April 23rd, 2020

X-TRA MILE RECORDINGS (#172, 2015)

Posted in interview by Thorsten

Es ist immer wieder die Liebe zur Musik, die Menschen dazu bringt Geld in die Hand zu nehmen und ein unabhängiges Label zu gründen. Meistens ist eine Band da draußen, die niemand veröffentlichen will, also beschließt jemand es selber zu tun. Rough Trade ist so entstanden, das GHvC oder auch Sub Pop. Und eben X-tra Mile aus London. Das Label ist wohl vor allem dafür bekannt, die Platten von Everybodies Darling Frank Turner zu veröffentlichen. Trotz internationalen Major Deal, hält der Sänger auf dem Heimatmarkt, dem kleinen Indie Label die Treue. Doch neben dem Zugpferd Frank Turner sind mittlerweile weitere tolle Künstler bei dem Label unter Vertrag, die ganz langsam auch in Deutschland wahrgenommen werden. Höchste Zeit sich mit Charlie Caplowe, dem Gründer von X-tra Mile zu unterhalten.

„X-tra Mile ist wie eine Familie für mich. Wir haben schon zusammengearbeitet, als ich noch in meiner alten Band „Million Dead“ war. Unser Debüt war die erste offizielle Veröffentlichung auf dem Label, auch wenn damals noch alles in den Kinderschuhen steckte. Nachdem Million Dead sich aufgelöst und ich mich entschlossen hatte Solo weiterzumachen, dachten die meisten Menschen, ich sei völlig bekloppt. X-tra Mile und speziell Charlie, glaubten an mich. Seitdem arbeiten wir zusammen und ich bin wirklich stolz auf das, was sich seitdem entwickelt hat. X-tra Mile veröffentlicht und fördert so viele junge Talente und großartige Musik. Sie sind das Rückgrat meiner Karriere“. Frank Turner

„Let’s begin at the beginning“: Wo, wann und warum wurde X-Tra Mile gegründet? Und womit beschäftigt Ihr Euch gerade?

Ich hatte zuvor eine unabhängige PR Firma mit dem Namen Press Counsel PR und arbeitete mit vielen Bands zusammen, u.a. auch mit großen Acts wie Placebo, Reef, The Darkness und sogar für ein Album mit New Order. Das waren prinzipiell alles Bands auf Major Labels.
2003 übernahm ich die PR von Frank Turners damaligen Band Million Dead, aber kein Label wollte die Gruppe unter Vertrag nehmen. Ohne eine Platte draußen zu haben, kannst du aber nur bedingt Werbung für eine Band machen. Also dachte ich mir, ich gründe selber ein Label und bringe das Album raus.
Im Moment sind wir mit den Veröffentlichungen von den Alben von Skinny Lister, To Kill a King, PJ Bond und Frank Turners Third Three Years CD beschäftigt. Außerdem sind wir sehr glücklich über unsere neustes Release ESME Patterson.

2003 war die Musikindustrie schon ziemlich am Boden. Hattest Du jemals Zweifel am Label oder hast es bereut es gegründet zu haben?

Niemals. Natürlich waren die ersten fünf Jahre nach Gründung, die Arbeit für das Label, nur ein Teil meiner Tätigkeit. Aber alle Facetten eines Labels kennenzulernen und nicht nur der Presse Typ zu sein, war unglaublich interessant und für mich eine aufregende Zeit. Ich wusste ich wollte das Label weiter ausbauen oder eine Band managen. Und das mache ich seitdem, ich manage Frank Turner, seitdem er Solo spielt.

Wann und was war der dunkelste Moment in der Label Geschichte?

Ich war in Frankreich im Urlaub, als die Unruhen in London (August 2011) passierten, und verfolgte das Ganze nur abends in den Fernsehnachrichten. Ich sah sogar, wie das Sony Lager in Flammen aufging, machte mir da aber noch gar keine Gedanken. Am nächsten Morgen hatte ich eine E-Mail von unserem Anwalt im Postfach, der fragte, ob ich wüsste, dass das Lager niedergebrannt sei. Es stellte sich heraus, dass unser Vertrieb PIAS, genau dieses Lager für alle unsere produzierten und fertigen Veröffentlichungen benutzte. Wir hatten an diesem Tag alles verloren und ich war mir nicht sicher, ob wir dagegen versichert waren. Das war ein wirklich schrecklicher Moment. Aber mit der Hilfe von unserer Fuck the Fire Kampagne und mit der Hilfe von PIAS haben wir es geschafft da wieder rauszukommen. Ein paar Monate später bekamen wir noch etwas Geld von der Versicherung.

Was war die Fuck the Fire Kampagne genau? Ich meine, was habt Ihr gemacht und wie lief das genau ab? Ich kann mir auch vorstellen, dass die Versicherung erst sehr spät gezahlt hat, Ihr das Geschäft aber am Laufen halten musstet.

Als Erstes haben wir ein Konzert im Londoner Club Borderline, mit allen unseren Bands veranstaltet, die dort ohne Gage spielten. Außerdem hat Frank (Turner) ein spezielles Fuck the Fire T-Shirt designt, das wir auf dem Konzert und in unserem Webshop verkauft haben. Zusätzliche haben wir mit Pledge Music (Crowdfunding Plattform) zusammengearbeitet. Die Fans konnten darüber abstimmen, welche Veröffentlichungen wir zunächst neu auflegen. Es gab dann einen exklusiven Label Sampler für alle, die sich an den Bestellungen beteiligt haben.
Stimmt, das Geld vom Versicherer ließ lange auf sich warten und es wurde auch nur der Schaden durch das Feuer ersetzt, nicht aber die Verluste, die durch die Nichtlieferung entstanden. Da half uns PIAS mit einem Überbrückungskredit. PIAS war zu diesem Zeitpunkt eine wirklich große Hilfe und half uns die neuen Veröffentlichungen zu produzieren und zu vertreiben.

Ihr veröffentlicht verschiedene Arten von Musik, beispielsweise Folk, (Indie-)Rock, Punk & Hardcore. Entsprechen diese verschiedenen Stile auch Deinen oder Eurem Musikgeschmack oder habt Ihr Spezialisten für Punk, Folk und so weiter im Team und die entscheiden unabhängig voneinander?

Im Prinzip entscheide ich, mit der Hilfe von einigen aus dem Team. Ich kann zwar verstehen, wenn Leute sagen, wir veröffentlichen unterschiedliche Musik, und das ist in der Tat so. Aber für mich gibt es immer diesen einen Punkt, der eine Band zu einer X-Tra Mile Band macht.
Was genau macht den eine X-Tra Mile Band aus?

Es sind stets hart arbeitende Bands, die viele Konzerte spielen, die leidenschaftlich und als Team Player auftreten, Gelegenheiten beim Schopfe packen, sich gegenseitig unterstützen und gute Musik machen.

Dein größter (Geschäfts-) Erfolg bis jetzt sind die Soloplatten von Frank Turner. Wie wichtig ist er für das Label?

Er ist wesentlicher Bestandteil für das Label, in jeder Hinsicht. Wo er nur kann, unterstützt er uns, sei es, indem er Bands mit auf Tour nimmt, Bands durch seine Social Media Kanäle fördert oder als A&R für uns tätig ist. Ich bin ihm unendlich dankbar dafür.
Trotzdem hoffe ich, dass wir mit den letzten Veröffentlichungen von Against Me, Skinny Lister oder To kill a King über diesen „Xtra Mile? Frank Turners Label, oder?“ raus sind und als eigenständiges Label wahrgenommen werden.

Ich glaube Frank ist auch verantwortlich für einige Platten die bei Euch rausgekommen sind. Zum Beispiel fand sich ein Song von Retrospective Soundtrack Players erst auf der B-Seite von Frank Turners Try this at home 7“ und später habt Ihr das Album rausgebracht. Teilt Frank seine Einschätzungen mit Euch und gibt Empfehlungen?

Auf jeden Fall macht er das.

War das einfach ein Zufallstreffer Retrospective Soundtrack Players unter Vertrag zu nehmen. Ich hatte davor noch nie von ihnen gehört. Du?

Nein, ich hätte sie nie kennengelernt, wenn Frank sie mir nicht vorgespielt hätte.

In Deutschland arbeitet Ihr mit Indigo als Vertrieb. Wie kommuniziert Ihr mit ihnen, da Ihr hier kein eigenes Büro habt. Und wie ist der Kontakt entstanden?

Wir haben einen Label Service Deal mit einer Firma namens Kartel und die finden für uns immer den besten Kanal, wie wir unsere Veröffentlichungen in Europa verteilen können. Die Kommunikation erfolgt dann meistens nur über Kartel, sobald ein Plan steht.

Was ist das genau für ein Service Deal, was kann ich mir darunter vorstellen?

Sie helfen uns die besten bzw. passendsten Vertriebe und Promotion Firmen zu finden. So können wir mit ihnen zusammen die Albumveröffentlichungen planen.

Warum sind einige Eurer Veröffentlichungen in Deutschland verfügbar (Mineral, Franz Nicolay, Reuben Re-Release) und andere eben nicht (Beans on Toast, Ben Marwood, RSP)?

Digital sollten alle Veröffentlichungen von uns in Deutschland verfügbar sein. Wir versuchen weltweit alle Platten digital am Veröffentlichungstag verfügbar zu machen. Danach schauen wir auf die einzelnen Länder und prüfen welche unsere Bands dort bereits einen gewissen Status erreicht haben. Wenn es für eine Band möglich ist, Headliner Club Shows zu spielen, folgt dann meistens ein physisches Release, wenn die Tour startet. Auch wenn das nicht immer so ist.

Letzten Herbst waren Beans on Toast in Deutschland auf Tour. Können wir hier auf ein richtiges, also physisches Release hoffen?

Ja, ich hoffe das wirklich bald tun zu können. Und Jay (Beans on Toast) hofft bald wieder in Deutschland auf Tour zu gehen.

Bekommt Ihr eigentlich Demo CDs aus Deutschland? Und könnt Ihr Euch vorstellen eine Band aus Deutschland zu veröffentlichen?

Auf einer unserer Label Compilations (Xtra Mile High Club) hatten wir UK vs. US und eine deutsche Band als Titel. Uns gefiel das Lied „Live a Little“ von Ghost of a Chance so sehr, dass wir die Band fragten, ob sie dabei sein wollen. Die Band freut sich sehr darüber. Unser Bekanntheitsgrad in Deutschland wächst stetig. Wenn das so bleibt, bringen wir vielleicht bald mehr Bands aus Deutschland raus, wenn wir den richtigen Act finden.

Wie bist Du auf die Band / den Song aufmerksam geworden?

Mir fällt gerade ein wir haben auch einen Song der Donots digital, außerhalb von Deutschland veröffentlicht auf dem Frank auch singt. (So Long). Auf Ghost of a Chance sind wir durch einen gemeinsamen Freund aufmerksam geworden.

Okay, letzte Frage: Welche Band (aktuell oder historisch) hättest Du gerne auf Deinem Label?

The Clash

„Ich denke Charlie und X-tra Mile sind großartig, weil sie Musik wirklich lieben. So viele in diesem Geschäft wollen nur Geld verdienen und achten dabei nicht auf die Qualität. Es ist toll mit einem Label in Verbindung gebracht zu werden, welches die Arbeitsweise über einen Trend stellt“. Ben Marwood

„Ich kann da nicht so viel zu sagen. Es ist ein ordentliches Label, das zwei meiner Alben rausgebracht hat“.  Franz Nicolay

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