selbstbestimmt ihren Alltag meistern unter Bedingungen wie Verzicht und Unbequemlichkeiten (oder wenigstens ähnlichem), sind Punks doch oft genug ein erbärmlich konservativer Haufen. Da wird mir meist ganz flau. Es kann sich mancher Burschenverein bei denen noch ne dicke Scheibe abschneiden.

In welcher Weiße konservativ?

Ich meine damit dass es heute unter Punks die gleichen Rituale gibt wie vor 30 Jahren. Es sind die gleichen Botschaften, die gleichen Klamotten, Frisuren, Attitüden und Codes. Bazooka Zirkus bildet da nun als Band auch sicher keine Ausnahme und es geht hier auch nicht um die Neuerfindungen dieses öden Rades. Aber es sind eben doch schon sehr konservative Ansätze in denen seit je her geregelt ist, was „geht“ und was nicht um echt und authentisch zu sein. Diese erfüllen eventuell sogar einen wichtigen Zweck. Aber vor einem etwaigen Anspruch „anders“ zu sein als andere, ist es doch ein bisschen kurios. Man hat die Black Flag-Platten im Schrank, die Lederjacke am Haken und besucht die einschlägigen Kneipen und Konzerte am Wochenende. Da gibt es auch gar nichts dran zu meckern. Punk ist eine gemütliche Freizeitbeschäftigung und ein vernünftiger Gegenentwurf zum Stand Up Paddling, beispielsweise.

Wieso benennt ihr Koblenz, als die Katzenklappe zur Welt?

Wenn Hamburg das Tor zur Welt ist, ist Koblenz mindestens eine Katzenklappe.

In einem Plastic Bomb Interview, hattet ihr erwähnt das es sich in euren Texten um wichtige Fragen dreht, wie: Wie spießig bin ich selbst und was bedeutet heute spießig sein? Eine interessante Frage, wie ich finde, beantwortet uns doch gerade mal selbst diese beiden Fragen.

Naja, heute ist es vielleicht nicht mehr nur die Kristallvase und der Gartenzwerg auf die man achten muss wenn man sich der Etikette „Spießer“ erwehren möchte. Heute trägt man vielleicht Partner-Tattoos, fährt auf Iron Maiden-Konzerte, Dreht mit dem I-Phone Heimpornos und ist dabei in seiner kruden, reaktionären Spießigkeit kaum zu ertragen. Das sind jedenfalls alles keine Indikatoren für flippige Weltoffenheit oder einer besonderen Progression in der persönlichen Menschwerdung. Und auch das mieseste Extasy reicht nicht um sich davon frei zu sprechen.

Ich habe den Eindruck, das ein immer wieder aufkommendes Thema in euren Texten das Erwachsenwerden ist, was versteht ihr unter Erwachsensein und wie schwer oder leicht fällt euch der Übergang in diesen Lebensabschnitt?

Ich glaube uns fällt das allen ziemlich schwer. Natürlich müsste man wirklich erst einmal definieren was erwachsen sein eigentlich heißt. Gewisse Verantwortung haben die meisten schon übernommen. Stehen im Berufsleben, manche sind Eltern geworden etc. Drogen, Partys, Balzen und Bandshirts sind aber auch in der „Szene-Gerontologie“ noch üblich. Wann und wo hört das auf, muss es das überhaupt und was ist die Alternative? Eigentumswohnung, Burgen besichtigen und Betriebsfeiern natürlich nicht….obwohl ich gerne Burgen besichtige…also dann doch.

Um was geht es in dem Song „Baja Luna“?

Der Text zu Baja Luna ist quasi eine kleine Hommage an einen Roman von Rolf Bauerdick, der mir gut gefiel. „Wie die Madonna auf den Mond kam“. Da geht es um ein rumänisches Dorf zur Zeit des kalten Krieges, um den Sozialismus und Gerechtigkeit für eine tote Lehrerin. Also eigentlich hatte noch ein Text gefehlt.

Und zum Schluss noch die obligatorische Bitte um ein abschließendes Wort, ein Lebensmotto oder dergleichen?

Ich danke dir vielmals für die Aufmerksamkeit und Mühe.

Text/Interview: Bela

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