März 12th, 2007

GREG GINN (#102, 10-2003)

Posted in interview by andreas

Ginn II – but never too ginn! Oder Schwarze Flagge, obdachlose Katzen…Black Flag

Blöd gelaufen, dass die Sache schon vorbei ist, wenn ihr diese Ausgabe in den Händen haltet. Und der Redaktionsschluss für selbige auch, weshalb auch Berichte über die Geschehnisse hier fehlen müssen. Interessant genug aber die Gründe für die Sache: Am 12. September spielten Black Flag im Hollywood Palladium.

Gleichzeitig mit dieser Nachricht wurde lanciert, das mindestens legendäre Plattenlabel ssT werde reanimiert. Hinter beidem steckt Greg Ginn, einer der grossen Egomanen der Szene, der dann auch gleich auf allen vier geplanten neuen ssT-Veröffentlichungen selbst das Heft in der Hand hat. Klingt komisch? Klingt interessant? Fanden wir auch. Weshalb wir um eine Audienz ersuchten. Leider war der Flieger schon weg, so dass es nur für einTelephongespräch reichte. Immerhin...

***

Wird es wirklich nur eine Show geben?

Greg: Ja.

Erzähl mal, was es damit auf sich hat.

Greg: Vielleicht gibt es noch eine zweite Show am gleichen Ort und um die gleiche Zeit herum. Es wird keine Tour geben. Fast alle Bands tun sich wieder zusammen, und das ist etwas, was ich immer vermieden habe. Promoter haben uns seit ich 1987 entschieden habe, die Band aufzulösen, jedes Jahr gefragt, aber daran war ich nie interessiert. Ich war immer glücklich mit dem Punkt, an dem die Band aufhörte.

Aber die Möglichkeit, ein Benefiz für Katzen zu spielen, war der Impetus, der mich denken liess, das könnte eine gute Sache sein und den Gierfaktor eliminieren, etwas, was es viel mehr Spass werden lassen könnte. Natürlich könnten wir alle das Geld gebrauchen, aber ich könnte es nie ertragen. Ich gehe nie zu solchen Reunions. Ich habe die Sex Pistols gesehen, als sie in den Siebzigern hier waren, und liebte es. Aber zum gegenwärtigen Zeitpunkt habe ich daran kein Interesse. Ich liebe ihre Musik und so, aber ich will nicht… Weisst du, es ist ziemlich traurig, sie zu diesem Zeitpunkt zu sehen.

Ich bin also kein grosser Freund dieser Reunions, aber ich bin seit fünf oder sechs Jahren stark interessiert an der Rettung von Katzen. Das wurde ein wichtiger Teil meines Lebens. Es geht wirklich darum, Geld für diesen Zweck aufzutreiben, und gleichzeitig denke ich, dass es eine sehr gute Show wird. Offensichtlich wird es nichts Neues sein, und ich denke, die Leute täten sich einen Gefallen, wenn sie sich auch nach neuer Musik umschauen würden, aber dieses im Sinn glaube ich, dass es ein gutes Konzert wird und wir werden uns anstrengen, damit es wirklich gut wird.

Werden nur Black Flag spielen?

Greg: Wir werden auch ein paar andere Bands haben, aber wir wissen noch nicht, wer. Das ist noch zu weit weg (wir unterhalten uns am 19. Juni Anm.d.V.). Aber wir würden gern Bands finden, die an dem guten Zweck interessiert sind.

Das Geld geht also an eine Organisation, die Katzen von der Strasse rettet.

Greg: Genau.

Wer wird an diesem Wochenende Teil von Black Flag sein?

Greg: Verschiedene Leute. Ich denke es wird eine Reihe von Leuten sein, die Auftritte hat. Wahrscheinlich wird es ein langes Konzert, wo wir einer Reihe von Leuten die Gelegenheit geben werden. Aber es ist noch lange hin und ich will zu diesem Zeitpunkt keine Vermutungen anstellen. Es ist ein Benefiz, niemand wird bezahlt, und es ist mein persönliches Anliegen, ich bin persönlich an Katzen interessiert, deswegen will ich nichts versprechen, aber ich will, dass es gut geprobt ist, wie Black Flag es immer gehalten haben.

Aber ich denke, es werden verschiedene Leute sein, die mit der Band in der Vergangenheit gespielt haben. Und die erste Person, die ich vorher ansprechen wollte, war Dez, weil er Teil der ersten vier Jahre war, als die Band sich entwickelte und einen langen Set spielte. Damals sang er. Und auf eine Art war die Band damals am populärsten, als Dez in der Band war. Und er sang viele Songs, deshalb war er der erste, bei dem ich sicher sein wollte, dass er interessiert ist. Und er war sehr interessiert. Das wollte ich zuerst klarmachen, und dann bin ich sicher, dass auch andere Leute daran teilnehmen werden.

Also ist es nicht das erste Line-Up oder sowas?

Greg:  Die meisten Leute wissen gar nicht, welches das war. Das erste Line-Up bestand aus Brian am Schlagzeug, Jim am Bass, Keith an der Gitarre und mir am Gesang. Ich bezweifle, dass es das erste Lineup sein wird, eher irgendwas dazwischen.

Was ist mit Chuck Dukowski?

Greg: Oh, ich weiss es nicht. Ich muss sehen, wer zu den Proben kommt. Ich weiss nicht genau, was passieren wird, aber ich bin zuversichtlich, dass es eine gute Show wird und dass wir jede Anstrengung unternehmen werden, damit sie so gut wie möglich wird. Aber dazu gehören auch Proben, nicht nur Leute, die einfach auftauchen.

Was für Songs werdet ihr spielen?

Greg: Es ist angekündigt als „the first four years“, aber das ist flexibler Titel. Ich denke, es wird eine ganze Reihe von Songs sein, denn wir haben verschiedene Leute dabei, und es wird wahrscheinlich ein recht langes Set.

Du weisst also nicht, was Chuck macht?

Greg: Nein. Er arbeitet seit einer ganzen Weile nicht mehr hier, vielleicht seit sieben oder acht Jahren. Aber er lebt noch Los Angeles.

Macht er noch Musik?

Greg: Das weiss ich nicht.

Vor der Show wirst du auf Tour gehen und Songs von Black Flag spielen und singen, habe ich das richtig verstanden?

Greg: Nein. Ich gehe nicht auf Tour. Wir spielen einige Shows in der Gegend von LA. Wir wollten das Benefiz eigentlich im Juni machen, aber es wurde aus Termingründen in den September verlegt. Und ich wollte nicht einfach eine Show machen, ohne vorher zu spielen – was ich auch vorhin über das Proben sagte. Ich will, dass die Leute bereit sind, mich eingeschlossen, da ich lange nicht gespielt hatte.

Ich habe in der Gegend mit Mojack und HOR ein wenig gespielt, aber nicht sehr viel in den letzten beiden Jahren. Die letzte Tour, die ich gemacht habe, war ungefähr zu der Zeit, zu der ich auch zum letzten Mal in Europa war, vielleicht 1994 oder ’95. Also wollte ich ein paar Shows zum Aufwärmen spielen. Aber es sind nur kleine Sachen hier in der Gegend, dreissig oder vierzig verschiedene Orte in der Gegend von LA.

Wer wird da mit dir spielen?

Greg: Ah, well, ahm… Ein Schlagzeuger, mit dem ich auch spielte, als ich das letzte Mal in Europa war, er heisst Ducket. Und ein Bassist, mit dem ich erst seit rund sechs Monaten spiele, er heisst J.D. Crowley, und er spielt Bass. Wir haben jetzt 25 Shows gespielt, fast jeden Abend im letzten Monat. Es ist etwas anderes, als im Proberaum zu spielen, was ich eigentlich die ganze Zeit tue. Ich habe nie aufgehört zu spielen. Aber Proben und an unterschiedlichen Orten in unterschiedlichen Räumen mit verschiedenem Sound zu spielen, ist etwas anderes.

Ich will wirklich fit sein, bevor wir einen grossen Laden spielen. Ich mag es auch, diese Songs selbst zu singen, die ich zwar geschrieben habe, bei denen ich aber nie den Gesang gemacht habe. So kann ich meine Interpretation aus der Perspektive liefern, was diese Songs mir bedeuten. Aber es war vor allem angespornt von dem Bedürfnis, mich für diese Benefiz-Show vorzubereiten.

Wie ist es jetzt, die alten Songs zu spielen?

Greg: Ich spielte einige, als wir in den 90ern auf Tour waren. Es fühlt sich gut an. Ich mochte die Songs immer. Es ist nichts, von dem ich denke, ich wäre darüber hinweg oder müde davon. Ich spiele sie immer gern. Und sie zu singen macht es interessanter, weil es eine andere Interpretation ist.

Noch eine letzte Frage zu Black Flag. Wahrscheinlich hast du auch gehört, dass Rollins eine Tour mit Black-Flag-Songs macht…

Greg: Ja, wir nennen sie die Sunset Strip Cowboys.

Ihr nennt die Rollins Band Sunset Strip Cowboys.

Greg: Sie sind die Sunset Strip Cowboys, deshalb nennen wir sie so.

Die Rollins Band sind die Sunset Strip Cowboys?

Greg: Ja.

Ich dachte, es wäre eine Band namens Mother Superior, oder hat er eine neue Band?

Greg: Nun, du könntest sagen, mein Name ist Greg Ginn, aber ich bin Gitarrist. Ich bin ein Gitarrist, aber das heisst nicht, dass mein Name nicht Greg Ginn ist. Sie haben ihre individuellen Namen, aber wir nennen sie die Sunset Strip Cowboys.

Verstehe. Was denkst du darüber, dass Rollins das tut?

Greg: Ich denke, es ist ein wenig cheesy. Keith Morris beschrieb die Band als Studiomusiker, die versuchen, BF-Songs zu spielen. Es ist ziemlich langweilig und sollte nicht mit dem echten Ding verwechselt werden.

Hast du sie gehört?

Greg: Nein.

Warum war ssT so lange inaktiv?

Greg: Unser US-Vetrieb ging vor ein paar Jahren kaputt, sie hatten schon länger Schwierigkeiten, gingen dann bankrott, und wir verloren dadurch viel Geld. Wir konnten lange nichts herausbringen, bis wir uns davon erholt hatten und einen soliden Vertrieb fanden, wie wir jetzt einen haben.

Nun planen wir, viel Musik zu veröffentlichen, zu touren und all das. Es war ziemlcih frustrierend. Ich hatte nicht wirklich frei. Ich musste mich um den ganzen Kram kümmern. Das machte es schwer für mich, zu touren und so.

Als ich ssT für mich entdeckte, war die ganze Szene schon stark aufgesplittert. In den späten 80ern verliessen viele Bands das Label, um mehr Platten zu verkaufen, andere lösten sich auf. Danach gab es immer noch Sachen, die ich mitgekriegt habe, aber irgendwann schien es weniger zu werden, und die Sachen waren schwerer zu kriegen.

Greg: Das war, weil wir in den späten 80ern so viel veröffentlicht hatten. Es gab ein Jahr, in dem wir, glaube ich, hundert Platten rausgebracht hatten. Ausserdem: So ziemlich jede Band löst sich auf. Es gibt ein paar, die es länger gibt. Aber sie neigen dazu, sich aufzulösen.

Könntest du mir einen kleinen überblick geben, was nach 1993 passiert? Ausser Fatso Jetson, Bazooka und ein Sachen von „Screw Radio“ (einer bizarren Radio-Show mit hauptsächlich Greg Ginn und viel Musik von ssT, Cruz und New Alliance) kenn ich kaum etwas…

Greg: Wir hatten nicht viele Gruppen, die nach Europa kamen. Deshalb ist das Bewusstsein davon nicht sehr hoch…

Und ihr hattet keinen Vetrieb…

Greg: Wir hatten die meisten Zeit einen Vertrieb. Wir hatten viele Probleme, viele Firmen gingen pleite, wie Rough Trade. Als die pleite gingen, war das ein grosser Verlust für uns, sie machten Europa und das UK. Und wir verloren viel Geld dadurch. Wir hatten also Vertrieb, aber zwischen den Bankrotten. Unsere Musik war ausserdem nie Radiomusik. Die Bands müssen wirklich rausgehen und touren, um Aufmerksamkeit seitens der Medien zu bekommen.

Wenn sie das tun, haben wir eine Chance, etwas zu machen. Aber manche von den besten Platten, die wir herausgebracht haben, sind nicht unbedingt die bekanntesten. Ich mag auch viele von den populären Platten, ich sage nicht, dass die nicht gut sind. Aber so ziemlich die einzigen Gruppen, die Platten verkauften, waren Bands, die getourt sind. Und wenn Bands touren, eröffnet das eine Menge Werbemöglichkeiten.

Publikationen sind eher interessiert, wenn eine Band rüberkommt. Das kennst du wahrscheinlich selbst: Wenn dir jemand eine CD schickt, reviewst du sie oder auch nicht. Aber wenn eine Band auf Tour kommt, wirst du wahrscheinlich eher darauf aufmerksam werden. Wir arbeiten aber immer auch mit Bands zusammen, die nicht touren, weil wir ihre Musik mögen, nur das begrenzt eben die Möglichkeiten für Promotion.

Saccharine Trust haben sich wieder zusammengetan und bei einem deutschen Label eine tolle Platte gemacht. Ich habe mich seinerzeit gefragt, warum die Platte nicht auf ssT erscheint, zumindest in den USA…

Greg: Wir haben zu der Zeit überhaupt keine Platten gemacht, weil wir mit den Vertriebsproblemen zu tun hatten.

Wie lange erschien keine Platte auf ssT?

Greg: Seit ungefähr sieben Jahren. Wir wollten nach dem ärger mit den Vertrieben einfach einen Break machen.

In den sieben oder acht Jahren hast du neben dem Business-Kram noch diese Radio Show gemacht. Gibt es die noch?

Greg: Zurzeit nicht. Zuerst betrieben wir einen Sender in LA, der wurde verkauft an einen religiösen Sender, der uns rausschmiss. Dann gingen wir ins Internet, wo wir das für eine Weile machten. Aber ich verlor den technischen Support, und ohne in der Lage zu sein, neue Sachen rauszubringen, machte es keinen Sinn, weiterzumachen, denn der Hauptzweck der Radio-Show war, unsere neuen Sachen zu bewerben. Aber das kommt wieder. Checkt unsere Website sst.superstore.com. Ich mag Radio wirklich, und ich vermisse es, aber wir mussten warten, bis wir wieder aktiv sein würden.

Warst du das allein, der die ganzen Figuren sprach?

Greg: Nicht nur. Ich habe eine Menge davon gemacht, weil ich hier war und jeden Tag live eine dreistündige Show gemacht habe. Ich sprach verschiedene Charaktere, aber es waren auch ein paar andere Leute involviert. Was interessant an Online-Radio ist: Wir haben unser Studio gleich hier, und wir haben einen grossen Raum, wo wir Partys machen, über sechshundert Quadratmeter gross, und es ist unser Aufnahmeraum und wir proben auch hier, aber wir können auch Live-Sendungen – Audio und Video – übers Internet von hier aus produzieren. Darauf freue ich mich wirklich, Live-Shows übers Internet zu machen, damit die Leute das sehen und hören können, wo immer sie sind.

Was hältst du von der „Musikpiraterie“-Debatte?

Greg: Es ist ein bisschen kompliziert. Independent Labels haben schon immer viel bei den Verkäufen an Leute verloren, die auf Kassetten kopiert haben. Oft bemerken Leute das nicht. Manchmal, besonders in der Vergangenheit, waren unsere Platten nicht leicht zu kriegen. Viele Leute besorgten sie sich auf Cassette, als Kassetten sehr wirklich populär waren, besonders in den Staaten. Unsere Musik wurde immer weiter verbreitet, als unsere Verkäufe reichten. Und jetzt kriegen einige der grösseren Labels einen kleinen Geschmack davon.

Ich bin sicher, dass es einen grossen Einfluss auf die Verkäufe hat, und das es beeinflusst, wieviel die Companys in neue Veröffentlichungen investieren können. Ich bin sicher, dass da etwas dran ist. Sie haben begonnen, Downloads zu verkaufen, und gehen gerichtlich gegen Filesharing vor und so weiter, aber sie werden es nicht völlig unterbinden können. Leute können eine CD von einer CD kopieren. Es ist nicht nur Filesharing, sondern auch das Brennen von CDs. Und selbst wenn du die digital-auf-digital-Kopie verunmöglichen könntest – die Leute scheren sich nicht so sehr darum, wenn sie digital auf analog kopieren können. Der durchschnttliche Konsument wird mit einer Kopie auf Kassette zufrieden sein. Ich bin sicher, dass das die Verkäufe beeinflusst.

Uns direkt betrifft das nicht so sehr, aber vielleicht war es der Grund, warum unser Vertrieb pleite ging. Die Probleme der Industrie sickern also zu uns durch. Nicht notwendig, was den Bedarf nach unserer Musik angeht, sondern was unsere Bezahlung angeht. Aber das ist nichts was wir kontrollieren können. Wir müssen damit leben und sehr vorsichtig sein. Ich glaube, mehr Companys werden pleite gehen. Wir hatten genug davon, deswegen müssen wir vorsichtig sein.

Ihr verkauft immer noch viel von den alten Sachen, oder?

Greg: Ja. Manche von den alten Bands verkaufen immer noch sehr gut. Und manche, die sich auflösten, wurden vergessen und hörten auch auf zu verkaufen. Aber es gibt offensichtlich bestimmte Gruppen, die immer Musik verkauft haben.

In den mittleren Neunzigern war die meistgehörte Aussage über ssT die von Musikern, die behaupteten: Die haben uns abgezogen.

Greg: Wir hatten unsere Probleme, aber wir haben niemanden abgezogen.

Hast du noch viel Kontakt zu denen, die in den Achtzigern dabei waren?

Greg: Ja. Zu einer Menge. Nicht zu allen. Viele leben woanders. Und ich lebe nicht in der Vergangenheit…

Jetzt kommen erstmal Sachen, mit denen du als Musiker zu tun hast. Was sonst wird passieren? Werdet ihr auch Sachen von alten Bekannten veröffentlichen?

Greg: Nun, wir werden sehen. Solange unser Vertrieb gesund bleibt, werden wir schrittweise mehr CDs veröffentlichen. Das war immer unsere Situation.

Wirst du auch New Alliance und Cruz wieder aktivieren?

Greg: Möglicherweise irgendwann. Aber wie ich sagte, werden wir recht vorsichtig beginnen. Denn wir haben viel Geld verloren. Und wir müssen die neuen Platten verkaufen und dann die nächsten veröffentlichen. Aber ich sehe es nicht wirklich so, dass wir zu einer bestimmten ära gehören oder so. Ich bin an der Musik interessiert, die ich jetzt mag. Ich verbringe nicht viel Zeit damit, den Mittachtziger nachzuhängen. Das ist nicht mein Leben.

Gibt es Entwicklungen in der aktuellen Musik, an denen du interessiert bist?

Greg: In der Rockmusik gibt es nicht allzu viele besondere Entwicklungen ausserhalb spezifischer Bands. Was Punk angeht, ist es eine Art… Es begann als etwas, wo die „Outcasts“ und „Misfits“ aus dem regulären Rockbusiness der Siebziger eine neue Heimat fanden, und es beinhaltete verschiedene Musikrichtungen, keinen bestimmten Sound, sondern eine bestimmte Haltung, etwas Neues machen zu wollen. Jetzt geht es nicht mehr darum, etwas Neues zu machen, sondern eine Tradition aufrechtzuerhalten.

Das ist nicht notwendig ein Werturteil, das ist, wo Blues und andere Musikformen auch operieren, auf der Basis einer starken Tradition, und das ist fein. Aber das ist kein Ort, wo ich nach neuer Musik suche. In den Neunzigern und unserer Dekade habe ich neue Musik eher in anderen Bereichen gefunden, wie in der elektronischen Musik. Und als Musikfan bin ich eher stimuliert von neuem Zeug aus diesem Bereich. Rap-Rock und das ganze Zeug aus den frühen Neunzigern ist ziemlich vorbei, und es gibt nicht wirklich eine neue Bewegung in Rock. Ich sage nicht, dass es nichts Neues in Rock gibt, ich spreche von einer Bewegung. Denn es gibt viele neue Bands. Es gibt immer gute Bands, die aufregende neue Sachen machen.

Ich will also nicht zynisch rüberkommen. Ich bin nur realistisch, wenn ich sage, dass es keine neue Bewegung in Rock gibt. Und auf eine Art ist auch Techno ziemlich reif. Es ist nicht wirklich neu, sondern entwickelt sich seit 15 Jahren. Ich glaube nicht, dass es eine echte, breite Bewegung gibt. Es gibt viele kleine Bewegungen, und das ist auch gut. Ich brauche nicht 5000 Bands zum Anhören. 20 neue Bands sind genug.

Was hast du denn gemocht in den letzten Jahren – z.B. in der elektronischen Musik?

Greg: Alles mögliche! Ich gehe viel in Clubs und auf Raves. Diesen Sonntag werde ich Paul Van Dyck aus Deutschland sehen. Ich mag ihn. Er war früher im Jahr schon da und ich ging hin. Sehr gut. Das ist eher am Mainstream-Ende. Und es gibt viel sehr guten Hardcore-Techno, der aus Europa kommt.

Ich mag Hardcore-Techno, aber ich mag auch Trance, ich mag House, viele verschiedene Sachen. Ich stehe nicht so auf Ambient. Generell mag ich die Energie, das Hämmern von mancher elektronischer Musik.

Kannst du mit diesem ganzen Laptop-Zeug etwas anfangen, das zum Beispiel auf Tigerbeat6 rauskommt?

Greg: Oh yeah, Gabber? Das Zeug liebe ich wirklich. Ich hab es wirklich satt, dass Freunde und Leute um mich herum sich beschweren, dass alles so langweilig sei und nichts neues in der Rockmusik passiere. Ich frage sie: Aber warum sucht ihr in der Rockmusik? Natürlich ist das langweilig. Du kannst nicht zum gleichen Brunnen gehen, denn du wirst immer das gleiche finden. Das nächste zu Punk, was ich in letzter Zeit gesehen habe, war die Rave-Szene in den frühen Neunzigern. Für mich waren illegale Raves, wo Leute einfach machen, was sie tun wollen, eine Menge Spass. Und das gibt es bis heute.

Es ist in den USA wahrscheinlich grösser, als die meisten Leute merken. Der grösste Ort ist wahrscheinlich LA. Manche der grössten Raves ziehen ca 20.000 Leute. Aber es ist immer noch ziemlich underground. Es bekommt nicht viel Aufmerksamkeit von den Medien. Die Leute suchen immer nach Rock und Pop-Musik. Ohne grosse Aufmerksamkeit der Medien ist elektronische Musik seit einer Weile in LA sehr gross.

Es ist auch gut so. Leute, die die Massenmedien ignorieren und ihre eigene Szene ausserhalb dessen haben – ich beschwere mich überhaupt nicht darüber. Es gibt Leute in der Musikindustrie, die darauf warten, dass es losgeht und sie es verkaufen können. Ich bin zu beschäftigt damit, es zu geniessen, ich will es nicht verpacken und verkaufen.

***

An Stelle eines Kommentars: Die vier Alben, die auf ssT erscheinen sollen, sind von den Bands HOR, Confront James, Mojack und Fastgato. In allen spielt Ginn Gitarre. Bei Drucklegung war tatsächlich eine zweite Show annonciert, und zwar für den 13. September am gleichen Ort. Als Support war eine neue Band angekündigt, die das komplette „My War“-Album spielen werde.

Neben Ginn selbst seien Dez Cadena (Gitarre), Bassist Dale Nixon, Trommler Ducket und Mike Vallely (Mike V And The Rats) am Gesang zu erleben. Ausserdem auf dem Programm für den 12. September: 1208 sowie Mike V And The Rats, am 13. September: Fu Manchu und Good Riddance. Greg Ginn lebte zeitweise angeblich mit bis zu achtzig vormals obdachlosen Katzen unter einem Dach. Und natürlich sind die Sachen, die auf Tigerbeat6 erscheinen kein Gabber.

(stone)

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