April 21st, 2010

NO USE FOR A NAME (#130, 06-2008)

Posted in interview by jörg

Mich hat es selber schockiert, als ich überlegte wann ich die vier Herren von No Use For A Name das letzte Mal gesehen hatte, 1999. Fast eine Dekade und drei Alben später scheint sich das Publikum der Band jedoch kaum verändert zu haben.

Obwohl das neue Album „The Feelgood Record of the Year“ wieder energetischer und krachiger geworden ist und durchaus anregende Themen präsentiert spielt die Band heute Abend zu einem Löwenanteil Stücke von der „Lecche con Carne“.

Hat Sänger Tony Sly vielleicht nicht ganz den Nagel auf den Kopf getroffen, wenn er sagt, das Ziel sei es die beste Platte zu machen? Wenn man die Fans entscheiden liesse, gibt es diese schon. Nichtsdestotrotz hat der melodische Punk der Kalifornier seine Daseinsberechtigung nicht verloren, denn es wird immer Teenager geben, die mit geschlossenen Augen alle Stücke mitsingen und für einen Abend Glückseligkeit finden.

Genauso wird es auch immer noch diese geben, die es witzig finden wenn Bassist Matt Riddle Gitarrist Dave anklagt er sei schwul weil er enge Hosen trage und dieser ihn wiederum als Fettsack bezeichnet, auch wenn ich nicht dazu gehöre.

Irgendwie ist da ein Kontrast zwischen dem betrunkenen Tony der auf der Bühne das Mikrofon in seinem Mund verschwinden lässt, und dem eher introvertierten und desillusionierten Menschen der schläfrig meine Fragen beantwortet. Aber irgendwie findet sich die Einheit doch in Person und Band, der Spass in der Musik, und der Ernst in den Texten.

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Der erste Song der neuen Platte geht sehr nach vorne, auch inhaltlich, wenn du singst „one clip can change public opinion“, ist das auch auf den gerade laufenden Wahlkampf in den USA bezogen?

Tony: Die Leute lassen sich extrem beeinflussen von dem was ihnen in den Nachrichten vorgesetzt wird. Nachrichten in den USA spielen viel mit Dramatik, in anderen Ländern ist das bestimmt ähnlich, aber wenn hier ein Prominenter eine Aussage darüber trifft welchen Kandidaten er bevorzugt hat das riesige Auswirkungen auf die Meinung der Bevölkerung.

Sie werden für Obama stimmen ohne dafür irgendwelche rationalen Gründe zu haben, weil ein Meinugsführer im Fernsehen sie dazu aufgerufen hat. Deswegen hat George Bush zwei Amtsperioden hinter sich, die Leute informieren sich nicht über Inhalte, sonst hätten sie erkannt, dass Bush unser Land ruinieren wird und das hat er getan, beinahe.

In der Hinsicht ist das Album ja sehr zynisch.

Tony: Oh ja absolut, der Titel ist extrem sarkastisch. Er war einer von vielen Titeln auf unserer Liste aber er hat die Stimmung des Albums am Besten zusammengefasst. Ich bin jetzt nicht negativ eingestellt. ich versuche Dinge positiv zu sehen, denn wenn immer du eine Tür öffnest gibt es neue Möglichkeiten.

Du prangerst viele Verdrängungsmechanismen der Leute an, wie gehst du selber damit um eben nicht apathisch zu werden sondern wachsam zu bleiben?

Tony: Ich will kein Vorbild für unsere jungen Fans sein, ich habe keine Botschaft zu vermitteln, ich schreibe über Dinge die mich persönlich betreffen, ich nehme meine Gitarre und schreibe Texte weil das ist was ich tue und wenn ich dann Nachrichten sehe oder Magazine lese kommen Stücke wie „The Biggest Lie“ zustande.

Ich beobachte wie meine Freunde über Politik reden und wie sehr sie von den Meinungen berühmter Personen beeinflusst sind. Ich halte mich selber nicht dafür verantwortlich Leuten zu sagen, was sie denken sollen, die Texte lassen viele Interpretationen zu. Ich glaube, dass wir ein positives Lebensgefühl vermitteln.

Ich versuche verantwortungsvoll mit meiner Umwelt umzugehen, ich bin ein Vater und mein Leben dreht sich primär um die Zukunft meines Kindes, dass sie eine gute Bildung erhält und nicht auf dummer Gedanken kommt. Aber als Staatsbürger bin ich nicht derjenige der protestieren geht, aber ich tue meinen Teil durch die Band, in dem ich Themen anspreche, das ist alles was ich dazu beizutragen habe.

Die Grundstimmung des Albums hat auch viel mit Gehabe zu tun und mit deinem Gefühl, dass viele Menschen nicht zu dem Stehen was sie sagen. Bringst du das auch gerade mit der Punkszene in Verbindung?

Tony: Ja, auf jeden Fall und es regt mich total auf. So viele Leute propagieren Dinge, die Ihnen eigentlich völlig egal sind. Sie machen es nur weil es gerade in ist, die ganzen Bands die plötzlich gegen Bush waren und sich Kampagnen angeschlossen haben, das war grösstenteils ein Trend dem sie folgten und nichts Politisches.

Es ging dann auch schnell wieder unter. Ich will keine Namen nennen, denn dann wäre ich auch eins von den Lästermäulern, aber es gibt so viele Bands die dämliche Texte schreiben über angeblich politische Dinge.

Du hast ja auch ein Soloalbum gemacht und auf der neuen Platte hat mich vor allem „Sleeping Between Trucks“ an Elliot Smith erinnert, war er ein Einfluss für dich und wie bewertest du seinen tragischen Tod?

Tony: Auf jeden Fall. Ich verstehe nicht warum er dieses furchtbare Ende gewählt hat. Ich liebe seine Musik und seine Texte sind sehr ehrlich deshalb verehre ich ihn als Songschreiber. Es ist traurig, dass er tot ist und ich kann nicht nachvollziehen wie man auf dieses Level kommen kann bei dem der einzige Ausweg Selbstmord zu sein scheint. Ich kann mir nicht vorstellen, wie man in so eine Denke hinein gerät.

Generell habt ihr diesmal sehr abwechslungsreiche Genreüberschreitungen gewagt, vor allem in den Intros zu den Stücken, bei „The feelgood song of the year“ ist man fast gewillt euch in die Nu Metal Ecke zu stecken.

Tony: Ja wobei das für mich eher Hardcore Bezüge waren, weil ich so was zu der Zeit gehört habe. Die Produktion im Blasting Room mit Bill Stevenson war sehr aufregend für mich, und diese Energie wollte ich für das Album nutzen. Ich wollte das Gewicht auf Texte und Musik verteilen, gerade weil unser letztes Album „Keep Them Confused“ eher leichte Kost ist und davon wollte ich weg.

Es ist mir auch aufgefallen, dass die Ich-Perspektive sehr dominant ist, während du früher auch oft über eine dritte Person geschrieben hast

Tony: Ist mir gar nicht so aufgefallen aber viele Leute verstecken sich hinter der dritten Person, man kann sich dann eher herausreden. Wenn man aus der Ich-Perspektive schreibt ist das nicht egozentrisch sondern eher exhibitionistisch, es geht mehr um das Innenleben das nach aussen getragen wird und dazu muss man dann auch stehen.

Wie sehen deine Zukunfstpläne aus, du hast Familie, tourt ihr weniger oder könntest du dir vorstellen wie Fat Mike eher Labelarbeit zu machen?

Tony: Im Moment touren wir total viel, ich kann nicht so viel mit meiner Familie zusammen sein aber das hier ist auch mein Job mit dem ich sie finanziere, das ist auch eine Verantwortung. Ich will aber mit dem Musikgeschäft an sich so wenig wie möglich zu tun haben. Da schreibe ich lieber weiter Songs anstatt für andere Musiker zu arbeiten.

Du hängst da aber ja trotzdem mit drin, in Europa haben Fat Wreck ihr Büro jetzt geschlossen, Leute werden entlassen und das hängt ja auch mit euren Verkäufen zusammen.

Tony: Ich kann mir den Schuh nicht anziehen, da es mich ja auch mit runter zieht. Es entwickelt sich kreisförmig, wenn die Band weniger Platten verkauft und Leute entlassen werden müssen, wird sie noch weniger Platten verkaufen, weil die Pressearbeit schlechter ist. Es hängt alles voneinander ab, alles was ich machen kann ist zu versuchen gute Alben zu schreiben, aber gerade in Europa wussten die Leute grösstenteils überhaupt nicht, das wir ein neues Album haben und das ist natürlich frustrierend.

Konzerte werden immer wichtiger, weil wir dort die Platte verkaufen, aber eigentlich sollte es umgekehrt sein. Wir würden lieber mehr vom neuen Album spielen und das die Leute es schon kennen als immer wieder die alten Stücke zugebrüllt zu bekommen, On The Outside können wir kaum mehr hören, aber die Leute sind ja nicht die selben, und sie wollen es hören, also spielen wir es. Die neuen Stücke scheinen den Leuten aber auch gefallen zu haben, aber es ist komisch sie jeder Person einzeln nahe bringen zu müssen.

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Interview: Alva Dittrich

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