Januar 14th, 2020

BE-PART.FESTIVAL (#136, 2009)

Posted in interview by Thorsten

„be part of the scene, not just the scenery“

D.I.Y. ist Herzenssache aber dennoch eben leichter gesagt als wirklich getan. Die Stuttgarter „be part of the scene, not just the scenery“ gründeten sich 2002 als Konzertveranstaltungsgruppe. Mittlerweile veröffentlicht das D.I.Y.-Projekt Platten, bucht Tourneen und gönnt sich mit dem alljährlichen Be-Part.Festival gleichermaßen Stress wie Belohnung. Muss ja auch Spaß machen, dieses verdammte Non-Profit-Leben.

Wo hört „Scenery“ auf und wo fängt die „Scene“ an?

Der Titel „be part of the scene, not just the scenery“ bezeichnet ein D.I.Y.-Projekt. [D.I.Y. = Do it yourself, bezeichnet einen Bewegung der 50er Jahre in England und bedeutet einfach „mach es selbst“. Dies wurde dann schnell in den 70er Jahren von der Punk- und Hardcore-Subkultur übernommen.] Der hauptsächliche Inhalt ist es, die D.I.Y. Punk-Scene, ihre Musik und den strikt antifaschistischen politischen Kontext zu fördern. Die Musik, die wir supporten ist Punk, ist Hardcore, ist Crust die mit unseren Ideen Hand in Hand geht und Teil des internationalen D.I.Y.-Netzwerkes ist. Be-Part ist 100% unkommerziell und orientiert sich an keinerlei Profit. Mit dem Slogan „be part oft he scene, not just the scenery“ ist eben der Punk als Fundament und die Möglichkeiten zu sehen, sich selbst zu entfalten und außerhalb gängiger Mainstream-Werten zu denken und zu handeln. So ist Be-Part ein fettes „Fuck You“ an die kommerzielle Kultur und den Lebensstil. Wir sehen uns selbst als ein vom Anarchismus inspiriertes Projekt mit flachen Strukturen – d.h. Entscheidungen werden im gemeinsamen Konsens getroffen. So ist es eben an jedem einzelnen mit seinem eigenen Engagement ein Teil der Scene zu sein und nicht nur sich als Scenery zu bezeichnen.

Was unterscheidet das Be-Part.Festival von anderen Festivals?

Be-Part veranstaltet nicht nur dieses Festival sondern auch eine Menge anderer Shows (mehr unter www.be-part.org). Das Be-Part.Festival, welches den jährlichen Höhepunkt bezeichnet, arbeitet 100% non-profit, d.h. alle HelferInnen sind Volontäre und sämtlicher Profit – welcher sich wegen geringen Eintrittspreisen etc. im Rahmen hält – wird an D.I.Y.-Projekte, Squats etc. gespendet. Die Bands aus aller Welt welche auf dem Festivals spielen, machen dies ausschließlich für Spritkohle, warmes veganes Essen und eine Hand voll Drinks und dem guten Gefühl hinter dieser Idee zu stehen.
Das Festival ist ein Treffpunkt der realen Punk-Szene. Es geht maßgeblich darum Freunde aus allen Ländern und Städten mal wiederzutreffen, Erfahrungen auszutauschen sich zu informieren, Spaß zu haben und die Bands zu genießen. Was auch eine Besonderheit ist: das Festival läuft immer gewaltfrei ab. Nebenbei gibt es dann noch ein Fußballturnier, einen Skate-Contest, Workshops zu den unterschiedlichsten Themen und antifaschistische Info-Veranstaltungen, Büchertische sowie Platten- und vegane Delikatessen, die unter anderem vom LKVS e.V. unterstützt werden – einem Hausprojekt, das sich das Ziel gesetzt hat mittels Miethaussyndikat ein autonomes Zentrum zu erschaffen. Das Festival trägt dazu bei, die Szene aus Punk, Hardcore und Crust am Leben zu halten, ihr Freiräume zu schaffen und immer neue Ideen verwirklichen zu können. Festivals dieser Art gibt es weltweit einige pro Jahr und das Einreisegebiet ist riesig. Gäste aus Schweden, Finnland, Norwegen, selbst Südafrika und den USA sind nicht selten.

Ist Abgrenzung im Hardcore-Bereich mittlerweile wichtig?

Der Begriff Hardcore heut zu Tage beschreibt ein Spektrum von politisch korrekt bis mittlerweile rechtsextrem. Z.B. die rechte Szene hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Linke Symbolik wurde übernommen und mit rechten Inhalten neubesetzt. Eine vergleichbare Entwicklung ist auch beim Hardcore zu finden. Auch gibt es unserer Ansicht nach eine HC-Generation, die mit den wirklichen Roots nichts gemeinsam hat und auch kein politisches Bewusstsein hat nachdem Punk und Hardcore durch H&M, Bravo etc. salonfähig gemacht wurde und überall Kids auf den Straßen zu sehen sind, die das nur als Trend erleben – ist es für uns sehr wichtig den Mainstream von den wirklichen D.I.Y.-Projekten, dem wirklichen Punk und Hardcore zu trennen. Allerdings sind wir auch offen und bereit solchen Kids den wahren Punk näher zu bringen.

Ist D.I.Y. heute leichter oder schwerer als früher?

Im Zeitalter der digitalen Medien ist natürlich jegliche Kommunikation vereinfacht. Was z.B. das Buchen von Bands angeht macht es eine Mail natürlich sehr viel leichter Konzerte klar zu machen. Ich kann mich noch an Zeiten erinnern in denen wir mit unserer Band sehnsüchtig auf die Post gewartet haben um die entsprechende Wegbeschreibung zu bekommen. Ebenso ist es heute einfacher mit anderen lokalen Stuttgarter HC und Punk Projekten wie z.B. DRASTIC ACTIONS, OUR WORLD oder auch FUCKYOUINTHEHEAD-RECORDS in Stuttgart zusammenzuarbeiten, wie sich im internationalen D.I.Y.-Network abzustimmen oder auch einfach mal einen Kontakt zu einem D.I.Y. Record-Label in Indonesien aufrecht zuhalten. Auch die Kommunikation mit Locations ist um einiges vereinfacht, so dass wir innerhalb von ein paar Sekunden z.B. von unserem Hauptveranstaltungsort, dem KOMMA in Esslingen (www.komma.info) auf eine Terminanfrage eine Antwort bekommen und mit deren Unterstützung und Mitarbeit rechnen können. Dies alles hilft natürlich den D.I.Y. Gedanken weiterzutragen und somit ist die Stuttgarter Szene von Punx und HClerInnen stark miteinander verbunden und es ist nicht selten, dass wir mit anderen Projekten zusammen Lesungen oder Shows veranstalten bzw. neue Locations für Veranstaltungen ausprobieren.
Das waren die medialen Vorteile gegenüber früher. Da Punk auch noch im Trend ist, ist es momentan auch einfacher Shows in Clubs zu buchen, was allerdings nicht unser angestrebtes Ziel ist. D.I.Y. widersetzt sich eben und deswegen wird es nie leichter sein. Bester Beweis der nahen Vergangenheit ist die Räumung des selbstverwalteten OBW9.

Warum lasst ihr euch nicht von Großkonzernen sponsern? Die stehen doch auf Jugendkultur.

Wisst ihr das, dass es nicht so ist!? Gibt es Sponsoren? Wenn ja … scheißegal – wir nehmen die Kohle und machen unser Ding damit!!!
Im Ernst – brauchen wir das noch zu erwähnen, nach den Statements in den voraus-gegangenen Fragen? Naja gut: alles was mit Geldmacherei zu tun hat wird von uns strikt abgelehnt! Großkonzerne stehen auf die Jugendkultur nicht der Jugend wegen sondern wegen ihren dicken Brieftaschen. Wie es schon immer war, es wird nicht das Besondere, nicht der wirkliche Gedanke, die Idee bedient, sondern der dicke Geldbeutel. Sicherlich könnten wir mittlerweile einige Sponsoren gewinnen, so denken wir. Aber das ist auch völlig unwichtig, weil uns das nicht interessiert, da wir niemals was bewerben, was sich nicht mit unseren Ideen vereinbaren lässt. So machen wir alles selbst – vom Plakat bis zur Internet-Seite, von der Bandauswahl bis hin zum Buchen der Flüge. Eben die ganze Orga ist D.I.Y.!!! So bewerben wir z.B. gerne die Fotoseite von XembraceX (www.xembracex.de) auf unserem Festival-Plakat, die wiederum sich mit selbst fotografierten Bildern von D.I.Y.-Shows schmückt, da jene Leute uns bei dem Festival unterstützen – nicht mit Geld sondern im Sinne von D.I.Y. !!! Aber niemals werden wir dies mit einem Großkonzern, der den Großkapitalismus wiederspiegelt machen. Außerdem ist das Festival so gut wie es ist. Unsere Strukturen sind so gut, dass wir genau die Leute erreichen, die wir erreichen wollen … und wer bereit ist „part of the scene“ zu sein, wird sich auch erreichen lassen und für die Leute sind wir auch offen.

Danke für das Interview.
Text: Michael Setzer

(Anm. des Uploaders: Die dem Interview beigefügten weiterführenden Links funktionieren leider im Januar 2020 nicht mehr und wurden deshalb weggelassen)

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