März 2nd, 2020

WOLF MOUNTAINS aus # 188, 2018

Posted in interview by Jan

Dass die Stuttgarter Musikszene seit vielen Jahren wieder zu glänzen weiß, ist nichts Neues und kann in Form von großer Musik von etwa Die Nerven oder Human Abfall oder aber Musikexpress-Artikeln, die mit Seattle-Vergleichen um die Ecke kommen, rezipiert werden. Auch Wolf Mountains entstammen aus diesem Dunstkreis und haben etwa mit Kevin Kuhn einen hoch-umtriebigen Drummer am Werk, der nicht nur bei Die Nerven und Karies spielt, sondern auch mit Gordon Raphael („Is This It“-Produzent) schicke Sets zockt.

Mit ihm sowie Bassisten Thomas habe ich mich beim Chinesen um die Ecke im Stuttgarter Westen getroffen, um das neue und nicht selten hoch gelobte Zweitwerk „Superheavvy“ zu besprechen. Jenes atmet wie der vorrangegangene Output Garagen-Rock, Post-Punk und Surf-Pop, aber auch psychedelisches Geschrammel und noisige Momente, alles zart-bitter und süß-sauer vermengt und mit viel Schmackes dargeboten. Nachdem wir uns über den hasserfüllten Stuttgarter Straßenbefahrer (Auto wie Fahrrad) und die Frage, ob Trap der neue Punk ist, als Vorspeise unterhalten haben, sind wir dann auch passend zum Hauptgang zum Wesentlichen gekommen.

Als ich euch vor dem Interview gefragt habe, ob ihr mir eure Lyrics zusenden könnt, habt ihr gemeint, sie sind sowieso nicht wörtlich zu verstehen. Soll man euch als Band trotzdem ernst nehmen?
Kevin: Auf jeden Fall. Weil wir schon viel reinstecken und uns viele Gedanken machen. Es wäre viel zu leicht, uns nur als Spaßband abzutun, nur weil wir keine politischen Statements haben, die man sich auf den Rucksack schreiben kann.

Welchen Stellenwert haben dann aber die Lyrics? Hin und wieder haben eure Texte ja auch einen schnulzigen Touch.
K: Uns als Band und Musiker kann man ernst nehmen, die Lyrics nicht immer. Wir haben einige Texte, die einfach nur die Trivialität von Pop- und Rock-Musik, und auch Punk, entlarven, indem wir sie noch einfacher, noch direkter formulieren. Es gibt keine weltbewegende Poesie bei uns, aber oftmals flowen die Texte einfach gut zusammen mit der Musik.

Ok, worum geht es denn etwa bei „Vacation“, in dem die Zeilen lauten: „I´m on vacation from 9 to 5“?
K: Der Text wurde fünf Minuten vor der Aufnahme geschrieben, das ging wirklich schnell. Es geht hauptsächlich um Hunter S. Thompson und seine tägliche Routine, welche man gut mithilfe von Google nachvollziehen kann. Wie er seinen Tag verbringt, wie er arbeitet und welche Liste an Drogen er sich die ganze Zeit reinpfeift. Und dann um 3 Uhr nachts nimmt er LSD und fängt an zu schreiben. Dazu kommen noch Auszüge aus Dee Dee Ramones´ Drogenparanoia, das ist alles ein Stück gemischt. Hier in dem Fall, um ein Gefühl von einem losgelösten Lifestyle zu vermitteln und nach seinen eigenen Regeln zu leben.

Thomas: Das ist schon ein ernst zu nehmender Inhalt, den man auch persönlich nehmen kann.

Und so ganz generell, wie wichtig sind Drogen bei Produktion und Konsum der Platte?
T: Das wird oft stellvertretend verwendet.

K: Bei „Love Letter“ auf unserer ersten Platte soll es auch um Liebe und Drogen gleichzeitig gehen. Etwa wie bei „Got To Get You Into My Life“ von den Beatles, was ein wunderschöner Liebessong ist, aber an sich beschreibt, wie Paul McCartney zum ersten Mal Marihuana nimmt. Und wie wichtig die Drogen sind? Müssen wir das beantworten?

T: Es macht den Anschein, dass es uns wichtig ist, aber letzten Endes ist es nicht unser entscheidender Einfluss, aber einer, der durchaus eine Rolle spielt.

K: Ich bin sonst auch Anti-Drug, ja schon Ex-Straight Edger.

Generell ist dieses Drogen-Ding zwischen Berliner Nachtszene und Deutsch-Rap so gängig geworden, dass man sich ja beinahe alles schmeißt.
K: Wir kokettieren ja schon eher mit dem Kiffer-Image und sind schon bisschen eine Pothead-Band, aber wir sind keine Drogie-Band, auf keinen Fall. Wir würden auch nie Drogenkonsum propagieren. Bei dem Song „Don´t Screw Up“, wo Reinhold singt „We smoke pot and we take ecstasy“ geht es auch darum, die Trivialität von Rockmusik zu entlarven. Vor allem früher, in den 80ern, wenn erzkonservative und religiöse Gruppen gemeint haben, in Rockmusik geht es nur um Sex und Drogen, aber immer alles verschleiert wurde wie bei Led Zeppelin, wenn es dann um Schlangen und die Wüste geht, also alles mit Analogien aufgezogen wird. Wir haben es einfach komplett rausgeplärrt, das muss man teilweise vielleicht dazu sagen.

Ist eure Musik aber eine Liebeserklärung an die vielen Styles, die ihr verarbeitet, oder macht ihr euch eher darüber lustig?
K: Es ist keine bewusste Liebeserklärung, jeder von uns hat andere musikalische Liebschaften. Aber vielleicht in Verbindung mit der ganzen Kifferei verschwinden dann auch Hemmschwellen, die man hat, sei es ästhetisch oder ideologisch, und man lässt es einfach fließen.

Habt ihr viele Referenzen und Zitate im Kopf?
K: Es ist gemischt, wir zitieren uns auch selbst häufig.

T: Ich habe z.B. früher viel Garage Rock gehört, bis er mich gelangweilt hat, sodass ich das lange nicht gehört habe. Heute greife ich dieses Genre aber wieder auf und bearbeite es vom Stil her so, wie ich eben Bock habe.

Was ist der Unterschied zur ersten Platte? Was hat sich bei euch in der Zwischenzeit verändert?
T: Die zweite Platte hat viel länger gedauert.

Habt ihr die erste Platte eigentlich einfach hingerotzt?
K: Ultra.

T: Wir haben die erste Platte fast komplett an einem Tag aufgenommen. Wir hatten drei Versuche pro Song und insgesamt acht Stunden Zeit.

K: Bei „Birthday Songs for Paul“ hatten wir halt viele neue Songs, die wir irgendwie ganz schnell aufnehmen wollten, v.a. für die nachfolgende Tour. Und dann waren wir so happy mit dem Tape, dass wir versucht haben, es als richtiges Album rauszubringen. Drei Labels hatten auch Interesse, aber dann hatten sie doch abgesagt und wir haben sie selber gepresst. Meine Mutter hat ein Label aufgekauft von einem Freund von uns, Fable Records von Abel Auer.

Sie hat uns das Geld gegeben für die Pressung und wir haben Abel gefragt, weil er das Cover gezeichnet, ob wir sie auf seinem Label bringen können. Und er hatte halt kein Geld, deswegen hat uns meine Mutter das Geld geliehen, damit es auch halbwegs legitim und professionell aussieht, so mit Katalognummer und so. Für „Superheavvy“ haben wir insgesamt viel mehr geprobt, insgesamt neun Tage aufgenommen, sie ist viel länger, wir haben viel mehr Overdubbs. Du findest sie kitschiger oder?

T: Ja, definitiv.

Ja in der Mitte des Albums wird es etwas ruhiger und ja, auch kitschiger.
K: Es ist eine rein natürliche Entwicklung.

Nutzt ihr eigentlich absichtlich einfache Riffs?
K: Ja, es sind simple Riffs, aber gerade die Gitarren-Solos und die Melodien sind sorgfältig gelegt. Manchmal ist auch weniger mehr, aber ja, hochkomplex ist das nicht.

Was ich an eurer ersten Platte gleichzeitig geliebt und gehasst habe, war oft die Kürze der Songs, etwa wenn das hymnische „Summer´s Gone“ viel zu früh endete – war das Absicht? Jetzt sind die Songs doch schon ausgefeilter, ist das Absicht?
T: Wir können dazu sagen, dass es Rheini einfach nicht länger durchgehalten hat, diesen Tremolo-Style zu spielen.

K: Das war aber nicht das auschlaggebende, es war etwas anders. Die Aufnahme, die auf der Platte ist, war zu dem Zeitpunkt eine Skizze und bei den Recordings nur ein Aufnahme-Test, als noch das Equipment aufgebaut wurde. Dann habe ich noch einen Text drüber gebrabbelt und später fanden wir es einfach geil. Dann kamen noch die hohen Stimmen dazu, fertig.

T: Und das war die einzige Aufnahme, die wir je gemacht haben?

K: Ja, der Song war dann auch für die Split mit Häxxan gedacht, die dann nie kam. Vielleicht war es aber auch beides, also Rheinis Gitarre und das mir kein Text mehr eingefallen ist.

T: Es ging auch drum, Sachen kurz und knackig zu halten. Gerade im ersten Jahr, da durften die Songs nicht länger als 2 Minuten sein. Wir haben auch viel ausprobiert und uns keinen großen Kopf gemacht.

K: Ich habe es übrigens schon oft gehört, dass „Summer´s Gone“ so eine Mogelpackung ist. Wir haben heute übrigens den dritten Part geschrieben.

Ja sehr nice, der zweite Teil ist auch wieder groß geworden. Euer Frontmann hat einmal gesagt, er sei schon eher grumpy und hat gar von Hass gesprochen, der ihn auch antreibt: Seid ihr manchmal selber überrascht, wie happy eure Songs klingen?
T: Das nimmt jeder anders wahr. Mir wurde auch schon gesagt, unsere Musik sei düster und melancholisch und man merkt bei uns eine Vorliebe für Moll-Akkorde.

K: Man kann Texte fröhlich lesen, aber auch fies. Bei einem Text war ich sehr angepisst von einer Person und ich klang zu Beginn schon fast anklagend, aber dann habe ich alle Sachen umgedreht und die Perspektive gewechselt, um daraus etwas Positives zu machen. Ja, auch um den Hass umzukehren. Ich bleibe da bei dem Zitat: „Kill em with kindness“. Man könnte auch meinen, dass wir mit süßen Melodien die Leute aus der Reserve locken wollen, um dann mit dem Holzhammer drauf zu hauen. Oder auch das Gegenteil davon, was auch das immer ist.

Ich habe euch live gesehen im Merlin: Du riefst da mehrmals „Gegen die Konventionen!“, was schon beinahe nach 70er klingt. Was wolltest du damit ausrücken?
K: Die Aussage kann man ernst nehmen, auch wenn sie sehr vage ist. Ich glaube ich habe gesagt „ein Ausdruck unserer Ablehnung gegenüber den Konventionen“. Das ist musikalisch zu verstehen, wie man Konzerte aufzieht, seinen eigenen Stil definiert und vor allem nicht alles annehmen muss, was andere für normal halten. Es ist ja auch der Ursprung von Punk.

Es ist an sich halb-ironisch, weil es so vage gehalten ist, aber es ist auch genau das, worauf es ankommt: „Nein, ich sehe das halt anders“. Vor allem auch, wenn man in Stuttgart ist – ich fühle mich hier halt auch einfach nicht wohl. Vor allem jetzt hier zur Wasn-Zeit. Das sind halt Konventionen, das ist hier normal.

Absolut, da gibt es bessere Zeiten. Und wer ist der typische Wolf Mountains-Hörer? Im Merlin damals viele alte Menschen, die euch gefühlt haben.
K: Ja? Wer weiß, bei der letzten Show im Berghain hat der Mischer zu uns gesagt, dass sein Vater uns sicherlich gut finden würde. Der höre so Rolling Stones, T-Rex. Wie sieht der typische Wolf Mountains-Hörer aus?! Keine Ahnung.

Ich finde ihr seid keine Hipster-Band, vielleicht äußerlich, aber nicht vom Sound.
K: Sind wir nicht? Das ist schön, weil wir das schon ausstrahlen könnten. Ich wünsche mir, dass wir viele verschiedene Personen ansprechen.

T: In Erfurt waren nur junge Leute, im Großteil unter 20, die gut abgegangen sind. Versuch erst gar nicht, da Schubladen aufzumachen.

Übermorgen geht eure Tour los, bereit ihr euch in irgendeiner Weise speziell darauf vor?
K: Wir strugglen gerade mit einem Cover-Song, der irgendwie Style hat, aber auch ankommt und nicht zu schwer zu spielen ist. Ach ja, und ich habe mir vorgenommen, das Publikum weniger zu beleidigen (lacht).

Schade.
K: Und noch weniger reden. Wobei ich es cool finden würde, wenn wir eine Art Rock-Gottesdienst aufziehen würde.

Alles klar, besten Dank!

Interview: Lars Schubach

wolfmountainsmusic.bandcamp.com
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