Dezember 31st, 2023

Åbstand (#217, 2022)

Posted in interview by Thorsten

Im letzten Jahr erschien mit dem Åbstand ein Metal-Fanzine, welches mehr zu bieten hat, als die üblichen Interviews und Reviews. Die erste Ausgabe ist in Teilen sehr politisch und auch äußerst kritisch im Umgang mit der eigenen Szene. Ich persönlich finde solch einen Ansatz immer sehr erfrischend, denn nichts ist langweiliger als endlose und gegenseitige Lobhudeleien. Alles ist im Fluß, Dinge verändern sich und nichts ist für die Ewigkeit. Auch im TRUST gab es ein positives Review, was für mich der Anlass war, ein Interview mit Gordon und Trixie zu führen, die Teil des Åbstand-Teams sind.

Hallo Gordon; Hallo Trixie! Vielen Dank für euer Interesse an diesem Interview! Normalerweise kenne ich solche politiklastigen Fanzines wie das Abstand eher aus der Punkwelt. Was waren eure Gründe, dieses Fanzine ins Leben zu rufen?

Gordon: Hej Klaus. Es ist eine Freude dabeizusein! Die erste Ausgabe vom Åbstand ist sicherlich recht politiklastig geworden, da gebe ich Dir recht. Aber wir schreiben auch gerne z.B. über die gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Zusammenhänge der Metalwelt. Ich würde uns so einschätzen, dass wir weniger ein Fanzine für Metal und Politisches als eher ein ‚Zine mit Neigung zum Problematisieren machen. Die dahinterliegende Entstehungsgeschichte ist tatsächlich recht ungewöhnlich. Oft erwachsen solche Projekte ja aus der geteilten Passion jahrelanger Wegefährtinnen und -gefährten. Von uns kannten einander dagegen die wenigsten im Vorfeld; wir wussten weder, wie die jeweils anderen ticken, noch was sie sich von diesem Heft eigentlich erhoffen. Aber wir haben einen mit vielen weiteren Fans geteilten Erfahrungsraum, in dem wir immer wieder erleben müssen, wie wenig unsere Szene insgesamt bereit ist, sich kritisch mit ihren eigenen Defiziten auseinanderzusetzen. Und diese Defizite gibt es nunmal. Sie zu ignorieren hieße nur, sich in die eigene Tasche zu lügen.

Trixie: Haltungsfragen – auch politische – spielen seit Beginn eine zentrale Rolle bei uns. Allerdings würde ich Gordon zustimmen: Eigentlich geht es mehr darum sich kritisch mit dem eigenen Fandasein und allem, was dazugehört, auseinandersetzen, ohne den Spaß zu verlieren. Wir entscheiden jetzt nicht: „Ok, dieses Thema hat eine politische Relevanz, das kommt rein, wenn nicht, fliegt es raus.“ Es kommt aber schon vor, dass man sich beim Schreiben an einem Widerspruch abarbeitet, den man schon länger mit sich rumträgt und den man vielleicht auch gar nicht auflösen kann. Das muss jetzt nicht gleich die eigene Position zu einer Grauzonenband sein, vielleicht fragt man sich auch, warum man Heavy Metal-Ästhetik mal machomäßig-abstoßend findet und mal Kraft daraus zieht. Und deshalb dieselbe Manowar-Platte schon fünfmal ge- und wieder verkauft hat. Fangirlstruggles halt. Was mich stört, sind die häufig anzutreffenden todesbeleidigten Beißrexlexe, die einem entgegenspringen, wenn man bei sensiblen Themen fragt: Ist das wirklich ok so? Warum ist das so? Könnte es auch anders sein? Ich finde das unfassbar ermüdend, vor allem, wenn sich Fantalk dann stattdessen nur noch darum dreht, wer wann wo was für wieviel Geld gekauft hat, hier guck mal. Das hätten wir gern anders, und dann muss man halt selbst ran.

Ein lobenswerter Ansatz. Woran liegt es wohl, dass sich manche Menschen davor scheuen ihre Szene oder musikalischen Idole kritisch zu hinterfragen? Schließlich ist jede Szene kein besserer Gegenentwurf zu der existierenden Gesellschaft, denn man findet dort ebenfalls all die negativen menschlichen Eigenschaften wieder. Und grundsätzlich gibt es keine Heilige – jedes goldene Kalb sollte wenigstens einmal geschlachtet werden.

Gordon: Auf diese Frage kommen wir immer wieder zurück und sicher könnte man ein ganzes Bündel von Erklärungen ins Feld führen. Manche sind allgemeinerer Natur: Es ist ja kaum von der Hand zu weisen, dass man sich auch andernorts schwer damit tut, die eigenen Probleme frühzeitig anzugehen – ob das nun beispielsweise Rassismus im Fußball, Rechtsextremismus bei der Polizei, Autoritarismus im akademischen Betrieb, Geschichtsvergessenheit in der Bundeswehr oder jetzt wieder ganz aktuell Antisemitismus in der Kunst betrifft. Wenn die Identifikation mit der eigenen Gruppe hoch ist und die Leidenschaft für die Sache heiß brennt, dann fällt es natürlich schwer, gleichzeitig auf kritische Distanz zu den eigenen Aktivitäten zu gehen. Daneben gibt es sicherlich auch ein paar typische Tendenzen der Metalszene wie etwa die häufige Neigung, sich für „neutral“ und „irgendwie mittig“ zu halten und dem Trugschluss zu erliegen, damit könne man nichts falsch machen. Aber um mal exemplarisch ein methodisches Problem etwas konkreter zu benennen, das mir sehr am Herzen liegt: Oft erlebe ich, dass in Diskussionen rein binär geurteilt wird. Da gelten dann diese oder jene Band, der und der Text etc. entweder als schlimm und skandalös oder aber als völlig unbedenklich – Eins oder Null. An oder aus. Das scheint mir gefährlich kurz gegriffen, weil man sich so allzu leichtfertig der Illusion hingibt, dass diesseits einer roten Linie alles in bester Ordnung sei. Tatsächlich kann man aber überall – wirklich überall! – Problematisches finden, wenn man sich denn dafür interessiert. Und wir können nur davon profitieren, wenn wir uns offen damit auseinandersetzen.

Trixie: Ich denk auch, dass ich als denkender Mensch zum Draufhauen verpflichtet bin. Anderserseits: Es macht wenig Spaß. Fansein ist doch naiv am geilsten. Ich habe eben die neue Platte von Grim104 gehört, in der er erzählt, dass er sich von Musik gerade, als er noch gar kein Englisch verstand, vermutlich also als Kind, als er auch von dem ganzen Zirkus drumherum noch nichts wusste, so stark abgeholt fühlte, wie es ihm später nie wieder passieren konnte. Das würde ich von mir auch sagen, und jede Notwendigkeit einer kritischen Auseinandersetzung zerstört weiter meine Hoffnung, die totale Hingabe, die ich als Kind und Teenager gefühlt habe, könnte irgendwann wiederkommen. Was auch immer da für Grundbedürfnisse in einem angesprochen werden: Man wird sie möglicherweise für immer mit dem Schwert verteidigen, weil das, was man mit der Musik verbindet, einem emotional und auch für das Selbstverständnis überlebenswichtig scheint. Darüber hinaus stelle ich bei mir auch gewisse Ermüdungserscheinungen fest. Wenn ein Act problematisiert wird, kreist die Frage in der Regel darum, ob man den jetzt noch hören darf oder nicht. Dafür wird dann akribisch recherchiert und leidenschaftlich diskutiert, das kostet unfassbar viele Ressourcen und mündet in der Regel in der banalen Feststellung, dass das schon alle selber wissen müssen. Dass man da selbst als Interessierte:r nach ein paar Runden aussteigt und künftig lieber ein paar Stunden im Garten arbeitet, finde ich absolut nachvollziehbar.

Es scheint, dass manche Menschen immer auf der Suche nach einer perfekten, harmonischen Ersatzwelt sind, die quasi frei von jeglichem Makel ist. Eine absolut verständliche Einstellung, solange man dabei nicht den Draht zur Realität verliert oder sich in Extremen verliert. Äußerst interessant fand ich u.a. das Interview mit Lesley Knife. Könntet ihr euch vorstellen, mal ein Interview mit einem russischen oder ukrainischen Musiker zu machen bezüglich der aktuellen Lage?

Trixie: Kommt drauf an. Ich schaue jetzt z. B. nicht: Gibt es in einem repressiven System irgendeinen Kunstschaffenden, der uns etwas berichten kann? Wir sind ja kein Polit-Magazin. Ich wüsste nicht, warum ich etwa Gosudar, in deren Schaffen ich wenig Politisches erkennen kann, fragen sollte, wie das öffentliche Leben in Moskau gerade ausschaut und was die von dem Krieg halten. Andersrum: Wenn mich eine Band interessiert und die sich in einer politisch bemerkenswerten Situation befindet, und ihr ästhetisches Konzept das irgendwie anbietet oder sogar aufgreift, frage ich danach. Mortal Vision aus Dnipro z. B., da habe ich auch schon mal pietätlos angefragt, aber die haben wahrscheinlich gerade andere Probleme. Crossbringer aus Sankt Petersburg fände ich auch cool, auf ‚The Signs Of Spiritual Delusion‘ geht es um die Erosion von Wertesystemen, da hätte man auch so einen Bezugspunkt, wenn auch weniger konkret.

Gordon: Ich gehe da etwas anders ran als Trixie und entwerfe tatsächlich erstmal viele Ideen auf dem Papier, wovon die meisten aber irgendwann wieder in die Tonne wandern. Die Eskalation des Krieges in der Ukraine hat uns natürlich auch ziemlich aufgewühlt, deswegen sind die Antennen unweigerlich auch dorthin ausgerichtet. Aber ein solcher Beitrag müsste sowohl der Situation gerecht werden als auch einen Mehrwert haben. Bisher haben wir darum noch keine solchen Pläne, aber wenn morgen jemand von uns mit einer zündenden Idee um die Ecke kommt, würden wir die sicherlich weiterverfolgen.

Apropos Interviews mit Musikern – wäre es nicht mal an der Zeit Dan Fondelius von COUNT RAVEN (alte schwedische Doom Metal-Band) gründlich auf den Zahn zu fühlen? Im Abstand habe ich das einzige kritische Review zum aktuellen Album gelesen und ihr seid die Einzigen, bei denen ich mir ein sehr kritisches Interview mit ihm vorstellen kann. Ansonsten werden Fondelius‘ verschwörungstheoretische Sicht der Dinge ja gerne ausgeblendet. Da hab ich damals bei der ‚High On Infinity‘ auch noch gemacht, aber 1993 war auch noch eine andere Zeit, sprich Verschwörungstheorien waren damals glücklicherweise noch nicht so populär wie heutzutage.

Gordon: Da muss ich kurz einhaken: Ich denke nicht, dass Verschwörungstheorien früher weniger populär waren. Sie waren vielfach sogar so selbstverständlich, dass sie kaum als solche kritisierbar waren. Man denke nur an die Furcht vor kommunistischer Unterwanderung oder an das Gerücht über die Juden. Ich bin froh, dass solche Erzählungen heute eher als Problem erkannt werden als dies lange Jahre der Fall war. Aber zu den Texten von Count Raven: Ja, es ist echt bemerkenswert, wie leichtfertig über die hinweggegangen wird – damals wie heute. Und vielleicht ergibt sich ja auch mal am Rande eines Konzerts o.ä. die Möglichkeit zu einem offenen Gespräch mit der Band. Hinsichtlich eines regelrechten Interviews wäre ich allerdings sehr reserviert. Denn was könnte man sich davon versprechen? Eine Plattform für den Autor, um solche Aussagen zu rechtfertigen und zu verharmlosen? Oder andersherum um vorgeführt zu werden? Mich interessiert in so einem Fall der Text mit seinen Funktionsweisen und Wirkungen, und nicht so sehr die Intentionen der Menschen dahinter. An denen habe ich häufig nichtmal was auszusetzen. Aber „the road to hell is paved with good intentions“: Man kann mit den tollsten Absichten einen dummen und sogar gefährlichen Text fabrizieren. Darum reizt mich weniger die Frage danach, was sich jemand z.B. beim Schreiben eines vor antisemitischen Motiven überbrodelnden Textes wie dem von „Masters of all Evil“ gedacht (oder eben nicht gedacht) hat. Viel anregender ist es doch sich z.B. zu überlegen, warum wir Metalfans – und das schließt uns vom Abstand mit ein – das so locker hinnehmen konnten und können. Hören wir einfach nicht aufmerksam genug hin? Oder müssen wir vielleicht sogar eingestehen, dass uns antisemitische Klischees so vertraut sind, dass sie uns erschreckend gut reingehen? Solchen unerfreulichen Möglichkeiten müssen wir uns stellen. Und ich meine auch, dass das gerade im Metal besonders drängt, weil wir hier gerne mit Motiven arbeiten, die zwar unschuldig daherkommen, aber eben auch besonders anfällig für sowas sind. Für solche Fragen bieten sich Formate wie Essay, Analyse oder – wie in diesem Fall – auch mal ein Review eher an als ein öffentliches Interview. Dafür müssen wir allerdings in Kauf nehmen, uns etwas von der klassischen Fanzinekultur zu lösen, die ja oft darauf setzt, ganz dicht an die Künstlerinnen und Künstler ranzukommen.

Ich finde, dass z.B. in den 1980er oder 1990er Jahren Verschwörungstheorien wesentlich unpopulärer waren, weil sich einfach weniger Leute getraut haben, solch einen Unsinn auszusprechen. Abgesehen davon gab es noch keine sozialen Medien, die heutzutage für die Verbreitung solch absurder Theorien sehr wichtig sind. Aber zurück zu einem anderen Thema – ich habe gestern bei Arte die erschütternde Doku ‚#dreckshure‘ gesehen, die gezeigt hat, welchem Hass und welcher verbalen Gewalt heutzutage sehr viele Frauen im Internet ausgesetzt sind. Der alltägliche Sexismus, auch in Subkulturen, ist für mich einer der Wegbereiter dieser Form von Gewalt, auch wenn die Wurzeln generell wesentlich tiefer liegen, vergleichbar mit Rassismus und Antisemitismus. Wie ist eure Sicht der Dinge auf die Rolle der Frau in der Metal-Szene und wie weit verbreitet ist dort Sexismus? Könntet ihr euch vorstellen, die Thematik im ABSTAND mal zu behandeln?

Trixie: Geschlechteridentitäten und -gerechtigkeit sind auf jeden Fall Themen, die bei uns diskutiert werden und zu denen aktuell auch gearbeitet wird. Das seht ihr dann in den nächsten Ausgaben, ich möchte hier nichts vorwegnehmen. Ich selbst denke, dass es in diesem Bereich bei aller berechtigten Sorge subkulturübergreifend Entwicklungen gibt, die Mut machen, im Metal unter anderem durch Acts, die sich dazu klar positionieren, aus einem politisierten Umfeld kommen und trotzdem keine pädagogische Schiene fahren, wie die in unserem ersten Heft interviewten Nightmärr. Darüber hinaus zeigen bekanntere Acts wie Smoulder, wie traditionelle Metal-Narrative aus ihrer Maskulinität herausgezogen werden können und trotzdem verwertbar bleiben. Dadurch ist harte Musik vielleicht nicht mehr ganz so sehr Würstchenparty wie noch vor ein paar Jahren. In den 00er-Jahren habe ich viele Metalmagazine gelesen und mir fiel immer wieder auf, dass Musikerinnen in Liveberichten stark auf ihr Äußeres oder auf ihre Wettbewerbsfähigkeit reduziert wurden. So: „Shouterin xy brüllt ihre männliche Konkurrenz locker gegen die Wand und stellt darüber hinaus den optischen Höhepunkt des Abends dar.“ Ich muss zugeben, dass ich nicht weiß, ob heute noch so geschrieben wird.

Gordon: Eine der beklemmenden Thesen dieser Doku, die Du ansprichst, lautet ja, dass da eine ganze Erfahrungswelt ist, die mir als Mann kaum bekannt ist und die ich nur schwer greifen kann. Natürlich bin ich wie so viele andere spontan empört, wenn ich von sexualisierter Gewalt höre. Aber damit mache ich auch dummerweise ausgerechnet das zu einem außergewöhnlichen Ereignis – zu einem „Vorfall“ –, was für ganz viele Menschen tatsächlich wiederkehrender Teil des Alltags ist. Metalszene offenbar included. Vor einiger Zeit war ich mit ein paar Leuten auf dem Frost Punx Picnic. Das ist ja, glaube ich, bei Dir um die Ecke. Und da äußerte eine sehr metalerfahrene Bekannte zu meiner Überraschung, sie habe sich noch nie auf einem Konzert so sicher gefühlt. Das wirft natürlich auf der anderen Seite kein gutes Licht auf Metalkonzerte. Anscheinend habe ich auch nach mehreren Jahrzehnten immer noch viel zu wenig Ahnung davon, wie Besucherinnen solche Veranstaltungen erleben und was sie dort erleben. Deshalb kann es für alle Beteiligten nur hilfreich sein, wenn nicht-männliche Perspektiven mehr Raum einnehmen und wahrgenommen werden. Ich habe den Eindruck, dass das in einschlägigen Szenemedien auch zusehends geschieht, dass aber auch gleichzeitig das Echo darauf noch recht verhalten ist. Da kann mit Laina Dawes eine der zentralen Autorinnen zu dem Thema ein noch so anregendes Interview geben; es interessieren sich trotzdem mehr Leute für „Metal-Urgestein Udo Dirkschneider zeigt seine Grillkünste auf DMAX“.

Ja, dass AZ Mülheim ist nicht weit von mir entfernt. Dort ist es definitiv sicher für Frauen und ich kann mich nicht an irgendwelche sexuellen Übergriffe erinnern. Das gilt auch für Konzerte außerhalb vom Frost
Punx. @Trixie: Gerade das Reduzieren von Frauen auf ihr Äußeres, finde ich extrem nervig. Leider sind auch heutzutage hohlköpfige ‚Ausziehen‘-Rufe kein Relikt aus vergangenen Jahrzehnten, aber es scheint das diese Volltrottel weniger werden. Zumindestens hoffe ich das… Nun gut, wann erscheint denn die neue Ausgabe? Könnte es sein, dass ihr keine festen Veröffentlichungstermine habt?

Trixie: Wir hoffen, dass #2 noch dieses Jahr erscheint. Wir arbeiten in einer für Fanzine-Verhältnisse recht großen Gruppe und mit Gastbeiträgen, da ist es manchmal schwierig einzuschätzen, wann alles wirklich fertig ist. Eine Ausgabe pro Jahr wäre aber schön. Wie jedes innovative Startup arbeiten wir natürlich bereits daran die Prozesse zu optimieren.

Dann hoffe ich, dass euch die Optimierung gelingt, denn es gibt bestimmt einige Menschen, die sich über eine höhere Veröffentlichungsfrequenz freuen würden. Wie war denn bisher die Rückmeldung bezüglich der ersten Ausgabe? Gab es auch negative Kritik?

Trixie: Die Rückmeldungen waren überwiegend positiv, wir bekamen häufig gespiegelt, dass wir da einen Platz einnehmen, der bisher wohl weitestgehend leersteht, für den es aber durchaus eine Zielgruppe gibt. Sonst gab es ein paar inhaltliche Anregungen, weil jemand zu einem Thema eine andere Haltung hatte (z. B. dem Grauzonenartikel), aber das wünschen wir uns ja auch.

Gordon: Zunächst mal waren wir schon von der schieren Zahl der Käufe ziemlich überwältigt. Wir haben zwei unseres Erachtens hoch angesetzte Auflagen innerhalb weniger Tage ausverkauft. Und dem Feedback von Leserinnen und Lesern zufolge teilen wohl etliche aus der Szene unseren Wunsch nach mehr offener, kritischer Auseinandersetzung, ohne auf pompöse Skandale zu setzen. Das macht natürlich Mut, zumal solche Rückmeldungen auch mitunter von Leuten kamen, die nicht immer inhaltlich unserer Meinung waren. Wieder andere äußerten, dass sie sich im positiven Sinne irritiert und vor den Kopf gestoßen fühlten und dadurch ins Nachdenken über manche vermeintliche Selbstverständlichkeiten kamen. All sowas ist klasse, denn im besten Fall schließen unsere Beiträge ja nicht Diskussionen ab, sondern eröffnen sie. Etwas verhalten zeigte sich eigentlich nur ein Rezensent, der in unserem Heft den roten Faden vermisste. Ich habe den Eindruck, dass es ihm darum ging, wie schwierig die beigeisterten Fanbeiträge – solche haben wir ja durchaus auch im Heft – mit den analytischen und problematisierenden Artikeln zusammenzubringen sind. Dem muss ich insofern recht geben, als wir da tatsächlich zusammen mit vielen anderen Metalheads in einem Spannungsfeld sitzen. Ich hoffe aber, dass wir auf Dauer plausibel machen können, dass das überhaupt kein Widerspruch ist. Dass man gleichzeitig Fan und Anti-Fan sein kann.

Es freut mich, dass die Resonanz auf die Erstausgabe so positiv war. Ich persönlich finde, dass eine Sensibilisierung für Themen wie z.B. Sexismus und Rassismus grundsätzlich immer wichtig ist. Viele fühlen sich wahrscheinlich in ihrer Wohlfühlblase gestört, aber genau das zeigt, dass ihr alles richtig macht. Hm, der rote Faden….. muss der bei einem Fanzine wirklich vorhanden sein? Ein Fanzine ist bestenfalls und glücklicherweise völlig unabhängig. Also sollte man es so gestalten, wie man will. Wem es nicht gefällt, der sollte was anderes lesen. Nun gut, wir nähern uns dem Ende. Daher noch eine Frage an dich, Gordon: Schon seit längerer Zeit arbeitest du mit nem Freund an einem Buch über SAINT VITUS. Für mich als alter Fan eine willkommene Bereicherung. Bitte erzähl doch mal mehr über das Buch und wie ist der aktuelle Stand der Dinge?

Gordon: Das ist ein Projekt, das auf dem Mist meines Freundes Tobi gewachsen ist. Es ist etwas ganz Anderes als die Arbeit am Åbstand, aber streng genommen ist auch dieses kein reines Fanprojekt. Grob gesprochen geht es uns darum, die Geschichte der Band Saint Vitus aus der Perspektive von Zeitzeugen einzufangen. Uns interessieren also gar nicht so sehr die nackten Fakten – die sind in der heutigen Zeit ohnehin alle mit ein paar Mausklicks abrufbar – sondern wie und in welchen Zusammenhängen diese Band und ihre Musik wahrgenommen wird und welche Rolle sie im Leben Einzelner spielt. Das heisst in erster Linie, dass wir viele ausufernde Interviews mit einer ganz breiten Auswahl an Leuten führen, um möglichst viele Blickwinkel zu berücksichtigen. Das reicht dann von alten SST-Weggefährten wie Soundgarden und Black Flag bis zum heutigen Doom-Underground von Uganda. Meistens handelt es sich um Musikerinnen und Musiker, aber wir sprechen auch mit Leuten von den Labels, mit Roadies, Autoren, Produzenten.
Und natürlich sind auch einstige und aktuelle Vitusmitglieder dabei. Und was soll ich Dir sagen: Es macht irre Spaß, mit so vielen und ganz unterschiedlichen Leuten auf Tuchfühlung zu gehen und sie ihre oft sehr persönlichen Geschichten erzählen zu lassen. Wir sind seit einer Weile mit den Interviews durch und gewissermaßen in der Phase der Post-Production, d.h. wir verschriftlichen gerade die ganzen mündlich geführten Gespräche. Und dann muss dieses Rohmaterial zu einer sinnvollen Geschichte verbunden werden. Ich bin selber schon sehr gespannt darauf, wie die sein wird. In jedem Fall wird sie in Buchform veröffentlicht und der Erlös geht an den langjährigen Vitus-Bassisten Mark Adams, der dringend auf Unterstützung zur Behandlung seiner Parkinson-Erkrankung angewiesen ist.

Das klingt super spannend! Ich freue mich jetzt schon auf euer Buch! Das ihr den Erlös Mark Adams spendet ist klasse! Nun gut, wir haben das Ende des Interviews erreicht. Vielen Dank für euer Interesse. Ich wünsche euch weiterhin viel Erfolg mit dem Abstand-Zine. Gibt es noch irgendwas, dass ihr loswerden möchtet?

Gordon: Nach meinem Dafürhalten bewegen wir Metalheads uns viel zu gerne in einem Spiegelkabinett, in dem wir uns selbst genügen und versuchen die Außenwelt rauszuhalten. Umso besser ist es immer wieder, mit Leuten außerhalb unserer Blase zu reden. Insofern also: Danke für Deine Zeit, Klaus und natürlich dem Trust insgesamt!

Kontakt: https://linktr.ee/abstandmag
Interview: Klaus Kleinowski

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