September 7th, 2014

SURFPUNK (# 64, 06-1997)

Posted in artikel by Jan

Den habt ihr alle schon gehört. Mit dem läßt sich viel schmücken… in Mailorderkatalogen, Promozetteln, vielem mehr… sogar Sampler, zB der Zap Surfpunksampler `off limits’… und allen scheint die Verbindung von Wellenreiten mit Punkrock ein unumstößliches Faktum zu sein – ähnlich wie mit Skateboards (vgl. my god rides a skateboard / Spermbirds/ o.ä.) scheint dieses Sportgerät einen direkten Bezug zu einer `Punk’-Szene zu besitzen. Inwieweit dies stimmen kann, inwiefern dies überhaupt möglich ist – das werde ich hoffentlich hier erläutern / widerlegen können.

Historisch betrachtet gibt es die Fortbewegung auf Wellen seit über 100 Jahren, die ersten Berichte hierfür stammen aus Polynesien. Auch andere mit Punk gerne in Verbindung gebrachte Begriffe wie zB Tätowierungen oder Brandings und so Krams haben (auch) einen polynesischen Hintergrund.

Die Theorie, daß Iggy Pop eigentlich ein Polynesier sei, konnte nicht verifiziert werden – aber die Namensgebung der Angry Samoans zeigt uns deutlich auf, daß Punk eigentlich aus der Südsee kommt und auch – sofern man Dolf oder mich fragt – aufgrund besserer klimatischer Bedingungen dorthin wieder zurückgeschickt werden sollte – dann geh’ ich mit.

Surfen wurde in der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts dann auf den hawaianischen Inseln populär, da sich die dortigen `beach boys’ (fest angestellte Bademeister) auf langen, hölzernen Brettern schnell durch die Brandung bewegten, um den Ersaufenden dann auf’s Brett zu zerren und mit der Brandung wieder an Land zu fahren.

Und so langsam verselbstständigte sich dann der Sport, sicherlich auch erklärbar durch den ökonomischen Aufschwung der USA nach dem 2.Weltkrieg – die Leute verfügten auf einmal über ein wenig Freizeit, durch die Entwicklung der Überflußgesellschaft wie auch der Medizin wurde ein `gesünderes’ Leben interessanter und auch durchführbarer (auch wenn die ueberfressenen Burgeridioten einen anderen Eindruck erwecken mögen).

Surfen wurde, dann auch in Kalifornien und Australien, zu einer Mode, der, damals wohl noch so üblich, ein gewisses Lebensgefühl hinzugefügt wurde. Und das beruhte hauptsächlich auf der Hoffnung, sein Leben am Strand verbringen zu können, in einem halbwegs harmonischen Einklang mit der Natur. Da es aber zu wenig Lifeguard-Jobs gab und gibt, die all den Surfern ein bescheidenes Einkommen sichern, mußte zwangsläufig auch eine Industrie entstehen, die die Bretter fertigt, gewisse Kleidungen propagiert und herstellt etc. (Achtung, Du siehst, nicht jeder Punkt ist hier wirklich kausal begründet).

Und bis die richtig groß war würde noch eine ganze Weile vergehen, also im Kontext bleiben. Der Hauptteil der Surfer in den Fifties und Sixties waren sicherlich Heranwachsende, die eben in einer Phase ihres Lebens viel Wassersport trieben und irgendwann `herauswuchsen’. Ein anderer Teil, der harte Kern (na, klappt mit den Analogien heute wieder prima), versuchte, ein Leben um das Surfen zu bauen. Und dazu kamen dann weltanschauliche Gesichtspunkte.

Ein Leben in der Sonne ist ja auch von einer gewissen Relaxtheit gekennzeichnet, wie zB die Mittelamerikaner und ihren `manana’-Mentalität (zB John Steinbeck, `Tortilla Flat’). Um gut zu surfen, war und sind Muskeln notwendig und Bäuche im Weg – eine gewisse puritanische Einstellung zum Drogenkonsum, zumal wir uns ja im puritanischen Amerika befinden, lief einerher.

Dies erzählt zB der mehrfache Surf-Weltmeister Nat Young in einem Buch (Surfing Fundamentals), wo er auf Politiker (idF den früheren australischen Premier Bob Hawke) hinweist, die sich sehr sehr gerne mit Surfern ablichten lassen, da `the high profile associated with this sport’ ihnen Wählerstimmen verspricht. Surfen ist ein `sauberer’ Sport, die Kids fressen (theoretisch wohlgemerkt, und bis ca. `75 auch realistisch) keine Drogen und sehen alle gut aus. Braungebrannte Leiber, als noch niemand das Ozonloch überhaupt kannte.

Mit viel schlechtem Willen könnte man ja jetzt Parallelen zwischen SxE und Surfen ziehen. Ich kann es mir verkneifen.

Ab den Siebzigern, ein Relikt der Hippiegeneration, zogen auch Drogen ein… Surfen war zu einer Massenbewegung verkommen `A good winter swell and maybe six guys in the water. Place is a zoo now. Every faggot punk and his brother’s out there and they all want to be hot.’ (Kem Nunn, `Tapping the source’). Und gerade die post-irgendwas Gesellschaft ist der ideale Nährboden, da die Kids im Schnitt keinerlei Perspektive haben und daher genügen Zeit im Wasser verbringen können.

Der in Kalifornien – sicherlich bedingen sich beide Punkte gegenseitig – praktizierte Körperkult (und nur von dort kommt er) hat eine enge Verbindung zum Surfen. Ein ganz früher Surffilm, `the endless summer’ (Bruce Brown) wurde in den Sixties überall auf der Welt gezeigt und sorgte für entprechende Verbreitung des Wunsches nach ewiger Wärme im muskelbepackten, wohlgebräunten Universum (So ziert sich zB ein Bekleidungsladen in Frankfurt mit dem Namen des Films und dem Filmposter)

Die fortschreitende Umweltzerstörung und die ersten Bewegungen, die dies erkannten und darauf hinwiesen sollten auch auf die Surfszene Einfluß besitzen – aber eben NUR auf einer Ebene, die den Durchschnitssurfer interessiert: Die `Surfrider Foundation’ kämpft seit Jahren für saubere Meere, die Erhaltung von unter Naturschutz gestellten Küstenstreifen ABER SONST NIX. Mach Dir selbst Deinen Reim darauf.

So, das soll erst einmal alles zum Thema surfen sein. Gehen wir jetzt einmal auf den Begriff Surfpunk ein. Die ersten Menschen, die sich so benannten, finden wir in der SouthBay von Los Angeles Ende der Siebziger Jahre. Zu diesem Zeitpunkt erfolgte eine Ablösung – sound-mäßig etc – von den Hollywood Punkbands wie zB X, den Germs, hin zu einem schnelleren Sound, genau, es sollte irgendwann (retrospektiv) h/c genannt werden.

Diese Kids hatten eben genau den Surfer-background, was dann im Buch `H/C California’ zu ff. Aussage führt: `Beach kids, whose lives revolved around heavy physical prowess, were out to kick ass ’. Hier tauchen dann auf einmal `Jocks’ auf – letztlich gibt es kein Equivalent zum `Proll’ in den USA – `White Trash’ ist etwas ganz anderes – aber ein Jock würde in Deutschland als muskelbebackter Proll gut charakterisiert sein.

Diese hatten ihre bunten Surfklamotten an, kurze Haare, und tanzten etwas wilder. Der Slamdance wurde so geboren, von Zeichnern wie Shawn Kerri auf Flyern etc. leicht verständlich dargestellt – und sie übernahmen die Szene. Zynisch beschreibt Shreader in oben genanntem Buch, daß viele von ihnen das Wort `punkrock’ mit `Blut und Prügeleien’ gleichsetzten. Und daß – als so ziemlich keine Konzerte mehr stattfinden konnten, da a) die Polizei b) die Besitzer der Clubs nicht mit 100%iger Sicherheit eine Massenschlägerei haben wollten, viele der surfer jocks in die Armee gingen.

Aber: Der Begriff `Surfpunk’ war geboren, assoziiert mit Bands wie den Cheifs, Klan, Simpletones. Der Grund hierfür war also die Herkunft und die Übernahme (durch Surfer / Surfpunks /Jocks) des ehemaligen Territoriums der Glitterpunks, wie sie in Hollywood saßen. Es gab in den Texten sicherlich zahlreiche begriffliche Hinweise auf den Strand und das Surfen, aber keine dieser Bands propagierte Surfen in irgendeiner relevanten Art.

Das taten aber zB die Ramones ein paar Tausend Kilometer weiter östlich, und die hatten mit dem Meer, sofern man von Wochenendausflügen (Rockaway Beach) absieht, nichts am Hut. Dennoch `wurde keine Band in LA mehr kopiert als die Ramones’ (C. Ashford, What! / Iloki Records) – aber eher soundmäßig als mit der Verküpfung von Punkrock und `Surfin’ Bird’. Zumal es sicherlich etwas selten Blödes hätte, einen bis oben hin mit allem, was die Drogenindustrie liefert, vollgestopften Joey Ramone auf `nem Board zu sehen.

Die Bands, die heute gerne zurückblickend mit dem Begriff belegt werden, wurden vielleicht von Strandkids gehört, hatten aber keinen direkten Bezug zum Surf an sich – wie zB die Dickies (bei so viel H kann man wahrlich nicht ins Wasser).

Bis heute hat sich daran nicht viel geändert. Ausnamen sind zB D.I., deren Beachboys-Cover `Surfin’ Anarchy’ dem ein oder anderen vielleicht noch im Ohr liegt. In der Textveränderung, die sie durchführten, heißt es u.a. `we’re rebels of the sea -droppin’ in in Redondo’ – Surfterminologie also. Auch wenn hierbei bemerkt werden sollte, daß es in Redondo Beach (LA) keine einzige vernünftige Welle gibt. Nun, auf der `Ancient Artefacts’ LP findet sich `Hang ten in east Berlin’ – kein Kommentar.

Den letzten Punkt, den ich ansprechen möchte, ist die Surfmusic und ihr Einfluß auf unsere heutige Welt. Anfang der Sechziger baute Leo Fender für den Musiker Dick Dale die Stratocaster – denn dieser wollte das Gefühl, auf einem Board zu stehen, soundmäßig umsetzen. Desweiteren baute Fender für Dale erste Reverb-Effektgeräte usw. . Da ca. 99.2 % aller Bands der Welt Strats oder Nachbauten verwenden, finden sich auch Punkbands darunter. Aber nicht ausschließlich.

Einige Chronisten haben die Aufbruchsstimmung Anfang der Sechziger, als Tausende kleiner Hinterhofsurfbands den von Dale geprägten Sound nachahmten, mit der D.I.Y.-Entwicklung des Punkrocks verglichen. Insbesondere auch die zahlreichen, kleinen Labels, die Surfplatten veröffentlichten.

Ich halte dies nur bedingt für zulässig, da es keinerlei inhaltliche Übereinstimmung bei beiden Richtungen gibt: Surfsound war (und ist?) auf gewisse spielerische Fähigkeiten angewiesen, und beschäftigt sich fast ausschließlich mit dem Surfen. Das Propagieren eines Lebensstils fand so gut wie nicht statt, und wenn, dann waren es

Truppen wie die Beachboys, die so ein paar Dollar machten – ihr Hauptsongschreiber Brian Wilson hat panische Angst vor Wasser. Prinzipiell ist Surfmusic ein Propagieren von einer Thematik, währen Punk und H/C in vielen Fällen eine Reaktion auf etwas darstellten, und von den Sauf-aus-Bands möchte ich hier nicht sprechen.

Die einzigen Band, die ganz ursprünglich beide Stile fusionierte, waren Agent Orange, deren Sänger und Gitarrist Mike Palm die Verbindung so erklärte: `meine älteren Brüder hatten mir immer ihre Platten überlassen, da sie auf jeder neuen `Welle’ mitwippten’ (…) `roh, wild, primal, intensives Zeug eben’.

Aber das fiel den Punks auf den Konzerten sowieso nicht auf – `…haben mich damals gefragt, wie ich denn `Pipeline’ geschrieben hatte’. Dann hätten wir mit Abstrichen noch die Flyboys, die immerhin ein Instrumental spielten… das war damals.

Die frühen Achtziger sahen ein Revival der Sufmusic, bei dem die dann schon herrschenden `alternativen’ Strukturen (Labels) gerade mitbenutzt werden konnten. Und die Neunziger sahen auch schon ein Surfmusicrevival, welches grundsätzlich durch Tarantino und seinen Film `Pulp Fiction’ ausgelöst wurde.

Aber die neuen Bands, die sich dieser Tage formiert und wahrscheinlich schon wieder aufgelöst haben, entstammten fast ausschließlich dem Sixties / Garagenundergound. Ein sehr schönes Beispiel hier die Compilation `11 Mutant Surfpunks’ aus England (1985), wo wir u.a. TopTen Hits der Sechziger finden (Malibooz – 308) und die neueren Bands keinen Millimeter mit Punk etwas zu tun haben…

Und deshalb ist der Begriff Surfpunk ein sehr mißverständlich – wenn überhaupt zulässig.

Aber es gibt viel zu entdecken. Viel Spaß dabei.

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Text: Daniel Röhnert (- seit `87 am surfen)

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