Ein Leben zählt nichts – als Frau im arabischen Clan: Eine Insiderin erzählt, Latife Arab
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Die Autorin, bleibt aus verständlichen Gründen anonym. Auch alle anderen teilnehmende Menschen und Orte sind natürlich ausgetauscht um die Autorin und ihre neue Familie zu schützen. Sie wird Anfang der 1980er Jahre in der Türkei geboren und kommt dann als 5-jähriges Kind nach Deutschland. Hier erzählt sie ihre Geschichte die in erster Linie davon handelt das in ihrer Familie Frauen gar nichts zählen, ohne Konsequenzen geschlagen, vergewaltigt und gedemütigt werden. Von Familienstrukturen die ohne Liebe aber mit viel Ehre und Religion funktionieren und das immer zu lasten der Frauen. Die Frau ist Ware und falls sie sich nicht so verhält wie das von den Männern gewünscht wird, ist sie aber auch ganz schnell gar nichts mehr Wert.
Diesem Teufelskreis versucht die Autorin zu entkommen – als sie 28 ist, was natürlich gar nicht so einfach ist und es benötigt mehrere Anläufe bis es endlich klappt und ob dies so bleiben wird, ist ungewiss. Oftmals ist das kaum zu ertragen, was für Ungeheuerlichkeiten in ihrer Familie passieren. Abgesehen von der Frauenfeindlichkeit sehen die den deutschen Staat als trotteligen Selbstbedienungsladen der außerdem auch nicht ernst zu nehmen ist, weshalb man ohne Reue Raub, Schutzgelderpressungen, Drogen- oder Menschenhandel bis zum Mord nach gut dünken betreiben kann. Gemischt mit mangelndem Respekt für alles deutsche inklusive der Polizei und Justiz kommt dann eben das dabei heraus, was heute Clankriminalität genannt wird. Wobei über diese konkreten Strukturen gar nicht so viel geschrieben wird, sondern es geht primär um das Schicksal der Autorin. Und natürlich darf und soll sie das in genau dieser Form in die Welt hinausschreiben – obwohl es vom Muster, immer wieder das gleiche ist – aber das liegt in der Natur der Sache. Interessant wird es wenn sie feststellt das sie ihre Familie und auch die Religion – die hier auch eine sehr große fatale Rolle spielt – trotz der Schmerzen die ihr über die Jahrzehnte zugefügt wurden immer noch irgendwie liebt. Obwohl ihr natürlich klar ist, das es hierfür keinen Grund gibt. Aber wenn man so sozialisiert und geprägt wird, dann ist das auch kein Wunder, das man nicht in der Lage ist, die Täter nur als solche zu sehen. Und hier liegt auch ein weiteres Problem, denn nicht nur die Männer sorgen dafür das alles so bleibt wie es ist, die Frauen unterstützen es genauso, obwohl sie ständig Prügel beziehen, sie haben sich eben dran gewöhnt. Ehrlich gesagt ist es wahrscheinlich eine Besonderheit wenn einzelne Menschen es schaffen sich aus solchen Familienstrukturen zu lösen. Die Autorin hat es mit viel Mühen erst mal geschafft und es gilt ihr zu Danken das sie auch noch den Mut hat, sich in dieser Form an die Öffentlichkeit zu wenden. Leider werden viele Klischees, die man sonst eher von rechter Seite hört, hier mehr als erfüllt. Aber es gilt eben den Tatsachen zu folgen, auch wenn einem das nicht immer passt. Das sich diese Strukturen hier bilden und etablieren konnten (bzw. eben importiert wurden) ist ein großes Problem, dies wieder unter Kontrolle zu bringen, vermutlich in seiner Vollständigkeit unmöglich. Wahrscheinlich muss man die Sprache sprechen, die die Täter verstehen, das ist schon nicht einfach und führt natürlich auch zu keiner Besserung. Aber das ist wieder ein anderes Thema. Krasses Buch das einen sprachlos macht und man hoffen kann das es viele unterdrückte Frauen ermutigt sich aus den Strukturen zu lösen. Natürlich wird es Stimmen geben, die sagen das es die Autorin gar nicht gibt und das dieses Buch von Menschen geschrieben wurde, die daran interessiert sind, das diese Personengruppe noch mehr zur Zielscheibe wird. Das könnte sein, ist aber unwahrscheinlich – hier muss man eben auf die Authentizität der Autorin und den renommierten Verlag vertrauen. 256 Seiten, Gebunden, 22,00 Euro, (dolf)
Isbn 978-3453218741
[Trust # 227 August 2024]