August 28th, 2019

CIVIL VICTIM (#153, 2012)

Posted in Allgemein by Jan

„Wenn die Turnschuh-Crew ihr Affenballett abzieht, ist das witzig. Oder wenn Empowerment in ACAB-Outift „Bullenschweine“ covern und vom Widerstand im Kollektiv singen. Oder wenn Ray Cappo beim Rumspringen der Dödel rausfällt. Alles super.“
Interview mit CIVIL VICTIM

Ihr müsst das so sehen: wir hören alle längst nicht mehr HC-Punk, sondern widmen uns John Coltrane, Sun Ra, lauschen den avantgardistischen Klangkompositionen von John Cage und wenn unsere Subskription der Texte zur Kunst abgelaufen ist, dann gibt es erst mal drei Monate Kunstmuseum Amsterdam Verbot! Aber manchmal, in dunklen Stunden, wenn der Kühlschrank nicht voller französischen Weißwein ist und die JP Sartre-Lektüre zu sehr anstrengt, dann brauchen wir natürlich wieder unser echtes Lebenselexier: HC-PUNK. Nix verstanden?

Ok, ich auch nicht, hauptsächlich, warum ich diese geniale Band CIVIL VICTIM aus Konstanz lange Zeit ignorierte. Es musste tatsächlich erst die persönliche Begegnung in Frankfurt in der AU sein, wo CV spielten. CV waren dort ok, aber einige Zeit später live in Leonberg vor Tradegy ein gewaltiger Abriss. Lobte ich hier auf diesen Seiten Sniffing Glue und Scheisse Minnelli als die besten HC-Bands zurzeit in Europa, muss ich sagen: stimmt, aber die müssen sich beide warm anziehen, denn CV sind beinahe noch geiler, da viel fertiger, rauer, viel mehr auf die Fresse und ja… das ist total geil, schaut´s euch an und kauft die Platten! Zusätzlich veranstaltet man noch Konzerte in Konstanz, ist durchaus reflexiv unterwegs, wie dieses Interview mit Tino und Stefan von der Band zeigt.

Das Interview ist flott, lustig, ernst, nachdenklich, aber nie stumpf blöd. Übertrag das auf Musik und du hast Civil Victim. Sounds good? Is good! Ich sehe es schon kommen, dass in einem Fanzine zu dieser Trust Ausgabe mit diesem Interview stehen wird „Neue Trust mit Interview von Kollege Jan, dessen Fragen wieder teilweise länger als die Antworten sind.“ Dazu kann ich nur sagen: stimmt, aber checkt doch mal, das die langen Fragen manchmal auch Bandzitate aus älteren Interviews beinhalten und die Fragen generell auch nur Dialog-Angebote an die Bands sind, aber was anderes: bei euren mini- halbe Seiten-Interviews ist teilweise die Einleitung länger als das komplette Interview; Baby und das isses – bei aller notwendigen Kritik – halt auch nicht. Right.

Interview: Jan
Kontakt: civilvictim.blogspot.com
Fotos: Poolpic von Martin Superroadie, Austin-Photo von Katie Warhead, Rest: Kalle Stille

Guten Tag die Herren! Ihr wart gerade auf Tour zur „No False Hope“-Platte, wie war’s gestern in Mainz? Erwartungen generell erfüllt, falls welche da waren?
Tino (T): Ja, Mainz war die beste Show von der Tour. Und der Rest war auch gut.
Stefan (S): Ein räudiges Assel-Fest, toll. Und die Country Band, The Black Diamond Express Train to Hell, auch toll.
Zwei Textfragen,„Brat Rebellion“ und „Leather Jacket Crew“, worum geht’s eigentlich in den Songs, der erste von eurer EP und der zweite auf der LP …
T: „Brat Rebellion“ ist über die Sorte Kids, die drei bis vier Jahre den Szenechef raus hängen lassen und sich dann verpissen. „Jacket“ handelt davon, dass es in Konstanz, wenn es sich um mehr als eine Person in Lederjacke handelt, es meistens Bullen sind.
In einem früheren Interview war ebenfalls die Frage nach dem Song „Windmill Loser“. K. hat gesagt: „Ha, das war unser erstes Lied! Na ja, wenn du halt heute auf HC- Konzerte gehst, dann sind da überall solche Idioten. In Konstanz ist es besonders schlimm. Da sind dann irgendwelche Trottel vor der Bühne die irgendwelche Karatekicks und so abziehen. Das nervt halt tierisch. (Pause) Andererseits ist das auch schon wieder cool, weil die Typen so unfreiwillig komisch sind.“ Cooles Statement! Momentan scheinen Bands, die Ami-HC der 80er machen, wieder sehr beliebt zu sein, nach den Crust- und Oi-Wellen; Merkt ihr mehr Zuspruch, mehr Konzerte und so? Diese Metal-core Popularität ist zwar immer noch ungebrochen stark, aber dieses Violent Dancing bleibt eher jetzt bei „denen“ und kommt seltener zu „uns“, scheint mir.
S: Jan, dir entgeht wirklich kein Trend, ha. Diese 80er Geschichte läuft doch seit Jahren, betrifft uns aber nicht so stark. Wir spielen mit den unterschiedlichsten Bands zusammen, von Hardcore bis Punk. „Windmill Loser“, das Stück ist fünf Jahre alt. Damals sind die beinahe wöchentlich aus der großen Stadt in das Contrast eingefallen, um uns Bauern mit verächtlichen Blicken zu strafen. Heute sehe ich das nur noch als Unterhaltung an.

Wenn die Turnschuh-Crew ihr Affenballett abzieht, ist das witzig. Oder wenn Empowerment in ACAB-Outift „Bullenschweine“ covern und vom Widerstand im Kollektiv singen. Oder wenn Ray Cappo beim Rumspringen der Dödel rausfällt. Alles super. Richtige Gewalt scheint mir sowieso weniger im Pit stattzufinden als im Alltag. Auch in der Punk-Szene gibt es viele Leute, die lieber mit Fäusten als mit Worten kämpfen. Jemand wie ich, der gerne mal ne große Klappe hat, sollte solchen tickenden Zeitbomben lieber aus dem Weg gehen. Dazu kommt, dass gerade diese Leute eh nicht tanzen. Dafür sind die viel zu gehemmt aka „cool“, die stehen lieber mit verschränkten Armen in der Ecke rum.
Zur Einstimmung ein paar kurze Fragen mit der Bitte um kurze Antworten … SST oder Dischord?
T: Keine Ahnung, das ist so ein Fetischding von Dir, oder? (Anmerkung Jan: Nope).
Slayer oder Metallica?
T: Beide haben drei hervorragende erste Platten gemacht und sind sonst Arschlöcher.
S: Metallica.
DRI oder Gang Green?
T: Uh, Dirty Rotten EP hängt Gang Green ab, denk’ ich, obwohl bei denen die Müllplatten, die sie später gemacht haben, klar besser sind als die von DRI.
S: Hab’ mir die Wiederveröffentlichung erst vor ein paar Wochen für acht Euro gekauft. Wieso, war die so teuer?
Misfits, Samhain oder die ersten drei Danzig?
T: Mag Sachen, wo der singt, generell.
S: Ich auch.
Hosen oder Ärzte? Falls ich hier Ärzte höre, gibt’s Interview-Verbot, haha.
T: Hosen sind ein wichtiges Kleidungsstück, schwarze mag ich am liebsten. Zum Arzt geh ich nicht so gern, muss aber ab und zu sein.
S: Das sehe ich genauso. Außerdem bin ich der Meinung, dass es für einen erwachsenen Mann außer beim Sport, am Strand oder in den eigenen vier Wänden keine Situation gibt, in der das Tragen von kurzen Hosen angebracht wäre.
Ihr habt euch Ende 2006 gegründet, es gab eine Demo-CD in der Auflage von 28 Stück, jetzt gibt’s ne komplette CD, was ist da alles drauf?
S: Also, es gibt keine CD.
T: Das ist ne 12“ aus Vinyl und da sind Civil Victim-Lieder drauf, oder was hättest Du gedacht?
S: Es gibt noch eine Kassette bei Yacuzzi Tapes, dem Tape-Label von Maz/Spastic Fantastic mit allen alten Sachen plus diversen Bonus-Songs. Der Kauf lohnt sich.
Seid ihr generell eine „hard touring“ Band, ihr wart ja schon auf Euro-Tour für ’nen Monat in 2007, 2008 in Skandinavien, vier Wochen USA, 2009 dann Spanien und Frankreich … was findet ihr so geil am Touren, ich fand meine Tour mit Scheisse Minnelli letztendlich irgendwie seltsam, man sitzt halt total viel rum und so, wenn ich das vier Wochen machen müsste, ich glaube, ich würde durchdrehen, irgendwie macht touren total doof. Dabei reise ich echt gerne und besuche sehr gerne Leute in anderen Städten, lerne gerne neue Leute kennen und so, aber touren, das fand ich doch hurry up and wait wait wait … was ist geil daran? Ok, ich habe noch nie mit meiner Band getourt, diesen Adrenalin-Kick nach sechs Stunden Fahrt und drei Stunden warten und dann für 30 Minuten Vollgas kenne ich natürlich also nicht. Ist es das, was alles entschädigt und am Sonntag die sieben Stunden Rückfahrt mit vier anderen stinkenden verkaterten Typen und „Scheisse, wir müssen alles noch in den Proberaum laden und es ist Sonntag, 22 Uhr, ich war nonstop dicht von Fr bis So“ doch lohnt? Das Geld kann es ja nicht sein, ha!
T: Also , ich tour’ eh gern. War immer schon so. Allerdings muss es auch nicht mehr immer einen Monat sein. Außerdem siehst du das zu arg mit Weichzeichner, sag ich mal, wenn du die dritte beschissene Show in Reihe mit jeweils zehn Stunden Anfahrt gespielt hast, kotzt es dich an, kein Wunder. Dann kommt wieder so ein Konzert, wo du denkst „Geiler geht’s ja fast kaum“, was mich dann wieder aufbaut. Wir neigen auch dazu, uns mehr anzustressen als nötig, wenn’s mal Scheisse läuft, war in den USA letztes Mal so, besonders von meiner Seite aus. Das kannste aber auch schlecht mit so ’nem Luxus DeutschlandMini-Trip vergleichen. Mal abgesehen davon sind Rückfahrten bei uns immer spitze!
S: Touren ist für mich mittlerweile tatsächlich hauptsächlich anstrengend. Ich arbeite zwar nicht in einem stressigen Job, habe aber nur vier Wochen Urlaub im Jahr. Früher bin ich auch Touren gefahren, so aus Spaß, einmal sechs Wochen am Stück. Heute ist mehr wie diese Wochentour gerade einfach nicht mehr drin. Der Kleinbürger in mir will seinen Urlaub genießen.

Es ist aber schön, dass wir als Band in diesem „DIY-Netzwerk“ mitmachen können, und überall Anlaufstationen haben. Du triffst Menschen, mit denen du dich verstehst und auch weiterhin Kontakt hältst. Aber die andere Seite gibt es auch: Oft sitzen doch alle nur stumm rum und stieren asozial durch die Gegend. Und klar wirst du doof vom touren. Den ganzen Tag nur warten, saufen und Drogen nehmen. Was mir aber immer Spaß gemacht hat, ist der ganze organisatorische Teil. Ich buche gerne Zeug zusammen, kommuniziere mit den Veranstaltern und so. Und wenn dann am Schluss ne schöne Tour steht, dann fühle ich mich ein bisschen, als ob ich etwas erschaffen hätte oder so.
2010 wart ihr auch noch mal in den Staaten, was habt ihr erlebt?
T: Good stuff and bad stuff, dude!
S: Die einen fanden’s geil, die anderen eher weniger. Ich fand’s grauenhaft. Ich habe mich in meinem ganzen Leben noch nie so lange am Stück so Scheisse gefühlt.
Eure „Mehr Krieg“-EP ist auf dem Label Loud Punk erschienen, wie seid ihr zu dem Label gekommen? Ich finde die EP sehr nice, den Namen aber irgendwie doof. So provo halt, das gab’s doch wirklich genug und 1000 Mal schon im Punk, Krieg ist doch Scheisse und die meisten Provo-Bands der Szene gegenüber waren letztendlich auch totale Pfeifen wie Antiseen und GG Alin und Anal Cunt und Fear, eigentlich alle außer NIG HEIST waren doch am Ende wie Billy Milano/SOD/MOD dann wirklich genau das, was sie besungen hatten, Redneck-Typen, konservative Dumpf-Heinis, die am besten noch direkt rechtsoffen waren/sind. „Mehr Frieden“, das fänd’ ich besser, haha, nee, habt ihr da ’nen bestimmten Hintergedanken gehabt bei der EP-Bennung?
T: Du kannst ja mal den fragen, der das Schild gebastelt hat, hehe.
S: Also ich dachte damals immer direkt an Touren, mehr Krieg, mehr Touren. Fand ich gut. Mehr, mehr, kaputt, kaputt. Und gleichzeitig ist es auch so „Peace or Annihilation“, mach dich kaputt, ist doch eh Scheisse. Aber das meinst du oder nicht? Und was heißt „provo“, so heißt die EP halt, da sollen und können sich die Leute rein denken, was sie wollen.
T: Wie wir zu Loud Punk gekommen sind? Als wir nach Adressen für die erste Ami-Tour gefragt haben, kam der gute Felix Havoc mit dem Kontakt vom Chris an. Daraus hat sich dann alles Weitere ergeben. Amipressung von der neuen Platte ist ja auch bei ihm. Außerdem hat er’s geschafft, uns zweimal als definitiv schlechtester Autofahrer der Welt quer durch die Staaten zu kutschieren. Cheers Chris!
Rinderherz ist euer Europa-Label, was steckt hinter dem Label, das ich sehr schätze im übrigen?
T: Und Spastic Fantastic. Rinderherz ist aus Biel in der Schweiz, Schrottbar. Familie halt.
Wo wir schon mal dabei sind, ihr habt’s ja schon mit Krieg, Zivilopfer ist jedoch wiederum ’nen sehr cooler Bandname! Wie/wer kam auf die Idee?
T: Ich. Und ich weiß von keiner anderen Band, die so heißt.
Tino mailte mir, dass eure letztjährige LP „ wie immer im Proberaum für 30 Euro und Weed“ aufgenommen wurde, ha ha, sehr geil! Seid ihr zufrieden?
S: Ja und nein … aber besser geht’s kaum. Du hast uns ja schon mal live gesehen.
Thema Weed, ist mir bei eurem Auftritt in Frankfurt aufgefallen, dass ihr – selbstverständlich aus medizinischen Gründen – gerne raucht, dann mögt ihr auch drogengeschwängerten Kiffer-Hiphop a la Cypress Hill oder schweren Dub? Oder hört ihr ausschließlich das, was ihr als Musik umsetzt, als den früh-80er Ami-Westcoast-Skate-Core? Darf es auch mal New Model Army, Velvet Underground, Coltrane und Grandfunk Railroad sein?
T: Vornweg, falscher Eindruck, und es rauchen nur zwei, du allerdings wahrscheinlich zu viel, denn wenn du findest, die neue Platte würde sich nach West Coast Skate Zeug anhören, würd ich mal kürzertreten. Kann ich genauso wenig ab wie diesen Sniffing Glue-Vergleich. Super Band, super Typen, aber wir machen was völlig anderes. Ansonsten darf es bei mir gerne auch mal Kris Kristofferson, Brenda Lee, The Balfa Brothers und Celtic Frost sein.
S: Also ich finde Kiffen total Scheisse und mach das auch (so gut wie) nie. Dafür mag ich RKL, höre aber auch ganz andere Sachen, in letzter Zeit sehr viel ruhiges Singer/Songwriter-Folk-Zeug. Ehrlich gesagt, schaue ich einfach in den „Traurigste Musik der Welt“-Thread im Mafia-Forum, ha. Ich mag Joni Mitchell oder Townes Van Zandt. Menschen, die jetzt nur ausschließlich eine Musikrichtung hören, sind beschränkt. Rauer dreckiger HC bleibt aber die Musik mit dem größten Stinkefinger-Potential. Und ist jetzt nicht so schwer zu spielen, so dass sogar ein Dilettant wie ich das hinbekommt.
Ist Hardcore für euch eigentlich neben dem ganzen negativ Ding auch was positives? Mir kommt’s oft so vor, dass HC-Bands immer klischeehaft schlecht drauf sein „müssen“, weil „so was dazu gehört zum HC, man ist ja keine happy Ska-Band“. Zuerst Mal denke ich, dass es zum schlecht drauf sein sehr viele Gründe gibt, Kapitalismus und so; then again, HC ging doch darum, be yourself und so, wenn man „aus Pose“ negativ drauf ist, sich wie die Axt im Walde beim Konzertveranstalter aufführt, weil „das hätten Poison Idea auch so gemacht“ und so, finde ich das einfach auch Scheisse, das ist doch nicht HC. HC hatte ja immer zwei Gesichter mindestens, und eben auch mit 7 Seconds und so was sehr positives, hoffnungsvolles, sehr hippieskes, was ich aber auch als Jugendlicher neben dem ganzen Hass/Verweifelung/Depression- Ding auch sehr sehr toll fand, dass es halt auch um Sachen errichten geht und nicht nur um „Destroy“ …
T: meinst so meinst so wegen Image und so? Lächerlicher Scheiss so was, wenn wir irgendwo ankommen freuen wir uns , wenigstens meistens, haha. Wir sind lieb. In happy Ska-Bands, was ein geiles Wort ist, spielen sicher mehr aggressive Arschlöcher, als in irgendwelchen Punkbands, und Poison Idea waren ja wohl total friedlich. Da ging vielleicht was kaputt, wenn die sich hingesetzt haben. Be yourself, klar, aber bring’ damit die anderen Punx nicht zum durchdrehen, was wohl wiederum ziemlich unmöglich ist. Sachen zu errichten, um sie danach, auch aus völliger Idiotie heraus, wieder zu zerstören, ist normal. Wenn Punk oder von mir aus auch Hardcore als Szene „perfekt“ wäre, wär’ alles schon lange weg vom Fenster. So lange du kein Unity-Tattoo hast, ist alles ok …
S: Klar wirkt das lächerlich, wenn Leute aus Pose schlecht drauf sind. Aber linke Wischi-Waschi-Texte sind genau so schlimm. Uh ah Kapitalismus schlecht, Politiker böse und sich dann das nächste Öttinger aus der Kiste ziehen. Kernkraftritter! Da lese ich lieber gleich das Wahlprogramm der Grünen.
Was denkt ihr zum Thema PC? Ich finde beinahe, dass die Mitte der 90er Knierutsch Downcast-Core Bands wiederkommen könnten, lieber total übertriebene Jugendliche aus reichen Häusern, die fünf Stunden mit dir reden, weil du „Brüste“ gesagt hast, als heute, wo es ja um gar nichts mehr geht; alle sind übersättigt, weil jeder Depp seine Musik rausbringen kann, es kommt viel zu viel raus, ständig sind no name Bands auf Tour, aber inhaltlich passiert irgendwie nix … da wäre so ne PC Debatte wieder beinahe schön, haha, nee, was meint ihr, wie ist die Szene (auch wenn wir die Frage schon mal angeschnitten haben) für euch, warum bewegt ihr euch da drin oder eben nicht?
T: Hä? Deine komplexen Fragen machen mich fertig. Definier mal PC, bullshit. So Trottel, die schon von ihrer Erziehung aus keine Schimpfwörter in den Mund nehmen? Du darfst nicht vergessen, dass dieses 90er-Zeug, auch wenn da unglaublich viel Scheisse abgelassen wurde, wichtig war für das, wie diese DIY-Szene heute hier dasteht. Das war nötig, sonst müsstest du dich noch heute mit irgendwelchen Volltrotteln auf Konzerten rum ärgern, was zwar immer noch so ist, aber nicht mehr halbwegs so schlimm wie früher. Musst du auf ne Metal-core-Show gehen. Viele Dinge haben sich halt zum Guten verselbstständigt, was dein „es um gar nichts mehr geht“ auch irgendwie widerlegt. Oder so. Muss jetzt mal schnell die Antiseen Platte umdrehen …
S: Ich bewege mich keineswegs nur in der DIY-HC-Szene. Ich bin auch politisch nicht sonderlich aktiv, was ich zu meiner Schande gestehen muss. Ich buche aber seit Jahren Konzerte in Konstanz, Bands pennen bei mir, ich spiele in Bands, geh auf Konzerte. Was die PC-Diskussion betrifft: Es kommt ja auch immer drauf an, WIE man etwas sagt, oder nicht? Wie ging das noch mal: „Sieg Heil ihr Fotzen, wo sind die Schnitzel?“
Ihr kommt aus dem wunderschönen Koblenz, was ihr als Cop Town bezeichnet, hey, übertreibt ihr da nicht, is doch wunderschön da, die Uni Bibliothek hat 24 Stunden offen, ihr habt das schöne Contrast, Prawda in Rorschach ist um die Ecke, alles wunderschön?
S: du Depp, haha. Klar ist Konstanz wunderschön. Aber wenn AC4 Umea Coptown nennen dürfen, dann dürfen wir das auch.
T: Contrast wunderschön? Dann warst du wohl noch nicht da! Konstanz, keine Ahnung, komm her, zieh’s dir rein, dann weißt du Bescheid …
Tino, du meintest, du kennst das Trust noch von früher, auch in Erinnerung und jahrelang als Patch auf meiner Tarnhose geblieben ist mir der Auftritt deiner früheren Band, den mächtigen ABRAXAS VÄKAHLIEN!!! Live im Juz Fröbelstrasse in Langenfeld gesehen, das war 1997 oder so, total geil! War das deine Band nach VERBAL RAZOR und vor CIVIL VICTIM?
T: Ja.
Ich habe mal meine Trust-Informanten vor Ort gefragt, die aus der gleichen Gegend wie ihr kommen und folgende Stichwörter für Fragen eingeholt, die ich mal hier einbringe: Zwischenfall, der zu Reverse the Violent Trends geführt hat, Kirche halts Maul-Tour von Pershing Boys, abfackeln, Melrec Plattenladen? Ich weiß nicht genau, was damit gemeint ist, doch, PB war auch ne Band von Tino oder?
T: Hier ist ne Stichwortantwort: Reverse the Violent Trends war ich noch etwas zu jung, da bin ich der falsche Ansprechpartner, ich weiß aber grob Bescheid, das würde hier aber den Rahmen sprengen, beschissen auf jeden Fall. Von wegen Pershing Boys, die Tour hieß nur Tour, und ich war da kurz der vierte Sänger, die gibt’s übrigens auch immer noch und wollen auch was rausbringen, die Mini-LP von denen ist eine der unterbewertesten deutschen Punk-Platten überhaupt. Melmac Records war der Plattenladen vom Costa Nutella von PB, der natürlich irgendwann dichtgemacht hat. Abfackeln war so’n kurzlebiges Crust-Dingens, nicht weiter erwähnenswert.
Allerletzte Frage des Interviews und sorry, geht auch an Tino „raus“, du hast sehr schön in einem Interview auf die Frage nach deinen drei Lieblingsbands geantwortet CRASS, POISON IDEA, ABBA – das finde ich (Sex Pistols, AC/DC, Queen) eine sehr ungewöhnliche Kombination, die mir aber sehr gut gefällt, das positive Hippietum bei Crass (geile Band!), das total abfuck bei PI (geile Band!) und das wunderschöne Pop-ige bei ABBA (geile Band!), vielleicht kannst du das noch mal genauer erklären, was und warum gerade die drei? Hast du dir Steve Ignorant auf der Tour 2010 eigentlich angeschaut?
T: Crass fand ich schon gut, da wusst ich noch nicht mal, wie die sich anhören. Aber wie du ja weisst, macht die ganze Crass-Symbolik einen unheimlichen Reiz auf kleine Punx aus. Als ich Crass dann auch mal gehört hab, fand ich’s überwältigend, mehr textlich als musikalisch zuerst, doch dann die „Penis Envy“gehört, super, Crass halt. Musst du dich halt reinhören. Steve Ignorant sollte lieber in seinem Pub hocken und Fußball glotzen, wie alle Reunion-Dinger braucht’s kein Mensch. Posion Idea waren die beste Band ever, und PI in Villingen war das beste Konzert, wo ich je war. Punkt. Egal, wie Scheisse die heute sind, armer Jerry A, dessen Texte ich übrigens sehr schätze, mehr als die von Crass. Abba kenn’ ich von meiner Mutter, und ist nach Totalitär die beste schwedische Band, die es je gab.

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