Militarie Gun (#218, 2023)
Militarie Gun aus Los Angeles. Sagt euch (noch) nix? Keine Sorge, die Band ist ja auch so neu, mit der hättet ihr die Tristheit des ersten Corona Lockdowns nicht mal vertreiben können. Erst seit letztem Jahr spielen sie überhaupt Konzerte und seitdem tun sie kaum was anderes. Supportshows mit großen Namen, Headliner Konzerte, auch knapp eine handvoll davon in Deutschland.
Dementsprechend war es auch gar nicht so einfach mit Sänger Ian einen Termin auszumachen, denn irgendwo unterwegs sind sie immer. Trotzdem haben wir es irgendwie noch hinbekommen, praktischerweise kurz nach Veröffentlichung ihres neuen Songpakets, welches sie zusammengepackt mit ihren vorherigen EPs unter dem Namen „All roads lead the gun“ veröffentlicht haben und zudem nach einem ausverkauften Konzert in der namhaften Saint Vitus Bar in Brooklyn.
Die Laune war also dementsprechend hervorragend um darüber zu sprechen, wie zur Hölle man an so viele Gigs kommt, was Punk- und Hardcorebands eigentlich vom Hip Hop lernen können bei Veröffentlichungsstrategien sowie von den Beatles, in Sachen Songwriting und welchen enormen Stellenwert so eine Bandgründung auch in emotional düsteren Zeiten für die jeweiligen Beteiligten haben kann.
Hi Ian, schön dass du dir die Zeit genommen hast! Ihr seid ja gerade wie immer eigentlich viel unterwegs, obwohl ihr immer noch eine sehr neue Band seid. Euer erster Gig war letztes Jahr im Juli und seitdem habt ihr über 100 gespielt.
Ian: Ich glaube es sind jetzt über 100, genau. Aber ja, wir sind konstant unterwegs seit der ersten Show, sobald wir auf Tour können, gehen wir auf Tour.
Das ist schon ziemlich beeindruckend. Plus die ganzen Supportshows für u.a. Fiddlehead, Touché Amoré, Citizen, Limp Bizkit, Viagra Boys, dann noch Gigs in Europa und UK. Meine Frage dahingehend wäre: Wie bekommt ihr das alles auf die Reihe und wie seid ihr an diese ganzen Gigs gekommen, gerade als so eine junge Band? Habt ihr Veranstaltenden und Locations einfach selbst geschrieben oder habt ihr gute Connections und eine Crew, die euch diesbezüglich supported?
Also durch meine andere Band Regional Justice Center kannte ich viele Leute, die zu Militarie Gun gefunden haben und in Verbindung damit, dass wir die Songs gemacht haben, die wir gemacht haben, haben wir nochmals Interesse geweckt und so ist das einfach passiert. Aber oben drauf kommt einfach der Wille, für uns selbst zu touren und uns zu beweisen.
Wenn du einfach zuhause rumsitzt und nichts tust, kannst du die besten Songs aller Zeiten haben, aber das heißt nicht, dass irgendwer dich auf Tour mitnimmt, das heißt nur dass du großartige Songs hast und zuhause sitzt und dann hört es niemand, weil es niemand mitbekommt.
Deshalb war das, was ich tun wollte, darum zu kämpfen dass Menschen mitbekommen dass wir existieren und das war ganz grundlegend unser ganzes Ziel. Wir wollen einfach so viel touren wie es geht, egal ob uns Bands auf Tour mitnehmen oder nicht.
Und der Fakt, dass wir dafür gekämpft haben, Aufmerksamkeit zu bekommen, brachte einige Leute dazu Notiz von uns zu nehmen und uns zu fragen ob wir mitkommen. Fiddlehead war die erste Band die uns gefragt hat und das war eine wirklich große Ehre.
Und von da aus kamen wir dann zu Angel Dust, zu Touché Amoré und dann lief es einfach so weiter. Das waren viele Leute – abgesehen von Limp Bizkit – die ich lange kannte und mit denen ich gut befreundet bin. Weißt du, wenn du mit wem befreundet bist und wenn du keine schlechte Musik machst, bringen sie dich gerne auf die Straße.
Und wie kam die Verbindung zu Limp Bizkit zustande?
Ihr Booking hat uns einfach gefragt ob wir diese Shows spielen wollen. Das waren dann 3 Shows am Ende ihrer US-Tour, wo sie keinen Opener hatten. Wir wurden erst eine Woche vor den Shows gefragt und wir meinten dann halt: Ok, klar, warum nicht? (lacht).
Es klingt echt so, dass seit ihr die Band gegründet habt, ein Highlight nach dem anderen kommt und das eine ziemlich wilde Zeit ist. Gibt es da etwas, was trotzdem nochmal besonders hervorstand in der bisher relativ kurzen Zeit?
Das, was besonders hervorsteht, ist einfach die Möglichkeit die Bühne zu teilen mit Leuten, die ich inspirierend finde. Und vom Touren mit Show me the Body, eine Band von der ich denke dass sie das Genre wirklich nach vorne bringt, oder so ein Kopf wie Pat Flynn von Fiddlehead oder sogar wie Fred Durst, den viele Leute die in meinem Alter oder etwas älter oder jünger sind, als jemanden anerkennen, der großen Einfluss auf sie hat.
Die ganzen unendlich inspirierenden Leute, auch z.B. Justice von Angel Dust, mit denen wir eine Woche oder so verbringen dürfen und mit denen wir uns austauschen und zusammen performen, das ist der besondere Part für mich, das mit anderen Bands zu teilen.
Und wie du sagst, es sind konstant Highlights gerade, alles ist der Wahnsinn, diese Termine momentan auch mit MSPaint und Dazy, die haben wir gebucht damit ich etwas tun kann, was andere Leute für uns getan haben und ich kann anderen Bands, die sie nicht kennen, aber kennen sollten, näher bringen. Und ich denke dass die unglaublich sind, mit denen wir gerade unterwegs sind und ich möchte alles in meiner Macht stehende tun, um etwas zurückzugeben.
Habt ihr denn überhaupt Zeit an neuen Songs zu arbeiten wenn ihr ständig auf Tour seid? Oder passiert das eher sobald ihr dann doch mal zuhause seid?
Ja, wir machen das so schnell wie möglich wenn wir zuhause sind in der Zeit zwischen den Touren. Aber wir haben gerade ein Album fertig und alles das, worauf wir sehr zugesteuert haben. Wir haben diese Deluxe Version unseres Materials herausgebracht und die Beziehung zu unserem neuen Label etabliert. Unser Ziel ist es dann zum neuen Jahr mit einem neuen Album weiterzumachen.
Ihr habt dazu ja auch noch ein paar Headliner Shows in Europa gespielt. Kannst du uns erzählen, ob bzw. wie schwierig es ist für noch neuere, „kleinere“ Bands, Auftrittsmöglichkeiten zu klären in Europa und was da die großen Herausforderungen sind? Denn so wie die Lage hier aus eigener Erfahrung ist, ist es so dass momentan noch recht viele Shows abgesagt werden müssen, weil die Ticketverkäufe einfach nicht ausreichen.
Ja, das ist schon richtig hart in Europa zu touren und ich denke als Amerikaner wissen wir nicht zwangsläufig, wie wir die Aufmerksamkeit von Europäern bekommen. Es ist eine andere Sache, Leute in anderen Ländern haben vielleicht ein anderes Verständnis von Kunst, Musik und Kultur. Also gehst du rüber und von was viele amerikanische Bands einfach wissen wie es geht, ist auf Tour zu gehen.
Was zwangsläufig das Ding ist, was für jede verschiedene Kultur funktioniert, sich selbst auch zu etablieren. Aber wir hatten eine großartige Zeit in Deutschland, wir hatten vier Headliner Shows und das waren natürlich absolut keine Arena Shows, aber es war eine großartige Zeit und der Fakt, dass irgendwer da drüben an unserer Musik interessiert ist, fühl sich super an!
Ja, ich hoffe mal dass ihr bald wiederkommt!
Auf jeden Fall!
Lass uns nochmal kurz einen anderen Aspekt von Konzerten ansprechen: Es gibt einen – vielen hier Lesenden wahrscheinlich bekannten – Youtube-Kanal namens Hate5six, der auch von euch einen Auftritt online gestellt hat und für mich persönlich eine der Hauptquellen ist, um neue Bands kennenzulernen. Kannst du vielleicht beschreiben, was der Kanal für eine Wirkung und für einen Einfluss auf die Szene hat und wie Bands wie ihr davon profitieren können?
Ja, Hate5six ist so was wie der große Verteiler dieser Kultur für die Welt. Er haut all diese Sachen raus und hat so ein massiv großes Publikum und es ist so schön, dass er das teilt, was passiert und Leute so eine Aufmerksamkeit dafür haben. Das lässt Bands so einfach „explodieren“. Eine Band wie z.B. Gel spielt eine Show in einem Drive-In in New Jersey und bekommt davon ein Video von Hate5six und das geht einfach viral.
Tatsächlich eines meiner Lieblingsvideos momentan!
Ja exakt, das sollte es auch, weil es einfach großartig ist, es ist interessant, es lohnt sich! Und das Ding bei Hate5six ist, dass er nicht einfach filmt, was gerade das Populärste ist. Er filmt alles. Und darüber bekommst du einen Screenshot davon, was eigentlich gerade die Kultur ist und die Zuschauenden können entscheiden, was für sie am Bedeutsamsten ist und ich denke das ist die ultimative Macht.
Wenn es einfach nur er wäre, der die größten Bands filmt, dann wäre es vielleicht weniger interessant. Aber der Fakt, dass er sich der Kultur so breit widmet, ist großartig. Wir sehen definitiv die Vorteile davon und auch viele andere Bands tun das. Er hat uns in einer unserer Lieblingsstädte gefilmt und die Art dokumentiert, wie die Leute sich zu unserer Musik bewegen, was eher speziell ist.
Ich denke du hast unser Chicago Video gesehen und wie sich Leute zu Militarie Gun bewegen im Gegensatz zu manch anderen Bands und das ist jetzt auf dem Display. Und dann sehen das mehr Leute, und mehr Leute bewegen sich so wie wir uns bewegen und ich denke das ist wichtig. Und auch wichtig für uns, denn unsere Shows sollen so aussehen wie unsere Shows und nicht wie eine tough guy Hardcore Show oder so. Wir wollen dass Leute springen und was Positives teilen und die Energie wiedergeben, die wir ihnen geben.
Ich denke so was brauchen wir hier auch! Aber lass uns mal zu eurem neuen Album kommen: Ihr habt darauf 2 EPs zusammengefügt und noch 4 neue Songs hinzugefügt. Erstmal Glückwunsch dazu, das ist wirklich ein großartiges Album. Was war die Idee dahinter, so vorzugehen und nicht z.B. erst mal 3 Singles zu veröffentlichen und dann das Album hinterher zu schieben?
Genau, in der Originalform war es eine 12 Song LP, „All roads lead to the gun“. Wir hatten dann aber das Gefühl, dass die 4 extra Songs nicht so gut waren wie sie hätten sein können, daher haben wir sie erst einmal gestrichen. Aber wir wussten immer dass wir es so haben wollten, dass es mehr oder weniger als ein Werk gesehen wird, weil es, was das Kreative angeht, genau das war: Es wurde alles in der selben Zeit aufgenommen.
Die 4 zusätzlichen Songs wurden in einer Zeitspanne geschrieben, wo alles andere geschrieben wurde, und das passte aber nicht. Ich hab zu der Zeit nicht daran gedacht, das Album aufzunehmen, sondern eher daran dass das zukünftige Veröffentlichungen sind. Aber je mehr Zeit vergangen ist, desto mehr dachte ich: Weißt du was, die passen alle doch ziemlich gut zusammen und wenn du die alle in der Reihenfolge von vorne nach hinten hörst, geht es von mehr oder weniger aggressiveren Songs zu ruhigeren Songs zum Ende hin und es ist tatsächlich eine Art „Road“.
Du reist und endest dann bei etwas Schönerem. Und das war das Ziel und ich bin dabei da angekommen, es wirklich zu mögen wie das durchgespielt wird und wir wollten, dass die Leute das dann als ein Stück hören. Und zur selben Zeit war die ursprüngliche Veröffentlichungsstrategie, einen Umgang damit zu finden, eine ganz neue Band zu sein und zum ersten Mal Musik in die Welt zu bringen und ich weiß nicht, ob eine brandneue Band, die auf einmal ein Album mit 12 Songs herausbringt, der Weg ist die Aufmerksamkeit der Leute einzufangen.
Ich weiß nicht ob das Modell das gleiche ist wie es in der Vergangenheit war. Deshalb wollten wir mehr Songs über eine längere Zeitspanne haben. Und das Modell, das Album aufzuteilen in 2 EPs, hat sich letztendlich richtig angefühlt und ich denke das war auch die richtige Entscheidung, daran festzuhalten und uns selbst eine lange Zeitspanne zu geben um Aufmerksamkeit zu bekommen.
Und damit sind wir auf Tour gegangen, haben mehr Songs veröffentlicht und die ganzen verschiedenen Sachen gemacht die dann zusammengekommen sind, das war dann die interessantere Strategie diese Songs in die Welt zu bringen.
Ich würde auch sagen, dass das eine Strategie ist, die vor allem Künstler*innen aus dem Hip Hop schon länger so fahren und die auch besser in die digitale Zeit passen.
Ja, definitiv. Rockmusik und auch Hardcore stecken sehr in der Vergangenheit fest. Wir müssen immer auf Vinyl veröffentlichen, wir müssen eine LP mit so und so vielen Songs machen. Es ist ein sehr traditionelles Genre und neue Veröffentlichungsstrategien sind ein bisschen beängstigend für Einige.
Aber ich möchte die Moderne annehmen und sagen, dass das der neue Weg ist oder der neue Weg sein kann. Ein anderer Aspekt, den wir vom Hip Hop nehmen, ist dass wir Kollaborationen lieben. Wir wollen Songs mit anderen Künstler*innen machen, weil wir glauben dass nur weil wir uns ausgesucht haben, diese 5 Menschen in einer Band zu sein, dass das nicht die einzigen sein sollten die hier zusammen Songs machen sollen.
Und es gibt so viel was du bekommen kannst, wenn du die Stimme von wem anders einsetzen kannst, das Riff von wem anders nutzt oder einfach nur Feedback einholst von Künstler*innen, die nicht in deiner Band sind. Deshalb wollen wir wirklich nach vorne gehen und nicht bei den alten Mustern des Genres bleiben. Wir wollen etwas Neues sein.
Dazu passt ja auch, dass ihr musikalisch eine recht weite Bandbreite habt. Wie steht es denn um eure Einflüsse? Ihr habt z.B. einen John Lennon Song („gimme some truth“) gecovert und ich hab auch einen Kommentar unter einem Instagram-Post von euch zu eurem Song „I can’t stand busy people“ gesehen, den ihr zusammen mit Woolworm gemacht habt, bei dem du George Harrison erwähnt hast. Ich würde mal vorsichtig davon ausgehen, dass die Beatles einen großen Einfluss auf euch haben?
Die haben einen massiven Einfluss auf mich! Eigentlich habe ich die Beatles nicht gemocht als ich jung war. Ein Freund, der sehr großen Einfluss auf mich hatte, hat mir eines Tages geschrieben und sagte: Hey, es ist Zeit für dich um in die Beatles reinzukommen und hier ist der Punkt, an dem du anfängst. Ich fing an mit „Rubber Soul“ und von dem Moment an hab ich nie wieder zurück geblickt.
Ich war davon besessen, das war alles für mich. Und es war meine Entdeckung von Musikalität, von Produktion und von all diesen Dingen auf eine völlig neue Art und Weise und ich wurde besessen davon, wusste aber nichts mit diesem ganzen neuen Wissen anzufangen und wie ich das in meine Arbeit einfließen lasse. Es war einfach ein neues Konzept für mich. In meiner anderen Band Regional Justice Center gibt es einen Schlagzeugpart, der exakt wie ein Ringo Starr Schlagzeugpart ist.
Und ich hab das auf andere Weise in dieser sehr aggressiven Band genutzt. Ich versuche mehr zu lernen über Melodien und Songwriting und wie man eine Gitarre in der Weise nutzt, wie sie das damals genutzt haben. „Don’t pick up the phone“, „I can’t stand busy people“, das John Lennon Cover, darin sind Werkzeuge die ich versuche zu nutzen, welche die Beatles mir sozusagen vorgelegt haben mit ihrer Musik.
Ich bin froh dass du die Story mit dem Post zu „I can’t stand busy people“ hier aufbringst: Es war so dass wir uns gedacht haben, dass wir mit den Leuten von Woolworm einen Song zusammen machen wollten und die meinten so: Wir sollten einen Song machen der so klingt wie George Harrison. Ich hatte dieses Instrumental komplett auf Demo, genau so wie es jetzt ist, aufgenommen auf meinem iPhone und das ist auch die Art wie die finale Version jetzt ist.
Ich habe das so versendet, hatte dieses Beatles 7-Akkord-Schema, es war melodisch und in einem merkwürdigen Rhythmus und es war irgendwie aufregend jemanden zu haben der sagt: Wir sollten was kreieren was klingt wie George Harrison und ich sagen kann: Ja, ich hab hier so ein beatlesmäßiges Ding und er war völlig verblüfft davon als ich es ihm gesendet hab, weil er nicht glauben konnte dass ich so eine Referenz einfach am Start hatte.
Das klingt für mich auch so als wärst du ein ziemlicher Multi-Instrumentalist und so eine Art musikalisches Mastermind innerhalb der Band?
Ja, ich schreibe die ganze Musik. Es gibt ein paar Beiträge von den anderen Mitgliedern, aber davon abgesehen fangen die meisten Songs im Schreibprozess mit einem Demo an, das komplett von mir mit allen Instrumenten gespielt wird.
Um das nochmal breiter zu fassen: In meinen Augen gibt es in letzter Zeit immer mehr Bands in der Hardcore- und Punkszene, die versuchen genretechnisch „outside the box“ zu denken und neue Einflüsse mit einbringen und experimentieren und nicht nur in einem, lass uns sagen, „klassischen“ Sound zu bleiben. Siehst du das ähnlich und würdest du sagen, das ist auch eine Richtung für deine Band für die weitere Zukunft oder bist du der Meinung dass ihr auch immer bei euren Hardcore-Wurzeln bleiben solltet und das auch klar hörbar sein soll?
Für mich ist es so, dass wenn man bei seinen Wurzeln bleibt, genau das eigentlich heißt zu experimentieren. Die ursprüngliche Tradition von Hardcore und Punk war es ja, anders zu sein. Und dass es weniger um einen eigentlichen Sound geht, sondern um die Energie, die Hardcore umgibt. Bad Brains haben Reggae-Songs, Minutemen haben Funk-Basslines, Hüsker Dü haben Chord Pedals und Akkustikgitarren benutzt. Und das war alles Hardcore.
Deshalb, diese Idee dass Hardcore nach so einem bestimmten Schema abläuft, verletzt eigentlich diese ursprüngliche Idee des Genres. Daher sind wir meines Erachtens sehr traditionell in dem Sinne der ursprünglichen Tradition von Hardcore. Und in dem Sinne sind wir immer gewillt uns zu ändern und etwas entstehen zu lassen, was uns an einem Song am meisten interessiert. Und so ein Song kann niemals kopiert werden, ansonsten wäre es uninteressant.
Das Ziel ist also uns immer nach unserem Interesse zu richten und wo immer uns das hinführt, dort werden wir letztendlich landen. Für mich wäre es langweilig, das Gegenteil davon zu tun, also wenn ich mir immer nur Sorgen darum machen müsste irgendwo noch einen Breakdown oder einen schnellen Part unterzubringen. Ich denke auf emotionaler Ebene wird das auch in den Texten so reflektiert. Wenn du einen uninspirierten Song hast, wie willst du da etwas reinstecken, was darauf aufbauend lyrisch emotional inspirierend ist?
Wo du gerade eure Texte angesprochen hast: Du hältst die Texte ja in der Regel sehr kurz. Das sind keine langen Pamphlete, aber dafür sehr auf den Punkt und wie du auch schon meintest, emotional. Ich kann mir vorstellen dass das oft schwieriger ist zu schreiben, insbesondere wenn es so gut funktioniert wie bei euch. Willst du dich damit auch selbst im Schreibprozess herausfordern oder ist das einfach der Stil den du hast, und es kommt dann so wie es kommt?
Es ist wirklich so, dass es kommt wie es kommt. Die Texte sind tatsächlich bis zu einem gewissen Grad Freestyle. Der Prozess ist so, dass wenn ich ein Demo aufnehme, habe ich oft eine Zeile die ich aufgeschrieben habe und wenn ich dann diese eine Zeile singe, singe ich mehr Zeilen die einfach in dem Moment in meinen Kopf kommen. Und das ist ist auch der Grund warum die Texte so einfach und direkt gehalten sind. Da gibt es keinen Ansatz, etwas zu überdenken. Ich denke nicht in dem Sinne poetisch oder darüber, besonders smart zu sein oder wie das bei Leuten ankommt. Ich sage buchstäblich einfach das was mir so einfällt und nur ganz selten ändere ich nochmal die Texte.
Also wenn ich so durch die Notizen gehe von den Ideen, die ich so habe, wie beim Song „Don’t pick up the phone“, ist der einzige Text den ich geschrieben habe für den Song „don’t pick up the phone when you are on drugs“. Alles andere kam spontan. Für „Let me be normal“ war das einzige „I’m sick of the freak show“.
Davon abgesehen ist jedes einzelne Stück ein Gedanke, der in dem Moment kommt wenn ich das Demo aufnehme. Ich denke du kannst über etwas schreiben, das erst mal unbewusst ist, das dich stört und du denkst dann so am Ende deiner Arbeit: Oh, ich war in dem Moment offenbar verärgert über dieses oder jenes und ich musste das ansprechen und dann reflektiere ich das im Nachgang auch rational, worüber ich denn verärgert war.
Die Themen der Texte behandeln auch – korrigiere mich da gerne – oft Emotionen wie Unsicherheiten, Wut, Frustration, Enttäuschungen usw. Also häufig recht düstere Situationen und Gefühle, zumindest ist das so mein Eindruck. Ohne etwas überinterpretieren zu wollen, aber steht das vielleicht in Verbindung mit eurer Heimatstadt Los Angeles und den dortigen Eindrücken, die du so sammelst?
Ich würde nicht sagen, dass es unbedingt mit dem Leben in Los Angeles zusammenhängt. Ich bin selber so eine Art düstere Person, habe einen düsteren Sinn für Humor, ich habe mit vielen Dingen zu kämpfen wie Erinnerungen und Sachen, die mich emotional triggern. Und das sind so die Sachen die dann beim Schreiben dabei herauskommen.
Die Band war wirklich eine Art Aufgabe, einen Lebenswillen finden zu müssen und die Band hat so einen Hang zum Drama in den Texten, weil die Aufgabe darin bestand entweder dies zu tun oder zumindest zu einem gewissen Grad aufzuhören zu existieren. Das war zumindest so das doch recht dramatische Gefühl zu der Zeit.
Und ich habe mich so in dieses Drama hineingelehnt nach dem Motto, mein Leben ist vorbei, „All roads lead to the gun“. Weil, weißt du, wenn du traurig und niedergeschlagen bist fühlst du das in dem Moment. Es ist zwar irgendwie ein unangenehmes Ding rückblickend, dennoch möchte ich das als Dokument unverändert da lassen, sodass Leute die Emotion fühlen die ich zu der Zeit gefühlt habe oder sie fühlen es jetzt oder haben es gefühlt und verstehen das.
Es ist nicht einmal ein bewusstes Ziel, es ist einfach die Art und Weise wie es kommt aufgrund der Art wie ich selber bin. Es kommt auch nicht darauf an diese Dunkelheit in meinem Kopf zu verstecken, aber das Gute ist dann ja auch vielleicht zu realisieren, dass diese Dunkelheit eine hässliche Sache ist, weil viele Leute das nachvollziehen können.
Ich dachte dass „Don’t pick up the phone“ ein wirklich düsterer Song sei, und dann erlebe ich es aber jede Nacht so, dass Leute mir zurückschreien „I want money, I want love“ und ich merkte, dass das gar nicht so düster ist, sondern eigentlich ziemlich schön und ich liebe es, dass die Leute es lieben wie einfach und dumm die Texte sind, weiß du (lacht). Es ist nicht überheblich, es sind einfach die Tatsachen.
Und das ist sicherlich bei weitem keine dumme Sache, lass mich das noch sagen.
Ja!
Was können wir denn von euch im nächsten Jahr noch erwarten? Ihr tourt auf jeden Fall wieder.
Ja, wir spielen eine Support Tour für die Band „White Reaper“, die wir sehr lieben und worüber wir sehr aufgeregt sind. Nächstes Jahr haben wir dann unser eigentliches Debüt-Album draußen und ich kann mir vorstellen, dass wir unendlich touren werden, auch mit mehr Reisen nach Europa. Das wird wahrscheinlich die stressigste Zeit in unserem Leben, aber es ist sehr aufregend nach vorne zu schauen auf alles was kommt.
Das klingt doch großartig, wie gesagt, ich hoffe euch dann hier zu sehen!
Das hoffe ich auch! Danke dir!
Danke dir auch für deine Zeit!
Interview: Nils Donhauser