Dezember 4th, 2013

Die Evolution der Phantasie – Wie der Mensch zum Künstler wurde, Thomas Junker

Posted in bücher by Dolf

S.Hirzel Verlag, Birkenwaldstr. 44 70191 Stuttgart, www.hirzel.de

DieEvolutionderPhantasie

Man könnte sich von einem Buch welches auf nur 193 Seiten 378 Fussnoten aufweist abschrecken lassen – was in diesem Falle aber falsch wäre. Denn obwohl sich der Text immer wieder scharf der Grenze zur Schwerverständlichkeit bzw. akademischer Wortakrobatik nähert, überschreitet der Autor diese Grenze so gut wie nie, sondern bleibt unterhaltsam aber natürlich auch sehr sachlich. Das Buch beschreibt, warum uns Kunst begeistert, wie sie sich entwickelt hat und untersucht wie die vielen Aspekte und Formen der Kunst in der Evolution entstanden sind. Dabei erfährt man, bzw. ich, erstaunliches.

Das Kunst Teil des Selektionsvorteils und wichtig für die Partnerwahl ist, gleichzeitig gemeinsame Erlebnise aufwertet was Einzelne dazu bewegen kann sich einer Gruppe anzuschliessen um dann deren Ziele zu unterstützen – zumindest aus evolutionsbiologischer Sicht. Aus dieser wird auch klar das Kunst für den Menschen unverzichtbar war ist und sein wird.

Das ist alles ziemlich spannend und kann sehr hilfreich sein wenn man mal wieder in eine Diskussion gerät wo es gilt, zu klären, was denn nun eigentlich Kunst ist, bzw. warum das eine als Kunst anerkannt wird, anderes aber nicht. Junker hat sich dazu praktisch alle Gedanken gemacht die man sich so machen kann – zuviele um sich ihrer aller zu erinnern oder gar hier wiederzugeben.

Das Inhaltsverzeichnis mit seinen fünf Kapiteln sowie zahlreichen Unterkapiteln zeigt aber gut auf mit was sich hier befasst wird. Im ersten geht’s darum „Wie wird die Kunst erklärt“, also welche Widerstände zu überrwinden sind, warum über Kunst gestritten wird und was das besondere an ihr ist, was Evolutionsbiologen zur Kunst sagen, ihr Nutzen und der Zweifel daran. „Wie funktioniert Kunst?“ erklärt warum Kunst schön oder aussergewöhnlich und meist auch teuer und verschwenderisch sein muss. Warum die Wirklichkeit nicht genug ist und wir eine Sprache der Gefühle und künstlerische Talente brauchen und schätzen.

Die Elemente der Kunst und warum die so vielfältig ist und was sie uns erzählt. Es folgt ein eher kurzes Kapitel „Welches Problem soll Kunst lösen?“ Hier geht es um den Selektionsvorteil der Kunst sowie das vernetzte Ganze und den neuen Superorganismus. Weiter mit „Wie ist die Kunst entstanden?“ Nachdem evolutionäre Zwänge erklärt werden, wird beschrieben wie vor 4 Milliarden Jahren der Siegeszug der Kooperation begonnen hat und dann in grossen Zeitsprüngen, die immer „kleiner“ werden (500 Millionen – 2 Millionen – 500 000 – 400 000 – 200 000 – 100 000 Jahren) die Entwicklung der Kunst beschrieben.

Bestimmten Anfangs nur Lust und Unlust das Verhalten, wurden unsere Vorfahren immer wählerischer, entdecken Klatsch und Tratsch, machen die Zukunft zum Teil der Gegenwart und füllen langsam das kulturelle Archiv auf. Aus dem Wissen entsteht Fremdheit und die Kunst wird immer mächtiger. Im letzten Kapitel „Wird es in Zukunft noch Kunst geben?“ kommt die Kunst auf den Prüfstand, es geht um Fälschungen und Anonymität, Überfluss und den Verlust der Vielfalt und es wird abschliessend der Frage nachgegangen ob das Ende der Kunst bevorsteht.Die Kunst ist ein unverzichtbareer Bestandteil unserer Natur.

Das leuchtet nach dem Lesen dieser fünf interessanten Kapitel ein. Dieses Zitat passt, finde ich, besonders gut hierher, weil wir hier ja auch mit genau dem selben Problem zu kämpfen haben: „In der Menschheitsgeschichte war es wahrscheinlich nie einfach, gute Nahrung und qualitativ hochwertige Kunst zu bekommen.

Daran hat sich nichts geändert, der Unterschied ist nur, dass es früher schwierig war, sich dieser Dinge in einer Situation des Mangels zu versichern, und dass es nun darum geht zu erkennen, dass der Überfluss der Gegenwart eine andere Form des Mangels ist: des Mangels an Qualität und Echtheit.“ Für mich hätte es auch genügt weniger ausführlich zu sein, dennoch auf jeden Fall lesenswert! 25,90 Euro (dolf)

Isbn 978-3-7776-2180-7

[Trust # 162 Oktober 2013]

 

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