April 14th, 2020

GUKDO aus #154, 2012

Posted in interview by Jan

Als am meisten westlich geprägtes Land aus Fernost wird oft Südkorea genannt. Tatsächlich ist das Stadtbild Seouls von Starbucks, McDonalds und Dunkin Donuts geprägt. K-pop ist allgegenwärtig und recycelt schamlos von europäisch/amerikanischen Vorbildern. Die Musikindustrie ist ein millionenschweres Geschäft. Aber wie sieht es hier mit dem Untegrund aus?

Die Punk und Hardcore-Szene Koreas hat wohl ihren Schwerpunkt in der Hauptstadt, in der auf einem Quadratkilometer durchschnittlich mehr als 18.000 Einwohner leben. Dennoch ist die Szene im Vergleich zu seinen Nachbarländern Japan oder China sehr klein. Findet man etwa in Tokio oder Bejing täglich zig Konzerte jeglicher Unterkategorie, so ist die Szene in Seoul noch recht jung und gerade erst aus ihren Kinderschuhen geschlüpft. In Hongdae, einem unter Seouls Partygängern angesagtem Studentenviertel, brodelt das Nachtleben und in den zahlreichen Dance- und Elektroclubs tummeln sich unterhaltungssüchtige „Normalos“.

Da ist es umso netter eine Szene, jenseits von K-Pop vorzufinden, die zuerst einmal alle Interessierten herzlich und neugierig aufnimmt. Hier findet jeder, der an Punk oder Hardcore interessiert ist etwas für seinen Geschmack. Ob Skate Punk oder Metal, von Folk Punk bis Grindcore. Es ist alles vertreten, man kennt sich gut und gemeinsam werden Konzerte veranstaltet. Die Szene ist noch nicht sehr alt, da aus geschichtlichen Gründen die Entwicklung von Subkulturen lange Zeit gerade zu unmöglich war und da kann man höchstens seit Mitte der 90er von einer Punk-Szene sprechen. Zum Teil liegt diese langsame Entwicklung wohl auch an der in Korea streng gehaltenen Wehrpflicht, die einen Wehrdienst von mindestens zwei Jahren für das Alter ab 20 vorsieht.

An einem Samstag fand im Club Spot in Hongdae ein Oi!-Festival mit japanischen und koreanischen Bands statt. Vorher traf ich Myungwhan (Guitar/Vocals) und Ja-Kyoung (Drums/Vocals) von der Hardcore Punk-Band Gukdo auf Soju und Juk-hae, ein rohes Fleischgericht. Der Name „Gukdo“ ??, welchen sie übrigens aus nostalgischen Gründen in Hanja (chinesische Schrift im Koreanischen) schreiben, bedeutet „schwerer Weg“.

In dem typisch koreanischem Restaurant, mit den üblichen Dunstabsaugern über den Tischen und dem geschäftigen Treiben, der Angestellten saßen wir an einem Tisch mit zwei gut gelaunten Japanern (Raise a flag) zusammen, die selbst später noch auf dem Oi!-Festival spielen sollten. Nach dem ersten Soju beginnt Ja-Kyoung ohne lange Umschweife gleich das Gespräch, welches dank meiner Übersetzerin Katrin direkt vom Koreanischen ins Deutsche und umgekehrt übersetzt werden konnte.

***

Ja-Kyoung: Da die koreanische Szene recht klein ist, entwickelt sie sich eher langsam. Das Problem ist, wenn man in Korea gerade angefangen hat sich für Punk-Musik zu interessieren und was gestartet hat, kommt der Armeedienst. Bei den meisten ist es danach vorbei mit dem Interesse und wenn der Dienst vorbei ist, muss Geld verdient werden. Der Druck der Gesellschaft ist meist zu hoch, als dass sich einige dann aufraffen können, in der Richtung weiter zumachen. So blieb die Szene in den letzten Jahren sehr klein. Und selbst in dieser ohnehin schon kleinen Szene, gibt es eigentlich nur einen geringen Teil, der genau unsere Musik wirklich mag. Hoch gerechnet würden da vielleicht 10 Leute übrig bleiben.
Katrin: Immerhin mögen es 10 Leute!

J-K.:Wir sind dankbar für jeden der sich für uns interessiert und unsere Musik mag. Manchmal versteh ich selbst nicht, wie man unseren Krach überhaupt mögen kann.

Wie lange macht ihr denn schon Krach?
JK: Unsere Band gibt es seit 2004 und Myungwhan ist Gründungsmitglied.

M: Ich bin seit 2004 dabei und 2005 kam Ja-Kyoung dazu.

Und woher kennt ihr euch?
JK: Wir waren schon vorher befreundet. Wie gesagt die Punk und Hardcore Szene ist recht klein, da läuft man sich des Öfteren über den Weg.

Gab es da nicht Probleme jemanden zu finden, der genau bei diesem Krach mitmachen möchte?
JK: Die Band war Anfangs nur zu dritt. Der erste Drummer musste zur Armee. Unser Sänger/Bassist entwickelte sich über die Zeit musikalisch in eine andere Richtung. Der neue Sänger ist auch ein guter Freund von M.

Wie sah es bei Euch bisher mit Veröffentlichungen aus? Habt ihr ein Label?
JK: Bisher haben wir alles selbst gemacht. Wir haben ein Studio gemietet und selbst aufgenommen. Die Auflage unserer Splits lag bei 500 Stück und dann gab es noch ein paar Splits mit anderen Bands. Einige Aufnahmen haben wir nicht einmal im Studio eingespielt, sondern einfach im Proberaum aufgezeichnet. Die Qualität ist dem entsprechend schlecht, das hat uns aber irgendwie auch gefallen. Mittlerweile hat sich unser Anspruch da jedoch gehoben. Das Meiste haben wir bisher auf den Konzerten verkauft. Nun haben wir die Möglichkeit über GMC Records bekommen. Wir werden auf einigen Compilations sein und für Juni steht unser Album auf dem Plan.

Spielt ihr denn hauptsächlich in Seoul oder auch sogar außerhalb Koreas?
JK: Eigentlich spielen wir fast nur in Seoul und das fast nur hier in Hongdae, ab und zu mal in Busan.

M: Daejon oder Daegu haben sogar ihre eigenen kleinen Szenen.

JK: Da sind wir dann so ein zwei mal im Jahr. Die Bands spielen bei uns meistens nur wo das Publikum ist, es kommt nicht unbedingt das Publikum zu den Bands. Wir waren 2006/2007 mal in Japan. Es gab auch Anfragen von außerhalb, USA oder China, aber wir arbeiten alle und da kann man nicht mal eben einfach weg.

M: Es kam auch schon was aus Europa oder andere asiatischen Länder. Nach Finnland wurden wir eingeladen.

Gibt es denn eine Band mit der ihr unbedingt mal ein Konzert spielen würdet?
JK: Wie, jetzt? International…?

M: Motörhead! Das wär toll.

JK: Ja, er kommt eher aus der Metal-Ecke. Bei mir sieht es so aus, dass ich gar nicht so viele musikalische Kenntnisse habe. Ich hör auch eher Skatepunk. HI-Standard aus Japan oder so was wie Green Day ist eher mein Ding. So gleicht sich unsere Musik was Einflüsse angeht ein wenig aus.

Was hört ihr denn aktuell so am Liebsten?
M: Ganz klar: Motörhead, Amebix, Disfear, Behind enemy lines.

JK: Man kann eh nicht sagen, dass die Musik die man auch selbst macht nur die einzig Gute ist. In jeder Richtung gibt es was, was toll ist und wo man was lernen kann.

M: Nimmst du uns eigentlich mit der Kamera auf?

Ja, eigentlich nur den Ton fürs Protokoll.
M: Oooh… (allgemeines Lachen und posen für die Kamera)

Gibt es Musik mit der ihr so gar nichts anfangen könnt?
JK: Koreanische Rockballaden gehen gar nicht! Es gibt in Korea eine ziemliche Begeisterung für Skid Row oder so 90er-Rock. Vielleicht, weil die so hoch singen und nun versuchen koreanische Musiker genau so hoch singen zu können. Das ist grauenvoll.

Oh je, mit Skid Row hab ich mich im Noraebang (Karaoke) versucht, da hatte selbst ich als Frau Probleme. Was hat sich denn in der Szene überhaupt verändert, seit ihr angefangen habt und was meint ihr in welche Richtung wird es gehen. Wo seht ihr die Szene in 10 Jahren?
Jk: In der Punkszene sind wir ja schon seit ungefähr 10 Jahren. Ich hab `97 meine Begeisterung entdeckt. Damals kannte es hier keiner, wenn man als Punk bunte Haare hatte und Nieten auf der Lederjacke trug, da wurde man schief angesehen. Mittlerweile ist dieses Outfit ja sehr in Mode gekommen.

M: Selbst bei K-Pop-Bands im TV findet man ein ähnliches „Styling“. Das haben die sich abgekuckt und nun wird auf der Straße davon aus gegangen, wir ziehen uns so an, weil wir wie Pop-Bands, wie z.B. Big Bang sein wollen.

Ja, scheiße gelaufen…
M: Meine Jacke, die trag ich jetzt seit 7 Jahren, sie wiegt 11 Kilo und fällt so langsam auseinander, obwohl ich sie schon so oft genäht habe.

JK: Abgesehen von seiner Jacke, glaube ich nicht, dass sich in den nächsten Jahren viel ändern wird.

Hat sich nicht bisher einiges verändert aufgrund von Internet, Facebook und Co.?
JK: Bei uns machen wir Musik nicht, weil wir sie unbedingt jemandem zeigen wollen. Wir freuen uns einfach, wenn unsere Musik, die wir machen auch jemand mag und wir sogar Zuschauer haben, die das hören wollen. Wenn wir hier jemanden erzählen, dass wir Punkmusik machen, verstehen die Leute auch manchmal „Funk“. (In Korea wird aus einem geschriebenem „F“ ein gesprochenes „P“; z.B. aus „coffee“ wird „copy“) Es hat sich leider so entwickelt, dass es viele Bands gibt, die nur die Musik machen, die Leute auch hören wollen und nicht umgekehrt. Im Punk kommt man ja, international betrachtet oft aus einer bestimmten politischen Ecke. Wir möchten mit unserer Musik nicht politisch sein. Klar, haben wir jeder unsere Meinungen, aber wir möchten nicht mit Politik in Verbindung gebracht werden.

Super dass du das anbringst, obwohl ich noch gar nicht danach gefragt hatte.
M: Wenn wir unsere Texte schreiben, versuchen wir immer alles aus der Mitte zu betrachten. Wir wollen unsere eigene Meinung finden und das ist uns wichtig. Wir wollen nicht in irgendeine Ecke, nur weil man das so macht. In unseren Texten sagen wir niemandem wie etwas zu sein hat oder was er zu tun hat.

Nun ist es ja in einer kleinen Szene wichtig gut vernetzt zu sein, seid ihr eigentlich prinzipiell interessiert an internationalen Kooperationen?
M: Da ist auch einiges in Planung. Wir werden, wenn alles klappt im nächsten Jahr ein paar Splits heraus bringen, unter anderem auch mit einer finnischen Band.

Kommt man denn in Deutschland an eure Musik?
JK: Sicher, wenn wir angeschrieben werden, schicken wir gern MP3s. Wir sind auch bei facebook und …äh, sind wir bei myspace auch?

M: Weiß ich grad gar nicht. Sind wir bei myspace?

Jk: Kein Plan…na, auf jeden Fall findet man uns über Internet und wir freuen uns wenn Leute unsere Musik mögen.

Interview: Julia Kanning / Übersetzung: Katrin

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