Januar 1st, 2014

PUSRAD (#159, 04-2013)

Posted in interview by jörg

Pusrad sind eine relativ neue Hardcore Band aus Schweden. Wobei sie so neu eigentlich gar nicht sind, denn Peter (Schlagzeug) und Packe (Gitarre + Gesang) waren in der identischen Besetzung bereits in den 80ern und frühen 90ern als Raped Teenagers aktiv.

Eine Band mit Trust Vergangenheit, aber mehr dazu im folgenden Interview. Peter beantwortete meine Fragen.

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Wie kam es überhaupt zur Gründung von Pusrad? Ihr habt ja die identische Besetzung wie Raped Teenagers. Warum habt ihr euch dafür entschieden, das ganze unter einem anderen Namen laufen zu lassen?

Peter: Pusrad ist nach einer Raped Teenagers Reunion im Herbst 2010 entstanden. Packe (Gitarre und Gesang) und ich haben während den Raped Teenagers Proben schnell gemerkt, dass es gut läuft und wir es ruckzuck wieder drauf hatten, schnelle Songs zu spielen. Wir hatten einfach Lust, wieder Hardcore zu machen. Seit dem Ende von Raped Teenagers 1992, hatte keiner von uns mehr in einer Hardcore Band gespielt. Also haben wir im März 2011 angefangen, zu zweit neue Songs zu schreiben. Das funktionierte auf Anhieb super.

Zu einem neuen Bandnamen kam es, weil wir uns einig waren, dass Raped Teenagers nicht wirklich passt. Pusrad sollte etwas Neues sein. Zudem finden wir den Namen Raped Teenagers mittlerweile ziemlich dämlich und wir hätten es langweilig gefunden, unsere alte Band wieder neue aufleben zu lassen. Wir hatten dann beide unabhängig voneinander die Idee, das Ganze Pusrad zu nennen. So ist der Name entstanden.

Was bedeutet Pusrad überhaupt?

Peter: Eigentlich gar nichts. Dieses Wort ist entstanden als wir den gleichnamigen Song für unsere erste 7” mit Raped Teenagers geschrieben haben.

https://www.youtube.com/watch?v=WrbIZ-8MS-4

In welchen anderen Bands habt ihr neben Raped Teenagers gespielt und seid ihr auch aktuell noch in anderen Bands aktiv?

Peter: Wir haben seit 1978 in sehr vielen unterschiedlichen Bands gespielt, wie zum Beispiel No More War, Fight Back, Para System, Herraids, Identity, Allena, Prank, Flakes und einige mehr. Aktuell spielt Packe Schlagzeug bei TV Eye, die gerade ihre Debut 7” veröffentlicht haben.

Die spielen ziemlich guten 77er Punkrock. Ich spiele Schlagzeug in einer Power Pop Band mit dem Namen Vice Versa. Und ich habe noch eine zweite Hardcore Band zusammen mit Leuten anderer schwedischer HC Bands wie Nitad und Regulations.

Hat deine zweite Hardcore Band einem Namen und habt ihr schon etwas veröffentlicht?

Peter: Nein die Band hat bisher weder einen Namen noch eine Veröffentlichung. Wir haben gerade vier Songs aufgenommen. Unser erstes Demo müsste hoffentlich im Frühjahr 2013 erscheinen.

Was ist für dich der wesentliche Unterschied zwischen Punk und Hardcore in den 80ern und heute?

Peter: Ich glaube wir sind beide nicht gerade dazu geeignet, diese Frage adäquat zu beantworten. Wir sind viel zu alt und haben mit der Szene viel zu wenig zu tun, um wirklich noch eine Ahnung davon zu haben, was heutzutage abgeht. Zumindest versuche ich, gelegentlich mir mit Hilfe von Bandcamp und Soundcloud auch neuere Bands anzuhören. Ich find es für Bands heutzutage auf der einen Seite viel leichter, auf der anderen aber auch schwieriger.

Bei dieser Flut an Bands im Internet ist es wesentlich schwieriger geworden, als Band überhaupt wahrgenommen zu werden. Es ist heute aber wesentlich einfacher, im Ausland zu touren. In den 80ern wäre es für uns undenkbar gewesen, eine US Tour auf die Beine zu stellen. Viele meiner jüngeren Freunde touren jetzt mit ihren Bands problemlos in den USA und in allen anderen möglichen Ländern.

Seid ihr überhaupt noch mit vielen Leuten in Kontakt, die ihr noch aus der Zeit mit Raped Teenagers kennt? War es dadurch einfacher eine neue Band zu starten?

Peter: Nein da bestand wenig Kontakt, zumindest was die Leute außerhalb von Schweden betrifft. Über Facebook habe ich in letzter Zeit viele alte Freunde wiedergetroffen, die ich noch von Raped Teenagers her kannte. Und viele davon sind auch immer noch interessiert und in der Musikszene aktiv.

Es mag sein, dass es für uns etwas einfacher war, Aufmerksamkeit zu bekommen, weil wir Ex-Raped Teenagers sind, aber hier in Schweden waren wir niemals eine große Band. Das Interesse an Raped Teenagers ist eigentlich erst während der letzten 10 Jahre aufgekommen.

https://www.youtube.com/watch?v=WrbIZ-8MS-4

Nervt es nicht, in jedem Review “Ex-Raped Teenagers” lesen zu müssen?

Peter:  Nicht wirklich. Wir haben das ja selbst angezettelt und uns als neue Raped Teenagers betitelt, als wir mit Pusrad angefangen haben. Und wir haben uns ja nicht umsonst nach einem Raped Teenagers Song benannt. Gewisserweise führen wir also das fort, womit wir mit Raped Teenagers angefangen haben.

Die Raped Teenagers – I Kräftans Klor Flexi 7” wurde 1988 zusammen mit einer Ausgabe des Trust vertrieben. Hast du noch eine Ahnung, wie das zustande kam?

Peter: Unser damaliges Label CBR (Chicken Brain Records) hat den Kontakt hergestellt. An mehr kann ich mich da nicht erinnern.

Ok und kanntet ihr damals irgendwelche der Leute, die fürs Trust geschrieben haben?

Peter: So wirklich weiß ich das nicht mehr. Es kann gut sein, dass ich in Kontakt war. Ich habe damals sehr viele Briefe an Leute geschrieben von überall aus der Welt. Ich meine mich erinnern zu können, einige male mit Dolf in Kontakt gewesen zu sein. Ich bin mir aber nicht sicher. Haha, vielleicht kann sich Dolf besser erinnern?

Und welche Erinnerung hast du an das Trust von damals?

Peter: Ich fand das Trust damals großartig, denn es war sowas, wie das europäische Gegenstück zu Maximum Rock’n’Roll und Flipside. Das Trust hatte ein super Layout und war immer ziemlich umfangreich. Ich habe es mir damals regelmäßig gekauft, ohne überhaupt ein Wort deutsch zu verstehen.

Spielt ihr überhaupt Konzerte? Gibt es irgendwelche Pläne außerhalb von Schweden zu touren?

Peter: Nein da gibt es überhaupt keine Pläne, denn wir sind ja nur zu zweit und fanden es eigentlich auch noch nie sonderlich spannend live zu spielen. Zu proben und regelmäßig Platten zu veröffentlichen reicht uns vollkommen aus. In einer unserer letzten Proben haben wir uns über die Konzerte unterhalten, die wir damals mit Raped Teenagers gespielt haben und es waren echt nur wenige dabei, an die wir eine positive Erinnerung haben.

Haha, eigentlich war das immer ziemlich langweilig. Unsere besten Konzerte waren ein Gig mit Missbrukarna, einer mit Krunch und als wir 1988 auf dem Hultsfreds Festival gespielt haben. Es gab auch einige sehr gute kleinere Konzerte in Holland, als wir dort 1988 auf Tour waren. In Deutschland zu spielen, war allerdings ziemlich beschissen, haha.

Ich mag ja schon schwedischen Punk und Hardcore, aber in den letzten Jahren hatte ich den Eindruck, dass die meisten schwedischen Bands nur darauf aus sind, eine Musik zu spielen, die gerade besonders angesagt und beliebt ist. Damit meine ich in erster Linie diesen ganzen retro Punk. Regulations waren ja noch gut, aber irgendwann hat es genervt. Was ist deine Meinung zur aktuellen Szene in Schweden?

Peter: Mit dem ganzen angesagten retro Punk gebe ich dir vollkommen Recht. Natürlich sollte jeder die Musik spielen, auf die er Lust hat, aber mich persönlich öden Bands an, die ausschließlich versuchen, irgendetwas zu kopieren, weil sie meinen, dass das gerade angesagt ist. Davon mal abgesehen gibt es aktuell aber durchaus einige Bands, die es schaffen, eigenständig zu klingen und gleichzeitig von alten Bands beeinflusst sind. Mir fällt da sofort Packes Band TV Eye ein.

Die klingen zwar nach altem klassischen Punk, verleihen dem Ganzen aber ihren eigenen Touch. Bäddat För Trubbel and Red Doves sind auch zwei sehr gute aktuelle Bands. Ich habe zwar keinen sonderlich guten Überblick, was es gerade so an brauchbaren Bands gibt, aber gerade, wenn es um Hardcore geht, habe ich hier schon ewig nichts mehr gehört, was ich wirklich gut fand. Henry Fiats Open Sore habe ich sehr gemocht, aber die gibt es ja leider nicht mehr.

Eure Texte sind ja alle auf Schwedisch. Kannst du uns verraten, worüber die handeln?

Peter: Da gibt es eigentlich nicht viel zu sagen, haha. Im Grunde sind das halt so typische Punk Texte. Ich finde, es hat aber auch ein bisschen was von sehr kurzen Gedichten.

Wird es jemals einen Pusrad Song geben, der länger als eine Minute dauert?

Peter: Haha eine sehr gute Frage. Ich bezweifel es sehr. Wenn wir jemals einen haben sollten, ist es Zeit sich aufzulösen. Nein mal ernsthaft: Wir machen uns darüber keine großen Gedanken. Es ist nicht unser Ziel, kurze Lieder zu schreiben. Wir spielen halt einfach die Songs, die wir mögen.

Manchmal packen wir noch einen Part dazu, weil wir denken, dass es Sinn macht, aber in der Regel lassen wir es, denn meistens sind wir uns darüber einig, dass es den Song nicht besser machen würde. Wir fanden es eigentlich immer schon am besten, wenn Hardcore Bands richtig kurze Songs haben.

Eure 12” hätte man bei einer Gesamtspielzeit von 6 Minuten ja eigentlich auch als 7“ veröffentlichen können. Wieso eine 12“ und keine 7“?

Peter: Weil wir unbedingt eine 12” machen wollten. Wir waren immer schon große Fans der ersten TSOL 12“ auf Posh Boy und der Black Flag – Jealous Again 12“. Das sind die besten 12“s die jemals erschienen sind und die sind auch nur 6-7 Minuten lang. Das ist einfach eine perfekte Länge, um niemals gelangweilt zu sein und so sollte das bei uns auch sein. The FU’S – Kill For Christ ist auch so ein Klassiker auf 12“, genauso wie die erste Stark Raving Mad 12“.

Gibt es im Vergleich zu euren musikalischen Anfängen als Teenager überhaupt irgendeinen Unterschied, jetzt im Alter von über 40 in einer Hardcore Band zu spielen?

Peter: Ich habe mir darüber auch schon Gedanken gemacht und das einzige was mir dazu einfällt, ist, dass ich mir wünschte, als Teenager auch schon so spielen zu können, wie jetzt. Packe und ich stellen uns oft die Frage, warum wir nicht schon mit Raped Teenagers die Art von Musik gemacht haben, wie wir sie jetzt mit Pusrad spielen, denn das ist genau der Sound, wie es eigentlich schon immer hätte klingen sollen.Was auch sehr angenehm ist: Wir müssen jetzt gar nicht mehr so viel proben, wie damals als wir noch Teenager waren.

“Errare Humanum Est” ist wahrscheinlich der bisher ungewöhnlichste Pusrad Song. Habt ihr noch mehr solche langsamen Songs für die Zukunft geplant?

Peter: Ja, auf unserer demnächst erscheinenden 9 Track EP wird es auch einige langsamere Songs geben. Aber das passiert einfach und es ist nichts, was wir in irgendeiner Form planen. Wer weiß? Falls es irgendwann zu viele Bands gibt, die die gleiche Musik machen wie wir, fangen wir vielleicht an, langsame 30 Sekunden Popsongs zu schreiben.

Eure zweite 7” kam ja auf Ken Rock raus. Eine eher ungewöhnliche Veröffentlichung für das Label, das ja eher für klassischen Punkrock steht. Wie kamt ihr mit Stefan in Kontakt?

Peter: Ich habe Stefan sofort geschrieben, als wir unsere erste Probe im Jahr 2012 aufgenommen hatten. Ich habe ihn gefragt, ob er Interesse hat, die 5 Songs zu veröffentlichen, die wir aufgenommen hatten. Ihm hat es sehr gefallen und er hatte große Lust die 7” rauszubringen. So kam das zustande

Welche aktuellen Punk/Hardcore Bands findest du gut? Oder stehst du eher auf alten Kram?

Peter: Ich finde es heutzutage ziemlich schwierig, sich entweder für aktuelle oder alte Bands zu entscheiden. Ich finde es einerseits erstaunlich, wie viele Bands es aktuell gibt, andererseits gibt es natürlich auch massig alte Bands, die großartig sind. Ich entdecke auch regelmäßig noch alte Bands, von denen ich vorher noch nie was gehört habe. Ich denke tendenziell höre ich mir eher alte Bands an, aber ich versuche schon auch regelmäßig, mich mit neuen Bands zu befassen. Allerdings finde ich da vieles nicht sonderlich gut.

Wenn mich was richtig begeistert, sind es meist die alten Bands, von denen ich vorher noch nie was gehört hatte. Der alte Kram hat einfach diesen ganz speziellen frischen Sound, den es nur gab, als die Art von Musik neu war und den man heute nicht mehr imitieren kann. Es gibt aktuell zwar einige Bands, die gut klingen, aber die sind selten sehr originell, was mich schnell langweilt. Career Suicide finde ich ziemlich großartig. Das Oath waren auch Klasse, genauso wie Failures und viele andere Bands auf Youth Attack Records. Jay Reatard war bisher meine wichtigste musikalische Entdeckung im 21. Jahrhundert.

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Interview: Patrick Weidemann

Links (2015):
Bandcamp
Discogs

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