Januar 14th, 2025

Breminale (#218, 2023)

Posted in artikel, interview by Jan

Die Geburt einer neuen Schule

Im vergangenen Sommer gab es eine Diskussion über den Anteil von Musikerinnen auf Festivals, die bis in die öffentlichen Rundfunkanstalten getragen wurde. Ausschlaggebend waren die fast ausschließlich männlich geprägten Line-Ups von Mammut-Events wie Rock am Ring oder dem Hurricane Festival (mit den jeweiligen Schwesterfestivals im Süden und den immer gleichen langweiligen Acts). Als Reaktion darauf organisierte die Komikerin Caroline Kebekus (ZDF) das DCKS Festival in Köln und wartete mit einem rein weiblichen Line-Up (des Grauens, u.a. No Angles) auf. Dass das auch anderes geht, zeigt die BREMINALE dieses Jahr.
Die BREMINALE ist ein Kulturfestival am Osterdeich, direkt innenstädtisch zwischen Weser und Deich gelegen und existiert seit 1987. Aufstrebende Punkbands wie GREEN DAY (aber auch ATARI TEENAGE RIOT oder TURBOSTAAT ein paar Jahre später, um nur einige Namen zu nennen) traten hier 1992 (meistens) vor dem Durchbruch auf. Zwar wird das Festival von großen Wirtschaftsunternehmen (Stromversorger, Sparkasse, Radio Bremen etc.) und der Stadt Bremen gefördert, dafür ist der Eintritt frei und am Ende fehlt trotzdem jedes Mal Geld, sodass die Finanzierung für das folgende Jahr stets auf der Kippe steht.

Dieses Jahr tritt auf der BREMINALE insgesamt ein (fast) ausgeglichenes Geschlechter-Line-Up auf. Einer der subkulturellen Mittelpunkte des Festivals ist jedes Jahr die sogenannte Flut-Bühne, welche u.a. vom Kulturzentrum Lagerhaus (in Bremen) betrieben wird. Neben dem Aufspüren von internationalen und nationalen Acts stand schon immer die Bremer Szene im Mittelpunkt der BREMINALE. Insbesondere gilt das für die Flut Bühne, auf der junge Bremer Bands schon des Öfteren die Möglichkeit hatten, mit bekannteren Bands zusammenzuspielen und durch das familiäre Flair im Backstage Kontakte zu knüpfen.

Das Programm am Festivalfreitag ist nun der Grund für diesen Artikel. An diesem Tag spielen neben den überregional bekannten MÜLHEIM ASOZIAL und 24/7 DIVA HEAVEN, die Durchstarter von TEAM SCHEISSE, lokale Szenegrößen wie BURNOUT OSTWEST und die Bremer Newcomer von TEDDIES KNEIPE und SCHEITERN.DREITAUSEND. Mit den beiden letztgenannten Bands und 24/7 DIVA HEAVEN aus Berlin stehen an diesem Tag drei Frontfrauen auf der Bühne und mit den Berlinerinnen und TEDDIES KNEIPE zwei komplette FLINTA* Bands, während SCHEITERN.DREITAUSEND eine Mixband ist, wenn das so gesagt werden darf.

Ein ausgeglichenes Festival mit einem guten Programm bestehend aus Newcomern und aufstrebenden Acts auf die Beine zu stellen, welche fast alle Spielarten des Punkrocks (von klassischem Deutschpunk über Elektropunk bis Garagenpunk) abdecken, ist also möglich. Vor allem bedarf es dafür keine Doktrin, Agenda oder Quoten, sondern lediglich ein gutes Händchen beim Booking und ein gutes Gespür für die richtigen Bands. Dann funktioniert so ein Festival(-tag) wie selbstverständlich.
Bei MÜLHEIM ASOZIAL war ich mir nie sicher, wie ernst die Band sich nimmt oder ob das immer mit einer ordentlichen Portion Ironie einhergeht.

Keine Ahnung, ob es anderen Leuten auch so geht oder ein alter Hut ist und die Fronten für die meisten Menschen schon längst geklärt sind. Ich bin eh erst irgendwann in den letzten Jahren wirklich auf die Kölner Band aufmerksam geworden, Spätentwickler, der ich bin. Aus Gründen, die sich mir jetzt absolut nicht mehr erschließen, hatte ich das allerdings im Vorfeld vergessen und bis einen Tag vor dem Interview gedacht, ich würde mit KOTZREIZ sprechen. Falsch gedacht.

Immerhin muss MÜLHEIM ASOZIAL an dieser Stelle wohl nicht vorgestellt werden, denn vom Bekanntheitsgrad müssten die Kölner an diesem Breminaletag sicherlich weit später im Line-Up stehen. Jedoch finden an diesem Wochenende lediglich zwei Konzerte mit MÜLHEIM ASOZIAL statt und das auch nur, um eine andere Tour, die zumindest Sänger Bene gerade spielt, gegenzufinanzieren. Außerdem wird gleich kurz über das Lied „Tatort Porz“ gesprochen, welches den rassistisch-motivierten Tötungsversuch an einen Jugendlichen durch den Kölner CDU-Lokalpolitiker Hans-Josef Bähner aufarbeitet.

Ich muss zunächst einmal etwas beichten. Ich dachte nämlich aus irgendwelchen Gründen bis gestern, dass KOTZREIZ spielen und nicht ihr.
Bene: Leider nicht, tut mir Leid.

Macht nichts, aber ich hatte ein komplettes Interview vorbereitet und musste mir dann gestern und heute schnell neue Fragen überlegen. Was sagst du dazu und wie stehst du überhaupt zu KOTZREIZ?
Bene: Mit KOTZREIZ haben wir auf einem Bauwagenplatz in Köln unser drittes Konzert gespielt. Dazu muss ich sagen, wir wollten MÜLHEIM ASOZIAL nie als richtige Band anfangen. Aber beim ersten Konzert kamen nach dem zweiten Song die Bullen und deshalb mussten wir eben noch mal
spielen.

Dazwischen konnten wir noch in Bonn auftreten, da hatte allerdings niemand ein Stimmgerät dabei. Und das dritte Konzert war dann das mit KOTZREIZ. Da haben die auch gerade angefangen. Ist eine nette Band. Dabei höre ich persönlich gar nicht mehr viel Deutschpunk.

Was hörst du dann so?
Bene: Viel spanischen Punk. Es gibt dieses „Andalucia über alles“ Label. Ich finde, in Spanien passiert gerade viel, besonders in Barcelona. Das kickt mich mehr als was in Deutschland rauskommt. Dann noch viel Kram den mein Mitbewohner Philipp mit Contraszt Records rausbringt oder bei sich im Distro so rumstehen hat. Fluch und Segen sowas im eigenen Haus zu haben. (lacht)

Hast du in den spanischsprechenden Raum irgendwelche besondere Verbindungen?
Bene: Ja, aber eher nach Süd- und Lateinamerika. Wir (Max und ich von M.A.) sind ja eigentlich gerade mit unserer anderen Band RAEST auf Tour mit ENEMIGXS DEL ENEMIGO aus Costa Rica. Außerdem haben wir in den letzten Jahren ein paar Bands aus Kolumbien kennengelernt. Wenn du das labeln willst, würde ich es lateinamerikanischen Anarchopunk nennen. Es ist sowieso geil, was gerade in Kolumbien passiert. Und es ist natürlich toll, dass die Bands es nach Corona schaffen, wieder rüberzukommen. Das finde ich schön. Letzte Woche haben wir ein Konzert mit UZI veranstaltet. Das ist einfach ein schöner Austausch.

Ist das für dich interessanter, weil da mehr Politik drinsteckt oder Aggressionen?
Bene: Noch nicht mal Aggressionen, aber ich glaube, wenn du dir die Lage in Kolumbien nach 60 Jahren Bürgerkrieg anguckst, und das ist ja trotz Friedensvertrag nicht vorbei und linke Aktivisten:innen werden immer noch umgebracht. In so einer Gesellschaft ist es unglaublich schwierig, sich Freiräume zu erkämpfen. Die fahren durch Europa und sagen, in jedem Kaff gibt es ein JUZ oder ein besetztes Haus und die haben es jetzt endlich geschafft, sich in Bogotá ein Haus (Casa Rat Trap) zu organisieren, das erste, das es da gibt. Ich würde sagen, es ist dort existenzieller als hier und mit größeren Repressionen verbunden. Jetzt muss mal gesehen werden, wie es in  Kolumbien mit dem neuen Präsidenten, der weniger scheiße sein soll als der Alte, weitergeht. Ich will aber auch nicht sagen, dass dort alles geiler, radikaler und brutaler ist als hier. Es sind hier viele gute Sachen erkämpft worden, die jetzt gut genutzt werden können. Das will ich gar nicht negativ darstellen.

Vielleicht auch in diesem Zusammenhang und etwas provokativ gefragt, wann wird ein Klischee zum Klischee?
Bene: Was aus der Band geworden ist und wie die Leute das abfeiern hat uns selber etwas überrumpelt. Wir haben natürlich alle unsere Deutschpunk-Sozialisation, waren aber, als wir die Band gegründet haben, alle schon etwas darüber hinaus. Dass Leute das dann abgefeiert haben, fanden wir irgendwie komisch und trotzdem war es nett, Konzerte zu spielen und dass da auch  Leute hingekommen sind, mit denen ich persönlich nicht in den Urlaub fahren würde, ist auch okay. Aber wir fanden dann auch immer, nur weil wir eine bestimmte Musik machen, ist das kein Freifahrtschein für Arschlöcher, sich zu benehmen, wie sie wollen.

Ich kann auch platte Texte singen und muss es trotzdem nicht cool finden, wenn in der ersten Reihe die Typen nackt stehen.  Das haben wir irgendwann mal klar gemacht und dass fanden viele Leute nicht cool oder meinten, ihr seid keine Punks, ihr seid Studenten. Ich muss aber auch sagen, es ist musikalisch nie die Band gewesen, in der wir uns alle gesehen haben. Jeder von uns hat immer andere Bandprojekte gehabt, die uns wichtiger waren und MÜLHEIM ASOZIAL ist nebenhergelaufen. Ist jetzt auch durch. Dieses Jahr spielen wir noch hier und morgen auf Sylt und dann nächstes Jahr drei oder vier Abschiedskonzerte und dann wars das auch.

Oh wow. Das wusste ich nicht. Noch eben kurz zu Sylt. Was hat es damit auf sich?
Bene: Das kam natürlich durch diesen Internetwitz auf. Eine Politgruppe aus Hamburg organisiert dort eine Demo und ein Konzert und da haben wir gedacht, das lassen wir uns nicht nehmen. Mal gucken, was passiert. Für unsere Freunde aus Costa Rica, die mitfahren, ist das total nebulös, was da auf die zukommt. Wir haben denen gesagt, das ist eine Reicheninsel und wir spielen dort ein Konzert und jetzt sind die sehr aufgeregt.

Gut, die nächste Frage wäre jetzt gewesen, wie geht es mit euch nun eigentlich weiter. Euer Album ist ja einen Ticken älter. Lass mich mal versuchen, die Frage umzuformulieren: Ihr habt auf dem Album einen Sound gehabt, der nicht besonders angesagt war. Wie kam das überhaupt?
Bene: Das Stumpfe ist, wir haben alle in einem Haus gewohnt, es gab unten eine Kneipe, die leerstand, dort wollten wir eine fünf Euro Freibierparty machen und brauchten dafür eine schlechte Deutschpunkband, die da spielt. Im Keller wurden dann ein paar Songs zusammengebastelt. Wir teilen alle den gleichen schlechten Humor, das fanden andere Leute anscheinend witzig und dann haben wir ein Album und zwei Singles gemacht, danach aber nichts mehr.

Ob wir noch mal was machen sollten, haben wir uns immer wieder gefragt, aber der Humor ist dadurch entstanden, dass wir zusammengewohnt haben und die ganze Zeit zusammen abhingen. Das ist heute nicht mehr so. Sicherlich hätten wir ein Album machen können, das sich in DIY-Kreisen gut verkaufen ließe, aber ich finde es dann auch peinlich. Das machst du einmal und es ist lustig, dann aber nicht mehr.

Aber es haben auch Leute ernst genommen, oder?
Bene: Ein Augenzwinkern ist immer dabei. Wir wollten uns nie über irgendwelche Punks oder Klischees lustig machen, weil wir selber aus der Szene kommen, auch wenn wir keine Straßenpunker sind, das ist auch klar. Es gibt Leute, die finden das schön, weil es ironisch ist, es gibt aber auch Leute, die finden es schön, weil es stumpf und melodisch ist. Die Frage ist ja schon,  warum interessiert sich jemand dafür? Das ist doch bloß schlimmer Schrammelpunk! Trotzdem war es natürlich schön, dass es so viele Leute geil fanden. Das hat Möglichkeiten eröffnet, so können wir ab und an ein Solikonzert spielen und es kommen 800 Leute und nicht 40. So konnten und
können wir das immer gut instrumentalisieren.

Einen neuen Song gab es in der letzten Zeit trotzdem. Seltsamerweise hat das Thema überregional kaum stattgefunden. Magst du dazu noch kurz was sagen?
Bene: Ja, der Song Tatort Porz, wo es um einen rassistisch motivierten Tötungsversuch durch einen lokalen CDU-Politiker (Hans Josef Bähner) an einem jungen Erwachsenen geht. Das ist bei uns vor der Haustür passiert und wir fanden es krass, dass das nicht so viel Beachtung findet. Die CDU, Bähner und seine Anwaltschaft haben aktiv dafür gesorgt, dass in der Presse sein Name nicht genannt wird. Höcker ist ein Medienanwalt und vertritt viele aus der rechten Szene. Das ist die Kanzlei, in der auch Hans-Georg Maaßen gearbeitet hat.

Wir standen mit der Kampagne, die sich um die Prozessbegleitung und Öffentlichmachung des Falls kümmert, im Kontakt. Dann haben wir uns entschlossen den Song zu machen, um das zu pushen, aber auch um unsere Abgefucktheit zum Ausdruck zu bringen. Letzte Woche ist beim WDR ein Podcast darüber rausgekommen, der das auffranselt, wie die Cops mit Bähner umgegangen sind und zeigt die faschistischen Tendenzen  innerhalb der Polizei auf. Dazu etwas zu sagen war uns ein Anliegen.

Was ist euch in Bezug auf Subkultur bzw. Szene wichtig?
Bene: Ich kann nur für mich persönlich sprechen und ich fühle mich in dieser DIY-Struktur eher wieder als in, ich nenne es mal Schwellenstrukturen. Bei MÜLHEIM ASOZIAL war das ja auch so. Es wird plötzlich größer, dann gibt es Anfragen von irgendwelchen größeren Labels oder Booking Agenturen. Das haben wir immer abgelehnt. Das gehört für mich nicht zum Punk dazu. Das fängt an mit Gagenforderungen, da bekommt die Hauptband 2000 EUR und die Vorgruppe 50 EUR. Das gab es bei uns nie. Außerdem muss eine politische Message dabei sein, das geht in meinen Augen nicht anders. Ein Miteinander von Leuten, die Konzerte veranstalten und Konzerte spielen. Eine Szene lebendig zu halten finde ich wichtiger, als vor 5000 Leuten zu spielen.

Möglichkeiten schaffen.
Bene: Genau, für neue Orte kämpfen, auch wenn es in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern eine gute Infrastruktur gibt, werden trotzdem Orte wieder geschlossen oder angegriffen. Das ist wichtig. Wenn alle Leute nur noch auf großen Festivals spielen…, ich will ja nicht alle Bands abhaten, die das machen. Das ist natürlich auch ein neues Streitthema, aber ich finde, dass  diese neue Kultur, Bands lassen sich von Förderprogrammen unterstützen, da muss ich sagen, da schwillt mir der Kamm. Ich kann natürlich verstehen, wenn jemand den Standpunkt vertritt, jegliches Geld sollte mitgenommen werden. Ich sehe das eher kritisch, weil es auch eine Bringschuld schafft. Aber ich lebe auch nicht von der Musik.

Ich finde, immer da, wo viel Geld ist, entsteht meistens nichts Geiles.
Bene: Es gibt im Prinzip Geld für irgendwas, was zunächst erstmal gemacht werden muss, um an das Geld zu kommen. Dann wird das Xte Musikvideo gedreht was eh scheiße ist und sich niemand ein zweites Mal anguckt. Solln ja alle machen wie sie wollen, aber ich würde mir eher ein Bein abhacken bevor auf einer unserer Platten das Logo von der, durch die verfickte Bundesregierung  (und durch die GEMA) finanzierten, Initiative Musik drauf kommt.

Ich weiß nicht, ob das immer so schlau ist.
Bene: Ich habe auch Freunde, die das so machen, aber diese ganze Förderscheiße ist ja auch mit krassen Hürden versehen. So einen Antrag können ja fast nur Leute mit Hochschulabschluss ausfüllen. Dazu kommt dabei der Verwertbarkeitsgedanke der Musik, der wirklich schlimm ist. Neoliberaler Scheiß halt.

Ich habe auch immer das Gefühl, hier in Bremen wird ja auch gefördert und die Bands, die eine Förderung haben, kommen aus der Stadt kaum raus bzw. die, die nicht gefördert werden, schaffen es eher. Wo wir schon beim Thema sind und das ist bestimmt eine fiese Frage, kannst du was über TEDDIES KNEIPE sagen, die nach euch spielen (und die du nicht kennen kannst)?
Bene: Kenne ich tatsächlich nicht, aber wir versuchen nicht so viel Bier zu verschütten, damit sie nicht auf der Bühne ausrutschen.

Hast du was zu Bremen zu sagen?
Bene: Ich bin sehr gerne in Bremen, ich hatte mal eine Band mit Bremern. Obwohl heute ganz Deutschland am Kühlschrank steht, weil es so heiß ist, regnet es hier natürlich. Das ist für mich typisch Bremen.

Vielen Dank. Das war’s schon, geht ja jetzt schon gleich los für euch.

Der angesprochene Wolkenguss war nur von kurzer Dauer und als MÜLHEIM ASOZIAL auf der Bühne des Zeltes stehen, in dem die Flut-Bühne untergebracht ist, scheint draußen schon wieder die Sonne. Trotz der frühen Anfangszeit ist das Zelt gut gefüllt mit dem wohl typischen MÜLHEIM ASOZIAL Publikum, eine Mischung aus Iro-Punks und Universitätsbesucher:innen.

Vorne findet der erste zarte Pogo statt. Die Ansagen vor den Liedern sind meistens lang und folgen zuverlässig nach jedem Song. Hannes von TEAM SCHEISSE wird später sagen: „Dieses Erklären von Texten finde ich schwierig, zumindest bei der Mucke, die wir machen, auch wenn die Texte und der politische Aspekt natürlich ein wichtiger Bestandteil sind, trotzdem muss den Leuten nicht dauernd versichert werden, auf der richtigen Seite zu stehen, denn es kann schnell zu einer hohlen Phrase verkommen.“

Mich reißen Ansagen tatsächlich stets aus einem Konzert heraus. Es ist dann wie eine Kurzgeschichte lesen, wenn die zu Ende ist, kann sie weggelegt werden. Ein Roman wird am Stück gelesen. Und ich finde, ein Konzert sollte auch am Stück gehört und gesehen werden und nicht zerstückelt in Teile, zumindest nicht in zu viele Teile. Trotzdem bin ich von der Band begeistert, was wohl zu einem Großteil an dem Interview liegt, welches ich als wahnsinnig reflektiert wahrgenommen habe. Ganz anders auch, als ich es erwartet hätte. Jedenfalls ein guter Einstieg in diesen (Vor-)Abend.

Der Name TEDDIES KNEIPE mit dem dazugehörigen Bandlogo ist bereits auf einigen Plakaten, Aufklebern und Flyern in Bremen aufgefallen. Einen Tag vor dem Auftritt auf der Breminale veröffentlichte die Band auf Bandcamp ein paar Songs, die allesamt auch ihren Weg auf die Bühne finden. Es handelt sich zwar lediglich um Proberaumaufnahmen, die Tendenz ist allerdings nicht zu überhören.

Wütender und feministischer Rumpelpunk, bei dem die Message wichtiger als das musikalische Können ist und der Slogan im Vordergrund steht. „Du blöder Macker kommentierst mich nicht“, heißt es da zum Beispiel oder auch „Wenn du noch einmal vorschlägst Yoga zu machen, raste ich aus“. Das erinnert natürlich stark an die 90er Jahre L’age D’or Schule. Und TEDDIES KNEIPE ist damit nicht die einzige Band, wie ich und ihr liebe Lesenden im Laufe dieser Geschichte noch erfahren werdet, die sich darauf (ob bewusst oder unbewusst sei dahingestellt und interessiert auch nicht) bezieht.

Wer ist Teddie und was gibt es in seiner Kneipe?
Kira: Wir dachten erst, wir müssten mal ordentlich saufen gehen, um auf einen Namen zu kommen, aber nein, es muss nur ein Ausflug gemacht werden, gar nicht weit weg, einfach in ein stillgelegtes Parzellengebiet am Flughafen. Es war ein lauer Sommertag und auf dieser alten ranzigen Parzelle fand wir dieses Banner, dann haben wir kurz überlegt, ob wir das geil finden oder nicht und dann stand das eigentlich schon fest. Das ist jetzt auch unser Bühnenbanner.

Und auf dem Banner stand Teddies Kneipe?
Kira: Richtig. Der war ganz dreckig und abgeranzt und wir dachten einfach nur: Geil, das hat doch Back-Drop Potenzial.

Jana: Kira hat das zur ersten Probe mitgebracht und das Teil hing direkt an der Wand.

Lina: Als wir anfingen, war noch richtig doll Corona, wir wussten aber, in dieser Dreier-Konstellation wollen wir spielen. Konnten dann aber drei Monate nicht proben und Kira kam mit dem Banner und meinte, das könnte unser Name sein.

Kira: Aber es gibt auch eine Kneipe, an die wir bei TEDDIES KNEIPE alle denken, eine Kneipe, in der wir alle sehr viel Zeit vor, hinter und auf dem Tresen verbringen, das ist das schöne HORNER ECK.

Jana: Daher passte es, dass die Kneipe vorkam und Teddie war auch cool. Alles perfekt.

Warum gibt es so wenig im Internet über euch zu finden? Vorgestern ist dann tatsächlich noch flugs eine Bandcamp Seite online gegangen.
Lina: Wir sind eine Geheimband.

Jana: Musikalisch wäre die einfachste Antwort, dass wir es noch nicht geschafft haben aufzunehmen oder uns aufnehmen zu lassen. Das haben wir die ganze Zeit vor uns hergeschoben. Und dann kamen schon die ersten Konzerte.

Kira: Sehr viele Konzerte, sehr geballt.

Jana: Genau. Wir hatten einfach keine Zeit, uns da richtig reinzuknien.

Ist ja aber eigentlich ungewöhnlich.
Lina: Ich mache Musik eigentlich für die Bühne. Da habe ich Bock drauf. Wir haben geprobt mit dem Ziel, damit auftreten zu können. Der große Spaß findet live statt. Das war das vorrangige Ziel. Irgendwann hatten wir das Datum für den ersten Gig im HORNER ECK und darauf haben wir hingearbeitet.

Kira: Darauf haben wir sogar ziemlich lange hingearbeitet, denn eigentlich wollten wir schon am 29. Dezember dort spielen, da ist nämlich kleines Silvester, aber das fiel letztes Jahr aus, weil die ganze Belegschaft Corona hatte und es natürlich eine Zeit war, in der wir nicht ruhigen Gewissens ein Konzert spielen konnten.

Lina: Auf ein Konzert hinzuarbeiten ist aufregender als mit mehreren Spuren einen Song 1000-mal zu spielen, um den aufzunehmen und ihn anschließend ins Internet zu stellen, um eines Tages mal zu erfahren, ob die Leute das gut finden oder nicht.

Die Reaktion ist natürlich unmittelbar.
Kira: Kleines Problem ist auch, dass wir alle nicht die Megatechnikfreaks sind.
Jana: Als wir anfingen zu proben, hatten wir echt nur einen Song gehabt. Dann hieß es, ob wir nicht mal spielen oder Vorband machen wollen, aber wir hatten halt nur diesen einen Song. Das wäre zwar auch witzig, aber gleichzeitig ein bisschen unangenehm gewesen. Daraus kann auch ein Kunstprojekt gemacht werden, aber wir hatten eine größere Motivation, erst mit ein paar Songs in der Hand aufzutreten. Aber anscheinend haben Leute wirklich Bock, dass wir auf die Bühne kommen und wir ja auch, aber erst mal brauchten wir Lieder.

Ein Video aus Husum kann dann doch im Netz gefunden werden.
(großes Gelächter)
Lina: Das habe ich auch schon gesehen.

Der Song ist auch auf der E.P. bei Bandcamp zu hören. „Macker“ – auf dem Video sind viele pogende Punks zu sehen – im Grunde muss der Song nicht groß erklärt werden, möchtet ihr trotzdem darüber hinausgehend noch etwas dazu sagen?
Jana: Darüber haben wir heute im Proberaum tatsächlich noch mal gesprochen, eigentlich wollen wir den Song ohne Ansage spielen. Das ist quasi die Ansage, dass es keine Ansage braucht. Nun ist das Thema mit den K.O. Tropfen, gerade auf Festivals, in verschiedenen Nachrichtenkreisen aufgekommen und das ist uns ein Anliegen, das heute noch mal anzusprechen. Ich finde es schön, wenn der Song für sich spricht.

Lina: Das hat ja was Ironisch-Witziges.

Finde ich so eigentlich nicht.
Lina: Ich meine, der Song mit dem Video dazu. Wir sagen ja im Grunde: Mackers – nein danke und auf den Bildern sind dann männlich-gelesene, die da am Pogen sind. Ich habe das für mich gerechtfertigt, weil die sich nicht wie Arsch verhalten und einen Raum vereinnahmt haben, sondern es waren junge Leute, die in Husum Spaß haben.

Kira: Das waren so Babypunks, die waren 15 oder 16 Jahre alt. Und wie geil ist das bitte, dass es in Husum Leute gibt, die sich politisch engagieren, die auf Subkultur Bock haben, so Punks not dead-mäßig, das fand ich schon geil und hat mich ein bisschen berührt.

Jana: Am Anfang auf der Bühne hatte ich ein komisches Gefühl, aber die haben mit dem ersten Song angefangen zu pogen, obwohl überhaupt nicht angekündigt war, dass TEAM SCHEISSE einen Support dabei hat. Das war voll nett. Auf dem Video wirkt das leider etwas aus dem Kontext gerissen.

Kira: Das Video war unser erster „Drop Out“ ins Internet, das ja gar nicht von uns online gestellt wurde. Das ist einfach passiert.

Der Song kam ja auch gut an.
Kira: Ich glaube, der Song wird so lange gut ankommen, wie das Patriarchat existiert, und das wird vermutlich noch mehrere Jahre dauern bis zur großen Revolution.
Glaubst du, dass der Song irgendwann mal überflüssig ist oder gar altbacken wirkt?

Kira: Ich wünschte es mir als Utopie, die total toll wäre. „Ach, alter Hut, weißt du noch damals, als wir uns noch beschwert haben, das Typen uns den Raum wegnehmen, wir nie gehört und gesehen werden oder in verschiedenen Situationen eher weniger“ – das wäre toll. Ich glaube, das wird passieren, ansonsten wäre das eine ziemlich traurige Perspektive in die Zukunft.

Lina: Aber vermutlich wird das Thema des Songs uns überleben.

Kira: Vorher kickt Klimawandel.

Jana: Ich finde es auf jeden Fall spannend, dass männliche Freunde von mir den Song auch richtig geil finden, weil die manchmal auch blöd kommentiert werden. Es ist cool, dass der Song nicht nur Flinta* Personen anspricht.

Kira: Es tut sich was bei den Jungs.

Jana: Patriarchat ist für alle kacke und ich glaube, immer mehr Typen merken das gerade.

Betrachtet ihr euch in diesem Zusammenhang denn einer Szene angehörig?
Kira: Spannende Frage.

Lina: Bremer Punkszene.

Kira: Ja.

Jana: Wir sind ja schon verwurzelt in der Bremer Punkszene. Also, ja.

Kira: Wir sind durch die Bremer Punk- und auch Kneipenszene entstanden.

Jana: Kneipenszene ist auch wichtig.

Kira: Ich würde aber auch ein gewisses Politikum dazuzählen, worüber singen wir, mit wem spielen wir, in welchen Läden spielen wir. Das ist uns wichtig. Nicht nur Kneipe, sondern auch ein politischer Anspruch, der unsere Grundsäulen als feministische FLINTA* Band manifestiert.

Dann kommen wir schon zur letzten Band, sagt doch bitte was zu SCHEITERN.DREITAUSEND.
Kira: Eine tolle ganz freshe Band aus Bremen, supersympathisch.

Jana: Ich finde den Umgang miteinander hier eh total nett. Das ist richtig cool. Ich finde den gegenseitigen Support toll.

Kira: Die waren auch bei unserem ersten Konzert. Das war schön. Ich finde vor allem deren Stimmung auf der Bühne cool. Eine ganz entspannte Haltung, irgendwie schon fast eine Fuck Off Haltung, aber nicht auf radikale Art und Weise, sondern nüchtern.
Jana: Musikalisch finde ich den Instrumentenwechsel immer cool. Die Harmonie zwischen den dreien zu sehen, ist toll.

Lina: Ich finde das auch sehr angenehm. Von anderen Bands kenne ich das eher so, dass sich im Backstage beäugt wird, immer etwas hochnäsig. Hier habe ich das Gefühl, alle sind sehr herzlich. Das ist ein Kontrast zu dem, was ich früher erlebt habe.

Das wars schon.

Eine halbe Stunde ist seit dem Konzertende von MÜLHEIM ASOZIAL vergangen. Nach der letzten Frage und nachdem das Aufnahmegerät schon ausgeschaltet war, wollte Kira unbedingt wissen, was MÜLHEIM ASOZIAL über ihre Band gesagt hat, denn MÜLHEIM ASOZIAL war eins der erste Punkkonzerte, das Kira besuchte und dürfte ihre Punkfindung somit maßgeblich beeinflusst haben.

Nun stehen die drei Frauen auf der gleichen Bühne und legen mit „One Hit Wonder Woman“ los, es folgt „Macker“ und ein verpunktes Robbie Williams Cover von „Angels“ findet ebenfalls großen Anklang und zwar beim gesamten Publikum. Ich mag nicht beurteilen, ob das Zelt sich nach MÜLHEIM ASZOZIAL geleert hat oder nicht und Vergleiche sind eh scheiße, aber es fällt auf, dass das Publikum sich verändert hat. Die Iro-Punks sind verschwunden, insgesamt wirkt das Treiben vor der Bühne jugendlicher und aufgeschlossener. Vielleicht ist das auch Quatsch.

Das Schöne an der Breminale ist auch, jede:r trifft und sieht sich (wieder). Ich entdecke einige bekannt Gesichter im Publikum und auch S. hat es aus Hamburg hergeschafft (vgl. TRUST #216). Was ich mir mit dem Interviewmarathon eingebrockt habe, verstehe ich selber nicht. Kaum ist das Konzert zu Ende, muss ich die Unterhaltung mit S. unterbrechen und schon zur nächsten Band.

SCHEITERN.DREITAUSEND.
Der Auftritt von SCHEITERN.DREITAUSEND auf der Breminale ist im Prinzip ein Releasekonzert, auch wenn es nicht so angekündigt ist, denn am Vortag wurde ebenfalls auf Bandcamp ein Album mit dem Titel „Diese Stadt ist zu groß für uns beide“ online gestellt.

SCHEITERN.DREITAUSEND begannen als Duo bestehend aus Melanie und Henri, die sich bis heute an Gitarre und Schlagzeug abwechseln und jeweils ihre eigenen Lieder schreiben und dann auch singen und dadurch eine manchmal sehr konträre Stimmung erzeugen. Ist Melanie in ihren Texten eher introvertiert, nachdenklich und verlässt (lyrisch) selten ihr Zimmer, geht Henri raus in die Welt, singt von „Hamburg“ und „Berlin“ und beschreibt sein Umfeld und seinen Alltag. Komplettiert wird die Band nun von John am Bass. Dazu rumpelt das Schlagzeug und scheppert die Gitarre irgendwo zwischen Indie-Rock und Punk, als wäre es 1992. Mittlerweile gehört John am Bass zur Band.

Seid ihr die Erfinder der Bremer Schule?
Henri: Oha!

Melanie: Ne.

Henri: Ich habe immer Angst, dass der Vergleich zu offensichtlich ist.

Melanie: Zu TOCOTRONIC.

Nicht unbedingt TOCOTRONIC, aber es gab ja mal so einen bestimmten LoFi Sound, dem ihr sehr nahekommt.
Henri: Wir haben jedenfalls viel TOCOTRONIC gehört, als wir das Album geschrieben haben. Ich zumindest. Die ersten vier Alben.

Melanie: Die erste Phase.

Henri: Ich weiß nicht, ob sich das genügend davon absetzt, aber was soll‘s.

Da sind ja auch 20 Jahre dazwischen.
Henri: Zeitlich schon, aber soundmäßig? Ich will mich da auch nicht so sehr in diese Reihe stellen.

Das kommt ja eher über ein Gefühl.
Melanie: Ja, das ist vielleicht der Unterschied. Oder? So richtig habe ich mir da noch keine Gedanken drüber gemacht.

Henri: Felix von BURNOUT OSTWEST hat damit angefangen, das Bremer Schule zu nennen und hat das mal auf ein Konzertposter geschrieben.

Ah, das wusste ich nicht.
Melanie: Das kommt nicht von uns.

Henri: Du bist nicht der erste, dem das auffällt.

Warum ist scheitern sympathischer als gewinnen?
Melanie: Keine Ahnung, ob das sympathischer ist. Das war eher eine Intuition?

Henri: Man ist doch immer für die Underdogs beim Fußball oder anderen Sportarten.

Melanie: Ich will mich nicht mit Fußball vergleichen.

Henri: Es fühlte sich für uns natürlicher an.

Melanie: Wir haben nicht gemeint, das Scheitern cooler ist als gewinnen. Das kam aus einem…

Henri: Dieser ganze Bandnamenkram war sowieso ein Krampf. Es gibt oder gab diese Sorry 3000 Band und dann haben wir ein Jahr lang überlegt, ob wir bei dem Namen bleiben sollen oder noch mal ändern sollen. Es gibt ganze Telegram Chats mit Bandnamenvorschlägen, die wir alle verworfen haben. Am Ende sind wir vielleicht auch da einfach gescheitert.

Melanie: Beim ersten Konzert, das wir gespielt haben, da war das noch nicht klar und die Frage stand im Raum und wir meinten nur, ey, yo, Bandname kommt in ner Stunde. Und dann haben wir überlegt und es wurde dann für uns entschieden.

Henri: Es gab vier Zettel mit Bandnamen und dann wurde gewählt.

(John platzt rein) John: Kann ich noch mitmachen?

Henri: Klar, wir sind erst bei Frage zwei. Warum ist scheitern sympathischer als gewinnen?

John: Es ist möglich, große Töne zu spucken, aus scheitern lernt man und so einen Scheiß. Und irgendwie stimmt das auch.

Melanie: Die ganze Zeit nur scheitern ist aber auch möglich?

John: Wer scheitert, scheitert doch eigentlich gar nicht so oft. Jedes Mal, wenn ich gesagt habe, ich mache jetzt etwas, was ich nicht kann, dann habe ich das einfach gemacht. Bass spielen in einer Band zum Beispiel habe ich vorher noch nie gemacht. Ich hätte scheitern können und die Beiden haben gesagt, mach doch. Scheitern ist eine Chance. (Melanie muss laut lachen).

Melanie: Das ist toll.

Ihr habt mit TEAM SCHEISSE zusammengespielt, wie wurde das vom Publikum aufgenommen?
Melanie: Ich habe nichts mitgekriegt.

Henri: Ich gucke auch immer auf den Boden.

Melanie: Außerdem hat es bei unserem Auftritt geregnet. Deswegen war es nicht so voll.

Henri: Was mir Leute hinterher erzählt haben, fanden es schon ein paar gut.

John: Ich habe das auch so gesehen. Ein paar Leute sind abgegangen, trotz Regen.

Henri: Also, gut, wurde gut angenommen.

John: Beim Song „Hamburg“ habe ich gedacht, entweder hassen oder lieben den alle.

Ich hatte eher das Gefühl, die Leute fanden das sehr gut.
Henri: Ich habe einen Song über Hamburg geschrieben und das da alle immer viel cooler sind als man selbst.

Vielleicht ist das auch nur ein Minderwertigkeitskomplex von Bremer:innen?
Henri: Absolut möglich oder nur von mir.

Melanie: Es ist ja auch immer dieses Bashing: Hamburg gegen Bremen. Und Bremen kommt dabei nicht so gut weg, ist mein Eindruck und das wird dann auch für sich selber angenommen.

Henri: Ich will mich da nicht einmischen. Ich fühle mich da manchmal nur nicht so wohl.

Hansestädte sind sie beide und schön sind sie auch und beide Städte haben Vorteile auf ihre Art und Weise.
John: Hamburg ist verwirrend, ich war extrem überfordert, als ich da war. Ich hatte letztes Jahr nach der Ausbildung die Idee gehabt, vielleicht nach Hamburg zu gehen, auch wegen der besseren Musikszene und jetzt war ich mit den Beiden da und hab mich dagegen entschieden.

Henri: In Bremen ist immer alles safe.

Zumindest Ihr beide (Melanie und Henri) tauscht die Instrumente und teilt euch den Gesang. Schreibt ihr auch jeweils eure Songs alleine?
Melanie: Ja.

Henri: Du hast es erfasst. Wir haben ja noch eine andere Band zusammen mit Simon von TEAM SCHEISSE und noch einem Freund von uns, eher so eine Punkrockband. Die Anderen hatten immer viel zu tun und Melanie und ich waren immer alleine.
Melanie: Henri hat einen Song gemacht, den fand ich toll und da haben wir uns gedacht, wenn der Rest der Band nicht mitmachen will, dann machen wir es eben selber.

Henri: Daraus ist das gewachsen. Weil wir scheinbar entspanntere Lebensentwürfe hatten. Melanie hat Songs geschrieben, ich habe Songs geschrieben und diese Person hat dann immer Gitarre gespielt und gesungen und die andere Person hat Schlagzeug gespielt. Und dann haben wir John dazu geholt.

Worum geht es in euren Songs überhaupt?
Melanie: Weihnachten, wurde uns gesagt.

Henri: Ich habe am Anfang darüber nachgedacht, bei der anderen Band geht es darum, wütend zu sein, und bei Scheitern geht es eher um die Momente, in denen du traurig bist. Verschiedene Sachen. „Berlin“ ist der erste Song, den ich für die Band geschrieben habe. Die Band SLAUGHTER BEACH, DOG mag ich sehr gerne. Der Typ schreibt superschöne Texte, die so kleine Geschichten sind. Das wollte ich auch immer machen und habe ich hier versucht.

Melanie: Du erzählst mehr Geschichten und ich schreibe eher so über meine Gefühle. Ich versuche Dinge zu sagen, die ich sonst nicht sagen kann.

Ein Satz oder ein paar Wörter zu BURNOUT OSTWEST, die ja nach euch spielen.
Melanie: Gute Band. Kauft deren Merch, kauft die Platten.

Henir: Supernette Leute.

Melanie: Beide richtig gute Leute.

John: Mir fällt da nur ein Satz zu ein: Ich habe das für mich immer so erklärt, BURNOUT OSTWEST klingt wie cooler Poetry Slam in Punk-Outfit.

Melanie: Ich hätte es ein bisschen cooler gefunden, wenn BURNOUT OSTWEST den Slot von TEAM SCHEISSE eingenommen hätte, weil ich die Lieder besser finde. Aber ich gönne den allen das.

John: TEAM SCHEISSE bringt Bremen auf die Karte.

Wir sind schon fertig.

Und leider habe ich nicht genügend Zeit, mir das komplette Set von SCHEITERN.DREITAUSEND anzusehen. Die nächste Band wartet schon auf mich. Aber eher laute Lieder wechseln sich mit leiseren Tönen ab. Oftmals starten die Songs mit einer einfachen, abgeschlagenen und rhythmischen E-Gitarre, ehe das Schlagzeug sich zunächst leise dazugesellt und später gemeinsam mit der Gitarre das Stück in lautere Sphären bringt. Dann darf auch gerne mal (fast) geschrien werden.

Es gibt aber auch den einen oder anderen Punkrock-Smasher, allerdings nicht in klassischer Manier, sondern eher wie eine Garagenband sich Punk vorstellen würde, wenn sie davon bisher nur gelesen hätten. Das wirkt sehr erfrischend, weil das Schiefe und Unperfekte gar nicht erst versucht wird zu verstecken, sondern im Gegenteil, offen zur Schau gestellt wird. Was wiederum Sympathiepunkte einbringt.

Im Backstage sind 24/7 DIVA HEAVEN gerade angekommen und sie nehmen den Bereich mit ihrer guten Laune sofort in Beschlag. Es ist die einzige Band, die über eine Agentur gebucht wurde. Doch zunächst spreche ich mit Felix, der an diesem Tag auch als Veranstalter fungiert und Hannes (auch bei TEAM SCHEISSE) von BURNOUT OSTWEST.

Ich bin mir gar nicht sicher, ob BURNOUT OSTWEST eine Corona-Band ist, also aus Langeweile vor zwei Jahren gegründet wurde, als nichts ging und zu Zweit hätte sich ja selbst mit Kontaktbeschränkungen Musik machen lassen können. Ganz sicher weiß ich aber, dass die Band letztes Jahr drei komplette Tapes veröffentlicht und (ebenfalls) bei Bandcamp online gestellt hat. Ich werden an dieser Stelle übrigens keine Links zu den verschiedenen Künstler:innen-Seiten teilen.

Ich denke, das schafft ihr schon alleine. Allerdings würde ich mir natürlich wünschen, wenn der oder die Eine oder Andere sich einmal die Mühe macht, diese Bands anzuhören. Denn zu irgendwas muss die investierte Zeit ja nütze sein und wer weiß, vielleicht wartet die neue Lieblingsband nur einen Mausklick entfernt.

Wie ernst ist euch das mit der Band?
Felix: Ich wurde letztens gefragt, ob ich ein Hobby habe, und da konnte ich antworten, ich habe ein Hobby, das mir Spaß macht und das ist diese Band. Und Hobbys sollten ernst genommen werden.

Hannes: Stimmt. Andere Bands von mir nehme ich ernster, aber gerade das finde ich bei uns gut.

Felix: Ich wollte das gar nicht auf andere Bands beziehen. Ich nehme unsere Band ja auch ernst.

Hannes: Ist ja auch richtig, ich finde das Ernst nehmen nur schwierig, weil wir ja auf vieles scheißen, auf Konzerte scheißen, auf Releases scheißen, auf alles scheißen und dadurch wird es erst richtig schön.

Felix: Wenn wir uns mit mehr als 95% damit wohlfühlen, nehmen wir es, glaube ich, ernst.

Wie schafft ihr es, vielen Menschen vor die Tür zu kacken, die das dann trotzdem toll finden? Es geht in den Songs gegen Hausbesitzer:innen, gegen Alt- und Neulinke, gegen Kunststudent:innen und trotzdem ist das total das Klientel, dass das mag und auch hört. Ich will mich da ja selber gar nicht von ausschließen bzw. fühle mich in manchen Songs auch ertappt.
Beide: Wir wollen uns davon auch nicht ausschließen.

Felix: Ich kack mir ja auch nicht selbst vor die Tür und finde das dann cool. Es ist ja selbstreferenziell und wir machen uns über uns selber lustig und stehen da trotzdem hinter und finden das gut. Genauso die Leute, die das hören. Die sehen sich da auch widergespiegelt und finden es okay, dass da Leute sind, die sich über sie lustig machen. Dann fällt es denen vielleicht auch nicht so schwer, über sich selbst zu lachen.

Hannes: Ja.

Hannes, schreibst du auch die Musik bei BURNOUT OSTWEST komplett (wie bei TEAM SCHEISSE)?
Hannes. Ne, das machen wir zusammen. Mittwochs immer. Mittwochs ist Mid-Rock. Da setzten wir uns hin, ganz klassisch mit einem leeren Blatt und schreiben ein Lied.

Felix: Leeres Blatt und volle Kiste Bier, volles Blatt und leere Kiste Bier.

Hannes: Das ist die Waage.

Felix: Im Idealfall ist das alles nach fünf Stunden fertig.

Das macht ihr tatsächlich regelmäßig?
Hannes: Seit ein paar Monaten etwas weniger, aber wir haben das locker ein Jahr durchgezogen, das wir uns jede Woche wirklich einmal getroffen haben und jede Woche ist ein Lied dabei rausgekommen.

Felix: Hobbys müssen ernst genommen werden.

Hannes: Ja.

Ihr habt letztes Jahr drei Tapes rausgebracht, jetzt aber schon länger nichts mehr.
Hannes: Der Computer ist voll.

Felix: Und es sind Ferien.

Hannes: Sommerloch, muss immer strategisch beachtet werden. Wir würden gerne was releasen, haben auch über Platten nachgedacht, aber das dauert ja gerade zehn Jahre.

Felix: Wir haben neue Sachen fertig und wollen auch weitermachen. Da kommt also bald was.

Duos liegen im Trend, selten kommen sie ohne Schlagzeug aus. Wie kann das sein und warum vermisse ich das bei euch nicht?
Felix: Ich vermisse das auch nicht, da muss immer so viel getragen werden und es dauert immer so lange ein Schlagzeug aufzubauen.

Hannes: Bei uns ist 90% von der Probe labern und Menschen hinterm Schlagzeug spielen beim Labern immer Schlagzeug.

Felix: Deswegen dauert die Probe auch immer so lange.

Hannes: Deswegen wird das alles eingetippt.

Da wird in den Songs manchmal auch ganz schön gehasst. Seid ihr manchmal verbittert?
Felix: Wir sind sogar manchmal glücklich.

Hannes (muss laut lachen): Verbittert? Nein, das ist ja immer mit einem Augenzwinkern, selbst der Hass.

Felix: Es ist alles überzogen. Ich bin kein verbitterter Mensch.

Hannes: Und es schimpft sich so einfach am besten. Lieder, in denen geschimpft wird, sind geiler als Lieder, in denen nicht geschimpft wird. Dafür brauche ich keine Musik.

Viele Songs von euch handeln von der Subkultur. Was ist euch daran wichtig und wo fängt für euch Subkultur an und wo hört sie auf?
Felix: An der Theaterkasse. Für mich ist an einer Subkultur wichtig, dass sie offen ist für möglichst viele Menschen und möglichst wenige Barrieren hat. Und dass eine Subkultur empowernd ist. Dass eine Subkultur ein Gefühl erzeugt, dass die Menschen besser durch den Alltag kommen und den Alltag verbessert.

Hannes: Klar, das ist die ideale Subkultur, ist nur die Frage, ob das der Realität entspricht. Wir bewegen uns in einer Subkultur, die genauso schön ist, wie sie scheiße ist, wenn wir uns Punk im erweiterten Sinne mal angucken. Aber ich finde, wie wir das angehen, auch mit TEAM SCHEISSE jetzt, die ganze AJZ Rutsche haben wir übersprungen und spielen große und aus meiner Sicht unpersönliche Läden und ich finde das was wir machen, ist viel persönlicher, wir spielen viel mehr mit dem Publikum und machen mehr selber.

Das machen wir so im Proberaum und stellen es anschließend ins Internet und Leute können sich das anhören. Das ist für mich voll der schöne Blick auf Punk. Mit einfachen Mitteln etwas machen.

Felix: Punk schützt vor Scheiße nicht.

Ich habe ja eben mit SCHEITERN.DREITAUSEND gesprochen. Melanie sagte, sie würde es viel geiler finden, wenn TEAM SCHEISSE mit BURNOUT OSTWEST den Slot tauschen würde.
Felix: Ich bin echt eine Schlafmütze und gehe nicht gerne so spät ins Bett.

Hannes: Ich habe gesagt, wenn wir nach 22:00 Uhr spielen, trete ich in Schlafanzug auf.

Felix: Außerdem sind die Leute um 21:00 Uhr noch konzentrierter.

Hannes: Wir machen kein Konzert, sondern eine Aktion. Dafür brauchen wir ein konzentriertes Publikum.

Okay. Ein paar Wörter zu 24/7 DIVA HEAVEN bitte.
(Erst mal schweigen.)

Oh, das ist viel.
Hannes: Nein, nein, nein, mir fällt nur gerade so was ein wie „krasse“ Band.

Felix: Oder ich habe sie leider immer noch nicht live gesehen. Wird sich heute zum Glück ändern. Ich freue mich voll für die, dass die jetzt auch mit den BEATSTEAKS spielen und die Messages, die die vertreten, finde ich ganz klasse. Ich habe nur eben kurz Hallo gesagt, ganz nette Leute. Da freue ich mich richtig drauf. Das finde ich nämlich richtig gut, dass die nicht um 00:00 Uhr auftreten.

Hannes: Genau, die müssen ja nicht nach den Pimmel-Rockern auftreten.

Das war’s schon.

Erstaunlich, wie viele Menschen im vollen Zelt textsicher sind. Dieses komische Internet-Ding scheint für Bands wirklich praktisch zu sein. Es wird getanzt und gesungen. Das iPad zur Unterstützung von Keyboards (Felix) und Gitarre (Hannes) haben die Punks vergessen aufzuladen.

Bei Konzertbeginn hat es einen Akkustand von 3%. Das ist nicht viel, hält aber bis zum Ende durch, da ist das Gerät sogar bis auf 7% geladen. Songs wie „2. Mai am Tresen“ und Slogans wie „Früher warst du Hausbesetzer, heute bist du Hausbesitzer“, finden großen Anklang. Sogar Dolf schaut mal vorbei und lässt das Konzert regungslos über sich ergehen. Der Rest ist dafür durchaus bei der Sache und hat sichtlich Spaß.

Wie für alle Bremer Bands des Abends mit Ausnahme von TEAM SCHEISSE sicherlich das bisher publikumsreichste Konzert der jeweiligen kurzen Band-Autobiografien.
War die Stimmung den ganzen Tag über schon locker und gelöst, so steigert sich die Laune nach der Ankunft von 24/7 DIVA HEAVEN noch mal merklich. Sie sind laut, lustig und haben Bock, auf den Tag, die Musik und neue Leute kennenlernen. Diese Euphorie überträgt sich spürbar auf alle anderen Anwesenden hinter der Bühne.

Mit 24/7 DIVA HEAVEN hatte kürzlich bereits Roland fürs TRUST gesprochen. Deswegen steht hier einmal der Versuch, etwas andere Fragen zu stellen. Außerdem habe ich versucht, das Interview eher kurz zu halten, was sich bei den Dreien etwas schwieriger gestaltete, denn jede der drei wirft der anderen ein Stichwort zu und eine Geschichte nimmt ihren Lauf.

Manchmal hat es gar den Eindruck, als würde die Band sich gerade erst (oder wieder neu) kennenlernen. Es ist übrigens auffallend, das mit Ausnahme von MÜLHEIM ASOZIAL jede Band darauf achtet vollständig oder nahezu vollständig zum Interview zu erscheinen, damit keine:r übergangen wird oder eine Meinung nicht vertreten ist. So ist das auch bei Katharina, Karo und Mary.

Seid ihr echte Berlinerinnen und wie ist das jetzt so in der Provinz, was ja alles außerhalb von Berlin ist?
Karo: Also ich bin eine echte Berlinerin und ich war noch nie in Bremen und habe bis auf dieses Festival nicht viel gesehen, aber ich finde, das ist alles andere als Provinz. Bremen ist ja eine größere Stadt, wie kommst du darauf, das als Provinz zu bezeichnen? Das ist ja sogar ein Stadtstaat.

Auch noch ein Zwei-Städte-Staat.
Mary: Oh ha, das ist eine neue Wortkreation.

Karo: Wenn alles außerhalb von Berlin Provinz ist, mag ich die Provinz sehr gerne. Die anderen kommen ja aus der Provinz.

Mary: Ich komme aus einem Kaff. Für mich ist alles über 700 Personen groß.

Katharina: Ich wollt es gerade sagen, für mich ist das riesig.

Was inspiriert euch textlich und musikalisch?
Karo: Textlich muss da Katharina was zu sagen.

Katharina: Na ja, schon immer alles Politische. Unsere Texte sind schon sehr politisch. Was auf unserem Album stattfindet, sind überwiegend Songs, die aus dem aktuellen politischen Tagesgeschehen entstanden sind. Sei es die Black Lives Matter Bewegung oder die Wahl damals von Trump oder die aktuelle MeToo und Sexismus Debatte.

Mary: Klimawandel.

Katharina: Klimawandel, obwohl es auch einen Quatschsong gibt. „Topped with cheese“ zum Beispiel. Aber das ist eher die Ausnahme. Irgendwie leitet es mich dann doch immer wieder dahin, etwas zu schreiben, was ein bisschen Gehalt hat.

Mary: Würde in der aktuellen Situation auf der Welt wahrscheinlich auch nicht funktionieren. Wie kann eine:n das nicht interessieren?

Katharina: Es kann sich natürlich auch bewusst dafür entschieden werden, alles sein zu lassen und über Quatsch zu singen, um den ganzen Kram kurz zu vergessen. Aber so jemand bin ich nicht.

Würdet ihr euch als ernste Band beschreiben?
Karo: Als Ärzte?

Mary: Als eine Ärzte-Band?

Karo: Wir sind eine Ärzte-Band. Die Hosen finden wir, glaube ich, alle scheiße.

Mary: Ja, wir sehen uns als Ärzte-Band.

Katharina: Ich sehe uns schon als ernste Band, aber auch mal mit Quatsch. Da ist auch viel Ironie mit dabei und Augenzwinkern.

Karo: Wie die Ärzte halt.

Mary: Wir sind eine ernste Ärzte-Band. Und Ärzte Fans.

Katharina: Es ist schön, Sachen durch die Blume zu sagen und etwas offenzulassen. Das finde ich auch nett. Ich finde, wir müssen uns nicht immer in irgendwas reinpressen lassen. Dann sind wir schnell in einem bestimmten Genre und müssen uns so anziehen und passende Texte schreiben. Da ist es besser, das aufzubrechen und das so zu machen, wie wir das lustig finden. Denn wir finden uns manchmal ja auch selber lustig.

Ich finde, das war früher strikter getrennt. Da gab es Bands, die ihren Kram extrem ernst genommen haben und das Gegenstück wie Funpunk. Und in den letzten Jahren hat sich das eher durchmischt. Die Musik und die Texte können von einer Band ernst genommen werden, ohne den Spaß am Ganzen zu verlieren.
Katharina: Ich würde uns auch so sehen, wenn du es so ausdrückst. Ich weiß nicht, wie ihr das seht.

Mary: Ich komme auch aus dem Punk und da war das natürlich auch der Spaß, aber auch der Ernst war vorhanden. Uns bewegen da Themen, die uns abfucken.

Karo: Das ist ja gerade im Punk so. Es gibt die, die übers Bier saufen singen und die, die politische Ungleichheit auf den Tisch packen und es gibt die, die beides zusammen machen.

Genau. Die letzte Art von Band ist in den letzten Jahren größer geworden, finde ich.
Karo: Das ist ja auch richtig so.

Katharina: Ja, finde ich auch.
Mary: Wir hören aber auch gerne jede Menge Quatsch und es ist kein Ausschlusskriterium, nur ernste Musik zu machen.

Katharina: Aber es ist ja ein Unterschied, was wir selber machen wollen oder auf natürliche Weise aus uns rauskommt, als was wir privat hören.

Was hört ihr denn privat?
Katharina: Das ist schon unterschiedlich.

Karo: Voll.

Katharina: Wir können uns schon auf Sachen einigen und haben alle eine Punk-Sozialisation und alle auch so eine Grunge-Vergangenheit. Aber dann unterscheidet sich auch wieder viel. Ich bin eher Old-School, Alternativ Rock Fan geblieben.

Karo: Ich bin voll der DAF Fan, ich mag Synthis und miese Beats. Elekropunk könnte es genannt werden. Oder halt SLAYER.

Mary: Oder eben L7. Aber ich muss ganz ehrlich sagen, ich habe manchmal auch nichts gegen eine TLC 90’er Klatsche.

Katharina: Dagegen haben wir alle nichts.

Mary: Spice Girls, Britney.

(Es beginnt eine heitere Diskussion, die mit Acid Arab endet und auf Band ganz lustig ist, aber im getippten Zustand den Reiz verliert. Daher hier ein Sprung zur nächsten Frage.) Euer Label hat eine Anzeige geschaltet, da steht Music for minorities. Macht ihr das?
Karo: Ich glaube, da wir nicht nur im Kapitalismus, sondern auch im Mainstream leben, ist das was unser Label vertritt Music for minorities. Ich glaube, das ist eher so zu verstehen. Das jegliche Rockschiene, wie wir sie zum Beispiel fahren, das sind ja immer noch kleine Szenen, nicht für die breite Masse gemacht ist.

Mary: Wir sind nicht die, die 10.000 Klicks oder Follower erreichen. Was eigentlich schade ist, denn in dieser Undergroundszene, in der wir uns bewegen, sind total viele geile Bands am Start.

Karo: Ich finde das überhaupt nicht schade. Ich finde es total gut, dass es Underground ist und nicht alle Leute toll finden und es zum Mainstream wird.

Mary: Das stimmt. Manchmal finde ich es schade, wenn eine meiner Lieblingsbands nicht gehört wird. Und es ist schade, wenn die nicht so viele kennen und ich denke, ihr müsst die doch so lieben, wie ich die liebe, weil das ganz viel Positives mit mir gemacht hat. Das meine ich damit.

Katharina: Ja. Ich finde das schwierig mit dem Mainstream oder nicht Mainstream, am Ende stecken wir da alle viel Zeit rein. Es ist dann schön, wenn die Musik gehört und verbreitet wird. Die Frage ist ja, was dafür getan wird, um dort hinzukommen.
Dann kommen wir schon zum Ende. Ein paar Wörter bitte zu TEAM SCHEISSE.

Karo: Ein paar Wörter zu TEAM SCHEISSE? Ich sag nur so viel: „Plastikflaschen und Dosen, sammele ich auf dem Balkon, Plastikflaschen und Dosen, ich freue mich schon auf den Bon, Piep, rein ins Loch, Piep, rein ins Loch“, ich freue mich auf TEAM SCHEISSE – „willst du mein Freund sein“.

Katharina: Ich würde es genauso unterschreiben.

Während ich auf das Interview mit TEAM SCHEISSE warte, sitzen Kira (von TEDDIES KNEIPE), Melanie (von SCHEITERN.DREITAUSEND) und Karo (von 24/7 DIVA HEAVEN) zusammen an einem Tisch und unterhalten sich. Karo empfiehlt, sich unbedingt um eine Förderung zu kümmern, weil ein Album anders nicht finanzierbar ist. Also eine komplett konträre Meinung zu der von Bene am Nachmittag.

Melanie hört interessiert zu und Karo teilt gerne Kontakte. Wie auch immer zu solche Förderprogramme gestanden wird, diese Form von Solidarität, sich gegenseitig helfen und unterstützten und, ja auch kennenlernen, sind ungemein wichtig für eine aufstrebende Szene, die vielleicht auch etwas anderes machen will, als es in der Vergangenheit der Fall war.

Empfand ich Katharina während des Interviews noch als die ruhigsten von den dreien, ist davon auf der Bühne nichts mehr zu spüren. Kopf in Nacken, Haare fliegen lassen, Zunge rausstecken, es ist alles da, was seit Jahrzehnten zum Rock’n’Roll dazugehört.

Die Band ist laut, heavy und hat sichtlich Spaß an dem Auftritt. Zum ersten Mal lohnt sich die Lichtanlage wirklich. Ich habe S. leider im Getümmel verloren, dafür aber alte Freunde gefunden. Noch während des Sets von 24/7 DIVA HEAVEN füllt sich das Zelt weiter. Ich stehe am Rand, weil es wirklich voll ist, und bekomme leider nicht alles mit. Allerdings scheint es noch voller zu gehen. Eine halbe Stunde nach dem Auftritt von 24/7 DIVA HEAVEN sind TEAM SCHEISSE dran.

Kurzes Update! Was ist seit unserem letzten Interview bei euch passiert?
Simon: Das ist schwierig, in ein oder zwei Sätzen zu beantworten. Jedenfalls haben wir jede Menge Konzerte gespielt, mit vielen netten Menschen, die vorbeigekommen und im Kreis gesprungen sind. Es gab Verletzte, viel Freude, viel Bier. Das ist im Großen und Ganzen passiert.

Hannes: Ich habe Campino kennengelernt. Als wir das Interview gemacht haben, haben wir noch darüber geredet, wo das wohl hingehen mag. Ich habe seitdem immer ein Bild vor Augen, wie ein Backstein auf einem Gaspedal liegt. Das hat sich alles richtig überschlagen. Konzerte, Booking Agentur, beim Label gleich das nächste Release fertiggemacht.

Arbeitet ihr an einem neuen Album?
Simon: Ja. Und wir haben auch eine Single fertiggemacht, die kommt noch im Sommer. Wir warten nur noch, dass die Platten ankommen. Das Album kommt dann im Frühjahr raus.

Hannes: Auf der Single sind ein oder zwei Songs drauf, die auf dem Album nicht passen würden.

Habt ihr manchmal Schiss, dass das alles nur ein riesiger Hype ist?
Simon: Ja. Irgendjemand wird rausfinden, dass wir Hochstapler sind und dann war’s das für uns.

Hannes: Einen Witz nacherzählen ist nur einmal lustig. Ganz bescheiden gesagt, das neue Album wird sehr gut werden. Ähm, also, es könnte schon funktionieren.

Simon: Das wäre auf jeden Fall eine Sicherheit. Wenn die Releases jetzt gut laufen, hätte ich weniger Panikattacken.

Hannes: Mich hat das Schreiben der Songs schon fertiggemacht, immer den Gedanken zu haben, jedes Stück muss das neue „Karstadtdetektiv“ werden. Das ist natürlich total dumm, hat bei mir aber gedauert, das abzulegen und es anzunehmen, wenn die Lieder anders klingen oder erst mal komisch anmuten. Die kommen trotzdem aufs Album und es muss nicht der Hit sein.

Die letzte Frage und dann schließt sich der Kreis heute auch eigentlich immer in Bezug zur nächsten Band, aber die gibt es nach euch ja nicht mehr, daher zur ersten Band. Ein paar Wörter zu MÜLHEIM ASOZIAL.
Simon: Ich habe da gar keinen persönlichen Bezug, außer dass es vielleicht das heftigste Punkkonzert war, auf dem ich je war, MÜLHEIM ASOZIAL in Bremen, in der Spedition, auch mit pogen und so und der mittendrin das Konzert abgebrochen hat, weil jemand sein T-Shirt ausgezogen hat. Das hatte ich in dem Kontext nicht erwartet. Es folgte eine Mega-Diskussion, die dauerte bestimmt zehn Minuten. Aber das fand ich auch geil. Eine Band kann albern sein und saufen und trotzdem so ein Standing haben.

Danke!

Kurz vor Konzertbeginn fängt es erneut zu regnen an. Das Zelt ist brechend gefüllt und noch immer versuchen sich Menschen irgendwie durch- und reinzudrängen, mal auf die sanfte und mal auf die unsympathische harte Tour. Aber es ist schlichtweg nicht mehr möglich, so dicht gedrängt stehen die Massen. Und es muss einfach an dieser Stelle noch mal erwähnt werden, ein Rucksack auf dem Rücken bedeutet einen Platz weniger vor der Bühne!

Bei der Band folgt dann Hit auf Hit und es werden neben den Titeln vom Album „Ich hab dir Blumen von der Tanke mitgebracht, (jetzt wird geküsst)“ sogar Songs von den beiden Tapes gespielt, die irgendwann vielleicht sogar mal Wert haben könnten, zumindest solange es mit TEAM SCHEISSE in dieser Geschwindigkeit weitergeht. Was sehr zu wünschen wäre.

Denn wie John von SCHEITERN.DREITAUSEND es im Interview schon richtig erkannt hat: TEAM SCHEISSE bringen Bremen auf die Karte. Vor allem eröffnen TEAM SCHEISSE anderen Bands wie TEDDIES KNEIPE oder eben SCHEITERN.DREITAUSEND nicht nur Auftrittsmöglichkeiten sondern, und das ist fast noch wichtiger für eine junge Band, Konzerte in anderen Städten.

Was zeichnet eine Szene aber aus? Egal ob sie in Seattle oder Hamburg entsteht, ein paar Dinge haben diese Szenen immer gemeinsam. Da wären zunächst erstmal natürlich die Bands, welche zwar niemals gleich oder auch nur ähnlich klingen, die aber stets die gleiche Herangehensweise an Musik haben. Es gibt immer einen Ort mit Auftrittsmöglichkeiten, in der Regel einen Produzenten, der für den Sound verantwortlich ist und sowohl ein Medium zur Dokumentation und Verbreitung, wie ein Label, welches die Bands eine Möglichkeit zur Veröffentlichung gibt.

Es scheint in Bremen also etwas zu entstehen. Es gibt einen Ort (das HORNER ECK) als zentralen Treffpunkt, Simon von TEAM SCHEISSE baut ein Studio auf und nimmt Bremer Bands auf, Felix von BURNOUT OSTWEST veranstaltet Konzerte, ein zarter Anfang einer Dokumentation hat mit diesem Text begonnen und statt einem Label bietet das Internet genügend Möglichkeiten, Musik zu verbreiten. Es scheint alles in Bremen zu passen. Der Geburt einer neuen Schule. Watch out!

Texte und Interviews: Claas Reiners
Mitarbeit: Kira Sackmann

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