Juni 15th, 2020

Sister Disaster aus # 197, 2019

Posted in interview by Jan

Sister Disaster – Interview

SISTER DISASTER aus Jyväskylä, Finnland. Ein kick ass Name! Hanna (Bass), Sanna (Gitarre), Kaa (Gitarre/Gesang) und Riikka (Schlagzeug) spielen sich mittlerweile seit gut 5 Jahren durch die coolen Läden in Helsinki, Turku, Tampere, Jyväskylä, Oulu und vielen anderen Städten mehr. Endlich sollte es für die Band ins Ausland gehen. Und zwar nach Berlin. Zum spät möglichsten Zeitpunkt jedoch musste das für den Köpi-Geburtstag geplante Konzert am 23.02.2019 leider ins Wasser fallen. Ein neuer Laden für dieselbe Nacht und dieselbe Stadt musste her, denn die Organisation der Reise war natürlich längst in Sack und Tüten.

Ein paar Telefonate und E-Mails später war die Sache dann geritzt: SISTER DISASTER würden stattdessen im Schokoladen spielen können und sich einfach mit zwei weiteren Bands die Bretter teilen, die für den Abend bereits angekündigt waren. Das alles auch sehr zur Freude einiger KanadierInnen und eines Typen aus Frankreich, der bereits auf seinem Blog ein Interview mit SISTER DISASTER veröffentlichen konnte (noch zu finden auf: theblogthatcelebratesitself.blogspot.com). Nicht zu fassen, dass diese Leute nicht zuletzt extra für diese Band nach Berlin angereist kamen (!). Feine Sache also, dass die Band noch in den Schokoladen mit hineinrutschen konnte und das Ganze damit auch finanziell einigermaßen glimpflich für die Finninnen ausgehen konnte. Spitzenmäßige Sache dieses Punk!

Mein Interview mit SISTER DISASTER habe ich nun schon sehr lange vor mir hergeschoben. Als ich eine Zeit lang in Finnland gelebt habe und die Band kennenlernen konnte, war es schon einmal soweit. Leider war die Probe einer befreundeten Band (THE ESCAPIST, †) nebenan laut genug, um uns damals die Aufnahme zu vermasseln… So war es also jetzt endlich Anlass genug für einen zweiten Anlauf – und das in Berlin! Das Interview haben wir nach dem intensiven Konzertwochenende (natürlich…) per Mail nachholen müssen… #Enjoy!

Hi Sisters! Nun da Berlin hinter euch liegt: Wie war die Rückreise und hat Berlin euch gegeben, was ihr erwartet hattet?
Alle: In Berlin zu spielen war eine der coolsten Sachen, die uns bisher so passiert sind. Wir waren sehr gerührt durch die spontane und tatkräftige Hilfe, die man uns gegeben hat, hier noch einen Ersatzgig ranzubekommen. Wir wollen unbedingt wieder hierher zurückkommen! Und das möglichst bald! Wir haben hier viel mehr mitnehmen können als wir anfänglich dachten; viele coole Leute haben die Dinge hier so einfach werden lassen. Der Schokoladen in Berlin war so ein hervorragender Ort! Die Art von Ort, in dem wir sicherlich eine Menge Zeit verbringen würden, würden wir in Berlin wohnen. Und wegen der Rückreise: wir können immer noch nicht fassen, dass wir den Flieger tatsächlich noch rechtzeitig geschafft haben!

Eine Band macht sich selten nur so nebenher. Oft steckt da viel Zeit und Nerven drin. Woher zieht ihr eure Motivation das weiterzumachen?
Hanna: Ich wäre wohl völlig normiert geworden, tot oder irgendeine leere Schale, gäbe es diese Band nicht für mich. Es ist etwas durch das ich oftmals den Fokus behalten habe, wenn schon alles andere den Bach runter ging oder absolut Scheiße war. Durch die Band bin ich gezwungen meine besten Freunde regelmäßig zu sehen, ein paar laaaange Stunden im Auto zu sitzen und hervorragende bis beschissene Musik in Dauerrotation zu hören, Neues zu lernen oder neue Leute kennenzulernen und hier und da ein bisschen Disco zu haben von Zeit zu Zeit.

Sanna: Diese Band ist ein großer Teil von mir geworden. Das Spielen ist ein Weg für mich, mich von bestimmten Sachen zu befreien und zu relaxen. Als wir uns gegründet hatten, hätte ich niemals geglaubt mal Teil von solchen Projekten und Aktionen sein zu können, die wir als Band eben so erleben. Einfach eine coole Sache.

Riikka: Die Motivation kommt aus der Band selbst. Zur Zeit lebe ich rund 200km entfernt von Jyväskylä, wo wir proben, aber ich muss sagen, Ich finde es kaum nervig nach einer Woche auf Arbeit ca. 3 ½ Stunden freitags in einem Zug zu sitzen, nur um zur Probe zu fahren! Diese ganze Bandsache ist einfach eine der besten Dinge in meinem Leben.

Kaa: Für mich kommt die Motivation aus der Musik. Musik machen und spielen sind für mich einfach absolute Lieblingsbeschäftigungen.

In einem früheren Interview habt ihr mal gesagt, neben Bands wie Dead Moon, No Hope for the Kids oder Kollaa Kestää, gehört auch finnischer Schlager zu euren Inspirationen. Von was für Bands und Künstlern reden wir denn da? Zeug wie Marko Hasvisto?
Hanna: Marko Haavisto. ?

Sanna: Ich könnte noch Agents erwähnen, eine finnische Band die es seit den späten 70ern gibt. Ich liebe deren melancholisch-dunklen Sound. Marko Haavisto ist auch prima!

Riikka: Ich denke, bei uns allen ist es die Liebe zu dunklen, melancholischen, aber zugleich auch catchigen Schlager Songs. Neben den genannten mögen wir auch Rauli Badding Somerjoki und Pepe Willberg. Und wir hören auch viel berühmte Songs der 70er, die von finnischen KünstlerInnen auf Finnisch gecovert worden sind, wie etwa Kirka, Vicky Rosti, Taiska usw. usw.

Kaa: Badding. ? Wir mögen aber auch Popmusik, die inspiriert ist durch finnischen Schlager. Nur mal als Beispiel könnte man da die berühmten Leevi and the Leavings nennen.

Woher nehmt ihr die Inspiration für die Texte?
Kaa: Für gewöhnlich schreib ich über Sachen, die grad in meinem Kopf ablaufen oder in meinem Leben präsent sind, wenn wir diesen oder jenen Song schreiben. Ich bin politisch und möchte natürlich auf dem Laufenden bleiben und wissen, was in der Welt abgeht. Letztes Jahr waren das hauptsächlich bad news und ich habe den Eindruck, dass unsere globale Gesellschaft konstant weiter in den Sumpf läuft. Wie können Leute nur so ignorant und furchtbar zueinander sein? Das frustriert mich einfach, macht mich wütend und sehr traurig. Wenn ich an einem Text sitze, kommen diese Gefühle automatisch hoch, weil sie mich so sehr etwas angehen. Und unsere Musik ist eben schwermütig und düster. Da fügt es sich irgendwie, wenn das auch auf die Texte abfärbt. Es ist auch oftmals so, dass die Stimmung des Songs mir schon die Worte fast dazuliefert.

Wie habt ihr zu Punk gefunden? Gab es besondere Schlüsselerlebnisse, die Euch in Finnland politisiert haben?
Hanna: Ich bin in einem kleinen, wirklich sehr engstirnigen Dorf aufgewachsen und fühlte mich da schnell als Außenseiter. Dann hörte ich Punk (ich glaube es war mit 11 als ich begann Selkkaus und andere finnische Punkbands zu hören) und dachte mir, oh ja: das ist es! Dann zog ich um und wohnte mit Kaa zusammen in Jyväskylä und traf tonnenweise Leute, die die gleiche Haltung hatten und dieselbe Musik hörten, eben diese ganze „Jyväskylän Meininki“-Szene. [Anm.: „Jyväskylän Meininki“ meint das Durcheinander in Jyväskylä, etwa das Durcheinander auf ausgelassenen Konzerten etc. Es gibt auch eine Doku über die Szene dort in und um Jyväskylä, die die Leute dort selbst gedreht haben. Ein Interview mit Mikko dazu gabs in Trust #183 und einen Outsider-Szenebericht in Trust ###].

Sanna: Bei mir gab’s keinen wirklichen Schlüsselmoment für Punk. I glaube Sur-rur war die erste finnische Punkband mit der ich in Berührung kam, als ich 16 war. Als ich 18 wurde (das Alter in dem man für gewöhnlich in Finnland Bars betreten darf) besuchte ich Punkkonzerte im Vastavirta Club in Tampere und fand so auch mehr und mehr Bands.

Rikka: Auch bei mir kein Schlüsselmoment. Mit Punkmusik und Punkkultur in Berührung zu kommen, passierte einfach Stück für Stück. Als Teenager hörte ich hauptsächlich ein paar 90er und 00er Punkrockbands. Und seit es in meiner Heimatstadt eine aktivere Szene gab, ging ich auch auf Konzerte und behielt das einfach so bei, als ich dann zum Studium nach Jyväskylä kam. Menschen- und Tierrechte z.B. haben mich immer sehr stark interessiert. Diese politische Seite am Punk fühlte sich da von Anfang an eben auch richtig für mich an.

Kaa: Ich muss etwa 16 gewesen sein als das mit Punk und den Konzerten losging für mich. Es war hervorragend Leute zu treffen, mit denen man Einstellungen teilte, die in dieselben Dinge interessiert waren und bei denen ich ich selbst sein konnte. Vor Punk interessierten auch mich schon Tierrechte, sodass der Schritt zu Punk und zur Szene in Jyväskylä einfach naheliegend war.

Was war dabei das eigenartigste Konzert, das ihr entweder selbst besucht oder als Band miterlebt habt?
Alle: An Orten, die jetzt wirklich eigenartig für uns gewesen wären, haben wir eigentlich noch nie gespielt. Aber eines der eigenartigsten (im positivem Sinn!) war das Naamat-Festival in Finnland. Das ist alles auf dem Land und wir spielten auf einer Bühne, die in eine alte Scheune hineingebaut war. Auch das Programm war dort recht bunt, inklusive eines Männerchors!

Klingt herrlich! Vielen Dank für eure Antworten!

Musik: sisterdisaster.bandcamp.com; www.facebook.com/sisterdisasterband
Fragen + Übersetzung: Benni
Antworten: Hanna, Sanna, Kaa und Riikka

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