Januar 2nd, 2020

SCHIZOPHASIA UND STREAK RECORDS aus #160, 2013

Posted in interview by Jan

„Es ist somit beinahe rational vorhersehbar, dass die Menschen in der Zukunft einen primitiven Lebensstil werden führen müssen, der auf der Asche dieser technologisch hoch entwickelten Welt basieren wird.“

Interview mit SCHIZOPHASIA

Ja, es stimmt. Ich interviewe eine Band, die es aktuell gibt. Die nicht aus Frankfurt, Leverkusen oder Kalifornien stammt. Die – jetzt bitte das Blutdruckmessgerät genau im Auge behalten – nichts mit SST-Dischord-AC/DC-RKL zu tun hat. Und die ich auch nie – ich betone, niemals – in meiner Jugend gehört habe. In der kein Promi von früher mitspielt.

Reden wir über Schizophasia aus Kanada, deren Platte „3000“ jüngst erschien ist. Sie machen einen großartigen Mix aus psychedelischem Hardcore und Hardcore mit Psych. Auch zu hören sind Fragmente von Japan-Noise-Punk, GBH und Throbbing SPK im LoFi-Keller-Ambiente. Es ist eine der besten Platte, die ich seit Jahren gehört habe. Melden wir uns dann jetzt mal in Ottawa bei Mister 1000 von Schizophasia. Eine Vorbemerkung: In einer Frage in diesem Interview zu Kanada geht es um Nardwuar, die menschliche Serviette. Er war bei MTV Kanada, macht Radio in Vancouver und schreibt fürs Razorcake.

Interview: Jan Röhlk
Gruppenphoto: Marco
live-Foto: unbekannt
das mit dem Schleim ist live in Ottawa: Dave Dekoder.
Kontakt: facebook.com/pages/Schizophasia/170530169701858

Eure neue Platte ist so eine tolle Mischung aus Garagenpunk, frühem Boston Hardcore, altem Metall plus Krautrock-Elementen. Bist du mit der Platte ebenfalls zufrieden, so von wegen „Beste Scheibe, die wir je gemacht haben“?
Ich finde, sie ist sehr variantenreich und ausbalanciert, das macht sie interessant und nicht fade. Mir gefällt es, dass du von Krautrock sprichst. Wir waren immer an dem Klang der Mitte 70er Ära von Tangerine Dream oder Faust interessiert. Wenn man diesen Bands lauscht, dann hört man eine Art kaleidoskopischen Sound. Ich denke, die „3000“ ist einerseits eine sehr ähnliche Platte wie unsere „1000“- und „2000“-Platten, außer eben der zweiten Seite.

Dort hatten wir dann einen Schlagzeugcomputer und eine Art „Tanz“-Maschine am Start. Wir haben jahrelang probiert, Industrial-Sound mit Betonung auf den Beat zu machen. Letztendlich haben wir das dann herausgefunden, es dann vereinfacht und runter gebrochen. Ich weiß nicht, ob man sagen kann, dass die „3000“ unsere persönliche Lieblingsplatte ist. Sie ist auf jeden Fall repräsentativ für Schizophasia.

Ihr habt vor einiger Zeit an der amerikanischen Ostküste mit Chaos Channel aus Japan, den Wankys und Zyanose gespielt. Bei den Wankys gibt es ja echt nur zwei Meinungen, geil oder totaler Mist; wie war es denn so?
Die Wankys spielen einen ohrenbetäubenden Krach, von daher ist es verständlich, dass viele Leute sie hassen. Sie sind echte Puristen dieses Genres, aber schreiben auch großartige eingängige Songs und sind aktiv in der internationalen Punkszene. Live waren sie gut. Mister Wanky war so breit, dass er gegen irgendeinen Stapel fiel, der dann runter krachte, ha. Bei dem Konzert gab es viele laute Bands. Einige waren aber wirklich hervorragend, zum Beispiel eben Chaos CH, die sehr psychedelisch auftraten. Sie benutzen einen Schlagzeugcomputer und hatten zusätzlich einen live Schlagzeuger. Der spielte aber nur einige Toms und fungierte eher als eine Art live-Animateur.

Kannst du uns sagen, was ihr bislang veröffentlicht habt und wie viele Leute ihr seid, ich finde im Netz keine Infos?
Zurzeit sieht unsere Diskografie so aus: 2008: Nonsens Tape, Sadists of the Earth’s Inferno Tape. 2009: Raise the Dead CDR, split-Tape mit H.O.P.E. 2010: One 7“, 2010 Two 7“, split-Tape mit No Refund/Facts/Harsh Supplement, split-Tape mit Self Surgery. 2011: split-Single mit MPW, 1000 LP, 2000 LP/Tape, 3000 LP/ Tape, 2012: One + Two Tape. 2013: 4000 LP, 5000 LP. Du hast schon recht, es gibt kaum Informationen zu uns, aber wir haben ganz gerne so ein „low Profile“ bezüglich der Zines und dem Internet. Es gab vor einiger Zeit einen Wechsel in der Band, wir sind jetzt zu dritt.

Ihr habt die arabische Sprache für die Songtitel auf dem Backcover verwendet; ich kann kein Arabisch, deshalb: über was singst du? Habt ihr so etwas wie eine Botschaft?
Die Texte sind bei jeder Veröffentlichung anders. Auf den ersten vier ging es um Regierungsverschwörungen. Auf den ersten zwei Singles war es eine zweiteilige Geschichte über Mutanten, die in einer post-apokalyptischen Welt leben, irgendwie die Geschichte von Schizophasia. Bei den ersten drei Platten und der Split mit Self Surgery geht es um post-apokalyptische Filme, wenn man die Songtitel zusammen mit den Beschriftungen auf dem Frontcover liest, ergibt das eine Art Exposé von den Filmen, wie es früher hinten auf den VHS-Kassetten zu finden war.

Die Songtitel sind halt Filmnamen. In letzter Zeit schreiben wir mehr Texte, in denen wir uns klarer positionieren. Wir sind schon eher eine „Science-Fiction“-Band, aber wir versuchen, Parallelen zwischen der post-apokalyptischen Welt und unserer Zukunft zu ziehen. Immer mehr Sozialfürsorge-Leistungen werden gekürzt, die Privatisierung von öffentlichen Infrastruktureinrichtungen wie zum Beispiel den Straßen oder dem Gesundheitssystem werden vorangetrieben und das soziale Netz zerstört. Es geht alles in die Richtung, dass jeder Mensch bald nur für sich alleine klarkommen soll.

Die Mächtigen verfolgen eine „Teile und herrsche“-Agenda und das ist doch eine selbstzerstörerische Politik. Es ist somit beinahe rational vorhersehbar, dass die Menschen in der Zukunft einen primitiven Lebensstil werden führen müssen, der auf der Asche dieser technologisch hoch entwickelten Welt basieren wird.

Das hört sich ja wie nach einem Szenario aus „Planet der Affen“ an.
Wir haben einen gleichnamigen Song, du kannst dir sicher vorstellen, was dort thematisiert wird. Wir singen über Filme wie Mad Max II und III, The Road Warrior, City Limits, Bronx Warriors, Escape from the Bronx, Steel Dawn, American Cyborg, Slip stream, Doom’s Day, Smerica 3000, Def con 4, Tank girl, Nomad rider, Land of doom, Interzone, Deathrace 2000, Cherry 2000, Doom runners, Starship, Escape from New York, Hell comes to frogtown, 2019: After the Fall of New York, Hardware, Wheels of Fire, Interzone, Neon City, The Blood of Heroes, World Gone Wild und noch über einige mehr.

Verstehe. Sag mal, auf der Industrial-Seite der Platte hört man einige Effekte bei deiner Stimme, aber auf der anderen Seite – sozusagen bildlich gesprochen – hört sich der Gesang generell krass an, ist das dann ebenfalls mit Effekten verbunden?
Ganz allgemein gesagt: die Stimme hat einige kleinere Hall- und Verdichtungs-Effekte, die in jedem anderem Studio auch verwendet werden. Auf einigen unseren Platten, auf denen wir gesungen haben, haben wir das zum Beispiel durch defekte Gitarrenverstärker verfremdet. Auf der „3000“ Platte verwendeten wir ein „Boss DD2 Delay“-Pedal und eine „Yamaha analog delay“-Box, wenn ich mich recht erinnere. Unser Sound kommt normalerweise einfach von Studio-Tricks, die auf der Verwendung von kaputtem Equipment basieren.

Was bedeutet der Plattentitel? Ist es nur, weil die erste eben „1000“, die zweite „2000“ hieß? Da hätte man ja auch einfach die Plattentitel von Led Zeppelin nehmen können, also die römischen Ziffern „I“, „II“…?
Na ja, unser Singles hießen schon „eins“, „zwei“ und so, deshalb dachten wir, es ist adäquat, dann die Platten auch in so einer traditionellen Rock´n´Roll-Sequenz zu benennen. Die Nummern
„1000“, „2000“, „4000“ und „5000“ repräsentieren den Fortschritt und den Untergang der Menschheit in all den Jahren. Es ist nicht so kryptisch, wie es sich vielleicht anhört.

Schon geil, man kann die Platte auf beiden Geschwindigkeiten abspielen und es hört sich beides gut an, ha. Wie kamt ihr eigentlich zu Streaks Records?
Als kleiner Junge fand ich es immer lustig, nen Tape von Confuse mit dauernd gedrückter Vorspul-Taste zu hören, ich dachte, schneller geht es nicht mehr. Streaks fand einen Weg, uns zu kontaktieren und bot uns eine Veröffentlichung an. Als wir sahen, dass es ernst gemeint war, fingen wir direkt an! Unglücklicherweise gibt es so viele Underground-Labels, die nur groß daher labern und ihr Wort nicht halten. Streaks ist ein vielfältiges Label mit einem guten Vertrieb in Europa, das ist großartig für uns!

Was für Musik hat dich in der letzten Zeit begeistert? In einem Interview hast du gesagt, dass du mit Punk und HC begonnen hast, der Metall kam dann später?
Durch Bands wie Black Sabbath, Venom, Iron Maiden, Amebix, Manowar und Metallica kam mein Interesse an Metall. Gleichzeitig begann ich auch, Exploited, Conflict, Dead Kennedys, UK Subs und so zu hören. Das sind immer noch die Bands, die ich meistens höre, weißt du… Das sind einfach Klassiker, die sich in meinem Kopf festgesetzt haben. Von aktuellen Bands und Platten, die ich hab und sehr mag; da fallen mir die Thee Nodes flexi-Single und die Belgrado Platte ein.

Ok, lass uns doch hier mal einen kleinen Stopp machen und kurz über kanadische Bands sprechen: Was hältst du zum Beispiel von No Means No?
Ich mochte sie nie so wirklich, aber ich habe selbstverständlich die erste Hanson Brothers Platte.

DOA?
Alles, was sie von 1978 bis 1981 gemacht haben, liebe ich. Sie touren beinahe jährlich durch ganz Kanada. Ich hab vor einiger Zeit die „Disco sucks“ Single erstanden. DOA machten wichtige Meilensteine im Hardcore.

SNFU?
Die Stimme von dem Junkie nervt mich total. Ich bin nicht sehr stark in dieser kanadischen Crossover-Szene drin, jetzt außer so Bands wie Possession, Personality Crisis und so.

Teenage Head?
Ihre ersten zwei Platten sind total super. Ich sah sie live, bevor Frankie Venom starb. Sie machten echt einige der eingängisten Punksongs aller Zeiten.

Propagandhi?
Ihre Musik gefiel mit nie, aber ihre Texte sind sehr intelligent und auch lustig. Live hab ich sie nie gesehen.

Was hältst du von Sacrifice?
Meiner Meinung nach waren sie die Pioniere, die den Thrash Metal auf die Spitze, ins Extrem getrieben haben. Slayer oder Dark Angel brauchten einige Platten, um überhaupt an die Geschwindigkeit und Bösartigkeit von Sacrifice heranzukommen.

Und wie steht es mit Rush?
Sie sind die beste kanadische Rockband, finde ich. Die Gitarrentöne, da kommt keiner ran und Alex Lifeson ist eine echte Riff-Maschine.

Ist Nardwuar eigentlich lustig oder nicht?
Ich glaube, ich sah ihn mal im Fernsehen, aber das ist zu lange her, ich kann mich echt nicht mehr erinnern. Ich bin etwas auf Distanz zu diesen Medien.

Alles klar. Wie läuft es so in Ottawa?
Es schneit…Die Stadt ist der Sitz der Bundesregierung und viele Militär- und Hochtechnologie-Unternehmen sind hier angesiedelt. Aber es gibt auch schöne Stellen, generell ist es aber sehr aufgeräumt, sehr sauber und es gibt eine starke Polizei-Repression. Du findest recht wenige Leute wie Schizophasia in Ottawa, zumindest ist das unser Eindruck.

Was denkst du von dem DIY-Konzerte-Netzwerk in Kanada?
Sagen wir es mal so: Kanada liegt sehr weit östlich von den westlichen Ländern…Du musst schon mutig sein, hier eine Tour zu machen! Wir werden das mit Schizophasia wahrscheinlich nicht auf uns nehmen, es ist einfach zu viel an Wegstrecke zu machen. Du musst ewig fahren. Falls eine Band hier auftreten will, dann lohnt es sich, in Montreal, Ottawa und Toronto zu spielen, die liegen auch einigermaßen dicht beieinander.

Überlegt ihr eine Tour in Europa?
Wenn es jemand gibt, der das ernst meint und anleiert, einige Auftritte für Schizophasia in Europa klar zu machen, dann denken wir drüber nach.

Stellt es sich für euch als Problem da, dass ihr vielleicht für die Metaller zu punkig und für die Punks zu metallisch seid ? Manchmal haben es solche zwischen den Stühlen stehenden Bands schwer, ein offenes Publikum zu finden.
Nun, Schizophasia hat nichts mit Heavy Metall zu tun, außer dass einige von uns das halt hören. Ok, zugegeben, wir stehen auch sehr am äußeren Rand von HC-Punk, sind aber nichtsdestotrotz Teil der Punkszene. Wir sind keine Garagenrock-Hipster oder irgendwie so was.

Sehr schön! Danke für das interessante Gespräch, drei Fragen habe ich noch: du bist ein vielseitiger Musiker (Gitarre, Bass, Schlagzeug). War das eine Notwendigkeit, sich das alles beizubringen?
Niemand weiß das bislang, aber viel von der hohen Gitarre bei Schizophasia ist ein Keyboard! Man hört es nicht stark heraus, aber das hilft, einen eigenständigen Sound zu kreieren. Wir drei können es ganz gut kaschieren, dass wir eigentlich nicht jedes Instrument spielen können, es aber trotzdem machen, deshalb hört sich das auch so schluderig an. Jeder, der sich die Platten anhört, kann diese saloppen Aufnahmen wiedererkennen.

Welche Platte ist ein guter Einstieg in eure Welt?
Die „3000“ Platte ist in Deutschland recht einfach zu bekommen, von daher würde ich interessierten Einsteiger diese empfehlen.

Lass uns noch rasch über die Zukunft sprechen, zwei Platten habt ihr ja schon fertig aufgenommen. Was erwartet uns? Eure „Zen Arcade“- „Highway to hell“- bzw. „Master of Puppets“-Scheibe? Das Meisterstück überhaupt von euch?
Nein, stell dich auf unsere „Land Speed Record“ – „High Voltage“- bzw. “Kill Em All“-Veröffentlichung ein; wir mögen es gerne rau. Beide Platten werden sehr unterschiedlich, nicht viele werden es mögen. Die üblichen Nerds halt, wie immer.

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„Ich habe die Platte so beworben, dass sie klänge, als würden Joy Division und St. Vitus harten Sex auf einem Friedhof haben. Also irgendwie hat die finnische Band es geschafft, auf eine ganz eigene Art Punk und Doom zu vereinen und dabei brutal, kalt und doch warm zu klingen. “

Interview mit STREAKS RECORDS

Zu der auf diesen Seiten vor einiger Zeit behaupteten These von dem besten aktuellen Label zurzeit – This Charming Man Records – wäre natürlich einiges zu sagen. Aber die dort angewandte Methode, sowohl eine oder mehrere Bands plus das Label in einem Paket zu interviewen, fand ich reizvoll. Deshalb sprach ich mit Matze von Streaks Records, dem Macher der Schizophasia Platte. Es ist meistens sehr inspirierend, sich mit seinen Black Metal-Doom-Drone-Punk-Ausgrabungen zu beschäftigen.

Checkt mal auf der Homepage die Hörproben zu den Releases, als da u.a.  wären: Ufo Gestapo, Wreck of the Hesperus, Caskets Open, Noothgrush, The Austrasian Goat, The Whorehouse Massacre, Frogskin, Taunt, Hordes of Satan und Loinen. Er schreibt auch Reviews fürs Trust und führt hier und da Interviews. Unser Gespräch ist aber nicht „deswegen“. Übrigens auch nicht, weil mir nichts mehr einfällt. Die Schizophasia-Platte hätte von jedem Label kommen können und ich hätte mich sofort um Interviews mit der Band und dem Label kümmern MÜSSEN!Übrigens betreibt Matze noch einen Mailroder, spielte in einer ziemlich genialen Punkband in Frankfurt und überhaupt: lass uns mal über den negativ nihilistischen Punk-Doom-Metal, der im Haus Streaks ja doch nicht ungerne zusammengebraut wird, reden.

Interview: Jan
Kontakt: streaksrecords.de

Hi Matze, ist das Logo von deinem Label die Stromleitung von der S-Bahn, in der du zum ersten Mal Warhammer gehört hast oder wie?
Selbstverständlich nicht. Und das soll ein Zug sein. 2006 habe ich mit meinem ersten geregelten Einkommen den Mut gefasst, ein Label zu machen. Ich habe damals immer viel Slap-A-Ham, Rethoric und Deep Six Records Kram gekauft und immer sehr diesen Mix aus harschem SloMo-Punk á la Corrupted und PowerViolence gemocht. Und noch mehr die Bands, die diese beiden Dinge zusammengebracht hatten, wie Man is the Bastard oder Su19b. Das war für mich eins, weil es auch die „Bllleeeeaaauuurrrrgghhh!“- und Reality-Samplerreihen gab, wo die ganzen Bands zusammen drauf waren. So was in die Richtung wollte ich damals machen und genau das hatte ich beim Finden des Labelnamens und Logos im Sinn. Streaks sind ja übersetzt Schlieren.

Die sieht man, wenn man zum Beispielachts aus dem Zugfenster guckt oder bei einem Comic eine schnelle Bewegung visualisiert werden soll. Also diese Verbindung aus Geschwindigkeit und zäher Entschleunigung, das war so das Konzept für Labelnamen und Logo. Auch wollte ich mir damit eine stilistische Freiheit bezüglichder Musikstile erhalten. Das tollste war dann letztes Jahr, als ich die Noothgrush – Erode the Person LP gemacht habe mit Blinddate Records zusammen, da hat sich der Kreis zu der genannten Ära dann geschlossen, das war ein gutes Gefühl.

Du hast bei der Schizophasia-Platte u.a. als Einfluss auch Super Mario Brothers geschrieben, wie meintest du das, so den Trash-Aspekt betonen?
Haha, nein. Ich muss weiter ausholen. Also die Songtitel sind ja auf fast allen Schizophasia Alben durchgängig in arabischer Schrift auf den Plattencovern. Als mir die Band dann die Aufnahmen für die 3000 LP geschickt hat, waren die Files nicht arabisch, sondern englisch benamt. Na ja, Songtitel heißen zum Beispiel (auf die gleichnamigen Filme Bezug nehmend) Rollerball oder Judge Dredd. So.

Und eben der dritte Song heißt „Super Mario Brothers“, was ich so genial fand, weil der Song eben lautmalerisch genau dieses Jump’n’Run Feeling des Computerspiels mit diesem krassen schnellen noisigen JapCoreStil umsetzt. Wenn man genau hinhört, hört man eben im Refrain, wie Super Mario Brothers gesungen wird. Das hat der Endzeitstimmung der Platte sogar noch irgendwie geholfen, deshalb musste ich die Platte augenzwinkernd so bewerben.

Zwei Käufer waren dann so schlau, die Songtitel online durch ein Übersetzungstool zu jagen, kann ich nur empfehlen, das erhöht den Spaß an der Platte wirklich noch ein Stück. Die haben sich sogar ein eigenes Inlay daraus gebastelt…

Du veröffentlichst einerseits sehr nonkonformistische Sachen, die sich dann aber wiederum schon gerne an der Schnittstelle von Sludge, Punk, Noise, Industrial, Drone, Doom und Hardcore abarbeiten, kann man das so sagen?
Ja, ich war schon immer an ungewöhnlichen oder extremen Sounds interessiert, ich habe zum Beispiel in den 90ern Peaceville oder Earache Records Veröffentlichungen verfolgt, was das Taschengeld her gab. Jetzt bringe ich meine musikalische Sozialisation auf eine Art zusammen. Zum Beispiel die Hordes of Satan LP, die Nottinghamer Band verband Industrial mit Doommetal, Stu von HoS ist ex-Pitchshifter, das passte wunderbar zu meiner alten Liebe zu Godflesh auf der einen, und sagen wir zum Beispiel frühe Anathema auf der anderen Seite. Mich interessiert, wo Genres ausfransen.

Und dann dazu, wo diese Ausfransungen anfangen, sich zu überlappen. Mich interessiert, wo irgendwas sich neu bildet, das ich so noch nicht gehört habe. Und ich habe es gerne düster und mich fasziniert, wenn sich etwas kaputt anhört, wenn irgendetwas subtil aufwühlend ist, unabhängig von der gespielten Geschwindigkeit. Was natürlich auch wichtig ist, dass die Bands auf eine Weise auf meiner Wellenlänge sind, so eine gewisse Punk-Credibility vorhanden ist, auch wenn die Leute keine Punks sind.

Minimalistischer Doom, Black Metal und droniger Postrock sind zurzeit nicht unangesagt. Sind die momentan oft genannten Lables, Festivals und Bands für dich alles Trend-Hipster?
Ach, da fragste was. Keine Ahnung. Ich mache meinen Kram und gut ist. Es fuchst mich zwar zugegeben dennoch manchmal, dass meine Veröffentlichungen nicht die Aufmerksamkeit bekommen, die sie meiner Meinung verdienen. Aber was soll’s, jetzt werde ich ja interviewt, haha.

Wann kommt endlich die mächtige Streaks Japan-Core-Box im handgemachten Sarg, 180 Kilo Pressung, mit fluoreszierendem Vollmond-Vinyl, DVD, Buch und allem Merch-Overkill?
Gute Frage. Ich habe am Anfang auch etwas dem Altar der üppigen Aufmachung von Veröffentlichungen gehuldigt, mal einen Siebdruck gemacht, limitierte Vinylfarbe hier und Sticker da. Nicht dass das per se etwas schlechtes ist! Ich mache immer noch oft einen Teil limitiertes farbiges Vinyl einer Auflage. Und wenn ein Artwork einen tollen Siebdruck rechtfertigt, mache ich das auch mal wieder. Nur hat das alles in meiner Wahrnehmung die letzten Jahre überhand genommen.

Hydra Head waren ja am Anfang auch ein nettes Label, aber als dann dieses nervige Pre-Order-Gemache aufkam mit überteuerten Shirt-mit-colored-Vinyl-Packages, da wurde es dann langweilig. Die Platte hört sich doch dann keine Sau mehr an, wenn der Hype die Vinylfarbe alleine ist. Ich mache mittlerweile auch mal gerne eine Veröffentlichung nur in schwarzem Vinyl ohne Inlay, weil doch am Ende die Musik zählen soll. Dennoch sind eben die limitierten Vinyle der Hauptteil meiner Refinanzierung von Veröffentlichungen, weil die Leute dann bei mir direkt bestellen, das muss ich schon zugeben.

Aber ich jongliere lieber mit den Kosten für einen guten Karton oder schönen Lack für die Hülle. Also weniger Bombast und schon gar kein Kartoffeldruck auf Jute, vielmehr meine Erfahrungen einsetzen, um ein stimmiges Konzept für die Platte zu entwickeln, das mit meinem Budget und technisch machbar ist.

Vielleicht kannst du am Ende noch eine Platte nennen, die sich für den hier mitlesenden interessierten Nicht-Kenner am besten als Einstieg in dein Label anbietet, so Motto „Wenn du verstehen willst, was ich mache, dann höre die einfach XY an“?
Schwierig. Ich mag sie ja alle, sonst hätte ich die Platten nicht gemacht. Ich würde mal sagen, die Debüt LP von Caskets Open „But You Rule“ ist die zugänglichste bisher, zeigt aber sehr schön, nach was du fragst. Ich habe die Platte so beworben, dass sie klänge, als würden Joy Division und St. Vitus harten Sex auf einem Friedhof haben. Also irgendwie hat die finnische Band es geschafft, auf eine ganz eigene Art Punk und Doom zu vereinen und dabei brutal, kalt und doch warm zu klingen.

Ein Kunde meinte, dass er erst dachte, dass die Platte kaputt sei, als der Bass einsetzte, haha. Der Einstiegssong „Jonestown“ macht mir heute noch Gänsehaut. Also die recht junge Band ist eben mit finnischem Punk wie Ratsia, Doom wie Reverend Bizarre und dem finnischen Nirvana-Pendant Mana Mana aufgewachsen und macht daraus was ganz eigenes. Das gefällt mir.

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