November 29th, 2019

FUSE AND/FLUID TO GAS/F-Spin Records (#114, 2005)

Posted in interview by Thorsten

FLUID TO GAS

Diese Band und Trust passen wie die Faust aufs Auge. Der guten Musik gewidmete. leidenschaftliche, lange tot geglaubte, vom DC-Spirit inspirierte Individualisten, die immer weitermachen, sich aber auch versuchen immer weiter zu entwickeln. So verwunderte es mich kaum, als mich Anfang des Jahres Oise von Là Par Force fragte ob es Fluid To Gazi immer noch gäbe. Fatzo lacht auf Grund des subtil gemachten Vergleichs. Es sei nicht so, als ob er versuche Fugazi zu imitieren, aber dennoch habe er bei deren Musik ein so überwältigendes Gefühl, dass er dieses auch haben will, wenn er selbst Musik macht. Seit 1994 gibt es die krachige, energiegeladene Band aus dem Umfeld des Bonner Revolution Inside Labels (RIP).

Neben Fatzo (Gitarre und Gesang) gehören heute Gründungsmitglied Jörg (Schlagzeug) sowie der 1997 eingestiegene Bassist Peter zur Truppe. Fatzo und Jörg lernten sich im Schwimmbad kennen, verabredeten sich zum Jammen und „es passte einfach“. Seitdem ist die Band „wie eine kleine Familie“. Während die 1995 aufgenommene 10“ sowie das 1998er Album „Flow“ noch auf Revolution Inside erschienen, hatte Fatzo Ende März 2001 endlich alle Fäden selbst in der Hand, da „In Process“ auf seinem Label F-Spin Records veröffentlicht wurde. Auch wenn das vielleicht erstaunt, würde ich bei der Erfassung der Musik der Jungs nicht davor zurückschrecken das OX zu zitieren: „so ist hier ausnahmsweise „Emo“ mal keine Plattitüde, denn als die Herren sich formierten, wussten 95% all derer, die heute mit dem Begriff hausieren gehen, noch nicht mal, wie man das schreibt. FLUID TO GAS dagegen hatten damals schon das gesamte Dischord-Programm im Schrank stehen“

FUSE AND

Und wieder Bonn, und wieder Revolution Inside lassen Fatzo auf Bastian Suhr treffen, damals bei Crank („Quicksandmäßige“ Band) heute bei Minor Mountaineer. Wie schon bei Fluid to Gas, ist die persönliche Ebene für beide das wichtigste und der Grund warum es sich im Gegensatz zu manch anderem musikalischen Projekt hier um eine lang anhaltende Freundschaft, die quasi musikalisch untermalt ist, handelt. Beide Musiker haben eine ganz eigene Prägung, die den Charakter der Verschmelzung FUSE AND einzigartig macht, die Musik wunderschön. Da trifft ein Xylophon auf hoffnungslos melancholischen Gesang, sphärische Gitarren auf Drum’n’Bass Rhythmen und dennoch ist das ganze nicht so weit ab von der alten DC Schule. (Wir wussten es ja schon immer, Bonn ist ein outgesourcter Vorort Washingtons). Da fließt der Rotwein und der Schweiß und auf Tour werden Städte auf ihre Kickboardtauglichkeit getestet. FUSE AND sind self-made men, DIY wird hier großgeschrieben, man wächst an Herausforderungen, lernt aus Erfahrungen. Die erste FUSE AND Show bestand darin, dass die beiden die Hintergrundmusik zu einer Tombola machten, das zog sich dann, wie das bei Tombolas zu erwarten ist, in die Länge und man versah sich kaum als Guts Pie Earshot die Band einlud weitere Konzerte zu spielen. Zwischenzeitlich wurde Micha (heute Minor Mountaineer, damals auf Drum’n’Bass getrimmt und von Gitarrenmusik gelangweilt) ans Schlagzeug geholt, was dazu führte, dass FUSE AND Shows mehr oder weniger nahtlos in Drum’n’Bass Partys übergingen. Vielleicht wird in naher Zukunft Dirk von Tumult (Bonner HC-Band) dazu stoßen und den Sound durch das ihm vor kurzem geschenkte Keyboard bereichern. Zurzeit nehmen Bastian und Fatzo neue Songs in ihrem sich im Kult 41 befindlichen Probenraum auf. Das spart nicht nur Produktionskosten, sondern fühlt sich auch authentischer, organischer an. Man hat mehr Zeit um an den Aufnahmen zu feilen, da außerhalb des Studios Zeit nicht gleich Geld ist, und bildet sich gleichzeitig weiter. Auf meine Frage, ob damit nicht qualitative Verluste einhergingen, lässt sich Fatzo über die Überflüssigkeit fetter Produktionen aus, da physikalisch gesehen es keinen Unterschied mache ob man nun weniger fett produziert und dann den Volume-Regler beim Master aufdrehe oder eben umgekehrt…oder so ähnlich, als technisch unversierte Frau habe ich nach der Einleitung „physikalisch gesehen“ sofort abgeschaltet. Bei Proben wird mehr improvisiert als komponiert, so dass sich einige Songs ständig in Bewegung befinden, gerade wenn sie zum Beispiel in ein Akkustik-Programm umgewandelt werden sollen. Wie Will Freeman in „About a Boy“ bemerkt, ist, wenn Menschen beim Singen die Augen schließen, als wenn ihr Leben daran hinge, alles vorbei. Bei FUSE AND ist es das, womit alles beginnt und so schaffen die beiden es immer wieder, vor allem Live, mich in ihren Bann zu ziehen.

F-SPIN RECORDS

Das alles, was Fatzo tut, auch mit F anfängt ist angeblich Zufall. Durch sein Astronomiestudium ist Fatzo mit diversen Spins vertraut, so auch mit dem F-Spin.
Im Jahr 2000, mehr aus der Not heraus entstanden,, da sich sonst niemand fand, der die FUSE AND Platte herausbringen wollte („Leider kommt es viel zu selten vor, dass jemand cooles viel Geld erbt und davon ein Label gründet“), zumal durch das Ende von Revolution Inside Bonn im Umbruch stand, wird das Label gegründet, auf dem außer Fatzos eigenen Projekten nur noch eine LOW FREQUENCY IN STEREO Single erschienen ist. Diese Band war wie ein Lichtblick aus der Demokiste, von Nikita (Ex-Yage / Nova Recordings) angeregt stößt Fatzo auf die Band, bookt deren erste Deutschlandtour und bringt die Single heraus bevor das Major-Album kommt. Finanziell war das weniger sinnvoll, zumal Fatzo neben Arbeit, Studium und diversen Bands nicht sehr viel Zeit findet sich intensiv um andere Bands zu kümmern, aber wie so oft war die Überzeugung von der Musik dieser Band sowie die persönliche Verbindung ausschlaggebend und so kommt es auch, dass Fatzo auf deren „Travelling Ants who got eaten by Moskus“ Album als Gast mit dabei ist.

F-SPIN Konzerte

Fatzos erstes Konzert war ein Desaster, das ihn in jungen Jahren, irgendein Kaff im Westerwald und Dave Smalley mit Alloy vor nicht gerade vollem Saal und einige Verbesserungsvorschläge fürs nächste Mal beinhaltete. Offensichtlich hat er sich das zu Herzen genommen, denn seitdem ich ihn kenne, war ich noch nie von einem von ihm veranstalten Konzert enttäuscht. Dennoch brennt es ihm mehr unter den Nägeln mit den eigenen Bands zu spielen, als andere zu veranstalten, weshalb er wohl in Zukunft was Konzerte veranstalten angeht kürzer treten wird, wenn gleich durch diese Aktivität der ein oder andere nützliche Kontakt zustande kam, wie z.B der zu Tiger Lou, mit denen FUSE AND bald einige Konzerte spielen werden. Ob das der Bonner Szene, die laut Fatzo nur tut als sei sie eine Szene, aber noch nicht einmal ab und zu ein Danke übrig hat, schaden wird, bleibt abzuwarten, aber zumindest kann Fatzo seine Zeit so auf Dinge verwenden hinter denen er 100% steht, und die deswegen auch am meisten Spaß machen. Genau deswegen kann er sich auch nicht mit Agenturen anfreunden, zumal die einzigen die er bat ihm zu helfen, meinten er könne das doch selber viel besser. So verlässt er sich lieber auf Einzelpersonen, „die Bock haben was zu machen“. So bleibt das Individuelle im Vordergrund und „man kann dennoch was erreichen, wenn man sich richtig reinhängt“. Selbst ist der Mann, so ist auch die augenzwinkernd getätigte Aussage über den Ausschied von Fuse And Drummer Micha zu sehen „Echt schade, aber dann haben wir uns eben einen Drumcomputer gekauft“ einzuordnen. Dennoch ist Fatzo kein Diktator mit einer festgefahrenen Idee wie seine Musik klingen muss, sondern lässt sich immer wieder von neuen Menschen inspirieren und beeinflussen.

Das Xylophon

Schon auf der ersten 10“ von FLUID TO GAS wurde es eingebracht, „was bis jetzt nur noch niemandem aufgefallen ist“. Entdeckt hat Fatzo es im Musikraum seiner alten Schule und war fasziniert, das was auch immer man darauf spielte, total super klang. Die Frage was der Grund dafür war, dass er nach zehn Jahren mit 16 nicht weiter Klavier spielte, beantwortet er erfrischend ehrlich, anstatt sich wie so manch einer auf die Freiheit des Geistes und den Fluss der Musik auszureden: „Pubertät, kein Bock zu üben“ Ursprünglich sollte ja FLUID TO GAS Schlagzeuger Jörg das Xylophon spielen, aber der glaubte darüber seine Schlagtechnik fürs Schlagzeug zu verlernen, also hat’s Fatzo eben selbst gemacht. Ganz schön unkompliziert, der Gute.

Filmsirup – „Stummfilme fetziger rüberbringen“

Ein Projekt von Michi Hendricks (auch Kult41-Aktivist), das Fatzo live sah und sofort Feuer und Flamme war. So begab es sich, dass er einstieg und zusammen mit wechselnden Gastmusikern Zeitraffer-Kurzfilme live vertont. Angelehnt an musikalisch untermalte Stummfilme, werden z.B. Geschichten von Zahnbürste und Zahnpasta, die zusammen einen Ausflug an den Strand machen oder einem Staubsauger, der in seinem Inneren einen Kuchen backt, musikalisch untermalt, wobei teils ein grobes Thema festgelegt ist, teils aber auch die verschiedenen Instrumente im Wechsel buchstäblich den Ton angeben. Das bestehende Repertoire an Filmmaterial wächst und teils sehen die Musiker den Film selbst zum ersten Mal während sie Live dazu improvisieren, vor allem wenn kurzfristig Schlagzeuger oder andere fest eingeplante Musiker absagen.. Was Fatzo an diesem Medium fasziniert, ist vielleicht am Besten an seiner Reaktion auf den Film „Schirmherrschaft“ festzumachen. „Der Film trifft genau meine Allgemeinstimmung. Es geht um einen Schirm, der durch die Pyrenäen rollt, und dem passieren dann so Sachen“ Man merkt, es handelt sich hier um Künstler fernab von Konventionen, denen das aber auch ganz recht ist. „Man kann die Intro doch alle 3 Jahre aufschlagen, die Namen der Bands austauschen, und man erhält immer genau dasselbe.“ Von der „so genannten Bonner Szene“ finden sich dann auf den diversen von Fatzo veranstalteten oder beschallten Events selten Menschen ein. „Sie tun so musikinteressiert und hören dann trotzdem genau das, was gerade angesagt ist“ Für eine kleine Stadt wie Bonn ist so was kaum tragbar, Toleranz zu fördern durch Genreüberschreitungen, scheint dennoch nicht immer zu funktionieren. „Ich sehe mir gerne die Grindcore Bands an, mit denen wir spielen, umgekehrt ist das aber irgendwie nie so.

183 Fahnen für Rottweil

Wie sich das für einen vielschichtigen Künstler gehört, wird eine Verschmelzung verschiedener Kunstformen immer begrüßt. Ins Kult41, das neben dem Veranstaltungsraum auch eine Galerie beheimatet, lädt Fatzo Literaten ein, ihre Werke vorzustellen und dem Rotwein zu frönen und erreicht damit kunstinteressiertes Publikum allemal.

Und sonst…

“Die Antifa-Argumente waren mir immer zu platt” stattdessen bildete er den Ein-Mann-Kader der Lokalgruppe Westerwald des Vereins gegen Massentierhaltung, bestellt mit Hilfe eines “mir freundlich gesinnten” Lehrers Aufklärungsvideos und zeigt diese auf Fernsehern im PZ in der großen Pause. „Ich musste das damals machen, und es war voll die Attraktion“ Gegen politische Texte an sich ist nichts einzuwenden, obwohl Fatzo mit keiner seiner Bands solche verfasst. „Trend haben super Texte, sie sind nicht so direkt, dafür aber umso effektiver“ und immer die gleichen Themen durchzukauen ist ja auch wichtig denn „es wächst immer eine Generation nach, die vieles noch nicht weiß“ In diesem Sinne Manege frei für einen „man on a mission“.

Text: Alva Dittrich

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