Mai 23rd, 2017

SAINT JAMES INFIRMARY (#73, 12-1998)

Posted in interview by Jan

die einleitung…

trotz penetranter standhaftigkeit des interviewers gelang es nicht, den herren informationen zur band historie zu entlocken. tja gibt´s eben diesmal nicht wirklich eine einleitung, da alle informationen im interview selbst zu finden sind. also los, LESEN…

 

nun gut, woher kommt ihr, womit verdient ihr euren lebensunterhalt, wie alt seid ihr?

jason: wir kommen aus dem reizenden, allseits bekannten kalifornischen städtchen oakland. ich arbeite für eine unbekannte telemarketing company als supervisor, was mit abstand der wahnsinnigste job ist, den ich jemals hatte. da habe ich viel kontakt mit punk kiddies, einer beträchtlichen zahl junkies, obdachlosen, transvestiten, ex-häftlingen jeder art und anderen total durchgeschossenen typen. manchmal ist es der beste job der welt, manchmal auch der beschissenste. ich bin der gitarrist und noch 26 jahre alt, also bald 27, und damit das zweit älteste bandmitglied. scott, unser sänger, ist fast 28. unser drummer eric ist 23, glaube ich.

omen: mein name ist omen und ich spiele baß. ich bin schweißer bei einer metalhandlung.

der name
hat euer bandname eigentlich irgend etwas mit frank zappa zu tun? mir ist so, als gäbe es eine zappa platte namens saint james infirmary.

jason: in der tat hat unser bandname einen sehr berühmten background. es war und ist ein englisches hospital über das jemand in einem alten folk song geschrieben hat. und wirklich alles in der gegend heißt saint james irgendwas. cab calloway hat das genau so für sich entdeckt wie bob dylan oder frank zappa. ich stieß bei einem uriah heep back cover auf den namen. darauf ist zu sehen, wie der bassist eine band namens saint james infirmary gründet, also habe ich die idee geklaut. klauen ist überhaupt eine gute sache. noch viel verrückter ist aber, daß john yates von allied records in diesem hospital geboren wurde.

die schublade
hey, eure platte erinnert mich mehr an chicago noise rock ala jesus lizard und nicht so sehr an das, was mensch von einer allied band erwarten würde. meint ihr nicht, daß ihr auf dem falschen label seid? wären labels wie touch & go für saint james infirmary nicht die bessere wahl gewesen? und wo wir gerade dabei sind, wie würdet ihr euren stil beschreiben?

omen: ich denke, daß allied records genau das richtige für uns ist. ich glaube nicht, daß es wirklich wichtig ist wie die anderen bands auf dem label klingen. wichtig ist doch vielmehr die tatsache, daß wir es sehr schätzen und mögen was john yates mit seinem label tut. wir ziehen es vor, nicht mit anderen bands in einen topf geworfen zu werden, weil wir uns nicht bewußt bemühen eine bestimmte art von musik zu machen. wir spielen lediglich, was sich bei unseren kollektiven bemühungen heraus manifestiert.

jason: wir werden schon recht häufig mit jesus lizard und dem chicago noise rock ding verglichen. aber wir wurden auch bereits mit jeder band die du dir nur vorstellen kannst verglichen: econochrist, mdc, black flag, jesus lizard, circus lupus, rye coalition. einige vergleiche sind völlig lächerlich, andere wieder-um machen sinn. ich denke, das ist die reflexion von zweierlei dingen. leute brauchen ganz einfach diese vergleiche, und wir sind eine schwer zu kategorisierende band. wir passen einfach in keine schublade. das hat seine guten und schlechten seiten. ich denke wir ziehen es ganz einfach vor, unser eigenes ding zu machen, rock and roll zu spielen. unsere musik beinhaltet verschiedene elemente, und wir wollen daran auch nichts ändern. allied war für uns eine gute sache. es war ein label, auf das wir wollten. allied definiert sich auch nicht wirklich über einen bestimmten sound, aber wenn es so wäre, ja, dann würden wir da wohl nicht unbedingt hineinpassen. aber das ist ok, allied ist ein großartiges label. wir sind jetzt allerdings auf alternative tentacles records. es ist gerade eine 7″ erschienen. zu diesem zeitpunkt ist das ein super label für uns.

ach, zu diesem zeitpunkt genau das richtige label? und was wäre zu welchem anderem zeitpunkt eurer karriere das optimale label?

jason: ja, alternative tentacles ist ein großarti-ges label. sie haben uns in letzter zeit enorm unterstützt. es ist eine interessante veränder-ung mit fünf leuten bei einem label zusammen zu arbeiten, von denen uns alle voll und ganz helfen wo sie nur können. aber das ist bei anderen at bands ja genau so. weiterhin denke ich, daß es eines der wenigen labels ist, in deren musikalisches konzept wir passen. und was andere labels da draußen angeht… vielleicht rufen amphetamine reptile ja mal an.

etwas originelles?
in den ausklingenden neunzigern ist es nicht gerade leicht mit etwas musikalisch originellem aufzuwarten, wenn mensch sich auf das klassische rockinstrumentarium stützt. wo siehst du das originelle element bei saint james infirmary? oder genügt es dir etwa ständig nur mit anderen bands verglichen zu werden?

jason: wie ich schon sagte, wir werden wohl mit den ewigen vergleichen leben müssen, da uns die leute nicht einordnen können. aus irgend einem grund bilde ich mir ein, daß wir etwas sehr originelles in vielerlei hinsicht machen. das ergibt sich ganz einfach so. ich bin mal ganz ehrlich, ich mag es wirklich nicht mit anderen bands verglichen zu werden. unsere originalität kommt in mehreren dingen zum ausdruck. aber anstatt das hier zu erklären denke ich, die leute sollten sich unsere sachen anhören und das für sich selbst herausfinden.

politisch???
um was geht es bei eurer band? wie wichtig sind songtexte für euch? seht ihr musik nur als spaß und netten zeitvertreib, oder steckt mehr dahinter? die frage ist: macht es sinn, euch auf politische themen anzusprechen? habt ihr etwas zu sagen?

omen: wir sind nicht notwendigerweise eine politisch motivierte band, aber wir haben alle etwas zu sagen. scott, unser sänger, schreibt die ganzen texte und hat definitiv sehr viel zu sagen. ich sehe uns zwar nicht als ultra politisch korrekte band, aber wir unterstützen auch in keinster form rassismus, sexismus, schwulenfeindlichkeit oder sonstiges geistig armes, unterdrückendes gedankengut. für mich, und ich denke dies gilt für uns alle, ist musik zu schreiben und zu spielen eine große freude. außerdem bin ich davon überzeugt, daß all das was wir mit unserer musik aus uns heraus lassen für uns einfach notwendig ist und auch einen wichtigen teil unseres schaffens darstellt.

jason: bei uns dreht´s sich um rock and roll. die texte, auch wenn ich sie nicht schreibe, sind uns sehr wichtig. wir haben keine agenda, wir sagen niemandem was er zu tun oder zu lassen hat. scotts texte behandeln viele wichtige themen. wenn jemand sich näher damit beschäftigen möchte und ein bißchen drüber nachdenken möchte ist das toll. wenn nicht, auch gut. wir wollen niemandem etwas mit macht aufdrücken.

subversives…
als allied records band rechnet mensch euch mehr oder weniger einer bestimmten punk/hardcore szene zu. nun, es gibt einige leute die meinen, dies sei eine sterbende szene, oder eine sterbende jugendkultur, wie auch immer du es nennen willst. kürzlich konfrontierte mich jemand mit der theorie, daß eine konservative revolution in letzter zeit zum ausbluten der szene führt(e) und so immer mehr kids in die arme einer stumpfen, hirnlosen techno kultur getrieben wurden. denkt ihr auch, daß das subversive element in unserer heutigen gesellschaft kurz vor dem aussterben steht, und mit ihm jegliche art subversiver jugendkultur?

jason: ich denke in keinster art und weise, daß punk tot ist. einige elemente im punk regen mich auf wie zum beispiel straight edge oder die neuen fat record bands. dabei geht es mir gar nicht mal so sehr um die musik. aber die ganzen leute, die sich damit identifizieren kotzen mich an. es wird immer eine sich entwickelnde subversive jugendkultur geben, glücklicherweise. punk rock hat sich in der zeit von 1980-90, weniger als andere bewegungen, dem mainstream angebiedert. und ich denke wirklich, daß dieser punkt die große legitimation der bewegung war. natürlich haben sich die dinge heutzutage drastisch geändert. ich würde mich über etwas neues freuen, das dem massenbewußtsein trotzt, und dies dazu noch in einer kreativen, unabhängigen art und weise tut.

omen: überall in den usa, sowie natürlich auch im rest der welt (zugegebenermaßen kennen wir bislang nur die us-amerikanischen szenen), gibt es etliche punk/hc szenen und einige davon werden größer, andere wiederum verlaufen im sande. aber ich denke, daß es immer eine form von subversivität in der welt geben wird.

hey, was habt ihr gegen straight edge???

jason: im allgemeinen habe ich sehr viele probleme damit. vielleicht sollte ich noch erwähnen, daß ich selbst ein paar gute freunde habe die straight edge sind. aber weiter zum thema. wir spielen recht häufig in süd kali-fornien. meist werden wir dann zusammen mit irgendwelchen straight edge bands gebucht. und was bei den shows dann immer abgeht dreht mir einfach den magen um. jede band hat den verdammten gleichen metal-core sound, zu dem die kids sich dann das hirn aus dem schädel slammen. das sind natürlich alles männliche spacken. frauen haben mit diesem ding absolut gar nichts zu tun. im wesentlichen geht es dabei nur darum eine tolle macho-arschlochhaltung an den tag zu legen, jeden in grund und boden zu ´muskeln´ der nicht ganz so stark ist. viele dieser kids haben unglücklicherweise eine total verschrobene auffassung von punk. nicht daß das so wichtig wäre, aber punk oder hardcore ist nicht nur youth of today, agnostic front und minor threat. sie raffen einfach nicht, daß es da noch eine ganze menge andere gute und ältere bands gibt. aber dafür sind sie zu engstirnig

aha, alles klar. es geht dir bei deiner ablehnung also nicht um den drogenverzicht als solchen, sondern vielmehr um macho scheiße im allgemeinen. in meinen augen hat dies ja nun nicht zwingendermaßen etwas mit straight edge zu tun. das ist ein allgemeines problem unserer heutigen gesellschaft. daß es dann in slamorgien während straight edge shows, bei muskelcorekackkonzerten oder bei metal veranstaltungen endet ist zwar traurig, sollte doch aber bitte schön nicht der drogenfreiheit im allgemeinen angelastet werden. für gewöhnlich nehme ich ja nicht den standpunkt des verteidigers der straight edge werte ein und werde dies auch zukünftig nicht tun. aber so blindlings und pauschal gegen eine sache zu schießen, die in meinen augen im kern recht positiv ist, geht mir dann auch ganz gut auf den sack.

saufen ab 21…
in vielen amerikanischen auftrittsorten hat man erst ab 21 jahren die möglichkeit shows zu besuchen. spielt ihr in vielen solcher läden, oder lehnt ihr das konsequent ab? was denkt ihr darüber, daß jüngere leute von shows ausgeschlossen werden? sollte man solche auftrittsorte nicht von vorne herein boykottieren?

jason: ja, sehr viele clubs sind erst ab 21 jahren. wir spielen dort auch. von den 92 shows die wir bislang gespielt haben waren 15 in solchen läden. diese shows sind irgendwie anders. meistens, um es mal zu verallgemeinern, sind sie nicht so gut wie all ages shows. aber es ist eine andere szene. und manchmal kann auch dort eine show richtig gut sein.

promotion
investiert ihr eigentlich viel zeit in band-promotion? ist das generell wichtig in euren augen, oder funktioniert eure promotion vor allem in form von live shows? macht es überhaupt sinn anzeigen und interviews in all den magazinen zu haben? bringt euch das als band wirklich weiter? ist musik nicht etwas das man hören sollte anstatt lange drüber zu reden?

jason: wir machen viel promotion. hauptsäch-lich durch harte arbeit, gute shows zu bekom-men, gute label zu finden und unsere sachen der öffentlichkeit gut zu präsentieren. sicher, anzeigen, poster und reviews helfen. aber sehr viel werbung läuft auch über leute, die unsere shows sehen oder unsere platten hören und anderen davon erzählen. mund zu mund propaganda eben.

sinnlose kämpfe…?
was denkt ihr über bands wie chumbawamba oder rage against the machine, die vorgeben major label strukturen zu benutzen um sie von innen heraus zu bekämpfen? kann das überhaupt ein weg sein, um gegen etwas zu kämpfen? sind solche versuche nicht schon im ansatz falsch und zum scheitern verurteilt?

omen: ich meine, was sie tun kommt dem versuch gleich einen hai zu töten in dem man ihm erlaubt einen vorher zu fressen. davon profitiert natürlich nur der hai. wie dem auch sei bin ich aber der meinung, daß sie wichtige dinge zu sagen haben. aber definitiv haben sie das system, welches sie zu bekämpfen vorgeben, gestärkt. ich bin mir sicher, daß sie ohne die großen firmen im rücken, nicht dort stünden, wo sie heute sind. unglücklicherweise beziehen amerikaner, genauso wie der rest der welt auch, ihr wissen aus den massenmedien wie fernsehen und kommerziellem radio. der schwierigkeitsgrad sich selbst, ohne die unter-stützung der großen firmen, zu promoten wäre wahrscheinlich gewaltig und nicht annähernd so effektiv.

jason: ich denke was sie tun ist großartig. beide bands, egal ob ich sie musikalisch mag oder nicht, sagen und tun verblüffende dinge. zu einem gewissen punkt ist es sogar erstaunlich, daß sie in dieses major system gelangen konnten. nicht jeder ist in der lage das zu tun. dieser schritt ist nicht zwingendermaßen zum scheitern verurteilt, aber er wird, wenn über-haupt, auch nur sehr wenig ändern. das ist die realität. rage against the machine können über chiapas singen. aber passiert dadurch wirklich mehr, als daß jemand darüber gesungen hat? es ist wirklich schade, aber menschen sind blöd.

mord im dunkeln
wenn ihr 3 leute töten müßtet…

omen: nun, der großteil der menschlichen rasse ekelt mich an. von daher wüßte ich nicht wo ich beginnen sollte.

jason: ich würde gott drei mal töten.

hmm, wer auch immer gott sein mag, oder vorgibt zu sein, fand diesen spruch offensichtlich nicht witzig. denn postwendend strafte er die band mit auflösung, zerfall und split. da auch dieser punkt nun zur band historie zu zählen ist, spare ich mir nachträgliche fragen nach dem wieso weshalb warum. denn wer sich die einleitung in erinnerung ruft stimmt mir sicherlich zu, daß es vergebene liebesmüh wäre….

interview: torsten meyer (true till applejuice)

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