Dezember 31st, 2021

Weak Ties (#206, 2021)

Posted in interview by Jan

Über die Stärke schwacher Verbindungen
Interview mit Weak Ties

Im vollbepackten Van reisen, Raststätten plündern, gemeinsam essen, Freunde machen, auf der Bühne stehen, live spielen, zu viel trinken, zu wenig schlafen und viel warten. Das Tourleben als DIY-Band. Das alles ist schon viel zu lange her. Möglich war das ganze durch ein Netzwerk von Menschen, die ihre Freizeit draufgegeben haben, um Konzerte zu organisieren, Bands einzuladen, zu mischen, zu bekochen etc. Der Kitt dieses Netzwerks war und ist die Musik, aber auch die Idee davon, dass es um mehr geht als nur um die Musik. Dass es etwas gibt abseits von der gesellschaftlichen Normalität und dem Mainstream. Das hat alle verbunden.

Und wie cool ist es denn, dass man als Band aus Bielefeld eingeladen wird, um irgendwo live zu spielen und Leute kommen und freuen sich darauf, deine Band auf der Bühne zu sehen? Eigentlich ein ziemlicher Wahnsinn. Das, was man auf Tour erlebt, macht einen reicher, an Erfahrungen und Freundschaften. Und es gibt einem auf eindrucksvolle Art und Weise Gewissheit darüber, dass es da draußen Menschen gibt, die ähnlich ticken. Durch die Corona-Pandemie ist vieles zum Erliegen gekommen und es bleibt nur zu hoffen, dass es nicht irgendwann ein böses Erwachen gibt und es sich nur um einen Dornröschenschlaf handelt. Doch es gibt Bands, die es in der aktuellen Situation schaffen, trotzdem weiterzumachen, auch wenn etwas ganz Wesentliches aktuell nicht möglich ist, nämlich touren. Und die sogar eine Platte herausbringen. Das macht einem Hoffnung und Vorfreude darauf, die Band endlich live sehen zu können.

Weak Ties habe ich zum ersten Mal auf dem Fluff Fest in Tschechien gesehen. Dem Gitarristen war ich damals ein paar Mal in Göttingen über den Weg gelaufen und irgendjemand sagte mir, er spiele mit seiner Band Weak Ties auf einer kleinen Bühne hinter der Zeltbühne. Ich ging hin und es dauerte nur wenige Minuten und ich fand mich mit gereckter Faust direkt vor der Bühne. Das hat so Bock gemacht, diese Band live zu sehen. Am helllichten Tag. Das ist Jahre her, aber mir noch immer in guter Erinnerung. Seither fühle ich mich mit dieser Band verbunden und freue mich die Chance zu haben, sie für das Trust zu interviewen.

Stellt Euch doch mal kurz vor.
Fizzel: Hallo. Weak Ties sind Stephan (Gitarre), Laura (Geschrei), Stefan (Schlagzeug) und ich (Bass) Wir machen seit Ende 2014/Anfang 2015 zusammen Musik. Stefan ist 2018 dazu gekommen und hat Gründungsmitglied Sven am Schlagzeug ersetzt. Liebe Grüße an dieser Stelle.

Weak Ties – Was hat es mit dem Bandnamen auf sich. Ich kenne Netzwerktheorie noch ausm Studium. Seid ihr so Schlauköppe und habt Euch da irgendwas Tiefgründiges dazu überlegt?
Fizzel: Hä? Netzwerktheorie? Ich dachte das heißt „Schwache Krawatten“.
Stephan: Der Name entstand eher aus der Not heraus einen Bandnamen zu unserer ersten Show zu haben, die damals schon kurz bevor stand. Ursprünglich kommt er, wie du richtig vermutest, aus der Netzwerktheorie und Parallelen ergaben sich für uns mit der Punkmusikszene, in der durch lose Kontakte viele Möglichkeiten geschaffen werden, was wir daher ganz passend fanden.
Laura: Keine Schlauköppe in dieser Band. Wir haben uns bis einen Tag vor unserer ersten Show für keinen Bandnamen entschieden… Haben überlegt, aufgeschrieben, ausgesprochen, Ideen gesammelt. Irgendwie war alles nicht so richtig überzeugend. Weak Ties ist es dann, wie Stephan schon so schön dargelegt hat, aus den genannten Gründen geworden.

Wie ist es denn aktuell so als Band, wenn der ganze Kulturbetrieb stillsteht und Kontaktbeschränkungen angesagt sind. Wie geht ihr damit um?
Fizzel: Also wir sind tatsächlich gerade sehr inaktiv. Sprich wir proben nicht und haben alles „Organisatorische“ auf Zoom (anm. Stephan jit.si!) treffen oder in unseren Chat verlegt. Dabei wohnen wir alle bloß ein paar hundert Meter voneinander entfernt. Das ist schon schräg.
Stefan: Ja, es ist einfach nur traurig!!
Laura: Wir können uns zurzeit natürlich auch nicht zum Proben treffen o.Ä., das ist wirklich schade und fehlt mir sehr. Umso schöner ist es, dass wir die Zeit im Sommer im Studio zusammen verbringen konnten. Bzgl. der hoffentlich bald erscheinenden Platte bequatschen wir alles digital. Stefan und ich wohnen zusammen, sodass wir uns auch mal in Jogginghose und Schlappen beim Frühstück erzählen können, dass wir in Bezug auf die Platte Vieles noch „ganz dringend“ erledigen müssen. Ansonsten läuft’s mal auf einen Spaziergang zu zweit hinaus. Dass wir aber alle zusammen im Proberaum waren, ist leider viel zu lange her.

Was sind eure Sorgen oder Gedanken rund um die derzeitige Situation?
Fizzel: Die Sorge ist vor allem, dass es 2021 nicht besser wird. Dass es keine Konzerte geben wird, dass es keine Kultur mehr gibt. Ich mache mir Sorgen um die DIY-Strukturen in ganz Europa. Wie wird das weiter gehen? Wird es überhaupt weiter gehen? Andererseits habe ich auch die Hoffnung, dass es nach dieser Pandemie einen immensen Hunger auf Kultur und Konzerte und Punk geben wird, sodass sich diese Strukturen schnell erholen können.
Laura: Puh, ich bin echt gespannt, wann es „weitergeht“ und wie das dann so aussieht…

Ihr macht ne neue Platte habe ich gehört. Erzählt mal. Wie kam es dazu?
Fizzel: Naja, wir haben 2017 unser erstes und bisher einziges Album veröffentlicht, davor nur eine Demo. In den letzten beiden Jahren kamen dann noch zwei Splits zum einen mit The Gentle Art of Choking und mit Noll Koll dazu. Wir haben uns dann erstmal eher aufs Konzerte spielen konzentriert. Irgendwann haben wir angefangen an neuen Songs zu basteln und einen Studio Termin gebucht ohne ein fertiges Ergebnis zu haben. Ein wenig Druck machen hat uns bei der letzten Platte meines Erachtens nach etwas geholfen. Aber dieses Mal hatten wir uns verzettelt. Stephan hat zwischendurch ein Auslandsemester eingeschoben währenddessen uns aufgefallen ist, dass wir nicht dafür geschaffen sind auf Distanz ein Album zu schreiben. Daraufhin haben wir den Studio Termin nochmal verschoben um die Platte etwas entspannter fertig zu schreiben. Dann kam Corona. Darum ist die Platte nun 30 Minuten kürzer als ursprünglich geplant. Haha.
Laura: Wir haben Songs geschrieben, sie mindestens fünf Mal verworfen, um sie wieder neu zu schreiben, das können wir nämlich besonders gut. Der Vorteil daran ist, dass wir abschließend dann auch tatsächlich zufrieden mit den Songs sind. Und an diese Platte hatten wir irgendwie noch mal einen anderen Anspruch, glaube ich. Dass das alles so geklappt hat, wir den Studiotermin verschieben konnten, und so, war echt gut.

Und wie lief das ganze ab? Wart ihr im Studio?
Stefan: Wir haben mit dem großartigen Henner Henzler in der Tonmeisterei in Oldenburg aufgenommen. Fizzel, Stephan und ich hatten schon mal das Vergnügen mit anderen Bands in diesem tollen Studio aufzunehmen und es war, wie die bisherigen Male auch, wunderbar und entspannt. Henner hat sogar, weil die Songs teilweise noch nicht ganz ausgereift waren (Hopplahuch), an der einen oder anderen Stelle richtig mitproduziert. Das war irgendwie eine coole neue Erfahrung, weil ich das bisher noch nicht kannte, einen Studiotermin zu machen, wenn nicht alle Songs komplett fertig und bis zum Erbrechen geprobt sind. Aber hey, es hat geklappt. Außerdem war auch unser Freund und Fotograf Danny Kötter mit am Start und hat das ganze dokumentiert und selbst das war (zur allseitigen Überraschung) auch superentspannt. Props an dieser Stelle. Und da kommt auch noch eine kleine Überraschung….haltet die Augen offen!
Laura: Den ganzen vorherigen Kram haben wir mit unserem Freund Rouven im AJZ-Keller aufgenommen. Deshalb war es für mich umso aufregender (das ist das Ganze sowieso in jeder Hinsicht und immer für mich) in der Tonmeisterei aufzunehmen. Die anderen Drei waren alle schon mal da. Ich hatte sowasvon die Hose voll und habe mich sehr schnell unglaublich wohl gefühlt. Die Tage dort haben sich ziemlich besonders angefühlt. Während der Zeit im Studio haben sich noch hier und da Veränderungen an den Songs ergeben (merci Henner!), auch in Bezug auf den Gesang, das war sehr spannend.

Wann ist es endlich soweit?
Fizzel: Wir können es leider jetzt noch nicht sagen. Ganz vllt. Ist die Platte sogar schon draußen wenn dieses Interview erscheint. Wir warten eigentlich nur aufs Presswerk, aber die sind momentan Corona bedingt nicht in der Lage uns ein Konkretes Datum zu nennen zu wann wir die Platte erwarten können. Aber am besten einfach mal bei Bandcamp oder Facebook, (vielleicht sogar Spotify) schauen. Da wird es dann mehr Infos geben.
Stephan: Vermutlich im Frühling 2021

Wovon handelt die neue Platte?
Laura: Ich versuche das Ganze mal irgendwie zusammenzufassen. Ich denke aber, wenn man die Texte liest, wird Einiges klar. In den Songs geht es um verschiedene Dinge, die ich aus unterschiedlichen Erfahrungen und Emotionen heraus geschrieben habe. Es geht darum, Dinge als scheiße zu erkennen, zu benennen und anzugehen, zum Beispiel in Bezug auf bestehende kapitalistische und rassistische Strukturen, Machtverhältnisse, das Patriarchat etc. Nicht zuletzt geht es zu einem großen Teil um den Tod und damit einhergehenden Verlust eines Menschen, der mir sehr Nahe stand und dem damit zusammenhängenden Verarbeitungsprozess, der so viel Schwere, so viele Ambivalenzen und große Fragen hinterlassen hat. Und es geht ums nicht alleine sein, um Solidarität und Unterstützung und darum, irgendwie weiterzumachen, in all dem.
Fizzel: Saufen?

Welcher Song der neuen Platte ist euer persönlicher Hit?
Fizzel: All Killer No Filler!
Laura: Das ist eine schwierige Frage, denn es verändert sich von Zeit zu Zeit. Jetzt muss ich noch mal nachschauen, wie die Songs wirklich heißen… Ich glaube, mein Favorit ist „With Every Step“ Vielleicht, weil wir den schon ein paar Mal live gespielt haben und der immer Bock gemacht hat.
Stefan: Ja, das ist wirklich schwer zu sagen, aber ich glaube mein Favorit ist und bleibt „Loomed“ a.k.a. der Country Song!

Eigene Platte anhören und gut finden – kriegt ihr das hin oder seid ihr da eher kritisch?
Fizzel: Das ist mal so mal so. Ich habe noch keinen Weg gefunden, das eigene Schaffen objektiv zu bewerten. Ich glaube das geht auch gar. Im Zuge vom Mix und Master mussten wir die kommende Platte sehr häufig hören und das war erstaunlich wenig nervig. Die Platte ist gut geworden, und ich glaube wir machen das nun lange genug, um es auch einfach mal mit Selbstbewusstsein sagen zu können.
Stefan: Also ich persönlich bekomme das sehr gut hin diese Platte zu hören und gut zu finden. Ich war selten mit einer Aufnahme so rundum zufrieden.
Laura: Uah, genau die richtige Frage für mich. Ich bin im Allgemeinen mega unsicher mit dem ganzen Kram und dadurch an vielen Stellen sehr kritisch (in Bezug auf mich selbst), das hat sich in den letzten Jahren zum Glück ein wenig verändert. Vor allem haben Stephan, Stefan und Fizzel eine Menge dazu beigetragen. Bei den vorherigen Aufnahmen hätte ich das so vermutlich noch nicht gesagt aber mit der bald erscheinenden Platte bin ich wirklich zufrieden.

Wenn die neue Platte raus ist, was kommt dann?
Stephan: Wenn es die Möglichkeiten erlauben kommt eine Releaseshow für die neue Platte. Außerdem werden wir mit dem Preorder Longsleeves anbieten und zeitnah gibt es eine Live-Session von uns.
Laura: Na, hoffentlich irgendwann eine Releaseshow. Am allerliebsten mit Bands, mit denen wir schon getourt sind oder tolle Konzerte gespielt haben (s.u.) Zudem hatte ich, nachdem wir das Album aufgenommen haben, eigentlich Lust, direkt wieder neue Songs zu schreiben. Mal schauen, wann wir das mal wieder angehen. Irgendwann wieder Konzerte spielen, danach lange Nächte in Kneipen, sich bei viel zu lauter Musik schreiend unterhalten und sich dann am Montag fragen, wie man den Tag eigentlich überstehen soll.
Stefan: Dem ist nichts hinzuzufügen.

Welche Bands liegen Euch besonders am Herzen?
Ceremony
Düsenjaeger
Disgusting news
Sickmark
Finisterre Noll Koll

Welche Frage würdet ihr gerne gestellt bekommen? – Dann antwortet mal.
Fizzel: Top 5 Muffin Toppings:
1. Buttercreme 2. Erdnussbuttercreme 3. Zuckerguss 4. Weiße Schokolade 5. Schokolade
Eure Wünsche für 2021?
Fizzel: ne ordentliche Portion Impfstoff in den Oberarm und Friedrich Merz’s Rückzug aus der Politik nachdem er kein Bundeskanzler geworden ist. Außerdem wünschen wir uns glaube ich alle, dass die Platte gut aufgenommen wird. Konzerte spielen wäre außerdem auch mal wieder toll.

Kontakt: https://weakties.bandcamp.com/
Interview: Claude Müller
Fotos: Weak Ties

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