März 17th, 2007

DILLINGER FOUR (#94, 06-2002)

Posted in interview by andreas

Dillinger 4 aus Minneapolis sollten ja eigentlich jedem, der auch nur leises Interesse an energetischem, ungebügeltem Punkrock hat, spätestens seit ihrer letzten Veröffentlichung „Versus God` (Hopeless) bekannt sein.

Wenn nicht, so sei gesagt, dass es sich hier um eine Band handelt, die es wie derzeit kaum eine andere versteht, engagiert und mitreissend über politisch-gesellschaftliche Themen zu singen, ohne dabei in dogmatisches Gehabe zu verfallen.

Vielmehr wird das Ganze mit einer dicken Portion Humor und Sarkasmus dargeboten – sogar vor Selbstreflexivität schrecken sie nicht zurück („Q: How many punks does it take to screw in a lightbulb?`). Ihre neue Platte ist nun auf Fat Wreck erscheinen. Anlässlich des Releases wird es dann auch eine Europa-Tour geben – Grund genug also, mal nachzufragen, was denn bei D4 im Moment so vor sich geht…

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Sag` unseren Lesern doch bitte, mit wem wir es hier zu tun haben. Wenn du möchtest, kannst du auch gleich deine peinlichste Lieblings-Pophymne offenbaren!

Erik: Ich bin Erik. Ich singe und spiele Gitarre bei Dillinger 4. Peinlichste Lieblings-Pophymne, hmm? Das ist ziemlich schwierig… unser Bassist Paddy ist bekannt dafür, bei „Spice Up Your Life` von den (na?) Spice Girls regelmässig durchzudrehen. Das ist schon verdammt peinlich, würde ich sagen!

Euer neues Label ist ja Fat Wreck. Kannst du bereits einschätzen, ob das im Vergleich zu Hopeless gravierende Veränderungen bzw. natürlich auch Verbesserungen mit sich bringen wird?

Erik: Bei einigen Dingen bin ich mir relativ sicher, dass es nur Veränderungen sein werden. Aber doch, wir haben auch schon ein paar echte Verbesserungen gesehen und es werden sicher noch einige mehr zustande kommen. Und nicht nur offensichtliche Vorteile wie bessere Distribution und so langweiliger Scheiss; mit ganz neuen Leuten an einer Platte zu arbeiten macht viel Spass und lässt das Ganze nicht langweilig werden.

Was können wir denn von eurem neuen Album erwarten?

Erik: Ich denke, die neue Platte ist eine ziemlich coole Mischung von Dingen, die wir an unseren letzten beiden Veröffentlichungen mochten. Wir haben schon ein wenig mit Elementen, die für uns neu waren, herumprobiert, aber nichts, was jetzt irgendwie seltsam wäre … Wenn man unsere ersten beiden Platten gut fand, wird man von der neuen nicht entäuscht sein – es ist aber nicht so, dass sich das Ganze jetzt genau wie die alten Sachen anhört. Wir haben auch nicht versucht, unser „London Calling` zu schreiben oder so, wir haben einfach die Songs aufgenommen, die wir hatten!

Wie würdest du euren textlichen Ansatz beschreiben? Ich habe den Eindruck, dass ihr versucht, auf der einen Seite eine sehr punkig-aggressive, dabei auch humorvolle Einstellung zum Ausdruck zu bringen, auf der anderen Seite jedoch genau diese Attitüde ironisch und auch skeptisch zu kommentieren.

Erik: Genauso würde ich es auch beschreiben. Genau das versuchen wir zu vermitteln.

Habt ihr schon öfters ärger mit P.C.-Leuten gehabt, die nicht verstehen können, dass man zugleich über ernstahfte Inhalte singen UND lustig/chaotisch/betrunken sein kann?

Erik: Das Problem haben wir eigentlich nie gehabt. Die meisten Leute scheinen zu verstehen, was wir tun – wir behaupten eben nicht, jeden Tag auf Demos gegen die Regierung zu gehen. Wir sind vier fette Typen, die gerne einen trinken und Songs über Dinge, die uns aufregen, schreiben. Ich hasse Leute ohne Humor genauso sehr wie ich organisierte Religion und Steuern hasse. Wenn also so jemand ein Problem mit unserer Präsentation von bestimmten Ideen hätte, müsste er es mit jemand anderem diskutieren, weil ich sofort abhauen würde.

Themenwechsel: Ihr kommt ja aus Minneapolis. Könntest du mir etwas über den „Triple Rock Social Club` erzählen?

Erik: „Triple Rock` ist eine Bar hier in Minneapolis, die mir gehört. Billy (auch Gitarre u. Gesang bei Dillinger 4) arbeitet ebenfalls dort. Wir haben eine Jukebox voll mit Punk Rock, vegetarisches/veganes Essen und viel gutes Bier, das wir zu fairen Preisen anzubieten versuchen. Wenn man uns in Minneapolis sucht, kann man eigentlich immer mindestens einen von uns im „Triple Rock` antreffen.

Sind denn Minneapolis-Bands aus den Achtzigern (wie z.B. Replacements, Hüsker Dü) ein Einfluss für Dillinger 4?

Erik: Paddy und ich kommen ursprünglich aus Chicago. Von daher haben wir in unserer Jugend eher Naked Raygun gehört. Die einizige 80er-Band hier aus Minneapolis, die grossen Einfluss auf Dillinger 4 hatte, war höchstwahrscheinlich The Time. Verdammt grossartig!

Wer sind The Time?! Noch nie von denen gehört… wahrscheinlich bin ich zu jung!

Erik: The Time sind eine super Band. Ihr Frontmann war der legendäre Morris Day, ihre Hits waren unter anderem „The Bird` und „Ice Cream Castles`. Sie sind aber vor allem bekannt für ihr Mitwirken im Film „Purple Rain` (aargh!!) von Prince!

Ich habe mal gelesen, dass sich Dillinger 4 als Band sieht, die ihre Wurzeln in der DIY-Bewegung hat. Könntest du mir deine Meinung dazu schildern? Wird es, wenn man sich in grösseren Zusammenhängen bewegt, schwieriger für euch, diese Ideale auch durchzusetzen?

Erik: Nun, ich denke die Antwort ist sowohl ja als auch nein. Ich meine, mit dem Begriff DIY wird heutzutage soviel herumgeworfen, dass es schwierig ist, zu sagen zu wem das jetzt passt und zu wem nicht. Viele Leute sehen uns als DIY-Band, und damit haben sie in einem gewissen Sinne auch recht.

Aber wir machen halt keine Kartoffeldruck-Cover für unsere Platten, veröffentlichen die auch nicht selber oder stellen unsere eigenen Aufnäher her. Die meisten Bands, die sich sonst so als DIY bezeichnen, übrigens auch nicht. Wir sind halt auf keinem Major-Label und haben auch kein Interesse daran, es zu sein, wir haben keinen Manager, obwohl das in letzter Zeit so üblich zu werden scheint. Im Vergleich zu Bands, die jetzt wirklich alles selber machen, ist es aber sicher nicht angebracht, uns DIY zu nennen. Wir versuchen aber, uns wenn möglich in solchen Zusammenhängen zu bewegen.

Ihr kommt ja bald nach Europa. Was kann das Publikum erwarten – Rock Mayhem mit Schlangen und Feuerwerk?

Erik: Na ja, vor allem können sie erwarten, dass wir wahrscheinlich ziemlich fertig sein werden! In den Staaten oder Japan spielen wir allerhöchstens 35 bis 40 Minuten. Wir haben gehört, dass sowas in Europa nicht klargeht… Es ist schon hart, für so lange Zeit besoffen und fett auf der Bühne zu stehen, aber wir werden unser bestes geben! Mit soviel europäischem Bier und Wein wie möglich wird das Inferno seinen Lauf nehmen…

Zuletzt: Lieblingsvorurteil gegenüber Europäern?

Erik: Wir haben schon ein bisschen was erzählt gekriegt- die Engländer haben einen ziemlich schlechten Ruf, was Essen angeht (natürlich!). Der Chefkoch in meiner Bar ist übrigens auch Engländer, ansonsten aber sehr nett. Die Franzosen kriegen auch immer ordentlich was ab, aber nach Frankreich kommen wir gar nicht, glaube ich. Ich werde also nicht herausfinden, ob sie das verdienen oder nicht…

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Interview: Hans Frese

Links (2015):
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