Juni 21st, 2015

DIE STRAFE (#56, 02-1996)

Posted in interview by Jan

DIE STRAFE kommen aus Mönchengladbach und haben gerade ihre erste LP „Strafe muß sein“ (Beri Beri) veröffentlicht. Hört man sich diese Scheibe an, so wird man unwillkürlich an eine andere Gladbacher Band erinnert, mit der die Jungs auch noch gut befreundet sind.

Aus diesem Grund wird sich DIE STRAFE wohl auch in ihren künftigen Interviews immer wieder mit dem EA 80 Vergleich herumschlagen müssen. Die Frage, ob man eine Band in einer Weise kopieren darf, daß ein Unterschied zum Original kaum noch zu erkennen ist, wird wohl noch einigen Fanzineschreibern Kopfzerbrechen bereiten.

Deshalb werden einige Leute DIE STRAFE immer nur als billigen EA 80 Abklatsch abtun – andere hingegen werden sie lieben. Ich zähle mich, nach ihrem grandiosen Auftritt beim NIEDER MIT DEM WEIHNACHTSMANN Festival am 23.12. im Mannheimer JUZ Piranha, ganz klar zur letzteren Kategorie.

Vor dem Konzert plauderte ich gemütlich mit Kai (Gesang, Gitarre, Baß, Schlagzeug), Budde (Gesang, Gitarre, Baß, Schlagzeug) und Torsten (Gesang, Gitarre), die sich während des Interviews als äußerst nette und sympathische Menschen entpuppten.

***

Ihr werdet hier als „gute Freunde von EA 80“ angekündigt und auch musikalisch und textlich ist eine gewisse „Verwandschaft“ ja wohl kaum zu leugnen; wie sieht diese Verbindung denn nun in Wirklichkeit aus?

K: Wir sind gute Freunde von EA 80 und kennen die auch ganz gut, aber mittlerweile nervt es schon ein wenig immer in einem Atemzug mit EA 80 genannt zu werden – ich kann aber damit leben.

T: Ich auch.

Der EA 80 Ableger SERENE FALL erscheint ja auch bei Beri Beri, seid ihr dann über die Verbindung zu EA 80 an euren Plattenvertrag gekommen?

K: Ja.

T: Sagen wir es mal so, es ist nicht unvorteilhaft am Anfang einer Bandkarriere EA 80 zu kennen.

K: Der Martin von Beri Beri scheint wohl eine Vorliebe für Gladbacher Bands zu haben.

Eure Platte ist auf 1000 limitiert und nur auf Vinyl erschienen, was passiert wenn die 1000 Exemplare weg sind, gibt es dann eine CD?

K: Also das mit auf 1000 limitiert stimmt nicht. Die sind zwar durchnummeriert, aber ohne Limit. Das haben wir so gemacht, damit jeder sein persönliches Exemplar hat.

T: Damit wir später wissen, wer seine wieder verkauft hat.

B: Wir wissen alles. Name, Adresse, Telefon-nummer.

K: Vinyl wird jetzt schon nachgepreßt und eine CD kommt vielleicht später mal.

T: Vorerst mal aber nur Vinyl.

K: Und für diejenigen, die wirklich nie mehr einen Plattenspieler kaufen wollen, gibt es vielleicht irgendwann mal eine CD.

A propos CD. Ihr seid ja auf verschiedenen CD Samplern vertreten, wie beispielsweise auf einem Ox Sampler und dem Sampler vom Wahrschauer. Abgesehen davon, daß sich die meisten Leute diese Fanzines eh bloß wegen der CD kaufen, scheint es mir mittlerweile – zumindest beim Wahrschauer – keine CD zum Heft mehr zu sein, sondern eher ein Heft zur CD, in dem schwerpunktmäßig die Bands der CD vorgestellt werden. Wie findet ihr diese Entwicklung?

K: Also das ist Sache der Fanzines. Ich persönlich kauf mir die nicht nur wegen der CD, obwohl es natürlich schön ist, wenn eine dabei ist. Wobei ich gestehen muß, daß ich den Wahrschauer vorher gar nicht kannte.

Also vorher waren im Wahrschauer schon mehr politische Themen vertreten und jetzt werden seitenlang die Bands der beiliegenden CD vorgestellt.

T: Aber bei Ox und Plastic Bomb finde ich nicht, daß das nur Fanzine zur CD ist.

K: Die Gefahr besteht natürlich, daß die Leute die Hefte nur wegen der CD kaufen, aber ich denk mir damit können die ganz gut leben.

Habt ihr das dann mit dem Wahrschauer gemanaget oder macht das Beri Beri?

K: Das macht der Martin von Beri Beri, aber natürlich nicht ohne unser Einverständnis.

Und wie läuft das dann beim Wahrschauer ab – beim Ox zahlt man da ja pro Minute.

K: Genau weiß ich das nicht, pro Lied oder pro Zeit. Ich weiß es wirklich nicht genau, keine Ahnung.

Demzufolge müßt ihr selbst auch nichts bezahlen.

T: Nein, das macht alles der Martin.

Da habt ihr aber Glück gehabt.

K: Das kann man wohl so sagen.

T: Stört euch das vom TRUST?

Der Howie vom TRUST hat ja gerade selbst einen TRUST CD Sampler herausgebracht, auf dem vor allem guten unbekannten deutschen Bands ein Forum geboten wird. Das ganze ist aber keine Heftbeilage, sondern kostet 20.- und ist somit schon wieder ein ganz anderes Ding.

T: Ich persönlich finde das mit den CD Samplern echt gut. So lernst du auch andere Bands kennen, von denen du ansonsten wahrscheinlich nie etwas gehört hättest.

K: Dadurch werden die Bands eben bekannter und deshalb finde ich es auch okay, wenn die sich da einkaufen.

T: Es ist ja beim Plastic Bomb so, daß die Beilage von einem Label bezahlt wird und dann geht das schon in Ordnung.

Jetzt komme ich aber mal wieder auf eure Musik zu sprechen. Die Gemeinsamkeiten zu EA 80 sind ja unüberhörbar, deshalb frage ich ganz einfach mal welche Unterschiede ihr selbst seht?

K: Die können besser spielen.

T: Aber wir sind lustiger.

K: Wir sind witziger.

B: Unsere Texte haben Zusammenhang und handeln von Dingen, die unser Leben bestimmen – Erinnerungen oder Phantasien. Da wär ich mir bei EA 80 teilweise nicht so sicher.

K: Und wir haben bunte Bilder auf dem Plattencover.

EA 80 haben ja überhaupt keine Bilder auf dem Plattencover.

K: Genau, das ist auch ein Unterschied.

Insgesamt finde ich eure Texte teilweise auch lustiger als die von EA 80. Texte wie „Die Welt ist schön“ wird es von EA 80 wohl nie geben.

K: Das Lied fand Hals Maul auch ziemlich schlecht. Das sind so die Unterschiede – klein aber fein.

Seht ihr musikalisch einen Unterschied?

B: Wir werden ja nicht nur von EA 80 beeinflußt.

Von wem denn noch?

B: Wir machen alle drei Musik, d.h. jeder von uns macht auch Lieder und derjenige der das schreibt, der singt das dann auch. Und je nach dem sind die Einflüsse schon unterschiedlich – deshalb klingt es auch ganz unterschiedlich.

B: Wir hören vielleicht alle gern EA 80 und finden die auch super gut, aber trotzdem hat jeder so seine Einflüsse. Ich höre auch gerne OFFSPRING oder BAD RELIGION oder sonst was in der Richtung. Das sind dann eben auch amerikanische Einflüsse.

K: Ich bin noch so ein bißchen Düstermusik geschädigt. Ich häng noch sehr an den alten CURE Sachen oder altem Deutschpunk.

T: Ich oute mich jetzt. Meine Lieblingsband sind DIE ÄRZTE. Wegen denen habe ich angefangen Musik zu machen.

War das jetzt ernst gemeint?

T: Das war echt ernst gemeint. Ich finde die immer noch gut, zumindest die meisten Sachen. Aber ansonsten auch noch die Richtung OFFSPRING oder NOFX.

K: Paßt eigentlich gar nicht. Aber die Einflüsse von EA 80 sind einfach da und das ist auch okay. Bei uns haben die immer noch so ein bißchen Kultstatus. Das ist schon ein korrektes Vorbild.

Und wie sieht es in Zukunft bei euch musikalisch aus? Habt ihr vor wie EA 80 immer einen ähnlichen Sound zu machen oder könnte es bei euch auch mal eine Veränderung geben?

B: Wenn du jetzt schon den Vergleich zwischen unserer Single und der LP ziehst, da wirst du mit Sicherheit selber feststellen können, daß die Single mit Sicherheit weit mehr nach EA 80 klingt als die LP. Das driftet da schon viel mehr auseinander.

K: Wir haben uns ja auch nie vorgenommen wie EA 80 zu klingen.

Wenn man aber von eurer LP das erste Lied „Fremde“ anhört – da sagt jeder, das ist EA 80.

K: Das kommt von Buddes Stimme. Die klingt so wie die von Martin.

T: Komm Martin, sag was dazu (gutes Gelächter)

Viele Leute denken wirklich, da muß doch der EA 80 Sänger dabei sein.

K: Das ist ja das gute.

T: Von Martin gibt es ja keine Fotos.

B: Also ich bin der Sänger von EA 80. Quatsch. Aber ich weiß nicht warum das so ist, ich mach das mit Sicherheit nicht boshaft absichtlich. Das kommt wahrscheinlich daher, daß ich diese Richtung auch musikmäßig sehr viel gehört habe und daran auch meinen Geschmack gefunden habe.

K: Das ist wirklich so. Wir haben ja nicht gesagt, wir machen das jetzt so, sondern haben es halt viel gehört. Wir waren früher auch witziger. Da hießen wir auch noch anders, aber das brauchen wir hier jetzt alles gar nicht erwähnen. Irgendwann wurde halt alles ein bißchen ernster.

T: Damals hat er auch noch anders gesungen. Und dann kam er in den Stimmbruch.

B: Ja das ist immer schlecht, wenn man mit 22 seine postpubertäre Phase hat.

Also demnach wird sich auch an eurer Musik so schnell nichts ändern.

K: Doch, es wird bald einen Techno Remix geben. Nee, also wenn sich was verändert, dann nicht absichtlich. Wir schreiben jeder Stücke unabhängig voneinander; wir haben jetzt auch schon wieder zwei neue Lieder gemacht, aber die macht halt jeder alleine und wie es dann im Endeffekt zusammen klingt, wenn alle Stücke zusammen sind, ob es dann insgesamt witziger oder trauriger geworden ist, weiß ich nicht.

T: Jedenfalls werden wir sagen, wenn die nächste Platte draußen ist, daß es die beste Platte ist, die wir je gemacht haben.

K: Muß man das?

T: Das macht jeder.

K: Wußte ich gar nicht.

B: Walt Disney sagt das auch immer: „Der beste Zeichentrickfilm aller Zeiten.“ Jedes mal.

T: Aber wenn die nächste LP von uns schlecht sein sollte, dann sagen wir das schon.

Auf eurer LP habt ihr ja so eine schöne Frau auf dem Cover. Verratet ihr mir wer das ist?

K: Die entsprechende Person möchte namentlich nicht genannt werden, ist aber eine Bekannte von uns.

T: Aber ich hab zufällig die Adresse hier…

Habt ihr wegen dem Cover eigentlich schon Schwierigkeiten mit irgendwelchen Emanzen bekommen?

K: Zum Glück hatten wir noch keinen Streß deswegen. Und ich hoffe auch nicht, daß es dazu kommen wird. Ich hoffe, daß die Leute verstehen wie das gemeint ist.

B: Man sollte vielleicht indirekt damit in Verbindung bringen, daß so eine Folterszene einfach am besten zu unserem Namen paßt und diese Szene absolut charakteristisch dafür ist.

K: Das alles ist nicht so ernst gemeint, wie es vielleicht von außen aussieht. Ich denke wenn man das Cover aufklappt, dann sieht man das auch. Es ist halt alles mit einem gewissen Augenzwinkern gemeint. Nicht böse und auch nicht sexistisch.

Auf der Platte steht, daß ihr alle drei Gitarre spielt und singt, und zwei von euch sogar noch zusätzlich Baß und Schlagzeug spielen. Wie sieht das dann beim Konzert aus, wechselt ihr da durch?

K: Also Budde und ich wechseln und Torsten spielt nur Gitarre und singt. Wir beide wech-seln zwischen Gitarre, Baß, Schlagzeug und Gesang.

B: Unser Motto ist ja: Wir können alle drei nichts, deswegen ist es egal.

K: Es ist wirklich egal, wer was spielt, weil wir alle drei nie richtig gelernt haben zu spielen.

So langsam kommen wir dann schon zum Ende des Interviews.

T: Was jetzt schon, ich wollte gerade noch Bier holen.

K: Das war unser erstes Interview, das wollten wir eigentlich schon richtig genießen.

Ist das wirklich euer allererstes Interview?

K: Zumindest in dem Rahmen – mit jemandem, den wir vorher noch nicht kannten.

Die anderen Interviews waren also alle gestellt.

B: Genau. Kai fragt: „Wie lange spielt ihr schon?“ Antwort Kai: „…

K: Wir haben schon mal ein Briefinterview gegeben, aber das ist das erste mit Kassettenrekorder.

T: Aber es macht Spaß.

K: Ja es ist schön.

Das Festival heute steht ja unter dem Motto „NIEDER MIT DEM WEIHNACHTSMANN“ und nun wollte ich von euch wissen, wie ihr eigentlich Morgen Weihnachten verbringt?

T: Ich wußte, daß diese Frage kommt.

K: Im Kreise der Familie bis 22 Uhr und dann wird gesoffen bis zum Umfallen.

In einer Kneipe?

K: Nee, wir treffen uns dann privat und geben uns die Kanne, um Weihnachten zu verdauen.

T: Ja ich auch. Zuerst ganz konventionell mit Mama unterm Baum und dann treffen wir uns und dann wird gesoffen.

Aber in die Kirche geht wahrscheinlich keiner von euch?

Alle: Nein

T: Also Kirche gehen, wer mag, finde ich ja ganz okay; aber wenn die dann Weihnachten alle reinströmen, das einzige mal im Jahr, um alle Nachbarn zu grüßen oder damit der Nachbar auch ja sieht, daß man da gewesen ist, dann ist das doof.

K: Außerdem finde ich den Papst Scheiße, hab ich gerade heute wieder festgestellt, deswegen kann ich nicht in die Kirche gehen.

Bist du dann auch konsequenterweise aus der Kirche ausgetreten?

K: Nee, noch nicht. Mein Gott, ich bin auch nur ein Mensch.

Ein inkonsequenter Mensch.

B: Die Leute, die aus der Kirche austreten, dürften dann auch kein Anrecht auf christliche Feiertage wie Weihnachten haben.

K: Beerdigt werden und so einen Kram, aber laß uns bitte wieder das Thema wechseln.

B: Das heißt jetzt nicht, daß ich davon überzeugt bin, aber es könnte doch passieren, daß später mal der Gesetzgeber sagt, wer nicht in der Kirche ist, der darf dann arbeiten.

K: Oder wird halt nicht auf dem Friedhof beerdigt. Aber laß uns bitte das Thema wechseln, das ist ja ein Alptraum.

T: Außerdem war die Frage, wie wir Weihnachten verbringen. Da hättest du uns ja gleich direkt fragen können, wer von uns aus der Kirche ausgetreten ist.

Ich wollte das halt elegant einfädeln und das ist mir ja auch ganz gut gelungen.

***

Sehr gelungen war übrigens auch der Auftritt der drei Gladbacher. Sie schufen von Anfang an eine tolle Atmosphäre, in der schöne traurige Stücke und schnelle energiegeladene Songs für die nötige Abwechslung sorgten. Obwohl sie ja im Interview versicherten nicht richtig spielen zu können, hielten sich ihre „Spielfehler“ in Grenzen und mir wurde bei diesem Konzert wieder einmal bewußt, daß man keinen jahrelangen Musikunterricht benötigt, um gute Musik machen zu können. Weniger war in diesem Falle wirklich mehr.

Zur Belohnung für das tolle Interview, wurde ich übrigens noch von der Band überredet, bei dem mir bis dahin völlig unbekannten Stück ihrer ersten Single „Zukunft“, als Gastmusiker in die Baßsaiten zu greifen. Es war wirklich ein tolles Gefühl vor über 500 Leuten auf der Bühne zu stehen und ein Lied mitzuspielen, das man zuvor kein einziges mal gehört hat. Glücklicherweise kam es dabei zu keinerlei unliebsamen Zwischenfällen, was zum einen beweist, daß TRUST Mitarbeiter nicht nur zu Hause sitzen und ihre Griffel spitzen und vom Musik machen keine Ahnung haben und zum anderen, daß DIE STRAFE, die mir vor dem Auftritt noch mit Filzstift die vier Griffe auf dem Baßhals markiert haben, eine waschechte Punkband sind. Und das soll hier bitte als ganz dickes Kompliment verstanden werden.

Interview: Stefan Kleiber

Links (2015):
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