ENDSTAND (#112, 08-2005)
Das hat mich schon lange beeindruckt, was es für eine gute finnische Hardcore-Szene gibt. Es ist ja nicht so, dass ich heutzutage noch viel Hardcore hören würde – ganz im Gegenteil, die meisten Bands, die ich unter diesem Begriff zusammenfassen würde, sind ziemlich langweilig. Endstand nicht. Endstand absolut nicht. Die Finnen darf man sogar ganz locker als eine der besten Hardcore-Bands zurzeit bezeichnen.
Auch wenn Endstand ihre Alben nicht auf Combat Rock Industries, sondern beim tschechischen Label Day After veröffentlichen, sind Band und Label eng miteinander verbunden. Endstand-Sänger Janne führt gemeinsam mit Jani von Manifesto Jukebox und I Walk The Line das Label Combat Rock.
Das Label dokumentiert, was in der finnischen Szene so passiert – hier erscheinen Platten von Wasted oder I Walk The Line, CRI haben das erste Manifesto Jukebox Album gemacht (und werden auch das nächste herausbringen) und einige Singles und ein Mini-Album von Endstand herausgebracht.
Alles Bands, die sich zu interviewen lohnen würde (und natürlich nur ein Auszug aus der Liste der guten Veröffentlichungen, zu denen man auch Phoenix Foundation oder die Schweden Nine zählen müsste).
Stattdessen gibt es hier ein Interview mit den Labelchefs Jani und Janne (ja, das mag verwirrend sein, mit all diesen Vornamen) und die Empfehlung, mal die Webseite www.fireinsidemusic.com zu besuchen, wo man auch Links zu den einzelnen Webseiten der Bands findet.
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Wer macht denn das Label?
Jani: Ich und Janne von Endstand machen die täglich anfallende Arbeit. Ville, der Bassist von Manifesto Jukebox, erledigt die ganzen graphischen Arbeiten und das Layout. Sein Stil ist für uns sehr wichtig geworden, deswegen ist er ein Teil des Labels. Ausserdem hilft immer einer von den Jungs von einer der Bands, die wir veröffentlichen, bei uns in Helsinki im Laden. Es sind also vier Leute, die die Arbeit erledigen.
Womit habt ihr angefangen? Waren Endstand da schon auf Day After?
Jani: Unsere erste Veröffentlichung war das erste Wasted-Album im Jahr 2000 – wir sind also dieses Jahr fünf Jahre alt. Janne und ich bringen aber jeweils schon rund zehn Jahre lang Platten raus, anfangs alleine als Ein-Mann-Plattenfirma. Da haben wir Platten unserer eigenen Bands herausgebracht und später auch von anderen. Wir wollten dann mehr und mehr das Gleiche machen, so dass viele Platten Split-Releases waren.
Wir standen auf den Konzerten mit unseren Plattenkisten nebeneinander und hatten beinahe die gleichen Sachen dabei, aber konkurrierten noch miteinander. Das hatte keinen Sinn, also entschieden wir, unsere Arbeit zusammenzulegen, weil wir so auch den Bands besser helfen könnten. Das lief von Anfang an sehr gut: Nach der Wasted-LP haben wir eine Picture-7″ von Endstand gemacht und anschliessend das erste Album von Manifesto Jukebox.
Janne: Es war definitiv sinnvoller, das Label zusammen zu machen. Es fühlte sich viel besser an, weil wir einfach viel mehr machen können als jeder von uns alleine. Jani und ich haben ohnehin einen ähnlichen Geschmack, insofern wollen wir auch das gleiche veröffentlichen.
Auf meinem eigenen Label gab es vorher Punk- und Hardcore-Sachen, aber auch ein bisschen Emo. Zwei meiner Bandkollegen von Endstand haben zum Beispiel eine Emo-Band gemacht, die so in Richtung Fugazi oder eher Embrace ging. Aber ich glaube damit war die Band damals zu früh, heute hätten wir wohl ein paar Platten mehr verkauft. Aber ich wollte meinen Freunden helfen, und darum geht es auch bei dem Label.
Ihr konzentriert euch auf finnische Bands, auch wenn es ein paar Ausnahmen gibt. Ist das Zufall oder Absicht?
Jani: Das ist Absicht, weil wir damit dokumentieren, was wir hören. Das Label ist ein bisschen wie der „Soundtrack of our Life“ – in dem Sinne, dass wir mit den Bands sehr gut befreundet sind, bevor wir ihre Platten veröffentlichen. Wir müssen die Leute kennen, weil wir keine Verträge machen.
Wir veröffentlichen Sachen, die wir mögen, von Freunden, denen wir helfen wollen. Dadurch, dass Janne und ich beide Bands haben, die sehr viel touren, lernen wir aber natürlich auch international mehr Menschen kennen. Deswegen gibt es in Zukunft vielleicht mehr ausländische Bands. Andererseits mag ich die Idee, neue finnische Bands der internationalen Szene vorzustellen.
Das finde ich auch so überraschend: dass es so viele gut finnische Bands gibt. In Deutschland gibt es nicht so viele gute Sachen.
Jani: Ich denke aber, dass das stimmt. Einige der besten Bands in Europa, wenn nicht gar auf der Welt, kommen aus Finnland. Das Gute ist, dass die Gruppen so unterschiedliche Stile spielen, aber dennoch Freunde sind und zusammen auftreten. Das sind nicht mal Leute, die man unbedingt noch jung nennen kann, eher in meinem Alter – ich bin 28. Diese Leute sind in Punk schon seit langem involviert, sehr talentiert und motiviert.
Kommen denn all die Bands aus Helsinki?
Jani: Nein, das verteilt sich durchs Land, wobei die meisten Bands aus den vier grossen Städten im Süden stammen. Dadurch dass Finnland aber sehr klein ist, lernen sich alle Leute in der Szene recht schnell kennen. Aber es ist natürlich nicht einfach, finnische Bands bekannter zu machen. Die Leute interessieren sich nicht so sehr für europäische Gruppen – da könnte man jetzt irgendein Land als Beispiel nehmen.
Janne: Uns hat es auf jeden Fall sehr viel geholfen, dass wir ständig auf Tour waren. Dadurch haben mehr Leute die Chance gehabt, uns live zu sehen, wo wir auch am besten sind. Aber amerikanische Bands haben von vorne herein eine bessere Reputation, so dass man hart arbeiten muss, um als Band aus einem kleinen Land bekannter zu werden. Man muss ständig präsent sein – niemand wird dich in deinem Wohnzimmer besuchen, um herauszufinden, wie deine Musik ist. Das ist angesichts der Fülle von Veröffentlichungen nicht einfach, vor allem wenn man aus einem kleinen Land kommt. Am Ende ist das Land aber nicht wichtig, sondern wie gut deine Platten sind.
Was sagt ihr denn den kleineren Bands auf eurem Label, was sie machen sollen?
Janne: Eigentlich nichts, sie können tun, was sie machen wollen. Aber wenn sie mich fragen, sag ich ihnen, dass sie sich den Arsch abspielen sollen. So haben wir das gemacht, und nun können wir die Resultate sehen. Als Endstand das erste Mal in Deutschland gespielt haben, waren die Shows richtig schlecht. Da kamen vielleicht 20 Leute, die sich absolut nicht für uns interessiert haben.
Wir dachten da schon, dass wir alles richtig machen, aber die Leute das noch nicht mitbekommen haben. Dann sind wir so oft zurückgekommen, bis sich die Leute für uns interessieren mussten. Wir haben in Finnland mit sehr vielen unterschiedlichen Bands gespielt, vor einem reinen Rock-Publikum und auf grösseren Festivals. Deshalb kommen nicht nur Hardcore-Kids zu unseren Shows, was ich sehr angenehm finde.
Wie weit gefächert sollen denn eure Veröffentlichungen sein? Wo siehst du stilistische Grenzen?
Jani: Ich möchte keine Grenzen setzen, ich mag selber ja auch sehr unterschiedliche Sachen, aber ich denke, grundsätzlich sollte die Musik innerhalb von Punk und Hardcore sein. Denn nur dann können wir einer Band wirklich helfen. Auch wenn ich die Leute sehr mag und die Musik klasse finde, werden wir eine Band kaum richtig unterstützen können, wenn sie sich nicht im Rahmen derer bewegt, die wir schon veröffentlicht haben. Da besitze ich einfach keine richtige Verbindungen.
Es gibt einige Bands, die ich liebe, aber ich glaube, dass ein anderes Label für sie besser wäre. Trotzdem möchte ich Combat Rock so breitgefächert wie möglich halten. Unsere nächste Veröffentlichung von Selfish ist zum Beispiel sehr schneller, fast Japan-mässiger Hardcore, während wir in 2004 I Walk The Line gemacht haben, die man zwar noch als Punkrock bezeichnen kann, aber eigentlich ist es doch Rock’N’Roll.
Aber ein Endstand-Seitenprojekt, das Indie-Pop machen würde, ginge dann zu weit?
Jani: Darüber will ich eigentlich nicht zu viel nachdenken. Wenn ich in dem Augenblick das Gefühl habe, es ist in Ordnung, dann machen wir das auch. Wir könnten alles machen, und dieses „alles“ kann morgen schon anders aussehen.
Endstand sind die bekannteste finnische Band. Aber sie sind nicht auf Combat Rock, sondern auf Day After. Warum das?
Jani: Wir haben anfangs ein paar Endstand-Platten veröffentlicht. Aber wir waren damals ständig pleite. Wir hatten keine Jobs und gingen ständig auf Tour, womit wir Geld verloren. 2002 hatten sowohl Endstand als auch Manifesto Jukebox Lieder für neue Alben geschrieben. Beide Bands hatten sehr gutes Material, aber das Label konnte sie nicht veröffentlichen. Wir hatten nicht das Gefühl, dass wir den Bands helfen könnten, bekannter zu werden.
Also entschieden sich Endstand, zu Day After zu gehen. Und wir machten mit Manifesto Jukebox ein Album auf BYO. Das war schon ein blödes Gefühl, aber für die Bands war es damals richtig. Heute würden wir vermutlich anders entscheiden, jetzt ist das Label in einer anderen Situation. Wir haben sicherlich ein wenig dazugelernt.
Was für Fehler habt ihr denn anfangs gemacht?
Jani: Ich sehe nicht so viele Fehler. Ich denke, dass wir nun wissen, wo man bessere Preise erhält oder wie man die Platte weltweit vertrieben bekommt. Anfangs muss man all diese Dinge selber herausfinden. Das dauert alles eine Weile, aber das ist es auch Wert. Aber die Bands, die wir machen, sind auch erfahrener heute. Ich glaube gar nicht, dass wir grosse Fehler gemacht haben.
Es ist nur eben am Anfang schwer, mit seiner ersten 7″ was auf die Reihe zu bekommen. Die Platte mag grossartig sein, aber davon muss man die Leute erstmal überzeugen. Und weil es heute so viele Veröffentlichungen gibt, wird es immer schwerer, dass Leute die guten Platten finden.
Janne, findest du das besser, dass Endstand nicht auf eurem eigenen Label sind?
Janne: Für mich persönlich war es nie ganz einfach, meine eigenen Sachen „verkaufen“ zu wollen. Mir fällt es einfach leichter, etwas Gutes über Bands zu sagen, in denen ich nicht spiele. Deswegen finde ich es auch besser, wenn sich jemand anderes um die Endstand-Veröffentlichungen kümmert.
Day After hat natürlich auch bessere Vertriebsmöglichkeiten als wir. Wenn wir jetzt ein Album auf Combat Rock machen würden, hätten bestimmt nicht all die Leute, die unsere Platte haben wollen, auch eine Chance, sie zu bekommen. Day After haben uns sehr geholfen, wir sind als Band durch das Label sehr viel bekannter geworden und spielen vor allem in Deutschland und Tschechien vor weit mehr Leuten.
Wie läuft das mit Boss Tunage, mit denen ihr einige Platten zusammen veröffentlicht habt? Wonach entscheidet sich, welche Platten Boss Tunage machen?
Jani: Wir hatten das Glück, dass wir Leute, die ähnlich ticken, überall in der Welt gefunden haben. Dazu gehört Boss Tunage. Er mag vor allem melodiöse Sachen und bringt die dann vor allem in England und Japan raus. Endstand oder On A Solid Ground sind zu Hardcore-lastig für ihn. Ich mag diese Idee eines Netzwerks.
Janne: Ich denke, dass das auch für die Bands gut ist, wenn zwei verschiedene Labels sich um sie kümmern. Und für uns ist es gut, weil Boss Tunage in eine etwas andere Richtung geht. Jeder verkauft seine Platten woanders. Wir können auf diese Weise ein grösseres Publikum erreichen, ohne dass wir unseren eigenen Verkaufszahlen schaden würden.
Japan klingt ja interessant. Endstand und Manifesto Jukebox waren dort schon auf Tour. Wie war das?
Jani: Das war die beste Erfahrung, die wir als Band je gemacht haben. Das ist so anders dort. Wir sprechen offensichtlich kein Japanisch, und die Leute dort können nur sehr wenig Englisch. Aber es ist trotzdem möglich, dort auf Tour zu gehen. Die Musik verbindet. Die Gigs waren besser als irgendwo sonst. Die Leute schienen total begeistert, dass wir dort auf Tour waren.
Janne: Japan ist schon ein lustiges Land. Unsere Shows waren kleiner als die, die wir mittlerweile in Europa spielen. Und die Organisation war sehr „Punkrock“, so wie früher in Europa. Das war dann fast schon eine Rückkehr zu unseren „Wurzeln“. Aber es war klasse, dieses Land zu sehen und so Leute kennen zu lernen. Ich würde gerne noch mal in Japan touren, aber für eine besser organisierte Tour. Dann würden wir nicht so viel Geld verlieren. Die zweiwöchige Tour hat uns 2000 Euro gekostet, auf fünf Leute aufgeteilt. Das klingt nicht nach sehr viel, aber die meisten von uns sind arbeitslos. Wir haben deswegen die Bandkasse geplündert und sind nun komplett pleite.
Um zum Label zurückzukehren: Wie viele Platten lasst ihr denn im Schnitt pressen. Und was war bisher euer „Bestseller“?
Jani: „Desire“ von Manifesto Jukebox hat sich bislang am besten verkauft. Da müssen rund 5000 Kopien von verkauft sein. Die Endstand-Sachen, die wir gemacht haben, laufen sehr gut, weil sie ständig auf Tour sind und hart für ihre Band arbeiten. Leider können das nicht alle Bands so machen, weil sie natürlich auch irgendwie ihren Lebensunterhalt bestreiten müssen. Finnische Bands können nicht so viel touren. Im Schnitt verkaufen wir wohl so um die 2000 Platten pro Veröffentlichung, was schon sehr gut ist. Könnte natürlich noch mehr sein (lacht).
Und ihr habt nie Verträge gemacht? Man kennt ja diese Geschichten, wo sich Bands und Label nach der Veröffentlichung hassen?
Jani: Nein, nie… Endstand haben auch keinen Vertrag mit Day After. Deshalb ist es wichtig, dass wir zuerst Freunde sind, bevor wir was mit ihnen machen wollen. Wenn eine Band anschliessend auf ein grosses Label will, müssen sie das tun. Aber natürlich wären wir enttäuscht, wenn beispielsweise Wasted woanders hingehen würden. Aber ich würde ihre Entscheidung respektieren. Ausserdem glaube ich, dass Bands bleiben, solange wir gute Arbeit leisten. Verträge sind auf diesem Level nicht notwendig, und wir wollen alles vermeiden, was nicht notwendig ist.
Was für Tipps gibst du Leuten, die selber ein Label starten wollen?
Jani: Bloss nicht den Job kündigen!
Oder dann einen Laden starten, so wie ihr. Plattenladen und Label gehören doch zusammen?
Jani: Genau. Für mich ist das die ideale Welt, wo ich die Dinge so pur und einfach wie möglich halten kann. Ich möchte nicht gerne Kompromisse machen. Und deswegen verkaufen wir in dem Laden auch vor allem Indie-Veröffentlichungen – Indie, Emo, Punk, Hardcore und so. Davon leben wir dann.
Am Label verdient ihr nichts?
Jani: Da verlieren wir eher das Geld, was wir im Laden verdienen. Im Prinzip hat jeder von uns ungefähr das Geld, was wir an Arbeitslosengeld bekommen würden. Aber immerhin können wir etwas machen, was mir am Herzen liegt. Ich bin richtig froh darüber, jeden Morgen dorthin gehen zu können. Zwei von uns sind immer im Laden, so dass die anderen touren können.
Janne: Das ist mir auch sehr wichtig, dass ich jeden Tag das machen kann, was ich auch tun möchte. Ich gehöre zu den wenigen Glücklichen, die ihr Hobby zum Beruf gemacht haben. Das sollte jeder probieren, statt irgendeinen Scheiss-Job zu machen. Auch wenn ich weniger Geld habe, aber das ist mir egal.
Was kommt denn nun an Platten?
Jani: Die Selfish 12″, die hoffentlich raus ist, wenn dieses Interview erscheint. Nine aus Schweden nehmen eine neue Platte auf, von der wir die Vinyl-Version machen. Die CD kommt über Deathwish Inc. Und irgendwann dann die neue Platte von Manifesto Jukebox und vielleicht was Neues von I Walk The Line.
Ihr seid mit Manifesto Jukebox nicht mehr bei BYO?
Jani: Nein. Ich meine, es war schon eine sehr gute Erfahrung mit BYO. Sie haben alles für uns getan, was sie konnten, und ohne sie hätten nie die Platte machen können. Aber jetzt denke ich, dass wir das besser selber machen können.
Janne, wie geht es denn mit Endstand weiter?
Janne: Wir denken ein bisschen über die USA nach. Wir haben mit zwei amerikanischen Bands darüber geredet, die uns gerne drüben mit auf Tour nehmen würden. Ich will da nicht konkreter werden, man weiss ja, dass Amerikaner eine Menge erzählen… Es wäre auf jeden Fall schön, mal mit einer bekannteren Bands in den USA zu spielen. Dann kämen auch ein paar Leute. Für uns alleine würde das keinen Sinn macht.
Gibt es eure Platten denn in den Staaten?
Janne: Sie werden dort vertrieben, aber sie wurden nicht wirklich veröffentlicht. Deswegen wäre es perfekt, wenn die Platten von einem amerikanischen Label lizensiert werden würden. Aber das ist nicht ganz einfach.
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(dietmar stork)
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