Juni 5th, 2017

Patient ohne Verfügung – Das Geschäft mit dem Lebensende, Matthias Thöns

Posted in bücher by Dolf

Piper Verlag, Georgenstraße 4, 80799 München, www.piper.de

Es macht keine Spaß dieses Buch zu lesen, nicht weil es inhaltlich nicht wertvoll wäre, sondern weil hier nochmal schonungslos dargelegt wird wie das Geschäft in der Medizin funktioniert – nämlich wie ein Geschäft, wo immer der Umsatz/Profit zählt und nicht der Patient. Da der Autor Palliativmediziner ist, geht es ihm viel um die Patienten welche sich am Lebensende oder kurz davor befinden – aber nicht nur. So deckt er schonungslos auf wie kranke Menschen von dem “Sterbeverlängerungskartell” unter Schmerzen am Leben gehalten werden, obwohl kein Therapieerfolg mehr zu erwarten ist. Es gibt viele anonymisierte Beispielfälle die teilweise nur wirklich schwer zu ertragen sind, was da mit den teilweise hilflosen Patienten geschieht kann man fast nicht glauben.

Wenn Rettungssanitäter (den Ausdruck Rambo finde ich hier etwas übertrieben) auf fast tote Menschen treffen und mit der vollen Wucht der Apparatemedizin diese noch weiter künstlich am Leben halten oder dorthin zurückholen. Oder Menschen die ohne Grund an Beatmungsmaschinen gehängt werden – denn man stirbt ja normalerweise nicht weil man keine Luft bekommt, sondern man bekommt keine Luft mehr weil man stirbt. Und man muss sich auch wundern das sehr alte Menschen mit Chemo- oder Strahlentherapie malträtiert werden ohne ihre Lebenserwartung wirklich zu verlängern, dafür aber die noch verbleibende Zeit unerträglich zu machen. Aber auch in anderen Disziplinen wird viel Geld verdient, ohne dem Patienten wirklich zu helfen. So verwundert es nicht das Deutschland OP-Weltmeister ist, denn so ein chirurgischer Eingriff bringt eben viel Geld. Auch die Hightechmedizin welche bei Herzbeschwerden eingesetzt wird nimmt der Autor – zurecht – aufs Korn. Wenn man dann noch die vielen überflüssigen Dialysen und künstliche Ernährung vieler Wachkoma oder dementer Patienten betrachtet, auf die auch eingegangen wird, ist man vollends sprachlos ob dem was hier in unseren Lande nicht nur von ein paar schwarzen Schafen praktiziert wird. Besonders anschaulich wird das ganze wenn der Autor unter eine Phantomadresse bei über 250 Pflegediensten nachfragt ob sie den vermögenden Onkel, der zwar schwerkrank im Wachkoma liegt, aber dummerweise eine Patientenverfügung hat, dennoch entsprechend betreuen können. Man könnte meinen die Antworten hat sich wer ausgedacht. Unterlegt ist das alles mit vielen Zahlen, echten Kosten der Behandlungen und Fakten, Fakten, Fakten. Natürlich macht Thöns auch – zurecht – für die Palliativmedizin “Werbung”. Beschäftigt sich mit der Frage des begleitenden Suizids und noch ein paar anderen artverwandten Themen auf die jetzt hier nicht eingegangen werden soll. Ganz klar muss man auch sagen: Nicht alle Ärzte sind nur geldgeile Geschäftsleute und viele wollen das beste für ihre Patienten und denken nicht primär an ihren Verdienst. Aber es wäre schön wenn man sagen könnte das es sich bei denen, die offensichtlich ihren Beruf verfehlt haben, um eine kleine Minderheit handeln würde. Letztendlich ist das hier – leider – auch alles nicht neu. Denn das System (Medizin/Krankenkasse/Ärzte/Pflege) leidet schon lange an diesem Problem. Deshalb ist es aber wichtig und richtig es in dieser Form nochmal und auch in Zukunft immer wieder anzusprechen. Medizin muss zum Wohle des Patienten gemacht werden und nicht um möglichst viel Geld zu verdienen. Das war immer schon so, sollte immer so bleiben, ist aber leider nicht die Realität. Und die macht nun wirklich keinen Spaß. Am Ende gibt es auch noch eine modifizierte Patientenverfügung als Anhang. Jeder sollte das Buch gelesen haben. Gebunden. 320 Seiten. 22,00 Euro (dolf)

Isbn 978-3492057769

[Trust # 183 April 2017]

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