Das Hässliche Universum – Warum unsere Suche nach Schönheit die Physik in die Sackgasse führt, Sabine Hossenfelder
S.Fischer Verlag, Hedderichstr. 114, 60596 Frankfurt, www.fischerverlage.de
Was läuft falsch in der gegenwärtigen Physik? Eine ganze Menge, wie die Autorin in diesem sehr wissenschaftlichen Buch beschreibt. Gleich soviel vorneweg, eigentlich ist das Buch nur was für Physiker – zumindest ich hab viele der physikalischen Erklärungen nicht verstanden – aber, dass muss man auch nicht. Es reicht schon zu verstehen das viele Physiker, grade die theoretischen, nämlich viel zu sehr auf „das Schöne“ in der Physik achten und sich dadurch verrannt haben – seit mehr als vier Jahrzehnten gibt es keinen Durchbruch mehr in der Grundlagenphysik! Es ist vielmehr so, das tausende von Wissenschaftlern sich auf Grundlage von Theorien abarbeiten und immer wieder neues dazu erfinden– was aber alles nicht bestätigt ist.
Wenn man all das als Laie liest, kann man sich über die Zunft der theoretischen Physik-Wissenschaftler wirklich nur fragen – was wollen die überhaupt? Das ist keine Wissenschaft mehr, das ist Geschichten bzw. Theorien erfinden und sonst nichts. Oder wenn man dann mal klar erfährt das der Teilchenbeschleuniger LHC keine der erhofften Nachweise für die Teilchenphysik erbracht hat. Und das dies schon von den führenden Köpfen der „Szene“ noch vor seinem Bau sowieso nicht erwartet wurde – weshalb wurde er dann gebaut, er war ja nicht ganz billig. Das Supersymmetrie, Mulitversen, Stringtheorie, Dunkle Materie, WIMPS und viele andere Theorien eben nichts anderes sind als genau das: Theorien, ausgedacht von Menschen. Hossenfelder sprach mit mehreren Kollegen, Nobelpreisträgern und Buchautoren – also durchaus einige der führenden Köpfe der Physik – leider bestätigen die alle nur sämtliche Befürchtungen die Hossenfelder – welche selbst seit über zwei Jahrzehnten als Physikerin arbeitet – hat, wenn auch nicht immer unbedingt direkt. Es gibt auch viele interessante Fakten über die Geschichte der Physik, wie schon vor Jahren die Forscher immer davon ausgegangen sind das alles „schön“ sein muss. Da fasst man sich teilweise wirklich an Kopf. Mir fehlt die Kompetenz das hier sachlich zu beschreiben, aber das Wissenschaftler auch nur Menschen sind und deshalb eben auch wie alle anderen menschentypische Fehler machen UND natürlich auf Forschungsgelder angewiesen sind – das wird hier nochmal mehr als deutlich gemacht. Im Prinzip reicht es für den Laien, einfach die Fazite der Autorin zu lesen, welche nach jedem der zehn Kapitel gezogen werden. Hier eine kleine Auswahl:
„ Physiker arbeiten viel mit Mathematik und sind deshalb stolz darauf, dass es so gut funktioniert; Aber Physik ist nicht Mathematik, und für die Entwicklung einer Theorie sind Daten als Leitfaden unverzichtbar; In machen Gebieten der Physik gibt es seit Jahrzehnten keine neuen Daten; Weil Experimente keine Leitlinien liefern, bedienen sich Theoretiker ästhetischer Kriterien; Funktioniert das nicht, sind sie irritiert“
„Wissenschaftler haben sich lange Zeit von der Schönheit leiten lassen. Sie war nicht immer ein guter Leitstern; Wenn uns Daten fehlen und wir eine Theorie brauchen, um zu entscheiden, wo wir nach neuen Daten suchen sollen, können Fehler bei der Theorienbildung in eine Sackgasse führen; Die Frage, wie es trotz mangelnder Daten weitergehen und ob die wissenschaftliche Methode abgeändert werden soll, ist auch jenseits der Grundlagenphysik relevant.“
„Experiment und Theorie schreiten normalerweise Hand in Hand voran; Was wir derzeit für die grundlegenden Naturgesetze halten, basiert auf Symetrieprinzipien; Wenn neue Daten knapp werden, verlassen sich theoretische Physiker bei der Bewertung von Theorien auf ihre Auffassung von Schönheit; Schönheit ist kein wissenschaftliches Kriterium, kann aber eines sein, das auf Erfahrung beruht.“
„Natürlichkeit wird mindestens seit dem 16. Jahrhundert als Leitlinie für die Theorienentwicklung benutzt. Manchmal hat das hingehauen, manchmal auch nicht; Natürlichkeit ist kein mathematisches Kriterium, sondern eher ein mathematisch formuliertes Schönheitsideal. Ihr mangelnder Erfolg rechtfertigt nicht ihre Verwendung, erst recht nicht als erfahrungsbasiert.“
„Theoretische Physiker bewerten Theorien nach den Kriterien der Einfachheit, Natürlichkeit und Eleganz; Da die Natürlichkeit mittlerweile im Widerspruch zur Beobachtung steht, glauben viele Physiker, die einzige Alternative zu `Natur`-Gesetzen sei, dass wir in einem Mulitversum leben; Aber sowohl die Natürlichkeit als auch das Mulitversum verlangen eine Metatheorie zur Quantifizierung der Wahrscheinlichkeit, mit der wir die Welt so beobachten, wie sie ist, was im Konflikt mit der Einfachheit steht.“
„Die Quantenmechanik funktioniert großartig, aber viele Physiker bemängeln, dass sie der Intuition zuwiderläuft und hässlich ist; Auch in der Grundlagenforschung der Quantenmechanik ist unklar, worin eigentlich das Problem besteht, das gelöst werden soll; Vielleicht ist es einfach schwerer die Quantenmechanik zu verstehen, als wir gedacht haben.“
„Die Wissenschaft hat sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert, aber die wissenschaftliche Community hat sich diesen Veränderungen nicht angepasst; die Unterstützung durch eine Community von Gleichgesinnten hat Einfluss darauf, wie Wissenschaftler den Nutzen und das Potential der Theorien einschätzen, auf die sie den Schwerpunkt ihrer Arbeit legen.“
„Theoretische Physiker machen sich schuldig, indem sie schwierige Fragen unter den Teppich kehren und sich stattdessen auf Fragen konzentrieren, die mit höherer Wahrscheinlichkeit kurzfristig zu publizierbaren Ergebnissen führen; Der Grund für den gegenwärtigen Mangel an Fortschritten liegt womöglich darin, dass wir uns auf die falschen Fragen konzentrieren.“
„Die akademische Welt in ihrer gegenwärtigen Struktur bevorzugt sehr stark Vorschläge, die sich rasch und weit verbreiten, etwa schöne, aber schwer zu überprüfende Theorien; Theoretische Physiker haben mittlerweile fest etablierte Praktiken für die Entwicklung neuer Naturgesetze, die für lange Zeit unüberprüfbar bleiben werden; Ein Austausch mit den Philosophen könnte Physikern helfen zu bestimmen, welche Fragen zu stellen sich lohnt, aber ein solcher Austausch findet gegenwärtig kaum statt; Das blinde Vertrauen der theoretischen Physiker auf Schönheitskriterien und der daraus entstehende Mangel an Fortschritten offenbaren das Versagen der Wissenschaft, sich selbst zu korrigieren.“
Tja, so sieht das aus, damit hat sich Sabine Hossenfelder in der Physiker-Community sicher mehr Feinde als Freunde gemacht, erst mal – aber auf lange Sicht gilt es natürlich das Richtige zu tun und nicht weiter noch mehr Geld auszugeben und Zeit zu verschwenden für Forschung die nur den Forschern dient. Es scheint als wurde hier Wissenschaft zum Glauben – das darf nicht sein. 362 Seiten, gebunden, 22.00 Euro (dolf)
Isbn 978-3103972467
[Trust # 194 Februar 2019]