Februar 5th, 2020

Das NGO-Spiel – Zur ambivalenten Rolle von Hilfsorganisationen in Postkonfliktländern, Patrice C. McMahon

Posted in bücher by Dolf

Hamburger Edition, Mittelweg 36, 20148 Hamburg, www.his-online.de

Die Autorin ist eine US-amerikanische Politikwissenschaftlerin welche sich mit der problematischen Rolle von NGOs in Postkonfliktländern beschäftigt. Hierzu ist sie im vergangen Jahrzehnt mehrmals in den Kosovo und auch nach Bosnien-Herzegowina gereist um sich einen Eindruck vor Ort zu verschaffen. Dabei hat sie auch mit vielen dort lebenden Menschen gesprochen um sich ein umfangreiches Bild zu erarbeiten und dann daraus entsprechende Schlüsse gezogen. Dies wird vielen nicht in den Kram passen, aber der Kern ist wohl das die Präsenz von NGOs in Postkonfliktländern hinsichtlich einer stabilen Friedenskonsolidierung nicht selten kontraproduktiv ist.

„Die NGOs sind durchaus in der Lage, Positives zu bewirken, und der Direktor, der seit vielen Jahren in der Region arbeitet, konnte mehrere internationale und lokale NGOs nennen, die seiner Einschätzung nach wichtige Verbesserungen bei der Bildung im Land, bei der Mikrokreditvergabe und der Korruptionsbekämpfung erreicht hatten. Doch neben diesen Erfolgen gab es andere Entwicklungen, die bewirkt haben, dass einheimische Akteur_innen zu sehr abhängig vom Geld und den Ideen internationaler Geldgeber_innen geworden waren. Auf diese Weise begünstigte die NGO-Welt berechnendes und selbstsüchtiges Verhalten selbst bei Menschen, die Gutes bewirken wollten.“
Und auch wenn die Autorin immer wieder betont das sie nicht gegen die Arbeit der NGOs ist und generell eine positive Einstellung ihnen gegenüber pflegt so wird dem Leser doch sehr schnell klar, das hier einiges schief läuft. „NGOs sind auf einem breiten Feld aktiv, aber sie sind nicht automatisch, wie oft behauptet oder angenommen wird, effiziente Organisationen und verfolgen auch nicht automatisch Projekte, die die Interessen der Menschen widerspiegeln und fördern, denen sie angeblich dienen. Sie sind auch nicht unbedingt Organisationen, denen daran gelegen ist, lokale Gemeinschaften zu stärken oder gesellschaftliche Beziehungen zu verändern.“
Nun gut, das überrascht jetzt nicht, das nicht alle NGOs völlig selbstlos und für die Menschen vor Ort handeln, sondern oftmals ein ganz einfaches, nämlich ein finanzielles, Interesse haben. Selbst das wäre so schlimm nicht, aber die Forscherin hat auch raus gefunden das MitarbeiterInnen von NGOs sich vor Ort oftmals gegenüber den Einheimischen ungebührend benehmen, soll heißen sie wissen alles besser und arbeiten nicht auf Augenhöhe sondern als die vermeintlich besser wissenden Chefs aus dem Westen. Ohne das dies immer der Fall ist. „Manche haben das Auftauchen der NGOs als Orgie von Krisenjunkies bezeichnet. Einige NGOs boten Hilfe an, ohne dass sie Erfahrung und Kompetenzen vorzuweisen hatten, um den Menschen helfen zu können, denen sie helfen wollten. Statt ihre eigenen Missionen zu definieren und auf früheren Vororterfahrungen aufzubauen, versprachen sie alles, wofür sie Geldgeber_innen fanden. Mehrere hundert Nichtregierungsorganisationen waren im Spiel. Das Problem bestand weniger darin, die Gruppen zu kontrollieren, als in unzureichender Koordinierung“. (Zitat aus der Independent International Commission on Kosovo, Report 2000)
Dies scheint Teil des NGO-Spiels zu sein, das es oftmals nach dem Konflikte zu Ende sind, zu einem Boom kommt, das sich viele NGOs relativ schnell vor Ort einfinden und dann einfach loslegen, ohne dabei zwingend auf die Bedürfnisse der Menschen Rücksicht zu nehmen. Sondern eher auf die der GeldgeberInnen, damit einher geht auch das die NGOs oftmals mehr damit beschäftigt sind Gelder zu besorgen als sich um die Hilfe vor Ort zu kümmern. Dazu kommen noch, grade wenn viele Menschen von Außen in einer Region auftauchen, das dies zu einer allgemeinen Verteuerung des Lebens dort führen kann. Gut, das jetzt eine NGO nicht einfach gut ist nur weil es eine NGO ist konnten sich kritische Köpfe längst gedacht haben, es gibt ja auch Stimmen die schon seit Jahrzehnten sagen das „Wohltätigkeit immer auf den Rücken der Schwächsten“ betrieben wird. Aber das waren halt oft einfach Vermutungen oder im schlimmsten Fall Stammtischgelaber. In diesem Buch wird die Problematik wissenschaftlich angegangen und klar dargestellt wo die Probleme liegen, weil es letztendlich keine vernünftige Evaluierung darüber gibt, was die NGOs auf Dauer bewirken, oder eben nicht. Auch sonst erfährt man viele spannende Informationen zum Thema, wie NGOs entstanden sind, wie sie letztendlich immer westliche und oftmals staatliche Interessen vertreten. Wie sie organisiert sind, was sie alles gutes bewirken können – nämlich meist dann wenn es um konkrete Hilfe geht und eben nicht um dauerhafte Friedensbildung von Zivilgesellschaften. Leider ist das Buch auch sehr, sehr ausführlich und die Autorin wiederholt sich des öfteren, man hat das Gefühl sie stellt die gleichen Fragen immer wieder ohne die entsprechenden Antworten (geben zu können?). Die bekommt man eben nur wenn man sich die gut 300 Seiten reinzieht. Irgendwo schreibt McMahon auch das man zum Thema noch sehr viel mehr forschen muss… das denke ich nicht. Es ist genug geforscht, allein wenn man sich die ganzen Bücher und Texte die der Literaturhinweis aufzählt (über 20 Seiten!) ansieht, gewinnt man den Eindruck. Nun muss sich was ändern, dies ist aber auch hier leichter gesagt als getan – also doch weiter forschen…. Es muss
nochmals erwähnt werden das es natürlich auch viele sehr gute NGOs gibt, die hervorragende Arbeit leisten. Aber die, die das nicht machen, scheinen leider nicht nur eine kleine Randerscheinung zu sein. Wahrscheinlich könnte man über das Thema locker ein komplettes Special machen, deshalb wollen wir es hier jetzt mal gut sein lassen und abschließen mit dem Hinweis das es ein sehr gutes Buch zu einem spannenden Thema ist, das aber, aufgrund seiner wissenschaftlichen Ausführlichkeit (und nicht der zu wissenschaftlichen Sprache!), sicher nicht für jeden Leser geeignet ist. 308 Seiten, gebunden, 35,00 Euro (dolf)

Isbn 978-3868543315

[Trust # 199 Dezember 2019]

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