Januar 13th, 2020

FREDDIE YAUNER aus #135, 2009

Posted in interview by Jan

FREDDIE YAUNER: SUPER-TOASTER, MEGA-UHREN UND XXL-LIPPENSTIFTE

Peilicherweise stieß ich auf den englischen Künstler / Desinger / Konsumkritiker Freddie Yauner durch einen Artikel in der „Bild am Sonntag“ Mitte 2008. Dort wurde berichtet, dass Freddie Yauner, ein 26 Jahre alter britischer Kunststudent jetzt im Guinness – Buch der Rekorde ist, da er den „highest poppig toaster of the world“ konstruiert hätte. Zu deutsch: einen Toaster, der die Toasts ca. 5 Meter hoch schleudert. Das Bild dieser Erfindung sah einfach so dermaßen beknackt aus, ich musste den einfach mal interviewen. Angenehmerweise entwickelt der Industriedesign-Absolvent der Northumbria Uni und Master-Graduent des Royal College of Art in London im Fach Produktdesgin seine auf den ersten Blick überflüssigen und sinnlosen Produkte mit einem konsumkritischen Hintergrund, der mich interessierte.

Kurz gesagt, er vertritt die Position, dass es so viele dermaßen unnötige und sinnlose Produkte gibt, deshalb müsste man dies verdeutlichen, in dem man eben durch die absolut sinnlosesten Produkte noch einen drauf setzt. Satire? Tiefergehende Konsumkritik? Spinner? Zumindest lustige Fotos! Auf Spiegel Online gibt es noch einen interessanten Bericht über ihn, den ich zur Einstimmung hier mal zitieren will: „Obwohl seine Karriere noch kurz ist, hat der britische Designer Freddie Yauner bereits ein paar Dinge entworfen, die konkurrenzlos überflüssig sind.

Eine Uhr etwa, von deren Display man die Zeit bis auf die Millionstelsekunde ablesen könnte – wenn die Zahlen nicht so aberwitzig schnell umspringen würden. Oder einen Lippenstift, der ein ganzes Jahr lang vorhält und deshalb in keine Handtasche passt. Oder ein Tagebuch, das für jede Minute eine Zeile vorsieht, 672 Seiten für 14 Tage – es scheint, als hätte Yauner Angst davor, dass seine Entwürfe eines Tages in Serie gehen könnten. Nichts allerdings ist so spektakulär sinnlos wie jenes Gerät, das neben seinem Schreibtisch steht, sorgfältig verborgen unter einem Tuch: ein Toaster, der das geröstete Brot herausschleudert wie kein zweiter Toaster auf Erden, The Highest Popping Toaster in the World….

Es war die Abschlussarbeit am Londoner Royal College of Art, die Freddie Yauner, 26, auf den Einfall brachte, sich über Design einmal grundsätzlich Gedanken zu machen. Yauner wollte nicht Möbel oder Gebrauchsgegenstände entwerfen wie seine Kommilitonen. Er wollte Design kritisch reflektieren: Benötigen wir die Dinge wirklich, die täglich entworfen werden? Die Zusatzfunktionen, Weiterentwicklungen, all die Gimmicks?. Ende 2008 / Anfang 2009 entstand dieses Interview, dass etwas abseits des normalen Hardcore-Punk-Rahmens ist (keine Band / Label etc), aber eigentlich doch wieder sehr viel mit Punk zu tun hat… finde ich.

Hi Freddie, schön, dass das Interview klappt. Auf deiner Homepage steht: „Freddie Yauner designs products that aim to engage and inform. He is concerned with the state of the world through the eyes of designed objects, and creates pieces that use satire as a critique of the current state of design and consumerism.“ Kennst du das Magazin aus Nordamerika, Adbusters? Das sind Profis aus dem Design- und Marketing-Busniess, die Satire auf Werbung / Werbekampagnen / Anzeigenschaltung machen. Siehst du dich in einer ähnlichen Tradition wie Adbusters oder ist deine Kunst mehr so die klassische Satire wie z.B. in den Mad Heften?
Adbusters mag ich sehr gerne, wobei ich das Mad-Heft auch gerne gelesen habe. Ich las Kalle Lasn´s Buch, als ich im zweiten Studienjahr meines Bachelors war. Adbusters habe ich damals viel gelesen, heute eher weniger. Das was sie tun, gefällt mir, aber ihr Zugang hat nicht soo viel mit meinen Projekten zu tun, da bin ich eher in der mad-Richtung. Ich versuche wirklich sehr stark, „nicht zu den bereits Bekehrten zu predigen„.

Über deinen highest poppig Toaster lass ich in einem sehr großen deutschen Zeitung, so was wie die englische „Sun“, wie laufen die Dinge zurzeit? Ich war und bin immer noch überrascht, dass es total einfach möglich ist, dich zu kontaktieren, dass da keine Agentur oder ein Manager zwischengeschaltet ist… du hattest bestimmt sehr viel Medienaufmerksamkeit in der letzten Zeit oder?
Die Dinge laufen super, ich habe meine Arbeit in einer Galerie und lehre am Royal College of Art und gebe Workshops in anderen Unis und Wohltätigkeitsorganisationen. Ich nehme mir gerade eine Auszeit, um meine Gedanken zu sammeln, bevor ich meinen nächsten Schritt mache, ich werde 2009 nach Indien gehen. Ja, ich hatte viel Medienaufmerksamkeit, aber ich mag es, mit Leuten direkt zu reden, damit die Sachen halt auch klappen, deshalb brauche ich keine Manager.

Schön, das zu hören, ich wundere mich nur, du bist 26 Jahre alt und dann dieser ganze Erfolg, du bist mit dem Toaster im Guinness Buch der Rekorde und in einer deutschen Zeitung stand, dass es kommerzielle Interessen von Firmen gibt, die mit dir zusammenarbeiten wollen. Das könnte ja schwierig werden, wenn man dann in einer Firma landet, die für all die Bullshit Produkte verantwortlich ist, deren Herstellung du ja kritisiertest? Aber mit der Distanz dann in Indien wird das wohl kein Problem sein. Lässt du dich auch in den Ferien inspirieren, ein Businesstrip ist es ja nicht?
Yeah, es ist schwierig, zu wissen, wo und was man als nächstes tun soll, wie du gesagt hast, es wäre sehr einfach, einen Job zu bekommen, wo man noch mehr Scheiss herstellt, den die Welt einfach nicht braucht. Hoffentlich wird meine Zeit in Indien eine Zeit des Nachdenkens, des relaxen, wo ich in Ruhe meine nächsten Vorhaben entwickeln kann. Ich freue mich auf all die Farbenpracht und ich bin sicher, dass wird mich in vielen Wegen inspirieren.

Gute Reise wünsche ich und coole neue Einflüsse. Du lebst in London, wie gefällt es dir dort? Ein Kumpel von mir wohnt da, er erzählt immer von den unglaublich hohen Wohnungsmieten.
London liebe ich, ich bin dort geboren und aufgewachsen. Aber du hast recht, es ist sehr teuer. Glücklicherweise lebe ich mit meiner Freundin in einer Wohnung unter dem Haus ihrer Eltern, deshalb ist unsere Miete erträglich. Ich überlege jedoch in der naher Zukunft, aus London raus zu ziehen, vielleicht könnte ich meine eigene kleine Farm aufbauen und mein eigenes Gemüse anbauen!

Könnte man sagen, dass du auf drei verschiedenen Ebenen deine Einflüsse beziehst oder liege ich da völlig falsch? Einmal der musikalischer Einfluss durch Punk (wegen diese anti-autoritären Herangehensweise und Leute anpissen durch Quatsch und Unsinn). Dann die Kunsteinflüsse von der Fluxus- bzw. Dada-Bewegung, die Situationistische Internationale (wie King Mob, die in einem Londoner Spielzeug laden als verkleidete Weihnachtsmänner die Spielzeugwaren an die Kinder verteilten) und andere Gruppen, die sich auf die Situationisten beziehen wie die Angry Brigade und die „Reclaim The streets“ -Kampagne. Und der politische Einfluss von Karl Marx, weil er als erster erkannte, dass in einer kapitalistischen Ökonomie Produkte nicht hergestellt werden, weil sie einen Sinn machen, zu etwas gut, zu etwas zu gebrauchen sind, sondern in erster Linie einen Tauschwert haben, also Profit bringen sollen? Und wo durch Marketingstrategien dann versucht wird, sinnlosen Produkten einen Pseudosinn zu geben, z.B. bei den Tamagochis, wo man dann sagte „Klar, das Spielen und Aufpassen auf Plastikprodukte stärkt deine sozialen Kompetenzen!“).
Das ist alles nicht völlig falsch, ich war jetzt nie so richtig ein Musik-Fan, aber ich schätze Punk und besonders die Attitüde und die Ästhetik. In Sachen Kunsteinflüsse liegst du genau richtig. Wobei ich ja aus einem sehr kommerziellen System komme, weil ich Industriedesign studiert habe. Das hat meine Interesse extrem für die Möglichkeiten geweckt, wie man Massenkonsumobjekte macht, die eine Message haben oder die einfach „gut“ sind, was taugen. Meine erste Dissertation schrieb ich über die Situationisten, „how a designer can keep creating more to reinforce the ’spectacle‘ when he is aware of what is going on.“ Und zu dieser Zeit war ich wirklich stark geprägt von dem Adbusters Magazin. Ich denke, dass was sie gerade mit dem Blackspot Schuh machen, ist großartig, Aktion-statt-Protest, dass Spiel mitspielen, aber zu deinen eigenen Regeln. So was reizt mich. Das Werk von Karl Marx habe ich nicht vollständig gelesen, mit den Ideen, die ich kenne, stimme ich überein. Mein Interesse liegt jedoch mehr bei den Möglichkeiten von Geschwindigkeit und Realität und Baudrillard und Umberto Eco inspirierten mich zu meinen „Because we can“ Produkten.

Könntest du dieses Projekt näher beschreiben, was sind die Ziele, was willst du, das die Leute verstehen sollen mit den „extreme or superlative products, ‚the biggest, the best, the fastest’…highest popping toaster in the world, the fastest clock in the world, the most intricate diary, the longest lipstick in the world?“ Und wer war zuerst, du oder Obahma, „Because we can“ vs. „Yes we can“, ha ha?
Ich nehme extreme Slogans als Startpunkte… dann entwickele ich Produkte, die auf eine Zukunft zielen, wo wir uns nach Produkten verzehren, die so viel schneller, größer, höher sind als alle davor, wo du diese Produkte unbedingt haben willst, musst, zumindest beim Zeitpunkt des Kaufes… dabei sind diese Produkte von Natur aus mangelhaft und quatsch. Jedes Produkt beinhaltet eine eigene Kritik, die Uhr die Geschwindigkeit des Lebens oder das Tagebuch, dass auch den Kommentar beinhaltet, ob wir überhaupt noch Bücher drucken sollen und wie wir nun digital unsere Tagebücher verfassen sollen usw. usf.

Das „Because we can“- Projekt ist ein Kommentar zu Konsumdenken und Marketing und nützt Satire. Indem man das mit dem Konsumdenken verbindet, können die Produkte auf vielen Ebenen verstanden werden, z.B. auch in der Weise, dass einige Leute gar nicht verstehen, dass die Produkte eine Kritik sind. Ich machte „Because we can“ als erster, ich entwickelte den Slogan, als ich einen Marketing-Workshop zusammen mit einem Linguisten und einem Werbe-Experten leitete. Bob the builder machte “Yes we can„ als erstes und dann hat Obama von uns beiden kopiert!

Freunde von mir, die einerseits radikale Musik hören, zeigte ich Fotos deiner Produkte, die konnten damit nix anfangen und taten das als Unsinn ab, ohne da irgendeine kritische Botschaft drin erkennen zu können… Die „Gesellschaft des Spektakels“ blendet also auch viele Leute so, dass die deine Kunst nicht verstehen…
Ja genau, aber wie eben gesagt, das ist ja super, also, wenn die Leute nicht verstehen, was ich mache, bedeutet das für mich, dass ich wirklich erfolgreich war, denn dann sind die Produkte für sich allein überzeugend genug, sie stehen dann für sich selber. Wenn die Leute mich fragen, ob ich eine Serienproduktion von dem Toaster überlege, dann zeige ich ihnen immer mein großes Grinsen.

In einem Interview hast du gesagt, dass man die Industrie nur verändern kann, wenn man sie von innen heraus verändert, d.h. in ihr zu arbeiten. Das hat mich an große alternative Bands erinnert, Rage against the machine, die ihre Platten auf großen Majorfirmen veröffentlich, mit dem Argument, dass ihre anti-Corporate Botschaft dann mehr Leute erreicht und nicht nur die bereits überzeugten. Dann wiederum war und ist Kulturindustrie immer sehr erfolgreich in der Vermarktung einst radikaler Gegenkulturen gewesen, Beispiel die Hippies oder Punk (wo du dein radikales Ramones Shirt dann in jedem Supermarkt kaufen kannst). Das ist bestimmt schwer, da jetzt als Künstler, der ja einerseits von seiner Kunst leben will, das also verkaufen muss, andererseits aber sich auch nicht ausverkaufen will… ich kriege es jetzt nicht besser formuliert, wie stehst du dazu?
Ich habe nix dagegen, meine Ideen zu verkaufen, so lang es ich bin, der den Verkauf macht. Wo soll der Punkt sein beim „preaching to the converted“? Wir müssen diese Ideen raus bringen zu den Massen. Ich bin gerade dabei, Geld damit durch web fullfilment services zu verdienen (zumindest versuche ich es) und arbeite an der Eröffnung meines eigenen Department Stores! Das heißt, nichts existiert, so lange nicht jemand wirklich es haben will und ich kann mehr radikale Arbeit machen und auf mehr Besuche meiner Homepage vertrauen. Wir werden sehen…

Einige Fragen hab ich noch zum Schluss… Neben deinem Indientrip, hast du schon Ideen für 2009?
Unterrichten, denken und wie ich bereits sagte, einen online Departement Store eröffnen und vielleicht mein eigenes Museum.

Werden wir jemals die Chance haben, dich in Deutschland zu sehen, eine Performane, Ausstellung oder Installationen?
Ich würde das liebend gerne machen. Es gab Diskussionen darüber, einen Vortrag an einer Design Schule zu halten. Wenn jemand mich fragt, werde ich kommen. Berlin ist eine große Versuchung für mich, ich habe großartige Dinge darüber gehört.

Die Leuten in Deutschland freaken immer alle aus, wenn es um britischen Humor geht, von wegen, dass der ja so tief und schwarz sei, Monthy Phyton und so, eventuell noch Mr. Bean. Mich wundert das immer, weil gerade MP immer sehr direkt in ihren Sachen sind… magst du sie? Eine Zusammenarbeit zwischen euch, das wäre bestimmt eine lustige Angelegenheit?
Well, in meinen Träumen, da liebe ich MP, besonders ihre Animationen und den TV-Kram, ihre Filme nicht so. Blackadder (Anm. Jan: Mr Bean-Serie, die im Mittelalter spielt) ist der perfekte Kompromiss zwischen den zwei Shows, beste Serie, die es jemals gab.

Danke für das Gespräch, hast du noch einen Gruß an die Leser?
Es ist mir ein Vergnügen gewesen. Ich denke, ich sag „Hallo Germany„ …and just encourage people to DO, get stuff out there, because we can.

Interview: Jan Röhlk
Fotos und Kontakt: www.freddieyauner.co.uk

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