Januar 8th, 2019

O-TON MUSIK (#188, 2018)

Posted in interview by Jan

Bremer Hardcore Offensive 2018

Als das TRUST im November 2017 von der Bremer Konzertgruppe „O-Ton Shows“ angefragt wurde, ob wir vielleicht ihre Konzerttermine abdrucken können, wurde eher im Scherz zurückgefragt, das wir wohl was machen könnten wenn sie uns alle Konzerte für 2018 durchgeben würden – mit der Antwort: „Jap zu 90% ist alles fest wir warten noch auf Zusage von 3 Bands und dann ist alles geregelt.“ hatte nun wirklich niemand gerechnet. Das war neu, das war – meines Wissens- noch nicht dagewesen, da musste nachgefragt werden. Vier der fünf Leute von „O-Ton Shows“ kamen vorbei und wir unterhielten uns den ganzen Abend. Die Leute von „O-Ton Shows“ sind so zwischen Anfang Zwanzig und Mitte Dreißig. Lest wie es dazu kam und was sie antreibt.

Stellt Euch doch erst mal kurz einzeln vor, dann die Konzertgruppe in groben Worten.

Sebastian: Ich bin Sebastian komme aus Ostwestfalen, wohne aber schon über 15 Jahre in Bremen und mir kam die Idee zu der Konzertgruppe. Weil ich ein Konzert veranstalten wollte und konnte die nirgends unterbringen also dachte ich mir, machst es selber. Daraufhin hat sich dann alles zusammengefunden so wie es jetzt ist.

Yasmina: Ich bin Yasmina, bin seit 2009 in Bremen und komme aus Schwäbisch Gmünd, ich wollte Anfangs nur bei der Essensorganisation helfen, bin aber ziemlich schnell auch mit ins Bandbooking gekommen.

Merle: Ich bin Merle, komme aus der Nähe von Oldenburg und bin seit längerem in Bremen, ich hab bei der ersten Veranstaltung mitgeholfen und daraus ist was festes geworden

Timo: Ich bin Timo, ich kenn den Sebastian schon länger und so kam ein zum anderen und auf einmal war ich dabei.

Warum habt ihr Euch für das BDP-Haus (Bund der PfadfinderInnen) entschieden.

Sebastian: Das BDP-Haus liegt direkt an der Haltestelle „Bei den drei Pfählen“ in der Straße Am Hulsberg, direkt gegenüber – sehr leicht zu finden. Es ist ein altes Backsteingebäude und sehr leicht zu erkennen. Es liegt auch noch sehr zentral, was auf für das BDP-Haus spricht. Es passen da so ca. 80 Leute in den Konzertraum. Küche, Duschgelegenheiten, alles was man braucht um Bands gut zu verpflegen ist vorhanden.

Wie ist denn der Kontakt zu dem Haus zustande gekommen, gab es den schon, weil eigentlich haben ja PfadfinderInnen und Hardcore Punk erst mal nicht so viel miteinander zu tun.

Sebastian: Als ich vor einigen Jahren zum ersten mal vom BDP-Haus hörte war ich auch stutzig, aber es gab da schon öfter Konzerte. Und ich hab auch mitbekommen das der BDP alles andere ist als ein spießige Vereinigung, sondern das die sich auch mit linkspolitischen Themen auseinander setzen, mit Asylpolitik, Migration und auch mit Gender-Fragen, setzten sich für Frauenrechte ein usw. stehen politisch auf jeden Fall schon links.

Es gibt in Bremen ja viele Läden, wenn ihr euch jetzt einen Wunsch-Laden hättet aussuchen können, wäre es das BDP-Haus geworden oder lieber ein anderer Laden?

Merle: Das passt schon ziemlich gut, wenn man sich ansieht was für politische Wurzeln Hardcore hat und für was der Verein und das Gebäude für steht.

Yasmina: Es kommt drauf an, welche Bands man bucht. Wir beschränken uns derzeit auf „Newcomerbands“ aus Deutschland und ein paar aus dem Ausland. Eben auch weil nicht so viele Leute da reinpassen.

Sebastian: Ich weiß nicht ob „Newcomerbands“ jetzt der richtige Begriff ist, also Miozän gehören da sicher nicht dazu… Hardcore ist ein Scheinriese

Yasmina: Was halt auch toll am BDP-Haus ist, ist die Bühne, es ist eine sehr kleine Bühne, man ist nah am Publikum, es ist sehr familiär. Und das finde ich im Hardcore noch viel wichtiger, als ein großer Saal der nicht so viel Gefühl vermittelt.

Merle: Und auch um den Bands zu zeigen das es noch ein anderes Stadium gibt, also nicht nur im kleineren Proberaum oder vor 500 Leute zu spielen, sondern auch was dazwischen.

Timo: Ich als Musiker muss auch sagen, ich spiele lieber in kleinen Läden, gern auch richtig klein, als auf einer Riesenbühne zu stehen was natürlich auch gut ist, weil man Platz hat und sich bewegen kann. Aber dann guckst ins Publikum und musst die Leute quasi suchen weil der Laden so groß ist.

Wie kommt man auf die Idee ein ganzes Jahr komplett mit Konzerten zu ende zu buchen, jeden Monat ein Konzert mit vier festen Bands?

Yasmina: Aus versehen (lacht)

Sebastian: Ein bisschen wahnsinnig muss man da auch sein… wir wissen natürlich nicht ob das jetzt alles so klappt wie es da steht, aber 100% Sicherheit gibt es halt nie im Leben. Und wir wollten das es als Offensive wirkt. Und eine Offensive hat man halt nur wenn man was gesammeltes hat. Und was gebündeltes hat man nicht wenn man jeden Monat Konzerte rauskleckert. Zum anderen war unsere Absicht Bands ranzuholen die wir gut finden. Wir haben wenig Bands gebucht die sich bei uns beworben haben. Wir wollten die Bands bewusst einsetzten um Bremen diesen Weckruf zu geben das Hardcore hier einen Platz findet, dann aber nicht ein bisschen sondern richtig. Das ist es nämlich was wir hier in Bremen vermissen.

Merle: Das ist halt auch ein anderes Statement, wenn man sagt wir haben jetzt für ein Jahr alles geplant.

Es sind ja 50 Bands, weil auf zwei Gigs 5 Bands spielen, könnt ihr sagen wie viele von Euch ausgesucht wurden und wie viele sich gemeldet haben?

Alle: Das waren gut 90%

Das war wahrscheinlich eine kollektive Entscheidung?

Alle: Ja.

Sebastian: Es kam auch vor das man sich irgendwo Bands angehört hat und da was geil fand und es den anderen zeigte, die das auch gut fanden und dann hat man die Band angeschrieben. Das war irgendwie schon organisch. Es war nicht von Anfang an Plan das ganze Jahr vollzubuchen. Uns war auch wichtig das es mit den Bands an dem jeweiligen Konzert auch passt, das die einen Draht zueinander haben.

Yasmina: Es war schon zufällig, es gibt uns ja erst seit Juli 2017. Wir wollten eigentlich Ende Oktober das buchen stoppen, weil wir uns sagten das sonst andere Bands niemals teil dieser Hardcore-Offensive werden können. Aber zwei Wochen später sah das dann schon wieder ganz anders aus, weil wir so viele unglaublich gute Bands gefunden haben. Wir müssen das Jahr vollmachen. So ist das entstanden, das war als kein Plan.

Sebastian: Wir haben ja jetzt nicht nur die Konzerte gebucht, sondern wir haben eine ganze Struktur aufgebaut. Wir haben uns mit der „German Hardcore Family“ vernetzt, die wiederum entwickelt mit anderen Gruppen und Booker ein Bandregister, weil wir wollen das kleine Bands Konzerte bekommen. Das Bandregister ist sowohl für kleine Booker als auch für Bands gedacht. Es sind alles ausgewählte Leute die in dem Kollektiv mitmachen und es wächst und wächst. Es fühlt sich gut an und es entwickelt sich schon etwas, wo man sagen kann, dass sich da grade wieder so eine Hardcore-Gemeinschaft aufbaut, das ist spürbar. Es ist definitiv kein Genre das tot ist.

War es ja noch nie, es dreht sich halt nur im Kreis von Generation zu Generation bzw. fängt eben immer wieder von vorne an. Das ist natürlich für Leute die schon ein wenig länger dabei sind ermüdend…. aber das nur am Rande. Gibt es denn ein definiertes Ziel der Bremen Hardcore Offensive?

Sebastian: Ich persönlich hab eines, aber das trägt auch jeder mit. Das ist ein politisches Ziel, denn ich sehe Hardcore als antifaschistische und antirassistische Bewegung. Wo Menschen die rassistisch denken nichts zu suchen haben. Ich seh die Energie – die sehen die Nazis auch, deshalb benutzen die ja jetzt auch Hardcore – weil eben die Energie da ist Leute einzunehmen und Botschaften zu präsentieren. Der Rechtsruck ist spürbar und da möchte man auch was dagegensetzten.

Wie wird denn Hardcore im Jahr 2018 von diesen ganzen jungen Bands, der „German Hardcore Family“ und Euch definiert?

Merle: Auch durch die Technisierung hat sich alles sehr individualisiert, auch wenn es darum geht sich für andere einzusetzen oder zu engagieren. Und so eine Subkultur gibt einem die Chance da was positiv zu bewegen. Also weg vom Individuum mehr hin zur Community wo man Dinge zusammen gestalten kann.

Yasmina: Ich glaube das die Bands die heute anfangen Hardcore zu spielen das Rad nicht nicht neu erfinden, sondern das es auch an die Ziele der 80iger schon anknüpft. Aktuelle Themen sind genau wie in den 80igern auch. Es hat sich wenig verbessert und das ist halt der Punkt. Also warum sollte da jetzt ein anderer Hintergrund stehen, es ist immer noch genau das selbe.

Sebastian: Wenn man sich im Hardcore in alles Richtungen umguckt findet da ja auch viel Banalisierung statt. Ich hab schon das Gefühl das immer mehr Hardcore-Bands die sich vollkommen frei machen von Sozialkritik z.B. ziemlich hohen Status erreichen. Und das diese Veranstaltungen wo diese Bands spielen auch reine Spaßveranstaltungen sind. Aber weil bei vielen Jugendlichen halt der entsprechende Hintergrund fehlt, erlebt man dann auch die Popularität von Violentdancing. Das ist eigentlich eine eigene Szene, aber man erlebt es eben auch auf Hardcore Konzerten. Da merkt man dann schon das da dieser Community-Gedanke fehlt. Das ist ein Problem, wo rumnölen nix bringt, sondern da muss man als Band oder Veranstalter bewusst Akzente setzen, indem man Bands unterstützt die dagegenhalten. Man kann Violentdancing komplett untersagen, das machen wir natürlich auch.

Yasmina: Was für mich auch wichtig ist, auch die Frau im Hardcore wieder besser zu positionieren. Es ist tatsächlich so da so gut wie keine Frauen in den Hardcore-Bands spielen. Ich bin auch so ein Mensch der gern im Pit tanzt und ich find es traurig und scheiße das ich oft die einzige Frau bin. Klar, der Pit ist hart, aber es macht Spaß. Ich kann nur jede Frau auffordern, komm mit nach vorne, schmeiß dich da rein, feier ab, es tut manchmal ein bisschen weh, aber das ist dann so. Deshalb darf der Pit nicht weicher werden, das macht nämlich richtig, richtig Spaß so 1,80 große Jungs da rumzuschubsen, einfach toll. Für uns ist es auch wichtig das die Bands einen politischen Aspekt haben, Antirassistisch, Antifaschistisch und Antisexistischen Hintergrund haben.

Ihr habt ja gesagt das euch das alles wichtig ist, aber es auch stark um Musik geht, wenn eine Band bei euch spielt, qualifiziert die sich dafür relativ leicht oder gilt es, entsprechende Hürden zu überwinden?

Sebastian: Leumund, viele Bands haben einen gewissen Ruf, sind also sozusagen auch schon geprooft. Wir wissen wenn bestimmte Bands die wir kennen uns andere empfehlen, dann können wir uns da drauf verlassen. Wir verlangen ja auch gar nicht das Bands mit Parolen um sich werfen, das ist auch überhaupt nicht erwünscht und darum geht es auch gar nicht.

Das ist natürlich super, wenn man sich da in der Szene untereinander drauf verlassen kann wenn einem eine noch unbekannte Band als cool empfohlen wird.

Sebastian: Eben und wir wollen ja auch keine Blender – so was spricht sich schnell rum, die Community ist enger als man denkt. Da ist ja Wolf Down ein interessanter Punkt, grade in dem Zusammenhang, weil das ist ja Blendertum schlechthin. So eine politische Wand vor sich herzuschieben an der wirklich alles abprallt und keine Argumentation zugelassen wird und dann enttarnt sich das ganze als eine sehr wässerige Angelegenheit.

Es scheint, das war eine von den Bands die das eine sagen und dann das andere tun. Das war schon immer ein großes Problem und wird es auch sicher noch bleiben. Das wird euch auch sicher auch passieren…..

Sebastian: Dann sind sie raus, es gibt Bandkarteikarten, da kommt ne Bewertung drauf und dann sind die raus.

Merle: Wichtig ist aber auch nicht auf so einen Generalverdacht hin zu arbeiten, sondern auch persönliche Erfahrungen zu sammeln.

Sebastian: Na klar, seine eigene Meinung sollte man sich sowieso bilden. Es kommt ja auch des öfteren vor das die Crowd hatet und das ist nicht immer automatisch gerechtfertigt.

Gibt es schon einen Plan wie es 2019 weitergeht?

Merle: Wir wollen das jetzt erst mal anlaufen lassen und dann weitersehen.

Sebastian: Kann auch sein das wir sagen wir haben da keinen Bock mehr drauf, oder es läuft super und wir können auch größere Bands buchen, keine Ahnung, mal abwarten.

Wird jedes einzelne Konzert beworben oder nur die ganze Offensive?

Yasmina: Beides.

Merle: Flyer für die einzelnen Konzerte sind dann auch gestaltet in Kollaboration mit verschiedenen Tätowierern oder Leuten die gut zeichnen können oder Spaß an Grafik haben.

Yasmina: Wir haben schon wunderschönen Plakate bisher.

Sebastian: Das ist ja auch die Idee, möglichst viele Leute ranzuholen und jeder der ein Plakat gemacht hat fühlt sich dann halt auch gleich zugehörig. Das wollen wir, in Bremen ein Zusammenhaltgefühl stärken.

Yasmina: Wir wollen jetzt das wieder aufwecken, was es mal war, hier in Bremen, es gab hier ja mal eine klasse Hardcore Szene, aber die wird ja nicht mehr wahrgenommen. Das wollen wir wieder ändern, das die Leute nicht einzeln auf Konzerte gehen, sondern das Gemeinsame wieder mehr wahrnehmen und sich auf unseren Konzerten treffen.

Merle: Und das sich auch in Bremen wieder mehr Bands in die Richtung gründen.

Sebastian: Ich hab da auch so eine gewagte These, was dieses Konzept angeht. Ich hab so ein bisschen Münster im Blick und da geht ja ziemlich viel, das ist ja so die vorzeige Hardcore-Subkulturstadt, irgendwie. Wenn ich mir da angucke was da so los ist bezüglich AfD usw. und wie die Wahlbeteiligung da aussieht… dann bin ich der Überzeugung, und ich beweg mich ja schon mein ganzen bewusst wahrgenommenes Leben in Subkulturen, das ich das durchaus auch da verorten kann. Das eine gesunde Subkultur auch ein Punkt ist, wo sich die politische Stimmung dran bemessen kann. Es ist schon spürbar das da ein politischer und kultureller Einfluss herrscht.

Merle: Aber eben nich so bevormundend sondern das sich das entwickelt.

Aber Hardcore ist ja schon auch irgendwie bevormundend…. klar: Antifaschistisch, Antirassistisch, Antisexistisch – aber es geht ja weiter: Straight Edge?

Alle: Jeder wie er will.

Merle: Ich finde sehr bevormundende Sachen auch sehr widersprüchlich zu der ganzen Sache.

Vegetarismus/Veganismus? Religion?

Merle: Ich finde es wichtig innerhalb der Szene offen über Dinge zu reden.

Offener Austausch mit Jesus-Punks und Christencore?

Sebastian: Definitiv nicht, das geht nach hinten los. Ich hab gar kein so großes Problem wenn Menschen an Gott oder Gotteswesen glauben, sie sollen mich und andere nur nicht damit belästigen.

Yasmina: Es soll jeder an das glauben was er gerne möchte, jeder die Lebensart verfolgen wie er gerne möchte, deshalb verteufel ich aber jetzt niemanden der zu unseren Konzerten kommt und einen Döner in der Hand hat…

Dann kann man auch mit Pelz kommen…?

Yasmina: Bei Pelz hört der Spaß auf. Wichtig einzig und allein ist die Musik. Das steht im Vordergrund, der Job der Musiker die Anerkennung für das was sie tun, die haben einen harten Job auf der Bühne. Es ist egal woran du glaubst und wenn du an den Schuh glaubst, solange du an diesen Schuh glaubst und Hardcore geil findest, bist du bei uns richtig.

Sebastian: Verhalt dich einfach nicht wie ein Arschloch.

Text/Interview: dolf

Both comments and pings are currently closed. RSS 2.0