Dezember 4th, 2012

Saufen mit Sinn? – Harm Reduction beim Alkoholkonsum, Henning Schmidt-Semisch, Heino Stöver (Hrsg.)

Posted in bücher by Dolf

Fachhochschulverlag, Kleiststr. 10, Geb. 1, 60318 Frankfurt, www.fhverlag.de

Stresst dich dein Sozi im Juz ab weil du immer wieder Bier mit ins Haus bringst obwohl das eigentlich verboten ist? Dann solltest du ihn mal dazu bringen dieses Buch zu lesen. Es geht hier in erster Linie um eine Abkehr vom Ziel der reinen Alkoholabstinenz hin zu verantwortungsbewussten Umgang mit Alkohol, bzw. wenn das mit dem verantwortungsbewusstem saufen nicht mehr klappt dann eben zumindest um Schadenminimierung. Das ist in der Leitidee der Wiener Alkoholsuchtprävention ganz gut zusammengefasst: “ …problematischen Alkohlkonsum zu reduzieren, wodurch individuelles Leid sowie gesundheitliche und soziale Probleme reduziert bzw. minimiert werden. Ziel ist der kultursensitive und sozial verträgliche Alkohlkonsum, nämlich Alkohlkonsum der in kulturellen und sozialen Normen eingebettet ist.

Durch ein Wissen zum Umgang mit Alkohol betreffend eigener Bedürfnisse, psychischer/physischer Grenzen und bezüglich der Substanz wird soziale Verantwortung in allen gesellschaftlichen Bereichen übernommen und somit eine risikobewusste Haltung entwickelt.“ Das ist auf jeden Fall sinniger als ständig mit der totalen Abstinenz daherzukommen. Nach einer Einführung der beiden Herausgeber zum Thema wird im folgenden von verschiedenen AutorInnen in 16 Kapiteln viel interessantes um das Thema Alkohol und dessen Konsum beschrieben. Hasso Spode beleuchtet die „Risiken des Trinkens. Historische Entwicklung und aktuelle Tendenzen“ (grade die historische Entwicklung, sehr interessant!).

Gerd Glaeskes Text trägt den Titel “ Kulturell erlaubt, trotzt erheblicher Risiken – die Droge Alkohol“, desweiteren wird das „Rauschtrinken bei Jugendlichen“ sowie die “ Bedeutung und Funktion des Alkoholkonsums bei der Inszenierung von Männlichkeiten und Weiblichkeiten“ von Gabriele Stump und Heidi Reinl, bzw. Susann Hösselbarth, Christine Seip und Heino Stöver untersucht. Stephan King setzt sich für eine “ Aneignung der Alkoholkultur als Bildungsaufgabe“ ein. Desweiteren werden verschiedene Projekte und Modelle vorgestellt wie man mit Alkoholkonsumenten auch umgehen kann, oder wie man Jugendliche bei Konsum assistiert (Bier Bildung, Lieber Schlau als Blau….). Das ist für den Leser manchmal nicht ganz so spannend, aber immer interessant.

Besonders hinweisen möchte ich hier auf Joachim Körkels Text „Wenn Alkohol das Problem ist, Abstinenz aber nicht die Lösung: Kontrolliertes Trinken als Behandlungsoption“. Hier wird endlich mal mit dem Mythos aufgeräumt das man als Trinker nur den absoluten Verzicht als Ziel haben kann, bzw. eben selbst dann noch „Alkoholiker“ ist, wenn man kontrolliert trinkt. Es gibt eben nicht nur die Option „trocken“ oder „Alkoholiker“ sondern massig dazwischen. Das Buch öffnet gute Perspektiven im Umgang mit Alkohol, bzw. den Personen die ihn konsumieren. Es ist eben keine Hilfe wenn man zum Arzt oder in eine sozialen Einrichtung geht, dort erklärt das man trinkt und dann als einzige Hilfe ein „aufhören“ bzw. „weniger trinken“ angeboten wird.

Da geht viel mehr, es gilt ein Umdenken bei den Menschen anzustossen… viele der „Suchtaspekte“ von Alkohol passen auch perfekt auf „Arbeit“ (regelmässig, kann nicht ohne, gesundheitsgefährdend) und da fordert ja auch niemand das die Leute mit dem Arbeiten aufhören sollen (obwohl das sicher in bestimmten Fällen auch nicht verkehrt wäre!) – sondern, wer ein wenig schlau ist fordert dann eben weniger Arbeit. Natürlich ist es für die Gesundheit des Körpers und manchmal leider auch für das soziale Umfeld in der Regel besser wenn Mensch keinen Alkohol trinkt – macht er es aber dennoch dann muss man eben professionell damit umgehen.

Das Buch eignet sich auf jeden Fall für alle die beruflich mit „Trinkern“ zu tun haben, ist aber auch interessant für Leute die selber trinken und natürlich auch zum Beispiel für Eltern. Ist alles ziemlich wissenschaftlich, aber nicht abgehoben und gut zu lesen. Es gibt einige „bessere“ Kapitel die sich eben eher allgemein mit dem Thema beschäftigen und einige Kapitel die für den Laien nicht so ergiebig sind (Vorstellung der verschiedenen Projekte). Das letzte Kapitel beschäftigt sich mit dem Thema Alkohol während der Schwangerschaft – das geht nunmal garnicht (wegen dem Baby, klar!). Dennoch werden auch hier einige interessante Punkte verhandelt. Alles in allem ein gutes Buch zum Thema – aber da geht noch mehr! (dolf)

Paperback, 280 Seiten 19.- Euro

Isbn 978-3-940087-82-9

[Trust # 156 Oktober 2012]

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