Januar 24th, 2016

THE MUFFS (#54, 10-1995)

Posted in interview by Jan

Und schon wieder sehe ich mich in Frankfurts ehemaligem „Topclub“ Batschkapp, um  eine Band, die es zum Major „Reprise“ verschlagen, hat zu interviewen. Wer jetzt motzt, daß im Trust nicht so viele Major-Artists behandelt werden sollen, der kann mich mal! Denn die Band, mit der ich plaudern durfte, sind keine geringeren als THE MUFFS. In Frankfurt spielten sie leider nicht allein, sondern mit Veruca Salt, was jetzt nicht heißen soll, daß die Hauptband Scheiße war (habe ich eh wegen dem Interview verpaßt), sondern die Muffs dadurch nur knapp 45 Minuten spielten und die Lokalität mich nicht gerade zu Freudensprüngen veranlaßte. Aber das interessiert hier garantiert kein Schwein. Was mich aber durchaus zu Freudensprüngen brachte war das Set der Muffs! Anders als ihre neue Platte „Blonder and Blonder“, die ein bißchen zu brav klingt, überzeugte die zum Trio geschrumpfte Band absolut.

Knapp 20 Songs wurden in wahnwitziger Geschwindigkeit präsentiert und besonders der Bassist wußte durch dauerndes „in die Luft spucken und danach den Sabber mit dem Kopf auffangen“ zu unterhalten. Nach dem Konzert wurde ich dann in die Backstage-Area geführt, um mit Kim (Voc.), Ronnie (Bass) und Roy (Drums) zu schwätzen. Das Interview geriet sehr schnell aus allen Fugen, da die Muffs während des Interviews eigentlich dauernd rumliefen, ständig Leute in und aus dem Raum gingen und alle entweder tranken, sangen oder gerade mit dem Schlagzeuger von Veruca Salt schmusten (was nur Kim tat). Zu allem Überfluß rauschte auch noch alle 5 Minuten ein Zug auf den ca. 10 Meter entfernten Gleisen vorbei und wegen der Hitze waren alle Fenster auf.

Nach 60 Minuten war dann auch irgendwann das Tape alle und die Band war eher interessiert, mir zu sagen welche Kinks-Platten ich mir noch kaufen sollte, als meine dämlichen Fragen zu beantworten. Irgendwann fuhr dann der Tourbus los und alle liefen schnell nach unten, um ihn noch zu erwischen. Schon beim Nachhausefahren graute es mir vor der Vorstellung, dieses sehr sympathische Chaos irgendwie in schriftliche Form zu bringen. Jetzt aber genug Gejammer, hier nun das, was noch vom Band zu erhören war.

Ihr seid zum Trio geschrumpft und habt jetzt Roy von Red Kross am Schlagzeug, warum die Veränderungen?

Kim: Wir sind jetzt ein Trio, weil die Anderen einfach nicht spielen konnten und wir unser Album aufnehmen wollten.

Ronnie: Das ist die kurze Version der Geschichte.

Kim: Die ganz kurze Geschichte ist: Sie konnten nicht spielen, wir sagten „entweder ihr werdet besser, oder ihr hört auf“ und sie hörten auf!

Ich dachte immer Punkrock wäre etwas, wo man nicht besonders gut spielen müßte, sondern von der Einstellung etc. passen sollte.

Kim:  Wir sind aber keine Punkband!

Ronnie: Wir sind doch eine Punkband!?!

Kim: Gut, Ronnie ist vielleicht noch Punk, aber… Ich liebe Punkrock, ich bin total beeinflußt vom melodischen Punkrock der späten 70er. Und ich bin der Meinung, daß man für melodischen Punkrock schon gut spielen können sollte. Die anderen konnten, als wir anfingen, noch gar nicht spielen, was damals ok war, nur hatten sie auch einen bescheidenen Charakter und ich weiß nicht, ob das bei Punkrock gut oder schlecht ist, nur bei uns paßte es nicht.

Ronnie: All die wirklich guten Punkbands konnten spielen, ich glaube, daß dieser Dilletanten-Status ein Mythos war. Die Ramones waren gute Musiker, auch die Sex Pistols, besonders mit Glen Matlock…

Kim: Es macht mir keinen Spaß, schlecht zu spielen nur um Punk zu sein, ich will den Song spielen, wie er gespielt werden sollte.

Ronnie: Für uns ist Punk, sich um nichts zu scheren…

Kim: Und wir sind ziemlich rauh…

Roy: Genau, wir sind nicht gerade Virtuosen…

Kim: Nein, wir sind superdreckig und ungenau… Live spielen wir immer sehr dreckig und spontan, das kommt natürlich, das muß so sein. Im Studio versuchen wir aber besser zu sein, was uns nicht immer gelingt. Das ist aber kein Punk für mich, sondern eher Garagenrock. Wir haben Popsongs, die wir mit sehr lauten Gitarren und rockigem lautem Schlagzeug spielen. Wenn uns das für dich zu einer Punkband macht, dann ist das mit uns völlig in Ordnung. Ich schreie ja auch mehr, als das ich singe…

Ronnie: Wir sind Punk, weil wir live sehr laut sind…

Kim: Es ist mir eh egal als was wir klassifiziert werden, ich würde melodischen Garagenrock sagen, außerdem ist Punk auch so ein breitgetretener Begriff…

Ronnie: Skid Row nennen sich Punks neuerdings…

Kim: … Offspring ist zum Beispiel keine Punkband…

Roy: … ganz normaler Rock!!

Ronnie: …sie werden nur als Punkband verkauft, daß ist alles.

Kim: …wenn Offspring dann doch nicht Punk ist, vielleicht sind wir doch eine Punkband..??…

Ronnie zeigt mir jetzt auf einmal diverse Knutschflecke an Hals und Gesicht und versichert mir, daß sie von Louise (Veruca Salt?) seien.

Eure neue Platte „Blonder and Blonder“ klingt etwas gesetzter als das Debüt und vor allem sind viel mehr 60s und Rock-n-Roll Einflüsse erkennbar. Wolltet ihr extra ein wenig „antik“ klingen, oder kam das von selbst?

Kim: Ich glaube das kam ziemlich natürlich. Ich bin sehr limitiert in der  Musik, die ich mag! Ich mag Spät-70er Punk und Mid-60s Pop. Daneben noch etwas Rockabilly und hier und da noch ein paar Ausnahmen, aber alles, was wir machen, kommt doch sehr natürlich.

Roy: Als nächstes kommt ein Doo-Wop Album!

Und die ganzen glorreichen US-Hardcore Sachen, wie frühe Dischord Singles etc. haben euch nie gefallen?

Alle: NEIN!!!!!!

Kim: Ich kenne den ganzen Kram überhaupt nicht, sobald ich irgendetwas aus der Richtung gehört habe, fand ich es schrecklich.

Roy: Ich hasse den Scheiß!!

Ronnie: Ich habe damals völlig das Interesse an Punk verloren als Hardcore daraus wurde…

Roy: Ich hasse die Scheiße…. ich glaube es ist der größte unmelodischste krachigste Dreck…

Ronnie: Komfort kommt immer vor Krach!

In diesem Moment rauscht ein Zug vorbei, alles fängt an zu brüllen…

Kim: Auf Wiedersehen Zug…

Ronnie (singt) …Oh.. lonesome Train…

Roy: Wichtig ist auch, daß wir nicht mal im Entferntesten politisch sind.

Kim: ….nein, gar nicht politisch…

Ronnie: Wir sind einfach blöd! B-L-Ö-D !!

Kim: Ja, das stimmt, er ist blöd.

Aber Kim, du bist doch auch bei White Flag…

Kim: Ronnie spielte auch bei White Flag… aber das war für uns nicht so, daß wir wirklich in der Band als Mitglieder…sondern haben nur für Leute die ausgestiegen sind, ausgeholfen. Nur so zum Spaß.

Ronnie: White Flag sind auch nicht mehr „so“ Hardcore wie früher…

Anfang dieses Jahres sollten sie in Deutschland touren, haben aber nur irgendwo in Skandinavien gespielt, wart ihr da jetzt dabei?

Kim: Nein, das war das Original Line-Up…

Ronnie: Quatsch, das war eher so ein Mittelphasen Line-Up. Ich hätte mitmachen können…

Kim: Das Konzept von White Flag ist eigentlich ungefähr 1 Million Mitglieder zu haben, die alle das tun, was Bill Bartel und Pat Fear sagen.

Ronnie: Jetzt hab ich es! Es war das „Third Strike“ Line-Up!

Roy: Hast du gut gemacht.

Fühlt ihr euch jetzt noch als Teil davon?

Kim: Ich nicht.

Ronnie: Aber eigentlich sind wir noch ein Teil der Band, es gibt nämlich keinen Weg da herauszukommen…

Kim: Ja, er läßt sich immer wieder überreden Live-Shows mitzumachen…

Ronnie: Genau!! Ich habe hier in Europa von einem Typen von den Pleasure Fuckers gehört, daß Bill für Spät-Juli White Flag Shows gebucht hat. Toll, das läßt mir eine Woche Pause…

Kim: Wo, in Europa?

Ronnie: Nein, in Kalifornien… aber ich werde es machen… ich spiele mit White Flag im Spät-Juli…

Roy: Cool, das werde ich mir ansehen!

Kim: Ronnie fliegt nicht gerne…

Ronnie: Ja genau, ich hätte in Schweden mit dabei sein können, aber ich  wollte nicht fliegen…

Ich würde White Flag gerne mal live sehen…

Ronnie: Wenn White Flag in L.A. spielen, dann kommen nur ca. 10 Leute….

Ich wäre der Elfte gewesen. Aber mal wieder zurück zu den Muffs. Ihr habt in eurer Jugend also 77er Punk gehört und macht jetzt eure Musik, könntet ihr euch vorstellen, was für Musik Leute, die jetzt 16 sind und euch heute Abend live sehen, wiederum in 15 Jahren machen werden?

Kim: Ich möchte gar nicht daran denken… wenn wir überhaupt jemals irgendwen beeinflussen sollten, dann hoffe ich in der Weise, daß die Person dann auch richtige Songs schreibt, das wäre mir am wichtigsten.

Ronnie: Das ist es ja auch, was wir an den Bands mögen, die wir mögen, gute poppige Melodien…

Roy: Das ist das beste Gefühl auf der Welt, wenn du merkst, du hast einen neuen richtigen Song geschrieben, den es vorher einfach nicht gab.  Alle guten alten Punkbands und Punksongs hatten Melodien, das ist ja das, was mich am Hardcore so gestört hat. Ich war für Hardcore genau am richtigen Ort, zur richtigen Zeit, ich war genau im richtigen Alter und ich habe mir auch damals bei all diesen Konzerten, all die Bands angeschaut, nur es gefiel mir einfach nicht. Es kam für mich nichts rüber, was mich mitriß!

Und wieder einmal fährt ein Zug vorbei und alle im Raum fangen an zu brüllen.

Ronnie: Wir sind auch vor allem durch die 60er geprägt…

Kim: Ja, all unsere Songstrukturen sind aus den 60ern, nur die lauten Gitarren kommen vom Punkrock…

Inzwischen haben Veruca Salt gerade Zugabenpause und mir werden Steve, Jim, und noch tausend andere Leute vorgestellt. Jim erzählt mir, daß er auf der Bühne mit seinem Bass eine Wasserflasche zerbrochen hat und Jude sei. Da ich den Zusammenhang nicht verstehe, freuen sich alle sichtlich. (Was wollen diese Amis??) Die nächsten 10 Minuten sind auf dem Tape nur noch ein Gemisch aus Zügen und ca. hundert gleichlauter Stimmen. Ich erinnere mich aber noch daran, daß Roy irgendwann eine fast volle Johnny Walker Red Label Flasche im Kühl-schrank findet und alle anfangen Whisky-Cola zu trinken. Auf einmal erzählen sich alle, welche Platten sie als erstes in ihrem Leben gekauft haben.

Kim: Devos „Freedom Of Choice“ war die zweite… oh ja, Queens „A Night  At The Opera“ die erste…

Roy: Meine erste selbstgekaufte Platte war Donny Osmond „Superstar“…

Jim: Jackson 5 „ABC“…

Ronnie: Ich habe mir Geld geliehen, um „Dressed To Kill“ von Kiss zu kaufen.

Kim: Du lügst!!!!

Jim: Ich glaube, wir müssen jetzt unsere Zugabe machen.

Kim: Geht raus und bringt sie alle um!

Ronnie: Dieser Knutschfleck ist übrigens von Steve…

Roy: Sei ruhig, der Mann hat doch keine Kamera dabei…

Kim: Du wirst uns alle für reichlich bekloppt halten, aber wir fahren in einer Woche nach Hause…

Alle: Home!!, yeah home….

Ihr scheint euch ja wirklich zu freuen, bald wieder in den Staaten zu sein. Die meisten Bands, mit denen ich spreche, sind froh in Europa zu sein, weil die Tourbedingungen hier meist besser sind und das Publikum oft größer als daheim. 

Kim: Nicht bei uns, wir mögen Amerika viel lieber…

Ronnie: US is the best!

Roy: Also für uns ist es in Amerika wirklich besser, wir ziehen in  Deutschland einfach keine Leute. Heute Abend (400 Besucher) war die beste Show von der Besucherzahl, aber die meisten sind wegen Veruca Salt da…

Kim: Womit sie auch völlig recht haben!

Roy: ….aber die Konzerte, die wir geheadlined haben, waren fürchterlich schlecht besucht. Im Loft in Berlin war es ziemlich leer…

Kim: Dafür waren Madrid und Paris total voll, also ich nehme alles zurück, Europa ist doch nicht so schlecht.

Ronnie: Holland, Schweden besonders, Spanien, eigentlich war es überall toll außer in Deutschland und Frankreich…

Ihr hättet vielleicht eher in Juzen oder Squats auftreten sollen.

Ronnie: Fuck NO….

Kim: Aber wir sind keine Punkband…..!

Roy: Wo zum Teufel soll man in einem Squat spielen…?

Ronnie: Wir sind nur vier Tage die Woche Punk, so ’nen Scheiß machen wir nicht mit.

Kim: Ich weiß nicht, würde das trotzdem Spaß machen? Würden sie dir Schnaps in den Tourbus stellen?

Roy: Auf so einer Tour gibt es keinen Tourbus… was mich daran erinnert, daß ich jetzt scheißen gehen muß!

Kim: Roy scheißt ungefähr 17 mal am Tag.

Ronnie: Er ist wie ein Hase und läßt seine Haufen überall liegen.

Roy: Erzählt ihm nicht, daß ich wie ein Hase sei, daß stimmt nicht…

Das Problem ist aber, daß viele Leute, die euch wahrscheinlich mögen würden, nicht in Clubs wie die Batschkapp gehen, schon allein der  Eintrittspreise wegen. 

Kim: Ja, aber trotzdem… da ham die Leute halt Pech gehabt… Ich bin in keiner Weise so gepolt. Wenn ich eine Band mag, dann mag ich sie. Ich mag sie, wenn sie auf einem Indie sind, ich mag sie, wenn sie auf einem Major sind. Ich mag sie, wenn sie in einem ganz kleinen Club spielen, aber auch in einem teuren Riesenladen. Außerdem hasse ich Clubs, weil die Clubs in L.A. so Scheiße sind und da lebe ich.

Das  wichtigste in Amerika ist, daß du darauf achtest, daß du gute Bouncer hast. Es muß ihnen klar sein, daß du es nicht akzeptierst, daß sie  Leute zusammenschlagen nur weil sie pogen. Uns ist in L.A. schon oft passiert, daß die Bouncer vor der Show backstage kamen und uns fragten, ob sie Leute, die auf die Bühne klettern, zusammenschlagen sollten. Wir haben dann immer NEIN gerufen und ihnen klar gemacht, daß wenn jemand stören sollte, die Person höflich von der Bühne zu bringen sei. Fast alle, die wir im letzten Jahr gesehen haben, waren so drauf. Obwohl auch da die Frage, ob sie jetzt nun freundlich sein oder alle verprügeln sollen, an sich schon etwas beschränkt ist. Natürlich sollen sie freundlich sein.

Veruca Salt haben ihre Zugabe gemacht und ein kleiner Tumult bricht aus und auch Roy ist mit seinen menschlichen Bedürfnissen fertig. Ich erfahre, daß Veruca Salt bei David Letterman aufgetreten sind, die Muffs aber noch nicht, da man viele Platten verkaufen müßte um bei Letterman auftreten zu dürfen.

Ich dachte die Plattenfirma würde einfach bezahlen und damit wäre die Sache dann gelaufen.

Kim: In Moment läuft, glaube ich, nicht so viel Payola, denn der Präsident von Reprise liebt uns total. Und wenn es so einfach wäre, wären wir schon Nummer Eins. Unsere Plattenfirma mag uns!

Mir ist aufgefallen, daß ihr die Texte nie abdrucken laßt, warum?

Kim: Weils kitschig ist, wenn jemand den Text haben will, soll er die Platte einfach ein paarmal hören, außerdem sind sie ziemlich eindeutig. Die Kinks hatten auch nie ein Textblatt.

Ronnie: Es ist doch nur Rockmusik…

Roy: Niemand hatte ein Textblatt bis dann die Beatles bei „Sergeant Pepper…..

Kim: Aber wer braucht das?

Ich habe aber oft in meiner Jugend durch das Lesen von Songtexten mein Schulenglisch verbessert und anders herum. Einige Platten der Dead Kennedys gab es sogar mit deut-schen Textblättern.

Kim: Was? Halt mal, die Texte waren übersetzt?

Ja, es gab glaube ich auch französische und sogar eine finnische Textbeilage.

Kim: An solche Sachen haben wir noch nie gedacht. Eine Sache an den Muist, daß wir nicht sehr umsichtig sind, wir danken nie jemandem auf der CD, wir schreiben nie hin, in welchem Studio wir aufgenommen haben…

Auf einmal sind alle ganz aufgeregt, weil Nina und Steve (Veruca Salt), scheinbar ein Paar, sich streiten. Alle im Raum fangen an zu flüstern, um auch ja kein Wort, das vom Nachbarraum rüberschallen könnte, zu verpassen. Ich werde informiert, daß Steve Nina bei der Zugabe irgendwie angespuckt hat und sie dann sofort die Bühne verließ und die Band die letzten drei Songs ohne sie gespielt hat.

Kim: Was ein Quatsch, wir bespucken uns andauernd und sind nie böse aufeinander.

Ronnie: Nicht so laut, sonst hören sie uns noch nebenan!

Nun stehen alle plötzlich auf, rennen zum Fenster und brüllen so laut sie nur können „Courtney“ aus dem Fenster. Ich habe keine Ahnung warum. Die allgemeine Diskussion wendet sich dann zum Thema MTV.

Kim: Das schlimmste an MTV ist, daß es eine ganze Generation von furchtbar faulen Plattenkäufern erzeugt hat. Früher war man im Plattenladen am Stöbern, hörte mal in die, mal in die Scheibe. Heute sehen sich die Kids nur noch MTV an, um zu sehen was es gibt und was neu ist.

Roy: Das sind aber nur die Schafe, die gab es schon immer, jetzt schauen die Schafe halt MTV und hören schlechte Radioprogramme, früher hörten sie nur schlechtes Radio.

Kim: Aber sie machen es sich so leicht. MTV hat aber auch etwas Gutes. MTV zeigt Videos. Videos sind sehr unterhaltsam und auch eine Kunstform, nur die Leute sollten es nicht als Informationsquelle benutzen, um zu sehen, welche Bands sie im Moment mögen „sollten“.

Werden eure Platten noch in Vinyl hergestellt?

Roy: Das neue Album ja, die erste gab es leider nur als CD.

Das nervt mich immer bei Major-Labels, auch wenn es Vinyl in den Staaten gibt, ist es hier fast nie zu bekommen, denn Mail-Order Versands führen die Sachen selten, da sie zu teuer sind und die Läden in Frankfurt und Umgebung verkaufen kein Vinyl mehr. Man bekommt, im Vinylbereich, oft obskurste Indie-Sachen leichter als die normale Major-Vinyl-LP.

Kim: In Amerika verkaufen die großen Ketten wie Tower Records wieder Vinyl.

Roy: Es fängt wieder an, daß immer mehr Leute Vinyl-Platten wollen, uns freut das. Die neue LP ist sogar im roten Vinyl!

Kim: Das ist so ähnlich wie die Sache mit Coca Cola. Vor Jahren brachte die Coca Cola Corporation eine nach neuesten Gesichtspunkten gemixte „New Coke“ heraus und alle haßten sie. Nach einer Weile kam die alte Cola dann als „Coke Classic“ zurück. Bei der CD ist es genau das gleiche. Die CD ist zwar kompakter, einfacher zu handhaben, lebt länger, aber sie klingt nicht so warm.

Auf einmal ist wieder einmal völliges Chaos, denn ein Augenzeuge des im Nachbarzimmer entstandenen Beziehungsdramas schaut vorbei und gibt uns die letzten Neuigkeiten. Scheinbar reden sie wieder miteinander. Und irgendwie wechselt das Gespräch zu L7.

Roy: Die beiden ersten Alben waren sehr gut, nur mit dem letzten haben sie  völlig versagt. Das ist eine reine Metal-LP, sie hatten auch irgendeinen Metal-Produzenten…..

Kim: Von wem sprecht ihr?

Roy: Von L7…

Kim: Fuck L7……

Roy: Du weißt doch „oooooOOOOOAAAndre“…

Kim: „Andre“ ist der beschissenste Song überhaupt!

Jim: Ich muß jetzt was sagen, L7 stinken und sind eine schreckliche Bandaber…

Kim: …sag es bitte nicht….

Jim: …“Andre“ kicks ASS….

Alle: NEIN!!!!!!

Roy: Das Ganze klingt nach bösen Wikingerfrauen… „OOOOOOOOOOOAAAAAAAA AAAAAAAAAAndre“…

Jim: Ich finde es klasse, es hat so etwas vom Gesang der Höhlenmenschen.

Um diese Szene noch zu verschönern, fangen jetzt alle an, wie Höhlenmenschen, Wikingerfrauen oder eben wie L7 zu singen.

Roy: Sie hätten im Video alle so große Helme mit Hörnern tragen sollen.

Wird das jetzige Line-Up so bleiben?

Roy: Ja, wir klingen einfach besser und wir kennen uns gut. Ich glaube nicht, daß wir jetzt noch mal jemanden suchen, um dann erst nach Wochen zu merken, daß es musikalisch oder auch menschlich nicht klappt. Außer bei den Backing vocals fehlt uns auch niemand.

Du könntest doch Background singen, du hattest heute kein Mikro.

Kim: Au ja, Roy, ab jetzt singst du…..

Roy: Nein, nein ich kümmere mich um andere Sachen da hinten. Ich habe keine verdammte Zeit zu singen, ich hab gerade genug Zeit zu atmen.

Kim: Ach komm doch, Roy … wir geben dir auch mehr Geld…

Roy: Keine Chance, laß Ronnie singen… Nein, wir werden ein Trio bleiben.

Kim: Die einzige Person, die ich mir noch vorstellen könnte, wäre jemand, der ganz leise im Hintergrund Gitarre spielt und singt und den Charakter von Gott hat.

Ronnie: Ja, aber Whitney Houston hat im Moment keine Zeit…

Kim: Aber Whitney ist total Punk!

Roy: Kannst du dich mit ihr voll identifizieren?

Kim: Natürlich, wir hatten ja auch schon beide Stalker. (Das sind so geistesgestörte Fans, die irgendwannmal aggressiv werden können.)

Aber die wurden nicht erschossen wie bei Madonna?

Kim: Nein, ich hatte drei Stalker…

Ronnie: Einer war fiktiv…

Kim: Ok, einer war fiktiv, aber die anderen… da gibt es zum Beispiel diesen Typen, der zu allen Konzerten, die wir in Amerika geben, hinfliegt.

Roy: Oh ja, ich warte immer darauf, daß er auch mal hier auftaucht.

Kim: Ja, der hat mich mal gepackt… ich kam gerade ganz normal aus einem Gebäude gelaufen und war auf dem Weg, mir was zu Essen zu besorgen, laufe ganz normal die Straße runter und aufeinmal ist er da, packt mich und brüllt „Ich will ein Foto von dir!“. Roy und noch ein anderer Freund waren zum Glück dabei, ich meine, der Typ ist verrückt.

Roy: Und er taucht leider immer wieder auf…

Kim: Ja, wir gehen nach der Show zum Beispiel in eine Bar und natürlich geht er uns nach und nervt… der Typ ist auch irgendwie eklig.

Es kommt mal wieder ein Zug durchs Zimmer gebraust, alles freut sich und spricht über Gitarristen.

Kim: Ich habe zwei, nein drei Lieblingsgitarristen auf der ganzen Welt: 1. Dave Davies von den mid 60er Kinks, 2. Eddie Phillips von The Creation Mitte bis Ende der 60er und 3. John Lennons Rhythmusgitarre. Man hört ihn kaum auf den Platten, aber wenn man ihn erahnt, ist er brillant. Obwohl ich angefangen habe Gitarre zu spielen, weil ich Brian Setzer von den Stray Cats gesehen habe. Meine Lieblingssängerin ist Joan Jett…

Iiiiigitt…

Kim: Ich erzähl dir das nur, du mußt nicht zustimmen…

Ronnie: Nein, wirklich, damit mußt du nicht einverstanden sein…

Kim: Doch, jetzt mußt du doch zustimmen, Joan Jett ist toll… nicht unbedingt in den Runaways, aber sonst… Bei den Männern klar wieder John Lennon und Dave Davies…. natürlich auch Ray…

Roy: Ja, weil Dave ja auch nur am Anfang gut war…

Kim: Bis weit in die mittlere Phase!!

Ich muß ja jetzt ganz klar gestehen, daß mein Wissen über die 60er große Lücken hat. Ich habe ziemlich früh angefangen, Punk zu hören.

Kim: Das ist doch cool, dann sagen wir dir jetzt aber, welche Kinks-Platte du unbedingt kaufen mußt…

Und genau in diesem Augenblick ist das Band zu Ende und so werde ich weiterhin ohne eine Kinks-Platte durchs Leben gehen müssen. Bleibt nur noch zu sagen, daß ich leider nur selten so nette Bands interviewe.

Text & Interview: Al Schulaa


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