Oktober 4th, 2022

Der Weg zur Veganen Welt – Ein pragmatischer Leitfaden, Tobias Leenaert

Posted in bücher by Dolf

Transcript Verlag, Hermannstraße 26, 33602 Bielefeld, www.transcript-verlag.de

Das ist natürlich ein ambitioniertes Ziel und der Autor weiß natürlich das derartiges niemals zu erreichen ist – aber immerhin bleibt dann für immer und ewig das Ziel. (Das Buch erschien im englischen Original – ‎ How to Create a Vegan World. A Pragmatic Approach – bereits 2017) Der Autor verwendet im ganzen Buch die Metapher vom „Weg nach Veganville“ und sagt auch deutlich das es nicht alleiniges Ziel ist alle Menschen möglichst schnell hinauf nach Veganville zu bringen, es liegt oben auf einem Berg, sondern ist realistisch genug zu wissen das viele nur ein paar Etappen schaffen werden, einige nie dort ankommen und auch viele es wieder verlassen werden.

Wenn das Buch etwas sowieso ist, dann ist es pragmatisch, weil der Autor verstanden hat, wie die meisten Menschen funktionieren, oder eben nicht. Zum Beispiel das man Menschen nur durch die Darreichung von Wissen längst nicht zu einem Handlungswandel bringen kann. Soweit so gut, beziehungsweise so schlecht. Und weil es eben nicht so einfach ist, gibt es massig Tipps wie sich VeganerInnen gegenüber Menschen, die noch Tiere essen, verhalten sollten, um sie zum einen nicht zu verschrecken und zum anderen natürlich willkommen zu heißen auf dem Weg nach Veganville. Das Buch ist, nach einer Einführung mit Vorworten, in sieben Kapitel aufgeteilt, die jedes mal mit einem Fazit enden. Es würde den Rahmen der Rezension sprengen auf jedes einzelne Thema einzugehen, also huschen wir mal drüber, über das wichtigste. Was die Ziele der Bewegung sind, ist ja klar, aber wie man diese erreicht, darüber gibt es natürlich unterschiedliche Ansichten. Man muss natürlich auch verstehen und lernen warum so viele Menschen Fleisch essen und warum so wenige das nicht tun, denn leider ist das so. Wie so manche andere Tatsache, wird auch der Fakt das FleischreduziererInnen (also Menschen die ab und an auf Fleisch verzichten) letztendlich für die Tiere wichtiger sind als Hardcore-VeganerInner (also Menschen die nie tierische Produkte konsumieren) einigen nicht gefallen, am Ende das aber eben stimmt. Damit einhergehend kann es auch gut sein das Einstellungsveränderungen eher auf Verhaltensänderungen folgen als auf wohlgemeinte Ratschläge und Aufklärung – denn diese ist leider überbewertet. Viel wichtiger ist es den Um- oder gar Ausstieg, für alle einfacher zu machen. Das geht natürlich am einfachsten wenn man sich den vegetarischen Kapitalismus zu eigen macht und mit Firmen zusammenarbeitet mit denen man eigentlich nicht zusammenarbeiten will – aber das ist eben effektiver Altruismus. Und da darf dann das „Geschäft“, auch das man gegebenenfalls selber macht, nicht unberücksichtigt bleiben. Deshalb überrascht es auch nicht, das „Gänzlich konsequent“ zu sein nicht nur ineffektiv sondern auch unnötig, unzureichend und unmöglich ist. Warum mögliche Inkonsequenz die Leute wahrscheinlich nicht verwirrt, hier wird das erklärt. Neben vielen anderen – nämlich wie man auch Veganer vegan hält oder Aktivisten aktiv. Als abschließendes Fazit gibt es dann „Die Zukunft veganer Strategie und Kommunikation“. Wahrscheinlich ist dem Autor klar, das er mit diesem Buch, beziehungsweise seiner Argumentation, vielen vegetarisch/veganen Menschen zum Teil ihre Identität beschneidet. Das wird diesen nicht schmecken. Aber leider hat der Autor recht, wenn man das Ziel für als am wichtigsten hält. Ganz ähnliche Bücher könnte man übrigens auch zu vielen anderen Themen (Rassismus, Antifaschismus, Sexismus, usw.) schreiben, weil es letztendlich immer um das Verhalten von Menschen geht. Und die meisten sind eben emotional und gewohnheitsgesteuerte Menschen die mit Argumenten und Wissen im günstigsten Falle zwar in der Lage sind Bewusstsein zu entwickeln, aber eben keine einhergehende Handlungsfähigkeit. Wenn man bedenkt das die Tierrechtsbewegung in der Vergangenheit davon gelebt hat Appelle und Slogans zu nutzen und jetzt lernen muss das dies eigentlich keinen Sinn macht, beziehungsweise eben nur sehr beschränkt. Dann ist das auch eine ganz große Herausforderung für die Szene. Denn, so ehrlich muss man sein, in der Vergangenheit fühlten sich viele eben mit entsprechendem Verhalten auch auf der „richtigen“ der besseren Seite. Das diese Selbsteinschätzung aber kontraproduktiv ist, muss erst mal verinnerlicht und verdaut werden. Und, das muss auch gesagt werden, natürlich ist die Entnutzung nicht-menschlicher-Lebewesen ein sehr, sehr wichtiger Aspekt auf dem Weg zu „Bessereweltfüralleville“ aber eben nur einer und wenn man sich dann ähnlich, nennen wir es mal – beliebig, bei den anderen wichtigen Problematiken nämlich Kapitalismus und Religion, verhalten „muss“ um möglichst Effektiv zu sein, dann wird es so kommen, wie es sowieso kommen wird. Aber das ist nun wieder ein anderes Thema. Gutes Buch für VeganerInnen, VegetarierInnen und natürlich OmnivorInnen. 228 Seiten, Taschenbuch, 20,00 Euro (dolf)

Isbn 978-3837651614

[Trust # 215 August 2022]

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