Dezember 10th, 2014

ROCKET FROM THE CRYPT (#74, 02-1999)

Posted in interview by Jan

Die beste Partyband seitdem die Fleshtones ihre Bläser verbannt haben, genau das sind Rocket From The Crypt. Und da ich zu den glücklichen Menschen zähle, die diese phantastische Band in diesem Jahr schon zweimal sehen konnten, beschloß ich beim zweiten Mal mit Andrea ein bißchen mit Sänger Speedo zu quatschen und zu schauen, was seit dem letzten Trust-Interview 1996 passiert ist.

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wie ist es als Rockstar?

Speedo: Ich glaube nicht, daß wir in Amerika als Rockstars gelten, ich sehe uns auf dem selben Level wie die Red Aunts, Delta 72, die Blues Explosion, so Sachen. Ich weiß nicht, ob das jetzt eine eigenständige Szene ist, aber ich sehe uns im selben Bereich wie diese Bands. Superchunk ist auch so eine Band, mit denen sind wir auch befreundet, mit diesen Bands spielen wir auch in der Regel.

Wurde euch so eine Package-Tour wie z.B. Lollapalooza angeboten? Die Blues Explo­sion haben die ja letztes Jahr mitgemacht.

Speedo: Nein, wir haben noch nie Lolla­palooza gespielt, ich glaube auch nicht, daß es uns angeboten wurde. Doch es wurde uns einmal angeboten, aber damals nicht die Hauptbüne, sondern eine kleine Nebenbühne. Aber wir haben es abgelehnt, weil sie sich immer ein paar coole Bands suchen, die dann der peinlichen Sache etwas Credibility geben.

Wir hätten es machen können, ihr Geld neh­men und dann abends in der selben Stadt in einem Club etwas cooles machen, aber das war uns zu peinlich. Das hätten wir dann auch nicht eine Tour nennen können, das wäre doch peinlich gewesen. So ein Festival hätte uns auch gar keine Möglichkeit gegeben, zu zei­gen, worum es dieser Band geht. Das können wir nur tun, wenn wir unsere eigenen kleine­ren Gigs spielen und alles unter unserer Kon­trolle steht.

Auf so einem Festival bist du nur ein Füller. Die Firmenleute sagen dir, es ist gut für die Band, aber das stimmt nicht, denn auch wenn es den Leuten gefällt, sie vergessen doch wer du warst. Wir sind sogar eine gute Festival­band, weil wir gut mit den Publikum interagieren, aber trotzdem, ich mag keine Festivals. Aber, hey, sie zahlen uns 5000 $, also machen wir es und zahlen so für eine Tour wie diese hier.

Ich will mich jetzt nicht beschweren, aber wir haben auf drei Festivals gespielt und machen jetzt noch zwei Wochen Tour und trotzdem verdienen wir kein Geld, wir verlieren sogar ein wenig, aber was soll’s, wir sind auch sechs Leute auf der Bühne, alles in allem 10 Leute auf der Tour. Das ist schon ein großer Haufen.

Dann ist es mit 10 Leuten im Nightliner genauso voll wie zu viert im Van?

Speedo: Genau!

https://www.youtube.com/watch?v=777kGx7-qLw

Es kommt uns hier in Deutschland so vor, als ob ihr gar nicht so viel tourt, in 10 Jahren wart ihr gerade mal drei mal in Deutsch­land…..

Speedo: Nun, in Deutschland ist es besonders schwer, weil du ca. 45% von deiner Gage als Steuer abführen mußt, so das sich jeder Pro­moter gleich vorher fragt, ob er uns buchen soll, ob das für uns auch sinnvoll ist. Und dann gibt’s wieder so einen Scheiß, daß du tourst und genau dann alle in den Ferien sind. In England haben wir schon oft gespielt, sehr oft.

Nach der letzten Platte haben wir ca. zwei Jahre lang getourt, mit gerade mal einer Wo­che bis 10 Tagen Pause zwischen den Touren. Es war sehr viel. 1996 war ich, wenn ich alles zusammen zähle 30 Tage zu Hause. Ich finde das ziemlich Hardcore! Wir betonen natürlich auch immer, daß wir viel touren, aber wir romantisieren es nicht, wie viele andere Bands, die dir dann was von „on the road“ erzählen.

Es ist hart, aber nur so kannst du beweisen, daß du gut bist in dem was du machst, und ums live spielen geht es doch! Platten machen ist cool, macht Spaß, aber für jede „echte“ Rockband ist live spielen die Hauptsache, hier werden die Legenden gemacht, oder auch nicht. Bei meinen Lieblingsbands ist es auch so, ich habe alle ihre Platten, aber sie live zu sehen, das war bzw. ist es doch.

Warum habt ihr nach so vielen Platten, der neuen keinen Titel gegeben, es sieht aus wie ein Debüt?

Speedo: Das kam so, daß ich mit dem Typen, der das Cover gemalt hat, am überlegen war, was darauf zu sehen sein sollte. Ich hatte die Idee von einem Affen oder einem Beast, das seine Ketten sprengt. Gleichzeitig arbeiteten ein Fotograph und ich an dem Bild mit mir und dem Tiger, das auf das Innencover sollte.

Dann waren da noch die Bilder von der Band, die wie Prediger einer Sekte in Vororten Pam­phlete verteilen und in der Schule kleine Kin­der unterrichten, so wie wir als Bands unsere Musik verteilen bzw. lehren. Das waren dann so viele verschiedene Richtungen, das Rick, der das Cover gemalt hatte, vorschlug es simpel zu halten und das Album RFTC zu nennen.

Warum habt ihr diesmal mit einem Produ­zenten gearbeitet? Es ist das erste Mal, oder? Kevin Shirley sagt mir jetzt gar nichts, aber im Promozettel stand, das er schon mit Aerosmith gearbeitet hat. Die gehören jetzt nicht gerade zu meinen Favoriten.

Speedo: Hilfe kann in vielen verschiedenen Arten auftreten. Bei den meisten der alten Platten hatten wir einen Studiotechniker namens Donald Camron, den wir schon sehr früh getroffen haben. Er war kein Produzent, aber er war sehr wichtig um diesen Platten ihren Sound zu geben. Bei ‚Scream Dracula Sream‘ haben wir sehr viel Zeit und sehr viel Geld verbraucht um sie einzuspielen.

Sie klingt nicht so, aber es war so. Wir hatten Wände voller alter Verstärker, zig Schlagzeuge, tonnen­weise Equipment. Wir hatten ein so großes Budget, so das wir einfach alles aus­probiert haben, was wir je machen wollten. Wir haben natürlich nichts davon gekauft, sondern alles nur gemietet, aber wir hatten ganze Reihen von Gitarren. Als es dann zum Mischen ging, hatten wir noch einige Streicher, ne Menge Backgroundchöre, und es war ab einem gewissen Punkt einfach nicht mehr zu mixen.

In diesem Moment war alles, was ich über Aufnahmetechnik wußte, aufgezehrt, und ich war mental völlig am Ende, der Rest der Band übrigens auch, weil wir dachten, wir kriegen die Platte nicht fertig. Also hatten wir Hilfe beim mischen. Andy Wallace, den jeder kennt, und der auch nicht billig ist, kam rein und mischte die eine Hälfte der Songs, und das Resultat klang wirklich cool.

Er hat einen wirklich guten Job gemacht. Von diesem Zeitpunkt an war die Idee jemanden zu holen, der dir gewissen Streß abnimmt völlig ak­zeptabel. Auch die Arbeit mit Mark Trambino, der die andere Hälfte von der Platte gemischt hat, ist klasse. Da war uns klar, daß wir bei der nächsten Platte jemanden haben wollten, der uns produziert.

Aber die Basictracks des Albums sind doch immer noch live eingespielt, oder?

Speedo: Ja, die Platte ist mehr live gemacht als ‚Scream…‘. Interscope, unser Label in den Staaten war auch überhaupt nicht begeistert damit, daß wir uns Kevin Shirley ausgesucht hatten, denn er hatte gerade das Aerosmith-Album beendet und er war natürlich teuer. Die wollten das wir es mit der alten Mannschaft noch einmal versuchen. Also diese Vor­stellung, daß das Label immer versucht der Band einen Produzenten aufzudrücken, stimmt auch nicht.

Unsere Plattenfirma mag unsere Platte immer noch nicht. Es war auf jeden Fall die Platte, die am meisten Spaß gemacht hat beim Aufnehmen. Wir hatten die Songs erst kurz vorher geschrieben, also war alles noch sehr frisch als wir es live eingespielt haben. Wir kamen immer so gegen mittag ins Studio, haben den jeweiligen Song so ca. 7 mal eingespielt und gingen dann erst mal etwas essen.

Dann hat sich Kevin die Versuche angehört, sich den besten herausgesucht und ihn gemischt. Als wir dann zurückkamen, hat er uns das Resultat vorgespielt, und wir fanden es meistens gut. So haben wir pro Tag einen Song abgehackt, die Platte in zwei Wochen fertiggestellt und nicht wie vorher in zwei Monaten.

Bei der letzten Tour hattet ihr ein paar Bootleg-Singles dabei. Hattet ihr die von jemanden beschlagnahmt, oder selbst gemacht.?

Speedo: Also, wir haben sie nicht selber ge­macht, aber wir hatten etwas damit zu tun. (Grinst sehr unschuldig!).

Ihr scheint ja gegen Boots im allgemeinen nichts zu haben, wo ist die offizielle Live-Platte oder das Live-Video?

Speedo: Die Leute glauben, daß wenn du deine neue LP wie deine Band nennst, daß dir nichts mehr einfällt, daß mag sogar stimmen, aber ich glaube, daß wenn du eine Live-LP veröffentlichst, du wirklich an dem Punkt bist, wo du gar keine Ideen mehr hast.

Was ist mit den Ramones, deren erste Live-Platte ist das einzige, was man von dieser Band im Grunde genommen braucht.

Speedo: Die einzigen Live-Platten, die ich mag, sind von Bands, die sich aufgelöst haben, Bands, die ich nie sehen konnte, MC5, das ist eine tolle Platte, Otis Redding live im Whis­key, das ist auch eine tolle Platte, Sam Cook live im Harlem Square, toll.

Wie steht es mit Holly Golightly, die einen Song auf der neuen Platte singt und die wir mit euch live auf dem Festival in Bonn gesehen haben. Ist sie ein neues Mitglied, oder war das nur eine einmalige Sache?

Speedo: Nein, sie macht es nur, wenn sie Zeit hat. Als wir das letzte mal in England waren haben wir zwei von ihren Songs gespielt, und einen von unseren, und sie hat dazu gesungen. Das war so als Break im Konzert, sie in der Mitte. Nein, wir kennen sie weil wir mit den Headcoatees gespielt haben, aber sie hat auch nicht immer Zeit, und außerdem noch ihre eigene Band. Wir sind nur Freunde.

Eigentlich sollte sie gestern und heute hier mitspielen, aber hatte dann doch keine Zeit. ‚Eye On You‘ ist auch der beste Song der neuen Platte. Es ist auch etwas anderes, im Vergleich zu den alten Songs. Deswegen haben wir ihn auch als ersten Track genommen, damit die Leute gleich merken auf was wir jetzt stehen.

Aus nicht mehr rekonstruierbaren Gründen spre­chen wir alle auf einmal übers essen.

Speedo: Oh, man, ich liebe es zu essen, ich mag fast alles. Ich liebe japanisches Essen, das ist wahrscheinlich mein Liebstes. Äh.. Sushi natürlich, aber auch diese kleinen Binto-Schachteln, die sie für Mittag machen, die Dinger, wo du von allen ein wenig bekommst, ich lieb die Dinger. (Der Mann gerät in Rage.) Aber auch mexikanische Küche, toll… alles was mit Meeresfrüchten zu tun hat, esse ich alles,…thailändische Küche, überhaupt die ganze asiatische Küche ist was für mich.

Na, wie steht’s mit Schnitzel und Wurst, ehrlich gefragt?

Speedo: Ich werde ehrlich antworten, um zwei Uhr morgens, nachdem du viel getrunken hast, ist das wahrscheinlich, eine der besseren Sachen, die du essen kannst. Ich muß nur sagen, daß so viele Leute sich über die deut­sche Küche lustig machen, dabei ist sie so viel besser, als die englische, denn die ist wirklich Scheiße. Was ich aber wirklich nicht leiden kann ist Kalbsschnitzel, das ist eklig.

Wo wir schon beim essen sind, wie steht es mit dem trinken. Bist du eher der Wein- oder der Biertyp?

Speedo: Ich bin eindeutig ein Weintyp! Aber am liebsten trinke ich Portwein, oder Madeira. Ich trinke jetzt nicht mehr so viel, weil früher war ich ein Allestrinker, bzw. früher am lieb­sten Irish-Coffee, aber das trinken hat ange­fangen mich zu langweilen, denn jedesmal passierte das gleiche.

Jetzt sind wir am Thema Sucht angelangt, welch andere Sucht gibt es in der Band? Ich denke an Comics, Sports, Autos. Was macht ihr außerhalb der Musik?

Speedo: Die meiste Übereinstimmung inner­halb der Band gibt es immer noch in der Musik. Sport ist den anderen wahrscheinlich ziemlich egal, aber ich bin ein großer Baseball-Fan. Fußball (Er meint unseren Fußball), ist OK, aber nicht so mein Ding, American Football aber auch nicht.

Ich weiß nicht, warum mir Baseball so viel gibt, aber als wir vor zwei Jahren hier waren, hielt sich das Team aus San Diego sehr gut, genau so wie jetzt, und ich verpasse es wieder, na ja, jedenfalls damals waren sie im Finale der Meisterschaft und ich habe meine Frau angerufen. Das Spiel ging über 9 Innings, und sechs waren schon vorbei, drei waren noch zu spielen.

Meine Frau hat dann für mich am Telefon den Sportmoderator gemacht und mir jeden Spielzug erzählt. Dieses Telefonat hat mich 250 Dollar gekostet. Aber es mußte sein, und ich werde diesmal nicht während des Finales anrufen. Außerdem kaufe ich gern ein, Schuhe besonders. Auch Spielzeug, einige der Jungs in der Band fahren auch auf Spielzeug ab. Trödel, Flohmarkt­sachen, Junk eben finde ich auch toll und natürlich Platten, Platten!

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Text, Interview, Fotos: Al Schulha & Andrea Stork

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