Februar 13th, 2020

DEFTONES (#144, 2010)

Posted in interview by Thorsten

Es müsste ca. 11 Uhr in Sacramento sein, während hier, in Berlin-Kreuzberg, gerade kurz nach 21 Uhr ist, als mein Handy klingelt. Eine freundliche Dame von Warner meldet sich, möchte mich gleich zu Frank Delgado verbinden und macht das auch gleich. Ich bin aufgeregt, immerhin zählen die Deftones zu den wenigen Bands, die ich mein ganzes Leben, seit dem ersten Ton der grandiosen „Around The Fur“, komplett verehre. Und jetzt stehe ich eine Sekunde davor, mit einem der Mitglieder zu plaudern.

Fangen wir also vorn an: Mit dem „White Pony“, der „Konsensplatte“ der Deftones, kam auch eine Zeit, in der jeder Fan ein wenig Angst hatte. Chino Moreno ging fast sekündlich weiter auseinander, die Liveshows nahmen an Energie ab und man hatte nicht mehr so sehr das Gefühl, die Band vor sich zu haben, die gerade nicht nur Bandintern ein absolutes Meisterwerk geschaffen hat. Es wurde kritisch mit den Deftones, zu jeder Sekunde. Es wirkte, zumindest auf mich, so, als würde die Substanz bröckeln, als würde sich alles um den Frontmann drehen. Jener gibt heute übrigens auch Interviews, ist allerdings kaum zu bekommen. Verständlich, immerhin ist er die Schlüsselfigur zu der Band, die auch wirklich eine Band ist.

Frank Delgado jedenfalls ist gut aufgelegt, ich kann ihn mir gut vorstellen, wie er in einem Sessel liegt und irgendwas raucht oder vielleicht den Fernseher auf stumm geschaltet hat. Er spricht von einer gewissen Angespanntheit, die aber nach und nach Euphorie weicht und eben den Dingen, die große Bands sagen, wenn sie eine neue, langersehnte Platte veröffentlichen. „I’m doing great, man. Thank you“ sagt er lässig und als ich anfange, ihn auf das neue Album anzusprechen, fließen die Worte nur so aus ihm heraus. Er kann es kaum erwarten, dass die Platte endlich der Öffentlichkeit präsentiert wird, vor allem, weil so viel Arbeit dahinter stecken würde. Doppelt traurig also, dass das Album schon vor Versendung offizieller Promoexemplare im Internet zu finden ist. „it sucks, man. It sucks“ raunt Delgado aus und schimpft auf das Pro und Contra des Internets. „Im Endeffekt sind Downloads nichts schlechtes, aber wenn du dadurch, so wie wir jetzt, deine harte Arbeit plötzlich einfach so auf irgendwelchen Seiten findest, dann nervt das ungemein“. Trotzdem klingt Delgado sehr gefasst und gechillt, vielleicht hat er ja wirklich was zum Rauchen bei sich.

„Diamond Eyes“, das neue Album jedenfalls klingt alles andere als gechillt. Man hört der Platte Mühe, Not und Arbeit an, was keinesfalls negativ ist. Es ist, wenn man das so nennen kann, eine typische Deftones Platte. Sie verwirrt in den ersten Durchgängen, klingt sogar etwas unschlüssig und öffnet sich dem Hörer mehr und mehr. Schlüsselmomente gibt es natürlich auch diesmal und so fallen vor allem Songs wie das wunderschöne „Beauty Schools“ als erstes auf. Fragt man Delgado, wovon der Song handelt, hat er schnell eine passende Antwort, die er auf alle Songs geben kann: Das Schreiben ist lediglich die Aufgabe von Chino Moreno. „Er malt mit seinen Wörtern eben Bilder, die nur er in Gänze erklären kann“. Trotzdem, und das betont Delgado mehrmals, sind die Deftones eine eingeschworene Gemeinde, ein Team, eine richtige Band eben. „Wir alle schreiben an Songs. An Songs schreiben heißt ja nicht, dass man nur Texte schreibt. Man notiert sich Ideen für Melodien oder Arragements. Gerade ich muss mir oft Notizen machen, wenn mir was Cooles in den Sinn kommt. All unsere Ideen tragen wir dann zusammen, wonach wir dann schauen, was sinnig ist und passt. Erst sind die Songs, dann die Lyrics!“ Eine Vorgehensweise die nicht sonderlich üblich ist. Eigentlich hat der Sänger, das Aushängeschild der Band, seine Lyrics, worauf die Musik dann komponiert wird. Die Deftones machen das anders und das hört man gerade auf dem neuen Album sehr deutlich. Nach den ersten Durchgängen war der Höreindruck jener, dass die Songs irgendwie schneller sind, gleichzeitig aber langsamer. Die Deftones hatten eh und je das Mid-Tempo für sich entdeckt, strapazieren dieses auf ihrem sechsten Album aber bis ins Unermessliche und legen darauf einen harten Gitarrenteppich, der einfach alles umwüstet, was ihm in den Sinn kommt. Aber zurück zum Gespräch. Eben noch redete Delgado davon, dass die Deftones eine Band sind und eine Einheit bilden, dann kommen einem auch schon die passenden Fragen dazu in den Kopf.

Einmal die Frage, wie er sich dabei gefühlt hat, die Band zu komplettieren, als er nach dem „White Pony“ Album als offizieller Teil der Band einstieg und einmal die Frage nach der Sache, die das Bandgefüge tragisch auseinander riss.

„Ich habe viel gelernt, vor allem musikalisch habe ich eben mit Menschen zusammengearbeitet, die unfassbares leisten. Auch wenn ich schon vorher für die Deftones arbeitete, war das trotzdem eine Umstellung. Das war nun Full-Time, ich habe damit komplett mein Geld verdient. Das war toll. Und dann die Erfahrung, die ich nicht nur musikalisch sammelte, sondern auch menschlich. Ich möchte das alles nicht mehr missen“. Und dabei ist es gerade so schwer: Nach dem Unfall von Bassist Chi Cheng begann eine lange Zeit, die von ungewissem geplagt war. Wird er es schaffen? Wird er nicht? Wird er Schäden davon tragen? „Der Prozess ist langsam, aber stetig. Er ist auf dem Weg der Besserung, aber eben so langsam. Das ist schon hart, aber wir wissen, dass es sein Wille ist, dass wir das neue Album veröffentlichen.“ Und das Bandgefüge wurde gewissermaßen ja auch eingehalten. Die Vertretung für Chi Cheng übernimmt derzeit Sergio Vega von Quicksand, der bereits des Öfteren für die Deftones aushalf.

Das Gespräch ist vorüber, die Zeit rast davon. Delgado bedankt sich höflich, freut sich ausdrücklich, dass auch Fanzines Interesse an den Deftones haben und wünscht mir einen schönen Abend. Aufmerksam ist er auch.

Text: Raphael Schmidt

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