Juni 10th, 2020

FEELS (#183, 2017)

Posted in interview by Thorsten

Letztes Jahr bin ich über die großartigen THEE OH SEES auf Castle Face Records gestossen und fand z.B. mit Bare Wires, Zig Zags, Mountains and Rainbows, Male Gaze einige Bands, die mir das Jahr versüßten. Besonders ans Herz gewachsen sind mir die FEELS aus L.A.. Ich zitiere an dieser Stelle aus meinem Plattenreview der TRUST # 181 > „Bei den FEELS brennt nichts an, mal fetzen sie richtig geilen, aufstachelnden Riot Grrrl oder Dangerhouse-Punkrock herunter. Dann schalten sie wieder einen Gang herunter und schleichen, winden, drehen und bohren sich durch eine Materie aus Punkrock, Garage oder der Blütephase des Alternativerock. Was mich stellenweise, insbesondere, wegen dem entweder energischen oder nöligen, weiblichen Gesangs, sehr angenehm an PJ Harvey, The Breeders oder Sonic Youth erinnert“. Folge dessen sprach ich im Interview über die Bands auf Castle Face, über L.A., um dann über zu schwenken in tiefere, kritischere Fragen über den Fortschritt, die Industriealisierung und dem Internet. Aber lest am besten selbst…

Vor den FFELS spielten einige von euch in der Band RAW GERONIMO. Wieso habt ihr euch entschieden eine neue Band zu gründen und in welcher Weiße unterscheiden sich die FEELS von RAW GERONIMO?

FEELS ist die logische Weiterentwicklung von RAW GERONIMO und ist in etwa vergleichbar, wie wenn sich eine Raupe zu einem Schmetterling verwandelt. RAW GERONIMO als Vorgänger von FEELS war wie ein „Versuchskaninchen“, mit dem wir viele Experimente bezüglich der musikalischen Richtung der Band machten. Die definitive Bandbesetzung kam kurz vor dem Namenswechsel zustande. Seither unterstützen wir uns auch als Band gegenseitig viel stärker.

Als aussenstehender Europäer habe ich den Eindruck, als wären die Bands auf Castle Face Records und insbesondere THEE OH SEES derzeit der heiße Renner im amerikanischen Underground. Ist diese Einschätzung richtig und was macht die Bands auf Castle Face zu etwas besonderen?

Ich stimme dir zu das Castle Face eine Menge guter Undergroundmusik veröffentlicht! Ich könnte dir jetzt nicht sagen, was die Bands auf diesem Label so speziell macht. John Dwyer und Matt Jones, die das Label betreiben, haben aber einen wirklich guten Musikgeschmack und sind auch gute Künstler und Menschen, also macht es irgendwie nur Sinn, dass sie auch gute Musik veröffentlichen. Sie mögen gute Bands und gute Bands mögen sie.

Welche Veröffentlichungen auf Castle Face Records, könnt ihr uns besonders ans Herz legen?

Ich bin ein echt grosser Fan ihrer Veröffentlichungen. Bald werden sie das Debütalbum meiner Freunde von FLATWORMS veröffentlichen, hört sie euch unbedingt an!

Ihr stammt aus Los Angeles. Was ist derzeit in L.A. angesagt? Was sind die Bands, Labels, Fanzines der Stunde?

Aktuell ist L.A. ein super Ort zum Leben. Ich glaube es gibt so eine Art Energiewirbel, der die besten Musiker hierher ziehen lässt. Ich wüsste nicht wo ich mit der Liste anfangen soll, es sind einfach zu viele. Es ist in L.A. momentan so, wie ich es mir vorstelle, das es sich in den späten 70ern in New York anfühlte.

Wo finden eure Auftritte statt?

Wir haben schon oft im The Echo, Echoplex, The Smell, Non Plus Ultra (das beste DIY Lokal momentan), The Hi Hat gespielt, aber es gibt noch so viele andere coole Lokale. Wir geben oft Konzerte, meistens in der East Side. Wir spielen aber auch an anderen Orten, in Vororten von L.A. oder Kleinstädten die etwa eine Stunde entfernt sind.

Ich habe das Gefühl, dass es in letzter Zeit wieder mehr Bands gibt, in denen Frauen mitmischen. Könnt ihr den Eindruck nachvollziehen oder wird diese Entwicklung nur so in der Öffentlichkeit dargestellt?

Ich bin mir nicht sicher. Ich mache mir nicht viele Gedanken über Geschlechterverteilung in der Musik. Es ist gut möglich, dass die Öffentlichkeit Frauen, die Musik machen, mehr Aufmerksamkeit schenkt als früher, aber ich bin mir darüber nicht im Klaren. Ich verbringe nicht viel Zeit damit, die Welt der Musik zu analysieren, ich spiele einfach drauf los.

Für mich klingt euer selbstbetiteltes Debütalbum, wie eine brennend leidenschaftliche Mischung aus Grunge und alten L.A. und Riot Grrrl-Punkrock. Von welchen Bands seht ihr euch beeinflusst?

Alles wurde und wird irgendwie beeinflusst! Ich höre viele verschiedene Musikstile, die mich alle irgendwie inspirieren. Ich denke nicht darüber nach, was oder wie ich einen Song schreibe, ich mache ihn einfach. Mit deiner Einschätzung hast du aber recht. Ich mag SONIC YOUTH, THE PIXIES, BIKINI KILL, NIRVANA oder HOLE seit ich ein Teenager war. Aber ich stehe auch auf WIRE, THE CURE, SIOUXSIE AND THE BANSHEES, TELEVISION, THE DAMNED…oder klassische Punkbands wie CRASS, DEAD KENNEDYS, MINOR THREAT. Aber auch 70s Psychbands oder klassische Acts wie BEATLES, ROLLING STONES oder T-REX. Von klassischer bis zu Industrialmusik gibt es Bands, die ich sehr mag. Am liebsten sind mir aber Bands, die nicht in Schubladen denken oder passen.

Inwieweit fühlt ihr euch in der Riot Grrrl-Bewegung beheimatet?

Für mich fand die Riot Grrrl Bewegung in den 90ern statt. Ich will nicht, dass die Leute sich darauf konzentrieren, dass ich eine Frau bin, daher sehe ich mich auch nicht als Teil der Riot Grrrl Bewegung. Ich will einfach gute Musik machen.

In einem Interview mit dem L.A. Records Magazin, prangert ihr an, das die Industrialisierung, Technologie und all die großen Fortschritte die wir geschaffen haben, sehr kurzsichtig sind. Einer Aussage, der ich nicht widersprechen kann. Könnt ihr das Thema hier nochmal näher erläutern. Was macht den Fortschritt für so gefährlich und was macht ihr persönlich um dieser Entwicklung im positiven Sinne entgegenzutreten?

Wenn wir einfach nur den Fortschritt vorantreiben, ohne die Konsequenzen zu überbedenken, wird das sicherlich kein gutes Ende nehmen. Seit der industriellen Revolution hat die Menschheit in kürzester Zeit die Umwelt zerstört, von der alle Lebewesen auf diesem Planeten abhängig sind, um zu überleben. Natürlich glaube ich auch an den Fortschritt, aber er sollte nicht finanzielle Gewinne als Ziel haben. Unsere Welt wird von rücksichtslosen, gierigen Milliardären beherrscht, die alles machen, um noch mehr Geld zu verdienen. Dies geschieht meist auf Kosten unserer Umwelt. Ich versuche mein Bestes, dagegenzuhalten um unsere Welt positiv zu beeinflussen. Ich unterstütze Geschäfte mit ethischen Grundsätzen, mache Musik um die Menschen zusammenzubringen und auf einem tieferen Level zu verbinden. Aber vor allem stehe ich auf und sage, dass der Status Quo untragbar ist und zerstört werden muss, so dass wir etwas Neues aufbauen können. Wir nehmen gerade unser neues Album auf, auf dem auch einige sehr politische Texte zu finden sein werden!

Im Gegensatz zu vielen anderen Bands auf Castle Face Records empfinde ich euch für wütender und weniger im 70´s Rock verwurzelt, was frustriert euch und in was geht es in euren Texten?

Es gibt viele Dinge, auf die man wütend sein kann! Es fühlt sich gut an, diese Wut herauszulassen, und etwas zu erschaffen, durch das andere Menschen, wie bei einem Ventil ihre Wut ablassen können. Aber jeder Song ist anders. In einigen geht es um das sozio-politische Klima, in anderen um den Frust in der Liebe, und in einigen geht es einfach um abstrakte Eindrücke…

Wer ist eigentlich für das krasse, aber dennoch künstlerisch wertvolle Video von „Tell me“ verantwortlich? Und was wollt ihr mit dem Video aussagen?

Matt Yoka hat das Video gemacht. Er ist wirklich super talentiert! Er hat Bezug genommen auf die unwirkliche Obsession, sich selbst Neu zu erfinden, die Verzweiflung, geliebt zu werden, die tägliche Menge an Bildern, die uns sagen wollen, wie wir auszusehen haben, und einfach die überreizte und überwältigende Art von Allem.

In dem Song „Runnings Fun“ geht es über zwischenmenschliche Kommunikationen. In welcher Weiße hat sich die Kommunikation mit dem Internet verändert?

Durch das Internet hat sich die Art, wie wir über Dinge denken, innerhalb von kürzester Zeit stark verändert. Es ist eine sehr spannende Periode in der menschlichen Entwicklung. Ich weiss nicht, wie ich es selber beschreiben kann, wie es die menschliche Kommunikation verändert hat. Einerseits waren wir noch nie so sehr miteinander verbunden, andererseits haben wir uns sehr von dem entfernt, was uns menschlich macht. Ich bin neugierig zu sehen, wie die Generation, die mit dem Internet aufwächst, sich entwickeln wird.

Zum Schluss noch ein abschließender Satz oder ein Lebensmotto?

Mach das Richtige!

Einleitung, Fragen: Bela
Übersetzung: Marco Bechtiger

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